Skip to main content

Open Access 29.12.2023 | Aufsätze

Digitalisierung und Regulierung am Arbeitsmarkt

verfasst von: Enzo Weber

Erschienen in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz stehen in der Agenda der Debatte um die Zukunft des Arbeitsmarkts seit Jahren an erster Stelle. Die Corona-Krise hat der Digitalisierung im Arbeitsleben nochmals einen plötzlichen Schub gegeben. Die Transformation der Wirtschaft und die Weiterentwicklung von Sozialstaat und Arbeitsgesellschaft stellen die entscheidenden Herausforderungen dar. Dieser Artikel diskutiert einige Kernfragen und politische Gestaltungmöglichkeiten: Grundeinkommen, Weiterbildungspolitik, Robotersteuern und soziale Sicherung.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Unbedingt ein Grundeinkommen?

Die öffentliche Diskussion über die Zukunft der Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung wurde lange von Vorstellungen von selbstfahrenden Autos, menschenleeren Fabriken oder vollautomatischer Logistik dominiert. Dies schafft Ängste vor einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen und einem Rückgang der Beschäftigung in der Zukunft. Gleichzeitig hat dies zu intensiven Debatten über ein bedingungsloses Grundeinkommen geführt: Während die Produktivität steigen würde, würde ein deutlicher Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze den Einkommensverteilungsmechanismus in Frage stellen, auf welchem unsere Arbeitsgesellschaften derzeit beruhen.
Dieser Beitrag argumentiert, dass die Ersetzung bestehender Arbeitsplätze – oder zumindest von Aufgaben – durch Technologie zwar erfolgen wird und immer stattgefunden hat, dies aber nur eine Seite der Medaille ist. Die Zukunft der Arbeitsmärkte wird komplexer sein. Dies wird in der makroökonomischen, betrieblichen und internationalen Dimension diskutiert.
Eine erste Einschätzung kann getroffen werden, indem man die Unternehmen direkt zu den Folgen der Digitalisierung befragt (Weber 2019). Abb. 1 zeigt die Ergebnisse einer repräsentativen Betriebsbefragung in Deutschland. Die Befragten sind der Ansicht, dass die Digitalisierung die Arbeitsproduktivität steigern wird. Das bedeutet, dass – ceteris paribus – die gleiche Leistung mit weniger Arbeitseinsatz erbracht werden kann. Der rote Balken könnte also tatsächlich die Arbeitsplatzsubstitution widerspiegeln. Die Betriebe erwarten aber auch weitere Auswirkungen, unter anderem auf neue Produkte, Investitionen, Weiterbildung und Datenschutz. Hierbei handelt es sich durchweg um zusätzliche Aktivitäten. Entsprechend wären alle blauen Balken mit neuen Aufgaben verbunden, welche Arbeit schaffen – die andere Seite der Medaille.
Daraus folgt, dass eine realistische Bewertung der Folgen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt die Berücksichtigung einer Vielzahl von Aspekten erfordert: Arbeitsplätze verschwinden, neue Arbeitsplätze werden geschaffen, Anforderungen und Aktivitäten ändern sich, die Produktion wird effizienter, neue Produkte werden geschaffen, Einkommen wird generiert und in den Wirtschaftskreislauf eingebracht, Arbeitsangebot und -nachfrage sowie Löhne und Preise passen sich an. Eine bekannt gewordene makroökonomische Simulationsstudie, die diese Auswirkungen der 4.0-Digitalisierung auf die deutsche Wirtschaft umfassend analysiert, findet sich in Wolter et al. (2016). Hierbei wurde der QuBe-Modellrahmen verwendet, welcher eine umfassende Modellierung der deutschen und globalen Makroökonomie mit einem detailliert abgebildeten Arbeitsmarkt verbindet. In diesem Rahmen wurde ein Szenario mit Annahmen zu einer Vielzahl relevanter ökonomischer Parameter konstruiert, welche die Umsetzung einer Wirtschaft 4.0 bis widerspiegeln, und mit einer Basisprojektion verglichen.
Abb. 2 zeigt die Arbeitsmarktdynamik, die sich in diesem Szenario ergibt. Bis zum Jahr 2025 würde es zu einem Verlust von ca. 1,5 Mio. Arbeitsplätzen kommen, die im Basisszenario noch vorhanden waren, aber auch zur Schaffung von 1,5 Mio. zusätzlichen Arbeitsplätzen in anderen Bereichen. So zeigt das Beschäftigungsniveau trotz höherer Dynamik keine wesentlichen Veränderungen.
Diese Ergebnisse basieren zwar auf Szenariosimulationen, können aber durch die Analyse der Effekte bereits in den Unternehmen realisierter Digitalisierung auf betrieblicher Ebene bestätigt werden. Warning und Weber (2018) nutzen die IAB-Stellenerhebung, eine jährliche Betriebsbefragung zu offenen Stellen, Personalbedarfen und Einstellungsprozessen. In dieser Erhebung wurden zusätzlich Fragen zu Digitalisierungstrends auf Betriebsebene gestellt, nämlich zur Digitalisierung interner Wertschöpfungsprozesse, der externen Verbindungen (zu Kunden und Zulieferern) und dem Einsatz lernender Systeme. Diese Trends können dann unter Berücksichtigung zahlreicher Kontrollvariablen mit der betrieblichen Personalpolitik verknüpft werden. Sie stellen fest, dass digitalisierende Unternehmen keine höheren Entlassungsquoten haben, oder, wenn solche vorliegen, werden diese von ähnlich gestiegenen Einstellungsquoten begleitet. Daher lassen sich keine negativen Beschäftigungseffekte feststellen, aber auch hier wird die Dynamik des Arbeitsmarkts stärker. Für Unternehmen, die ihre internen Geschäftsprozesse digitalisieren, finden Warning und Weber (2018) sogar deutlich höhere Anteile an abgebrochenen Suchprozessen und wirtschaftliche Einschränkungen durch Personalmangel. Somit gäbe es sogar zusätzliches Beschäftigungspotenzial, wenn diese Stellen besetzt werden könnten.
Nach der vorliegenden Evidenz wird es also auch künftig möglich sein, Einkommen über den Arbeitsmarkt zu verteilen. Die Corona-Krise hat die Debatte um angemessene staatliche Maßnahmen zur Förderung des Arbeitsmarkts neu belebt. Mit Blick auf die vielen aus der Not geborenen Hilfsprogramme wird auch argumentiert, dass ein unbedingtes Grundeinkommen eine Volkswirtschaft besser für Krisenfälle wappnen würde. Effektiver wirkt es dagegen, aktiv direkt an der Funktionsweise des Arbeitsmarkts anzusetzen: So hilft das Kurzarbeitergeld in großem Stile dabei, Entlassungen zu vermeiden. Angesichts der niedrigen Einstellungsdynamik wäre spiegelbildlich ebenso eine finanzielle Unterstützung für Neueinstellungen anzuraten. Konzepte wie in Merkl und Weber (2020) wurden schließlich in Deutschland und vielen anderen Ländern umgesetzt. So droht bei den Berufseinsteigern eine Generation Corona zu entstehen, deren Erwerbsintegration auch längerfristig Schäden davonträgt (z. B. Möller und Umkehrer 2015). Auch liegt der Fokus der Einstellungsförderung auf der Schaffung von neuen Jobs, wohingegen das Kurzarbeitergeld Gefahr laufen kann, bereits überkommende Strukturen zu erhalten. Zudem sollte systematisch in Qualifizierung investiert werden, um einer Verschleppung des Strukturwandels und einer Verfestigung von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken – ein hoher Beschäftigungsstand erhält sich im Strukturwandel nicht von selbst, sondern nur, wenn der Wandel aktiv begleitet und bewältigt wird. Auch zeigte die Krise, dass die soziale Sicherung an sich funktioniert, aber doch einige Lücken aufweist, gerade bei Selbständigen. Diese Punkte werden im Folgenden angesprochen.

2 Welche Weiterbildungspolitik brauchen wir?

Wolter et al. (2016) betrachten auch die Struktur der Beschäftigungsgewinne und -verluste. Abb. 3 zeigt, dass die Nachfrage nach komplexen und hochkomplexen Tätigkeiten um ca. 800.000 steigt, während diese bei ungelernten (−60.000) und insbesondere fachlichen Tätigkeiten (−770.000) abnimmt. Die Entwicklung hin zur Wirtschaft 4.0 wird sich offenkundig auch auf den mittleren Qualifikationsbereich des Arbeitsmarkts auswirken, während die seit den 1960er-Jahren übliche Automatisierung vor allem die Zahl der gering qualifizierten Arbeitsplätze reduzierte. Die vieldiskutierte Polarisierung der Beschäftigung findet sich in diesen Ergebnissen nicht, da keine Verschiebung hin zu niedrigqualifizierten Jobs festgestellt wird. Vielmehr geht es um einen Trend zu Höherqualifizierung.
Insbesondere typische Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe wie z. B. Materialbearbeitung, Maschinenbedienung oder Instandhaltung gehen zurück. Aber auch Büro- und kaufmännische Dienstleistungsberufe wie im Finanz- oder Rechnungswesen sind betroffen, verbunden mit einem hohen Anteil an Routineaufgaben, die vergleichsweise leicht programmierbar sind. Im Gegensatz dazu nehmen IT- und Wissenschafts- sowie Lehrberufe zu, ebenso wie Arbeitsplätze im sozialen Bereich, die nur bedingt automatisierbar sind, aber von Einkommens- und Nachfragesteigerungen aufgrund steigender Produktivität profitieren.
Weiterhin zeigen breite Studienergebnisse zu Kompetenzanforderungen jenseits formaler Qualifikation, dass im Zuge der Digitalisierung nicht nur IT-Fähigkeiten, sondern vor allem allgemeine Kompetenzen deutlich an Bedeutung gewinnen. Warning und Weber (2018) untersuchen, welche Qualifikationen digitalisierte Betriebe bei der Einstellung von neuem Personal im Vergleich zu nicht-digitalisierenden Betrieben benötigen. Im Allgemeinen handelt es sich um Kompetenzen, die durch Kurse erworben wurden, die über die Erstausbildung hinausgehen. Damit rückt die Weiterbildung offenkundig in den Mittelpunkt. Vor allem soziale und kommunikative Fähigkeiten sind gefragt. Die neuen Möglichkeiten der intelligenten Digitalisierung werden verschiedene Geschäftsprozesse integrieren und verschiedene Teile von Unternehmen zusammenwachsen lassen. Daher wird es immer wichtiger, über den eigenen Job oder Bereich hinauszublicken und mit Beschäftigten in anderen Berufen kommunizieren zu können. Arntz et al. (2016) stellen deutlich höhere Anforderungen bezüglich Kommunikationsfähigkeit, Prozessdenken, Lernfähigkeit, Abstraktionsvermögen und Kreativität bei Betrieben fest, die in Industrie‑4.0‑Produktionsmittel investieren. Warning et al. (2022) stellen zudem fest, dass der Einsatz von KI zu deutlich höheren Anforderungen an die Fähigkeit zur Selbstorganisation führt. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zeigt die Analyse von Warning und Weber (2018), dass mit der Digitalisierung von den Beschäftigten teilweise eine höhere zeitliche Flexibilität gefordert wird. Dazu gehören Termindruck, Überstunden und wechselnde Arbeitszeiten. Die stärksten Auswirkungen zeigen sich jedoch in wechselnden Arbeitsinhalten. Das bedeutet, dass die Arbeitsplätze im Allgemeinen vielfältiger werden. Sie könnten somit also anspruchsvoller, aber auch bereichernder werden – für diejenigen, die die Anforderungen erfüllen können.
Dafür wird in der Weiterbildungspolitik ein proaktiverer Ansatz benötigt. Bisherige Regeln sahen etwa Fördermöglichkeiten für eine Person nur alle vier Jahre vor und das auch nur, wenn der Job vom Strukturwandel bedroht ist. Dabei zeigt sich ein sehr defensiver, an Defiziten orientierter Ansatz: Es geht darum, Beschäftigte durch punktuelle Maßnahmen zu retten, wenn sie ins Hintertreffen geraten sind. Bei der Entscheidung für oder gegen Weiterbildung stellt sich aber gerade der Abstand vom Bildungssystem und vom Lernen an sich als wesentliche Hürde heraus. Um die Beteiligung entscheidend zu verbessern, wäre also eine substantielle Förderung auf kontinuierlicher Basis nötig. Das neue Weiterbildungschancengesetz berücksichtigt diese Erkenntnisse bereits in einigen Neuregelungen. Die Qualifizierungspolitik sollte bereits unmittelbar an die Erstausbildung anknüpfen (Weber 2020), so dass Erstausbildung und Weiterbildung verbunden werden.
