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10.02.2023 | Bafin | Gastbeitrag | Online-Artikel

Bafin-Merkblatt zur Lebensversicherung unter der Lupe

verfasst von: Udo Pickartz

5 Min. Lesedauer

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Das Geschäft mit Lebensversicherungen steckt in einem Wandel, der von politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und technologischen Faktoren getrieben wird. Das stellt Versicherer vor enorme Herausforderungen, eröffnet aber auch neue Perspektiven, um zukünftig profitabel zu wirtschaften.

Vor wenigen Monaten war eines der größten Probleme der Lebensversicherer, wie sie im langjährigen Niedrigzinsumfeld Gewinne erwirtschaften sollten, um die garantierten Zinsen, insbesondere von Altverträgen, zu erfüllen. Diskutiert wurde, ob Unternehmen ihre Solvenzkapitalquoten würden einhalten können und ab welchem Punkt die Aufsicht eingreifen müsse. Auch die europäische Regulierung, neue Wettbewerber wie Neobrokern oder Nachhaltigkeitsanforderungen veränderten das Umfeld. 

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Die Versicherungsbranche sieht sich einem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Der verstärkte Kampf um neue Kunden rückt dabei die Kundenzufriedenheit immer mehr in den zentralen Fokus.

Bafin kritisiert zu geringen Kundennutzen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat vor geraumer Zeit einen "Merkblattentwurf zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Versicherungen" veröffentlicht. Darin fasst die Behörde die Informationen älterer Rundschreiben zusammen und aktualisiert diese. Sie kritisiert am Markt der kapitalbildenden Lebensversicherungen, die als Ziel den Aufbau von Vermögen zum Zweck der Altersvorsorge haben, einen oft zu geringen Kundennutzen und macht dies - wie bereits in der Vergangenheit - an hohen Provisionen und Kosten fest, die die Anbieter vom eingezahlten Kapital der Kunden abziehen. 

Der Zweck der privaten Altersvorsorge zeige sich regelmäßig daran, dass ein Produkt eine laufende Beitragszahlung und die Leistung für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vorsieht. Hier bestehe ein angemessener Kundennutzen dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielt werden könne, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt. Die Bafin definiert so einen realen Anlageerfolg und nimmt für die Inflationserwartung einen Wert von zwei Prozent an.

Prüfung bei erhöhten Effektivkosten

In ihrem Papier hat die Bafin zudem ihren risikoorientierten Aufsichtsansatz näher erläutert, den sie im Umgang mit den Lebensversicherern künftig verfolgen wird. Demzufolge wird die Aufsicht "vor allem die Versicherer näher prüfen, bei denen die Effektivkosten der kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte im Branchenvergleich deutlich erhöht sind". Dazu gehören Unternehmen, deren Verträge Effektivkosten im oberen Viertel der Branche aufweisen. Auch sollen Anbieter geprüft werden, die durch hohe (Abschluss-)Provisionen auffallen. 

In den Fokus der Bafin rückt darüber hinaus, wer besonders viel Neugeschäft schreibt, hohe Stornoquoten hat oder hohe Povisionen zahlt und sich damit vom Markt abhebt. en, Auch wenn das Merkblatt derzeit nur als Entwurf vorliegt, zeichnet sich die Veränderunge der Kontrolltätigkeit bereits ab. Versicherungsnehmer, aber auch Marktteilnehmer dürfen auf das Ergebnis gespannt sein.

Faktischer Provisionsdeckel möglich

Die gute Nachricht zuerst: Einen festen Provisionsdeckel, also eine absolute Obergrenze der Provision, die ein Versicherer für die Vertriebstätigkeit zahlen darf, wird es wohl nicht geben. Der veränderte Aufsichtsfokus und die Sorge der Versicherer, in diesen zu geraten, kann in der Praxis zu einer faktischen Obergrenze führen, da sich Unternehmen bemühen, nicht als einzige den höchsten Provisionssatz zu zahlen.

