Skip to main content

28.07.2023 | Anlageberatung | Interview | Online-Artikel

"Die Bafin hat Testkäufe zur regulatorischen Praxis erklärt"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Zum zweiten Mal hat die Aufsichtsbehörde Bafin in einer Mystery-Shopping-Aktion die Anlageberatung in Deutschland untersucht. Ihr Fazit ist ein "gemischtes Bild". Was das im Detail für die Branche bedeutet, erläutert Regulatorikexperte Udo Kersting.

springerprofessional.de: Wie sieht ein solcher Testlauf der Bafin in der Praxis aus? 

Udo Kersting: Eine gute Praxis ist hier der Einsatz von realen Personen, die tatsächlich die gewünschte Wertpapierdienstleistung anfragt. Die Bafin spricht von geschulten Testkäufern. Allerdings hat die Behörde nicht den vollständigen Prozess von der Beratung bis zur Orderausführung getestet. Damit wird nur ein Teil der Dienstleistung und die für diesen Teil relevanten regulatorischen Anforderungen untersucht. Das unterscheidet die Tests von jenen, die durch kommerzielle Anbieter durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen und Studien geben den Finanzdienstleistern oft einen ganzheitlicheren Überblick über ihre Leistung im Vergleich zu anderen. 

Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, spricht bei Vorstellung der Ergebnisse Mitte Juli von einem "gemischten Bild". In 67 Prozent der Testergebnisse wurde zum Beispiel keine Ex-ante-Kosteninformation ausgehändigt. Was bedeutet dieser Mangel kurz- und mittelfristig für die Anbieter? 

Die Anbieter haben das Feedback von der Bafin erhalten und werden diesen Mangel abstellen müssen, um nicht weitergehende Konsequenzen zu riskieren. Auch Brüssel schaut bei diesen Fragen des Verbraucherschutzes sehr genau hin. Die Aushändigung der Ex-Ante-Kosten ist allerdings erst vor Erteilung einer Order durchzuführen, es sei denn es handelt sich um ein Vermögensverwaltungsmandat. Häufig wird dieses technisch und automatisiert umgesetzt. Die Bafin selbst hat diese Tatsache erkannt und damit ein Stück weit die Aussagen ihrer eigenen Ergebnisse verwässert. 

In welchen anderen Bereichen stellte die Aufsicht noch dringenden Optimierungsbedarf fest? 

Die Bafin hat zudem geprüft, ob die Geeignetheitserklärung ausgehändigt und ob Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt wurden. Hier ist tatsächlich erstaunlich, dass viele Kunden nicht über die Geeignetheit der gewünschten Dienstleistung oder des Wertpapieres aufgeklärt wurden. Ich gehe davon aus, dass die Aufsicht diesen Mangel bei den geprüften Häusern klar adressiert hat.  

Wie haben die betroffenen Häuser auf den Tadel reagiert? Was würden Sie den Verantwortlichen raten? 

Beratungsprozesse lassen sich heute mit begleitender Software regulatorisch konform umsetzen. Der klassische Ansatz, dass jeder Berater jeweilige Portfolios sehr individuell strukturiert und den Prozess manuell dokumentiert, ist heute schlicht nicht mehr umsetzbar. Transparente Kosten, Geeignetheit und Nachhaltigkeit sowie ein gemäß den Wünschen des Kunden strukturiertes Portfolio sind der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg.

Können ihnen neue Technologien bei der Umsetzung helfen? 

Viele Banken haben mit Hilfe einer solchen Advisory-Software Beratungsprozesse definiert, die alle Facetten der Regulatorik berücksichtigen. Ich würde Banken dringend raten, ihre Berater durch eine solche Lösung zu unterstützen. Das hilft nicht nur in der Umsetzung der Regulatorik, sondern steigert auch die Effizienz in der Beratung. Gute Softwarelösungen sind dabei so konzipiert, dass sie alle Wünsche des Kunden, alle Restriktionen und Vorgaben automatisch mit den Anlagemodellen abgleichen und einen regulatorisch konformen Beratungsprozess ermöglichen. Mit den richtigen Tools sind dann auch sehr flexible Modelle möglich. 

Wo machen Banken und andere Finanzdienstleister ihre Sache vorbildlich? 

Wir sehen viele Banken, die ihre Beratung vorbildlich organisieren und technisch unterstützen. Eine Voraussetzung besteht hier oft darin, dass Häuser bereit sind, für die Beratungsprozesse Software-Lösungen einzusetzen. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass auch die Umsetzung der Nachhaltigkeitspräferenzen heute schon vielfach gut gelöst wird. 

Werden die Test-Ergebnisse künftige Regulierungsprozesse beeinflussen? Wenn ja, wie? 

Die Bafin hat Testkäufe zur regulatorischen Praxis erklärt. Diese wird die standardisierte Prüfung dauerhaft ergänzen. Ich erwarte, dass die Behörde zukünftig auch die Post-Trade-Verpflichtungen und die regelmäßigen Tätigkeiten, wie Verlustschwellen-Informationen und Restriktionsüberwachungen, in den Fokus nehmen wird.  

Dieser zweite Test ist deutlich breiter angelegt als der erste im Jahr 2021, auch wenn sich die Behörde auf 16 Institute und 100 Testkäufe beschränkt hat. Müssen in Zukunft noch deutlich mehr Anbieter mit einem Bafin-Check rechnen?  

Davon ist auszugehen. Umfassendere Tests hinsichtlich des Samples aber auch hinsichtlich der Untersuchungsgegenstände werden wohl folgen. 

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren