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08.11.2023 | Digitale Währungen | Interview | Online-Artikel

"Der digitale Euro eröffnet Möglichkeiten für Innovationen"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6:30 Min. Lesedauer

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An den digitalen Euro knüpfen EZB, Wirtschaft und Politik viele Hoffnungen. Warum diese berechtigt sind und welche Hürden das virtuelle Geld überwinden muss, um Erfolgsgeschichte zu schreiben, erläutert Accenture-Experte Nils Beier.

Laut der Europäischen Zentralbank (EZB) soll der digitale Euro Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen und für "sämtliche digitalen Zahlungen im gesamten Euroraum genutzt werden". Allerdings stehen die technischen Details und rechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht final fest. Was bedeutet diese Entscheidung für den Zahlungsverkehr in Europa und dessen Wettbewerbsfähigkeit? 

Die Einführung eines digitalen Euros hat das Potenzial, eine neue Ära des digitalen Zahlungsverkehrs einzuleiten. Er würde nicht nur vorhandene Zahlungsmethoden ergänzen, sondern auch als erweiterte Bezahlmöglichkeit mit eigener Abwicklungsinfrastruktur den Wettbewerb fördern. Endverbraucher und Händler würden von einer breiteren Auswahl an Zahlungsoptionen profitieren, was den Zahlungsverkehr resilienter und effizienter macht - und den Anforderungen an Modernisierung und Digitalisierung im Zahlungsverkehr für über 340 Millionen potenzielle Nutzer in Paneuropa gerecht wird. Auf internationaler Ebene könnte der digitale Euro sowohl neue Standards für Interoperabilität setzen und die Souveränität europäischer Zahlungsanbieter stärken als auch die Finanzstabilität und die Rolle des Euros als Währung fördern. 

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Der E-Euro wird aller Voraussicht nach kommen. Auf die Kreditinstitute wartet damit eine weitere Herausforderung. Technische Fragen sind derweil aber noch ebenso unklar wie mögliche neue Geschäftsmodelle.

Bank-Analysten gehen zum Teil davon aus, dass der Nutzen im privaten Zahlungsverkehr überschaubar bleibt. Welche Auswirkung wird das virtuelle Geld auf Verbraucher in der Praxis aus Ihrer Warte haben? 

In Europa gibt es bereits sehr benutzerfreundliche elektronische Zahlungsmethoden - das ist richtig. Allerdings haben hier wenige große Zahlungsanbieter Zugriff auf eine Vielzahl sehr privater Daten. Anonymität ist also nicht gegeben, was Bargeld heute so attraktiv macht. Diese Lücke im elektronischen Zahlungsverkehr kann der digitale Euro als erstes elektronisches Zahlungsinstrument, das fast so privat wie Bargeld ist, ausfüllen. Das Eurosystem wird keinerlei persönliche Daten erhalten und auch gegenüber Banken soll der digitale Euro sehr privat ausgestaltet werden. 

Ein weiterer positiver Effekt: Durch den erhöhten Wettbewerb können Verbraucher mittel- bis langfristig von niedrigeren Gebühren und neuen innovativen Services profitieren. Zudem würde der digitale Euro den Zugang zu digitalen Zahlungen für alle Europäer gewährleisten und finanzielle Inklusion fördern.

Rechnen Sie mit Widerständen bei Bürgerinnen und Bürgern - etwa in Bezug auf die Datensicherheit? 

Ja, damit ist zu rechnen. Obwohl der digitale Euro aktuell noch weit von der flächendeckenden Einführung entfernt ist, gibt es große Bedenken. Viele Menschen fürchten, dass der Staat Zugriff auf persönliche Zahlungsdaten erhält, stärker überwacht, staatliche Kontrollen verschärft und parallel Bargeld abgeschafft werden könnte. Viele fragen sich, warum ein digitaler Euro überhaupt notwendig ist, wenn bereits elektronische Zahlungsmethoden vorhanden sind, und warum die EZB im Endkundenbereich aktiv wird, anstatt dies dem freien Markt zu überlassen. Auch die Verwendung von Steuergeldern und ein möglicher Misserfolg bereiten vielen Menschen Sorgen, ebenso wie die Schaffung technischer Mittel, die initial zum Guten eingesetzt werden, aber auch missbraucht werden könnten.

Das sind alles Bedenken und Fragen, die ihre Berechtigung haben. Es ist an der EZB, diese zu adressieren und für die weitere Entwicklung zu berücksichtigen. Wenn die bestehenden technischen Möglichkeiten genutzt werden und der digitale Euro weitgehend privat ausgestaltet wird, können viele Bedenken schon heute ausgeräumt werden. 

Wie schätzen Sie insgesamt die Risiken des künftigen digitalen Geldes ein? 

Risiken bestehen natürlich, genau wie bei anderen Zahlungsinstrumenten auch - sollten mit entsprechenden Vorkehrungen aber händelbar sein. Ein großes Risiko ist die Cyber-Sicherheit. Um Angriffen entgegenzuwirken, werden Banken und das Eurosystem die höchsten Schutzmechanismen und -techniken ergreifen. Ein weiteres, vielleicht nicht ganz so naheliegendes Risiko ist die Resilienz gegen mögliche Naturereignisse und andere Katastrophen. Der digitale Euro muss beispielsweise auch bei Stromausfällen sicher und weiterhin verfügbar sein. Entsprechend hoch sind die Anforderungen des Eurosystems an die zentrale Infrastruktur. Redundante Rechenzentren, die verteilt über ganz Europa arbeiten, können hier Abhilfe schaffen.

Wie bei jedem neu eingeführten Zahlungsmittel wird außerdem das Betrugsrisiko erhöht sein, da anfangs noch keine Transaktionshistorien existieren, von denen gute Betrugsbekämpfung abhängt.

Für Banken und Sparkassen dürfte die Einführung sicher einige Veränderungen mit sich bringen. Können Sie uns diese kurz skizzieren? 

Zunächst wäre der digitale Euro erstmal ein neues Produkt im Zahlungsmarkt. Dem entsprechend wären Banken und Sparkassen gefordert, dieses umfassend zu integrieren und an ihren Betrieb anzupassen. Die Echtzeitabwicklung von Zahlungen mit dem digitalen Euro erfordert etwa organisatorische und prozessuale Umstellungen. Im Falle eines tokenbasierten digitalen Euros kämen weitere Veränderungen auf Banken und Sparkassen zu. Sie sollten daher die Vorbereitungsphase der EZB unbedingt für eine detaillierte Kosten-Nutzen-Betrachtung, Evaluierung der Paymentstrategie und Impact-Analyse nutzen. 

Welche Vorteile bringt das digitale Zentralbankgeld den Instituten und welche neuen Geschäftsmodelle lassen sich daraus entwickeln - für private wie Firmenkunden? 

Vier klare Vorteile des digitalen Euros sind bereits heute ersichtlich: erstens eine kostenlose zentrale Abwicklungsplattform, zweitens verschiedene zentrale Funktionen wie etwa Vor-Autorisierungen, drittens eine uneingeschränkte pan-europäische Reichweite und Akzeptanz und viertens einheitliche Standards für Zahlungen durch ein europaweites Rulebook. 

Insbesondere als Token eröffnet der digitale Euro Möglichkeiten für Innovationen wie Machine-to-Machine-, Pay-per-Use- und Internet-of-Things-Zahlungen. Hier wären dann auch programmierbare Zahlungen und die Integration in die Blockchain-Ökonomie als zusätzliche Potenziale für neue Geschäftsmodelle denkbar. Weitere Potenzial bergen Regierungszahlungen an Personen und Unternehmen, Geschäfts-zu-Geschäft-Zahlungen und internationaler Interbanken-Zahlungsverkehr.

Nun ist die Einführung des digitalen Euros nicht kostenlos zu haben. Wo fallen die Kosten an? Stehen Kosten und Nutzen aus Ihrer Sicht im Verhältnis? 

Um konkrete Zahlen zum jetzigen Zeitpunkt zu nennen, ist es zu früh. Insgesamt dürften die Kosten für die Einführung aber in die Milliarden gehen und sich auf unterschiedliche Akteure verteilen. Das Eurosystem übernimmt beispielsweise die Kosten für die Digital Euro Service Plattform (DESP), die als öffentliches Gut kostenlos zur Verfügung stünde und keine Gebühren für die Abwicklung und das Scheme-Management erheben würde. Bei den Banken würden vor allem Kosten für die Integration, den Roll-out, den Betrieb und das Marketing anfallen. Angesichts der hohen Integrationskosten, limitierter Transaktionsgebühren und unklarer Zusatzerträge aber auch durch die erwartbaren Verlagerungen von Transaktionen weg von profitablen Produkten sind die Bedenken vieler Banken bezüglich ihrer Profitabilität also durchaus berechtigt. 

Für den stationären Handel würde die Einführung eine aufwendige Umstellung der Hardware-Terminals zur Folge haben. Ob für Banken oder Einzelhändler - entscheidend ist die Einführung innovativer Value-Added-Services, um die Akzeptanz auf allen Seiten sicherzustellen. 

Welche Schritte stehen nun bei diesem Projekt an? Ist der Zeitplan realistisch? 

Grundsätzlich scheint der Zeitplan der EZB realistisch zu sein, hängt aber von verschiedenen Faktoren ab. Die EZB startet jetzt zunächst in eine zweijährige Vorbereitungsphase, in der weiter intensiv experimentiert und getestet wird. Parallel wird an gesetzlichen Leitplanken gearbeitet, die wiederum in der weiteren Entwicklung berücksichtigt werden müssen. Voraussichtlich wird die Gesetzgebung aber erst nach den EU-Wahlen im Oktober 2024 vorangetrieben und finalisiert, was Auswirkungen auf den Endtermin der nächsten Phase Ende 2025 haben könnte.

Welche Rolle haben dabei die deutschen Banken und die Bundesbank bei der weiteren Entwicklung? 

Eine ganz entscheidende - zumindest können sie diese einnehmen. Indem deutsche Banken sich in der nächsten Phase zum Beispiel an den Tests und Experimenten aktiv beteiligen, können sie die weitere Konzeption mitgestalten. Zudem können sie bereits jetzt mit der Konzeption neuer Geschäftsmodelle starten. Und auch die Deutsche Bundesbank muss sich als Akteur innerhalb des Eurosystems positionieren. Als Teil des Eurosystems wird sie typischerweise zentrale Komponenten und Infrastruktur entwickeln und betreiben. Dies wäre für den Finanzplatz Frankfurt nicht unerheblich. 

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