Schließlich wird die Transformation der Wirtschaft auch häufiger berufliche Umorientierung nötig machen. Neben dem Recht auf Nachholen eines Berufsabschlusses ist die zentrale Frage, unter welchen Bedingungen sich auch qualifizierte Beschäftigte auf den Weg zu einer neuen Ausbildung machen können. Dabei kann es um komplette Berufswechsel gehen, oder es wird innerhalb eines Berufsfeldes die Ausrichtung geändert. Für derartige Entscheidungen kann mit professionellen Beratungsangeboten wichtige Orientierung gegeben werden. Teilweise Anrechnungen von bisher erworbenen Kompetenzen können Übergänge erleichtern. Dass Menschen mit Familie nach 20 Jahren im Job noch einmal für ein paar hundert Euro Ausbildungsvergütung in die Lehre gehen, darf aber als illusorisch gelten. Wir brauchen also für Zweitausbildungen ein BAFöG, das sich an den Bedarfen von Menschen in der Mitte des Berufslebens orientiert.
Zudem müssen gerade Zeiten der Rezession Zeiten der Weiterentwicklung und Qualifizierung sein. Um den Arbeitsmarkt möglichst ohne bleibende Schäden wieder aus der Corona-Krise herausbringen, muss ein Veralten von Qualifikationen vermieden werden. Denn dadurch würde eine Verfestigung von Arbeitslosigkeit drohen, wie etwa Klinger und Weber (2016) zeigen, deren Ergebnissen zufolge sich im Laufe eines Jahres in Rezessionen fast zwei Drittel der konjunkturellen Arbeitslosigkeit in persistente, strukturelle Arbeitslosigkeit gewandelt haben. Bildungsprämien in der Arbeitslosigkeit sind dabei ein sinnvoller weg. Eine Bildungsprämie könnte entsprechend auch zusätzlich zum Kurzarbeitergeld gezahlt werden. Angesichts der sehr niedrigen Weiterbildungsbeteiligung während Kurzarbeit sollte für die nächste Rezession ein Konzept vorgehalten werden, das neben finanziellen Anreizen auch flexibel einsetzbare Qualifizierungsformate sowie Beratungsleistungen für Betriebe und Beschäftigte umfasst (Weber 2021).
Frühere Arbeitsmarktprobleme traten im Zuge der Automatisierung klassischer Fabrikarbeit, der Computerisierung und der Etablierung des Internets vor allem bei Niedrigqualifizierten auf. Die Hauptrisiken liegen heute aber möglicherweise nicht auf der niedrigen, sondern auf der mittleren Qualifikationsebene. In der Tat zeigen etwa Hutter und Weber (2020), dass der technologische Wandel über Jahrzehnte die Qualifizierten gegenüber den Niedrigqualifizierten begünstigte. Automatisierung etwa kann Technologien schaffen, die komplementär zu Hochqualifizierten sind und diesen zusätzliche Mittel an die Hand geben, aber substitutiv für Niedrigqualifizierte sind, so dass deren Jobs unter Druck geraten. Dieser Trend setzt sich aber seit Ende der 2000er Jahre nicht fort, stattdessen werden aber hohe gegenüber mittleren Qualifikationen begünstigt. Dahinter steht beispielsweise die Entwicklung hin zu einer digitalen Wirtschaft 4.0 – Corona ist eine „transformative Rezession“. Hier geht es gerade um Berufe mit eher eng definierten Berufsbildern und hohen Anteilen an Routineaufgaben, welche die Anfälligkeit für den technologischen Wandel erhöhen. Diese Entwicklung müssen wir ernst nehmen – denn „die mittlere Qualifikationsebene“ ist das Kernstück des deutschen Bildungssystems. Zugleich zeigen Forschungen zum Einsatz von KI (z. B. Webb 2020), dass mit zunehmender Komplexität und Fähigkeit zum Selbstlernen deutlich stärker hochqualifizierte Jobs betroffen sein werden. Auch hier werden die Technologien in die Tätigkeiten aufgenommen werden, womit die oben beschriebenen Kompetenzen an Bedeutung gewinnen.

