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12.03.2020 | Anlagenbau | Schwerpunkt | Online-Artikel

Auf dem Weg zur CO2-neutralen Produktion

verfasst von: Christoph Berger

5 Min. Lesedauer

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Die produzierende Industrie zählt zu den größten Treibhausgas-Emittenten Deutschlands. Einzelne Unternehmen gehen bei der Reduzierung der CO2-Emissionen zwar vorbildhaft voran, doch insgesamt ist die CO2-Neutralität noch weit entfernt.

Die Hannover Messe 2020 wird zwar aufgrund der weltweiten Entwicklungen rund um den Coronavirus verschoben, die Messeschwerpunkte für dieses Jahr bleiben jedoch bestehen und spiegeln die Entwicklung in den Industriebranchen wider: Neben den Themen Leichtbau, künstlicher Intelligenz oder Industrie 4.0 sind dies Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Unternehmen aller Branchen haben sich laut dem Messeveranstalter auf den Weg zu CO2-neutraler Produktion und Circular Economy gemacht.

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2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

Globale Herausforderung: Ersatz fossiler durch regenerative Brennstoffe

Energie ist nicht alles, aber ohne Energie läuft gar nichts. Hierbei hat jedoch die Energieversorgung der heutigen technisierten Gesellschaften tief-dunkle Wurzeln. Sie beruht auf der Ausbeutung unterirdischer Lager von Kohle, Erdöl und Erdgas.

Dass sich Unternehmen nicht nur auf den Weg gemacht haben, sondern bereits voll in die Themen eingestiegen sind, zeigt das Beispiel Bosch. Das Unternehmen gab 2019 bekannt: "Ab 2020 werden die über 400 Bosch-Standorte weltweit – von der Entwicklung über die Produktion bis zur Verwaltung – keinen CO2-Fußabdruck mehr hinterlassen." Um die CO2-Neutralität umzusetzen, werde das Unternehmen kurzfristig mehr Ökostrom zukaufen und unvermeidbare CO2-Emissionen mit Kompensationsmaßnahmen ausgleichen, bis 2030 werde man dann sukzessive den Anteil an regenerativen Energien erhöhen, sowohl in der Eigenversorgung als auch im Zukauf. Und: Es werde eine Milliarde Euro in die Energieeffizienz der Standorte investiert.

Es braucht die Sektorkopplung

Ähnliches ist beim Automobilhersteller Daimler geplant. Mercedes-Benz Cars verkündete das Ziel, dass bis 2022 alle deutschen Werke über eine CO₂-neutrale Energieversorgung verfügen sollen. Künftig solle sämtlicher zugekaufter Strom für die acht Fahrzeug- und Powertrain-Werke zu 100 Prozent nachweisbar aus regenerativen Quellen stammen, wie beispielsweise aus Wind- und Wasserkraft. Dies entspreche etwa drei Vierteln des benötigten Strombedarfs in den deutschen Werken. Der Rest des Strombedarfs werde in eigenen hocheffizienten Gas-KWK Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) erzeugt. Die dabei entstehenden CO₂-Emissionen würden durch qualifizierte Kompensationsprojekte ausgeglichen.

Dass aber auch noch viel getan werden muss, ist den im Kapitel "Globale Herausforderung: Ersatz fossiler durch regenerative Brennstoffe" des Springer-Fachbuchs "Künstliche Photosynthese" aufgeführten Zahlen zu entnehmen. Demnach erreicht Deutschland zwar heute einen Beitrag der erneuerbaren Energien von fast 40 Prozent – ein für eine Industrienation ohne die Option massiver Wasserkraftnutzung erstaunlich hoher Anteil, die Autoren schreiben aber auch: "Der vergleichsweise hohe Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung führt in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings zu einer Überschätzung ihrer derzeitigen Rolle im Gesamt-Energiesystem. Denn insgesamt trägt der Stromverbrauch nur zu ca. 30 Prozent zum gesamten Endenergiebedarf Deutschlands bei (29 % in 2015). Im Gegensatz zur Stromerzeugung ist der Anteil erneuerbarer Energien in den Bereichen Verkehr und Wärme (welche zusammen die restlichen ca. 70 Prozent der Energiebilanz ausmachen) weitaus kleiner." Als ein Grund dafür wird unter anderem die mangelnde "Sektorkopplung" genannt, ein Begriff, der im Kapitel "Effizienz durch Sektorenkopplung" des Springer-Fachbuchs "Systemeffizienz bei regenerativer Stromerzeugung" erklärt wird.

Ein Sofortprogramm für die Grundstoffindustrie

Ein weiteres Manko bei der Erreichung des Ziels "Klimaneutralität bis 2050 für Europa", auf das Ziel wird ausführlich im Fachartikel "European Green Deal und deutsche Energiewende zusammen denken!" der Springer-Fachzeitschrift "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 2/2020) eingegangen, haben das Denk- und Politiklabor Agora zusammen mit dem Wuppertal Institut im Fehlen einer dezidierten Klima- und Innovationspolitik für die Grundstoffindustrie sowie eines Business Case für CO₂-neutrale Technologien ausgemacht. In ihrer im November 2019 vorgestellten Studie "Klimaneutrale Industrie" schlagen sie daher ein Sofortprogramm für die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie mit sieben Punkten vor:

  1. Staatliche Förderung klimafreundlicher Produktionsverfahren, sogenannte Carbon Contract for Difference (CfD), in den Sektoren Stahl, Chemie und Zement. Die Förderhöhe soll über Ausschreibungen ermittelt werden.
  2. Einführung einer Klima-Umlage auf Endprodukte wie Stahl, Aluminium, Zement und Plastik, um die CfD-Förderung zu refinanzieren
  3. Selbstverpflichtung des Bundes, bei größeren Bauprojekten klimafreundliche Materialien zu verwenden und klimafreundliche Fahrzeuge zu nutzen.
  4. Quote für grünen Wasserstoff auf den Absatz von Erdgas: Sie soll zum Aufbau von Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff beitragen.
  5. Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, um langfristig Stoffkreisläufe zu schließen und so die Verbrennung von Abfall und den Einsatz neuer Rohstoffe zu vermindern.
  6. Europäische Koordination durch Einführung dieser Instrumente auch auf EU-Ebene
  7. Eintreten der Bundesregierung für einen globalen CO2-Preis auf UN-Ebene

Prinzipiell, so Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts: "Zwischen 2020 und 2030 steht in der Industrie eine große Reinvestitionsphase an – dies ist eine große Chance für den Klimaschutz." Da in den kommenden zehn Jahren mehr als die Hälfte der energieintensiven Anlagen in der Stahlerzeugung und in der Chemieindustrie erneuert werden sowie fast ein Drittel in der Zementindustrie müssten, bräuchten die Unternehmen jetzt neue politische Rahmenbedingungen, um zukunftsgerichtete Investitionen tätigen zu können – immerhin hätten konventionelle Anlagen eine Lebensdauer von mehr als 50 Jahren.

Die Reduktion von CO₂-Emissionen kommt an

Und was macht die Politik? Im April 2019 hat unter anderem das sogenannte Klimakabinett seine Arbeit aufgenommen, dessen Beschlüsse gesetzlich verbindliche Klimaziele für die Sektoren Verkehr, Energie, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft erarbeitet haben. Am 18. Dezember 2019 ist das Klimaschutzgesetz in Kraft getreten. Aufgezeigt wird darin unter anderem, wie viel CO₂ jeder Sektor noch ausstoßen darf. Die Bundesministerien sind verpflichtet, für die Einhaltung der jährlichen Emissionsziele in den einzelnen Sektoren zu sorgen: in der Energiewirtschaft, der Industrie, im Gebäudebereich, im Verkehr, in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Abfallwirtschaft.

Gesetzliche Vorgaben zur Erreichung der Ziele sind eine Möglichkeit. Die Unternehmensberatung nennt zudem noch eine zweite. Demnach werde die Eigeninitiative der Unternehmen in Bezug auf Klima- und Umweltschutz sowohl von den Belegschaften als auch dem Kapitalmarkt sowie den Endverbrauchern positiv aufgenommen. Zunehmend zähle für alle die ökologische Performance.

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