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11.08.2021 | CSR-Reporting | Interview | Online-Artikel

"Die CO2-Bilanz sollte als Ganzes betrachtet werden"

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Christian Hell

Christian Hell ist Partner im Bereich Sustainability Services bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Deutschland.

Durch das Homeoffice steigen die zuhause erzeugten Treibhausgas-Emissionen. Was das für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen bedeutet, erläutert Christian Hell, Partner im Bereich Sustainability Services bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG AG.

Springer Professional: Bislang galten für Unternehmen, die im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes zu einer nicht-finanziellen Erklärung verpflichtet sind, CO2-Emissionen aus dem Homeoffice als nicht relevant für den Nachhaltigkeitsbericht. Kann/wird diese Regel Bestand haben?

Christian Hell: Die Covid-19-Pandemie stellt seit ihrem Ausbruch viele Dinge infrage. Das beinhaltet neben den Auswirkungen auf die Mitarbeitenden auch Folgen für das Klima- und Umweltmanagement von Unternehmen. Dort, wo auf Dauer weniger Mitarbeitende ins Büro kommen, können Flächen verkleinert oder anderweitig genutzt werden. In Kombination mit weiteren Effekten, wie beispielsweise einem Rückgang an Dienstreisen, können dann andere Themen in den Vordergrund rücken – wie etwa die CO2-Emissionen aus dem Homeoffice. Die Relevanz des Themas lässt sich dennoch nicht für alle Unternehmen pauschal bejahen oder verneinen. Als Faustregel kann jedoch gelten, dass für produzierende Unternehmen eine geringere Relevanz gegenüber Dienstleistungsunternehmen bestehen wird.

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Empfehlen Sie Unternehmen, künftig grundsätzlich – auch wenn bei ihnen nur in geringem Umfang im Homeoffice gearbeitet wird – die dort verursachten Emissionen in die Berichterstattung einzubeziehen? Und wie sieht es mit Co-Working-Spaces oder Remote Work an wechselnden Orten aus?

Eine grundsätzliche Empfehlung zur Berichterstattung lässt sich so nicht aussprechen, jedoch zur Prüfung, ob entsprechende Emissionen nicht bereits relevant sind oder in Zukunft relevant sein werden. Den anerkannten Standards zur CO2-Berichterstattung folgend sollten alle wesentlichen Emissionsquellen erfasst und berichtet werden. Dabei steckt der Teufel wie so oft im Detail: So liegen beispielsweise für Emissionen aus der Nutzung von Co-Working-Spaces je nach Umfang und vertraglicher Ausgestaltung oftmals schon Daten vor. Gleiches kann für Remote Work gelten, etwa für Unternehmen mit einem hohen Anteil an Außendienstmitarbeitenden. Entsprechende Emissionen sind in diesem Fall gegebenenfalls schon als Dienstreise, als Pendeln der Mitarbeitenden oder über den Betrieb der Fahrzeugflotte zum Teil miterfasst.

Wie können Unternehmen die im Homeoffice oder bei anderen Remote-Work-Modellen entstehenden Emissionen erfassen? Welche Faktoren müssen berücksichtigt werden?

KPMG hat dazu Anfang 2021 das Whitepaper "Neue Normalität, neue Wesentlichkeit" veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass zwei grundsätzliche Ansätze denkbar sind: Unternehmen können etwa alle Verbräuche, die auch im Rahmen der Büroarbeit anfallen würden, auf den Kontext des Homeoffice oder anderer Arbeitsmodi übertragen. Alternativ ist es möglich, eine Datenerfassung und Berichterstattung nur anhand der für die Arbeitserbringung notwendigen Verbräuche aufzubauen. Dementsprechend fallen die zu berücksichtigenden Faktoren auch weiter oder etwas enger aus: Während der erste, eher konservative Ansatz auch Emissionen aus dem Betrieb von Allgemeinflächen, Tiefgaragen und Aufzügen berücksichtigen würde, die im Homeoffice eher seltener eine Rolle spielen, würden im zweiten Ansatz tendenziell nur Faktoren wie der für den Betrieb der elektronischen Arbeitsmittel sowie für die Beleuchtung anfallender Strom und Energie für das Heizen beziehungsweise Kühlen der Räume berücksichtigt werden.

Inwieweit haben Unternehmen Möglichkeiten, die Emissionen, die durch Remote Work verursacht werden, zu steuern respektive zu senken?

Im Gegensatz zu eigens angemieteten oder gekauften Flächen wirkt sich eine Verschiebung der Arbeitserbringung in das Homeoffice und andere Formen von Remote Work auch auf die operative Kontrolle und damit auf die Steuerungsmöglichkeiten von Unternehmen aus. Das bringt entsprechende Herausforderungen für das Klima- und Umweltmanagement mit sich. Infolgedessen rücken Richtlinien und vor allem auch Incentivierungen stärker in den Vordergrund, als es bei der Senkung von Emissionen aus dem regulären Bürobetrieb der Fall ist. Allerdings sollte auch hier die CO2-Bilanz als Ganzes betrachtet werden, da durch eine flächendeckende und regelmäßige Verlagerung der Arbeitserbringung in das Homeoffice das Wegfallen des Pendels per PKW in vielen Fällen einen Einspareffekt bieten kann, der größer ist als die durch das Homeoffice zusätzlich dem Arbeitgeber zugeschriebenen Emissionen.

Wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch das Einbeziehen der verschiedenen Arbeitsorte komplizierter und wenn ja, warum?

Nicht unbedingt. Falls Emissionen aus Homeoffice und Remote Work für ein Unternehmen wesentlich sind, sollte das den Stakeholdern gegenüber durch die Berichterstattung auch transparent dargestellt werden – ohne jedoch Komplexität und Umfang für Externe maßgeblich zu erhöhen. Rein intern bindet ein neues Thema erst einmal Ressourcen, auch das ist klar. Mittelfristig gilt es allerdings auch hier wieder, Themen einer Wesentlichkeitsbestimmung folgend zu priorisieren und Ressourcen entsprechend zu allokieren. Im Idealfall wird der interne Prozess der Berichterstattung also nur dann spürbar aufwändiger, wenn die Emissionen aus Homeoffice und Remote Work für das Unternehmen auch wirklich wesentlich sind.

Worauf ist zu achten, um das Prozedere möglichst einfach zu gestalten?

Allem voran eine gesunde Portion Pragmatismus. Die Detailtiefe von Daten und Berechnungsmodellen ist heutzutage nahezu endlos. Umso wichtiger ist es, eine der Aufgabe gewachsene, effiziente Methodik zu entwerfen und darauf abgestimmte Prozesse zu etablieren. In unserem Whitepaper sprechen wir zum Beispiel über die Möglichkeit, die Daten für den Heiz- und Kühlbedarf durch einen Faktor entsprechend der Gradzahltage präziser abzubilden. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt auf der Hand. Viel wichtiger ist jedoch die Frage, ob dieser Teilaspekt eine wesentliche Auswirkung auf die CO2-Bilanz, ihre Berichterstattung und die Steuerungsmöglichkeiten des Unternehmens hat. "Form follows function" gilt eben nicht nur als Leitsatz für Architektur und Produktdesign, sondern auch für unternehmerische Prozesse.

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