3 Sollen doch die Roboter die Steuern zahlen?

Im Zuge der Robotisierung werden mehr und mehr Tätigkeiten von Maschinen übernommen. Mit 4.0-Technologien kann der Umfang dieser Tätigkeiten auch noch zunehmen. Deshalb werden Forderungen laut, Roboter entsprechend zu besteuern, um den Faktor Arbeit zu schützen bzw. nicht zu benachteiligen. Die Arbeitsmarktwirkungen von Robotern spielen dabei offensichtlich eine wichtige Rolle. Diese werden in einer aktuellen Literatur analysiert.
So untersuchen Carbonero et al. (2020) mit gesamtwirtschaftlicher Perspektive die Auswirkungen des Einsatzes von Robotern auf die weltweite Beschäftigung. Sie nutzen dafür Daten International Federation of Robotics (IFR) und verwenden einen neuartigen Instrumentvariablenansatz. Als Instrument für technologischen Fortschritt dient die Fähigkeit von Robotern, verschiedene Tätigkeiten zu übernehmen. So wird berücksichtigt, dass eine Korrelation von Robotereinsatz und Beschäftigung auch etwa durch gemeinsame Abhängigkeit von der Konjunktur oder ähnliches entstehen könnte und die Kausalwirkung von Robotern auf die Beschäftigung isoliert.
Carbonero et al. (2020) stellen fest, dass die Auswirkungen in den entwickelten Ländern gering, in den Schwellenländern jedoch erheblich negativ sind. Die Schätzung impliziert, dass letztere zwischen 2005 und 2014 innerhalb der Einsatzbranchen elf Prozent ihrer Beschäftigung durch die inländische Robotisierung verloren haben. Darüber hinaus wirkt sich der zunehmende Einsatz von Robotern in den Industrieländern negativ auf das Offshoring der Produktion aus. Die Robotisierung ermöglicht zunehmend wettbewerbsfähige Produktion erneut auch in Weltregionen mit hohem Lohnniveau, aber auch einer besseren Infrastruktur- und Humankapitalausstattung. So haben die oben dargestellten Ergebnisse gezeigt, dass Digitalisierung zu anspruchsvolleren Geschäftsmodellen im Sinne von Anforderungen an höhere Qualifikationen, zusätzliche Kompetenzen und Flexibilität führt. Während das für Industrieländer selbst eine gute Nachricht sein mag, bedeutet der Offshoring-Wirkungskanal zwischen 2005 und 2014 einen zusätzlichen Verlust von fünf Prozent der Beschäftigung in den Schwellenländern. Allerdings stellen Carbonero et al. (2020) fest, dass die Robotisierung im verarbeitenden Gewerbe in Schwellenländern – im Gegensatz zu Industrieländern – erhebliche positive Auswirkungen auf die Beschäftigung in anderen Sektoren hat. Dies kann beispielsweise auf Komplementaritäten von Robotern mit Dienstleistungen und Infrastruktur zurückzuführen sein. Während die niedrig bezahlten Routinejobs, die in den Schwellenländern aufgebaut wurden, offensichtlich äußerst anfällig für Automatisierung sind, gibt es also neues Beschäftigungspotential durch eine Verbreiterung neuer komplexerer Geschäftsmodelle von Volkswirtschaften.
Insgesamt sollte die Robotisierung also nicht als schädliches Phänomen betrachtet werden, das es durch gezielte Besteuerung zu kontrollieren gilt. An sich existieren Robotersteuern auch bereits, nämlich in Form von Gewinnsteuern. Über deren Höhe mag man streiten. Aber wir besteuern ja auch nicht Arbeit an sich, sondern Einkommen aus Arbeit. Und dementsprechend wird auch Einkommen aus Robotern besteuert. Eine Steuer direkt auf den Einsatz von Robotern würde den technologischen Fortschritt dagegen unnötig behindern.

