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Free Access 2022 | Free Access | Buchkapitel

„Die Liste der Demotivations-Grausamkeiten ist lang“: Führungsqualität

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Zusammenfassung

Interviewt wurde: Silke M. Jürgensen ist Organisationspsychologin und berät Unternehmen.
Interviewt wurde: Silke M. Jürgensen ist Organisationspsychologin und berät Unternehmen (Abb. 1).
Motivierende Mitarbeiterführung ist für manche Chefs nach wie vor eine Kunst. Während beim einen der Kontrollzwang regiert, waltet beim anderen Laissez-Faire-Haltung. Wie so oft liegt der beste Weg in der Mitte, so Springer-Autorin Silke M. Jürgensen im Interview.
Springer Professional: Ende der Machtposition!?, fragen Sie im Titel Ihres Buches. Warum fällt es noch immer so vielen Chefs schwer, Kontrolle in ihrer Führungsrolle abzugeben?
Silke M. Jürgensen: Es geht nicht darum, Kontrolle ganz abzugeben, sondern um eine Balance aus Vertrauen und Kontrolle, die Freude und Erfolg fördert, statt zu verhindern. Wenn das nicht klappt, gibt es sehr unterschiedliche Ursachen. Manchmal liegt es schlicht an einer nicht zeitgemäßen Sicht auf Mitarbeiterführung à la: Chefs sind dazu da, Mitarbeitern zu sagen, was sie zu tun haben, und dies detailliert zu kontrollieren.
Manche Führungskräfte denken, sie können es besser als ihre Mitarbeiter. Wenn nicht Führungspotenzial, sondern Fachexpertise als wichtigstes Auswahlkriterium für Führungskräfte gilt, ist das ja tatsächlich oft so. Es wird nur nicht besser, wenn der Chef immer eins draufsetzt und der Mitarbeiter sich denkt: „Was soll ich mir bis ins Letzte Gedanken machen? Meine Führungskraft sagt mir ohnehin, wie sie es haben will beziehungsweise macht ja am Ende sowieso den Feinschliff.“ So kommt oft folgender Teufelskreis in Gang: „Mein Chef übergibt mir keine Verantwortung“ vs. „Mein Mitarbeiter übernimmt keine Verantwortung“. Enge Kontrolle kuriert dann nur am Symptom. Auch verbreitet sind in diesem Zusammenhang Unsicherheit, Kompensation mangelnden Selbstwerts, Geltungsdrang, aber auch Angst vor Konsequenzen, wenn etwas schief geht.
Inwiefern profitiert die Führungsqualität, wenn Teams eigenverantwortlicher arbeiten?
Einer meiner Auftraggeber formulierte mal sehr treffend: „Je mehr ich delegierte, desto größer wurde mein Einfluss“. Der Erfolg einer Führungskraft ist ja kein individueller Erfolg mehr, sondern vermittelt durch ihr Team. Haben Sie ein starkes Team, fällt das ebenso auf Sie zurück, wie wenn Sie über Ihre unfähigen Mitarbeiter jammern.
Und wenn Sie selbst ständig mit aufgekrempelten Ärmeln im Maschinenraum werkeln, kommen Sie Ihrer eigentlichen Führungsaufgabe meist nicht ausreichend nach. Dazu gehört, sich auf die Zukunft vorzubereiten, anstatt nur den Erfolg von heute zu sichern. Nur so können Sie auf fortgeschrittenem Level erfolgreich sein. Ein Fußballtrainer ist auch nur gut, wenn er Profi darin ist, sein Team erfolgreich zu machen. Nicht, wenn er selbst den ganzen Tag spielt.
Weniger Macht heißt nicht automatisch weniger Führung. Wie kann Führungskräften der Spagat zwischen Laissez-faire und Mr. Kontrolletti gelingen?
Ganz genau – es gibt Führungskräfte, die Selbstorganisation mit Laissez-faire verwechseln. Aber auch weitverbreitete Irrtümer rund um Kontroll- und Anreizsysteme machen letztlich die Führungskraft überflüssig und untergraben echte Motivation und Spitzenleistung.
Moderne Mitarbeiterführung ist quasi Dienstleistung für beste Leistungsfähigkeit, -möglichkeit und -bereitschaft. Es geht darum, das Team zu unterstützen, stark zu sein – und zukünftig zu bleiben. Kontrolle dient nicht primär der Prüfung des Mitarbeiters, sondern ist positive Aufmerksamkeit für das Team und letztlich Qualitätscheck für die eigene Führungsarbeit: Passt alles? Oder brauchen meine Mitarbeiter etwas von mir – sei es eine Information, Instruktion, Feedback, Entscheidung, Austausch, Arbeitsmittel? Muss ich mein Führungsverhalten nachjustieren? Das ist eine ganz andere Perspektive auf die Führungsaufgabe Kontrollieren.
Es gibt zudem individuelle Unterschiede, wie viel Aufmerksamkeit und Feedback Menschen brauchen. Da wir selbst die Wirkung unseres Verhaltens auf andere nur begrenzt einschätzen können, gilt im Zweifelsfall: Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, etwa ob die Balance zwischen Vertrauen und Hinschauen passt. Wohl dem, der ein so gutes Verhältnis zu seinem Team aufgebaut hat, dass er Wünsche und Ideen zu hören bekommt. Das hängt stark davon ab, wie Sie reagieren, vor allem wenn Sie mal Kritik hören.
Wie Mitarbeiterführung wirklich gelingt, heißt der Untertitel Ihres Buches. Das möchte ich Sie auch fragen … Wie?
Wenn Sie allen Ihren Mitarbeitern gegenüber die sieben Führungsaufgaben in ausreichendem Maße nach den Regeln der Kunst wahrnehmen – und die Organisationsstruktur Ihnen das erlaubt – ist schon sehr viel erreicht. Vor allem, wenn Sie das mit dem Herzen am rechten Fleck tun. Denn es hilft sehr, wenn man als Führungskraft Menschen grundsätzlich mag. Sonst wäre das so, wie wenn ich als beratende Dipl.-Psych. sagen würde: Psychologie finde ich ja spannend – aber mit Menschen hab ich’s nicht so …
Welche demotivierenden Verhaltensweisen sollten Führungskräfte dabei unbedingt vermeiden?
In der Praxis ist immer mal wieder folgende Demotivations-Spirale zu beobachten: Mitarbeiter fühlen sich durch das Verhalten der Führungskraft demotiviert. Daraufhin wird versucht, diese Mitarbeiter durch Motivationstechniken stärker zum Laufen zu bringen. Das geht häufig am eigentlichen Thema vorbei, und Mitarbeiter fühlen sich nicht ernst genommen, wenn sie sich quasi als Objekte von Motivationsbemühungen fühlen. Am Ende sinkt die Motivation der Mitarbeiter erst recht. Und die der Führungskraft ebenso, denn sie ist enttäuscht, dass die Mitarbeiter trotz ihrer Bemühungen nicht mitziehen.
Die Liste der Demotivations-Grausamkeiten ist lang – und die meisten lassen sich als Mängel bei der Ausübung der sieben Führungsaufgaben einordnen. Fehlen Respekt und Anerkennung, lässt sich das jedoch nur begrenzt durch technische Perfektion im Führungshandwerk wett machen.
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Metadaten
Titel
„Die Liste der Demotivations-Grausamkeiten ist lang“: Führungsqualität
verfasst von
Andrea Amerland
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39452-3_2

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