Weiterhin macht die Bafin deutlich, dass sie keinen weiteren Spielraum sieht, als ihn der Gesetzgeber in den geltenden Normen (zum Beispiel § 48 b VAG) festlegt. Danach sind sogenannte Sondervergütungen verboten. Diese wird vom Gesetzgeber als Oberbegriff verwendet und schließt die Provisionsabgabe ein. Gemeint sind sämtliche Zuwendungen, die nicht die Versicherungsleistungen betreffen, nicht geringwertig sind und nicht unter gesetzliche Ausnahmeregelungen fallen.

Somit gilt das gesetzliche Provisionsabgabe- und Sondervergütungsverbot. Es richtet sich an Versicherungsunternehmen sowie deren Angestellte. Der Adressatenkreis des Verbots geht aber trotz seiner Stellung im Aufsichtsrecht darüber hinaus und erfasst auch Versicherungsvermittler - also Versicherungsvertreter und Makler sowie alle natürlichen und juristischen Personen, die eine Vertriebstätigkeit ausführen. Damit werden beispielsweise auch Vergleichsportale erfasst.

Kritik an der Überwachungspraxis

Ausnahmen müssen im Gesetz angelegt sein. Hierzu gehören unter anderem Fälle, in denen das Vermittlerverhältnis nur begründet wurde, um den Vermittlern derartige Zuwendungen für eigene Versicherungen zukommen zu lassen sowie für alle Vermittler in Fällen, in denen die Provisionen zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung der vermittelten Verträge verwendet werden.

Kritik an der gängigen Überwachungspraxis gibt es etwa aufgrund unterschiedlicher Verwaltungspraxis. Diese entsteht, weil für Vermittler und ihre Angestellten die Industrie- und Handelskammern beziehungsweise andere Landesbehörden zuständig sind. Hier kann es zu Rechtsunsicherheiten kommen.

Neue Geschäftsmodelle denken

Fraglich ist aber, ob die Bafin überhaupt den richtigen Fokus legt. Die Entwicklung führt schon lange weg von der klassischen kapitalbildenden Versicherung hin zu Fondsprodukten. Aktuelle Studien belegen zudem, dass der Digitalisierungsgrad bei Versicherern ist im Vergleich zu anderen Sparten und Branchen noch gering ist. Assekuranzen werden zukünftig wohl durch Digitalisierung, Prozesseffizienz und Fokussierung ihren Wettbewerbsvorteil im Markt entwickeln, denn ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal wird im Bereich der Kosten liegen. Es zeichnen sich auch bei Versicherern veränderte Geschäftsmodelle ab: Denkbar ist zum Beispiel, einfache Produkte mit niedrigen Abschlusskosten bei digitalen Services anzubieten. 

Auch der Trend hin zu nachhaltigen Produkten und Kunden, die etwas für Klima und Umwelt tun wollen, sollten Versicherer nicht unterschätzen. Hieraus entwickeln sich bereits heute Ökosysteme mit Anbieter, die entsprechende Produkte entwickeln und vermarkten. 

Geschäftsmodelle an Zielgruppen ausrichten

Auch ist zu erwarten, dass in Zukunft mehr Biometrie-Produkte auf dem Markt kommen oder sich Tarife auf gesundheitsbewusste Zielgruppen fokussieren. Möglich ist ferner klassisches Cross Selling über Sparten hinweg - etwa mit neuem Fokus auf die Absicherung biometrischer Risiken wie Tod, Invalidität und Critical Illness im Rahmen von Immobilienfinanzierungen. Es werden sich zudem Zielgruppenversicherer entwickeln, die sich auf bestimmte Nischen konzentrieren. Dies können zum Beispiel kostenbewusste Verbraucher sein aber auch Risikolebensversicherungen für bestimmte Sportarten oder eine Altersvorsorge für spezielle Berufsgruppen.

Klar ist, die genannten Modelle müssen nicht parallel, sondern können auch gemeinsam auftreten und so bestimmte Anbieter für kostensensible Verbraucher interessanter machen. Alle Innovationen, angepasste und neue Geschäftsmodelle müssen sich dabei an den geltenden Regeln orientieren und messen lassen.

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