4 Sozialversicherung, ein Auslaufmodell?

Die Corona-Krise hat den Wert sozialer Sicherung eindrucksvoll demonstriert. Zugleich hat sie aber auch Lücken aufgezeigt. Gerade Selbständige stehen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten oft direkt vor dem Fall in die Grundsicherung. Schoukens und Weber (2020) arbeiten daher aus, wie eine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit auch für Selbständige organisiert werden kann. Entscheidend dabei ist, den Grundprinzipien der sozialen Sicherung zu folgen, die Organisation aber für selbständige Erwerbsformen praktikabel auszugestalten. Wenn Einkommen nach wie vor über Erwerbsarbeit generiert werden, dann lassen sich so verschiedene Erwerbsquellen über Lebensverlauf für Sozialversicherung nutzen.
Grundsätzlich betrifft die Digitalisierung betrifft nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Funktionsweise der Arbeitsmärkte. Insbesondere der Anstieg der Plattformarbeit verändert die Spielregeln. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die über online-Plattformen zustande kommen, über die man sich auf eingestellte Aufträge bewerben kann. Die Plattformarbeit ist in den meisten Ländern noch auf einem eher niedrigen Niveau, folgt aber einem starken Aufwärtstrend. Darüber hinaus sind hier verschiedenste Tätigkeiten und Bereiche involviert, wodurch sich Plattformarbeit zu einem wichtigen Phänomen mit entsprechender politischer Relevanz entwickelt.
Plattformarbeit birgt zwar Potenziale zur Erhöhung der Markttransparenz, zur Senkung der Transaktionskosten oder zur Stärkung der selbstbestimmten Arbeit, birgt aber auch Risiken. Forschungsergebnisse zeigen vor allem einen weit verbreiteten Mangel an sozialer Absicherung. Dies ist insofern besonders kritisch, als dadurch das Armutsrisiko ansteigen und eine nachhaltige Karriereentwicklung behindern werden kann, da Investitionen, z. B. in Humankapital, aus Sorge vor einer Realisierung von Risiken ausbleiben.
Aufgrund des hochflexiblen, international integrierten und kurzfristigen Charakters der Plattformarbeit, ist soziale Absicherung schwer zu organisieren. In diesem Zusammenhang soll das Konzept der Digitalen Sozialen Sicherung (DSS) eine Absicherung gegen soziale Risiken ermöglichen (Weber 2023).
DSS würde einen digitalen Mechanismus direkt in die Plattformen integrieren, der automatisch einen Prozentsatz des vereinbarten Gehalts auf ein persönliches DSS-Konto des Plattformarbeiters (oder optional über standardisierte Schnittstellen direkt in die nationale Sozialversicherung) einzahlt, wenn ein Auftrag beendet ist (Abb. 4). Die aufgelaufenen Beträge würden einmal im Monat aus den DSS-Konten an das zuständige nationale Sozialversicherungssystem überwiesen, wo alle weiteren Schritte (Generierung von Sozialversicherungsansprüchen) innerhalb der bestehenden Strukturen abgewickelt werden könnten. Dies verbindet nachhaltige, soziale Absicherung mit dem flexiblen Funktionieren plattformbasierter Arbeitsmärkte.

5 Fazit

Die Einführung einer intelligenten, vernetzten Digitalisierung ist mit großen Herausforderungen verbunden. Einen zusätzlichen Schub erhält die digitale Wirtschaft durch die Corona-Krise. Spätestens mit der Energiekrise ist der Druck auf eine ökologische Transformation gewachsen. All dies kann zu Disruptionen und veränderten Geschäftsmodellen führen.
Wir werden uns allerdings nicht auf eine Wirtschaft einstellen müssen, die weitgehend ohne Arbeitsplätze auskommt. Wir werden uns jedoch der Frage der wirtschaftlichen Anpassungsfähigkeit an den technologischen Wandel gegenübersehen. Obwohl die Arbeit also nicht ausgehen wird, kann sich die strukturelle Arbeitslosigkeit dennoch erhöhen, wenn die Anpassung nicht gelingt.
Es ist daher notwendig, Maßnahmen in der Wirtschafts‑, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik zu ergreifen, die geeignet sind, ein nachhaltiges, digitales Wirtschafts- und Arbeitsmarktmodell zu unterstützen und voranzutreiben. Die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung, die Gestaltung einer umfassenden Weiterbildungspolitik sowie die Organisation der sozialen Absicherung sind dabei die entscheidenden Faktoren.
Damit berufliche Ausbildung und Mittelstand Motoren der digitalen Erneuerung werden, könnte die Entwicklung mit einem Programm für eine digital transformierte Ausbildung im KMU-Bereich angeschoben werden. Dazu gehören die finanzielle Förderung der digitalen Ausstattung, die didaktische und technische Schulung des Ausbildungspersonals sowie gezielte Beratungsangebote. Bei Ausstattung und neuen didaktischen Konzepten sind auch die Berufsschulen in das Programm einzubeziehen, denn diese sind der Ort, die wichtiger werdenden übergreifenden Fähigkeiten zu vermitteln.
Die Weiterbildungspolitik steht vor großen Herausforderungen, um Beschäftigen, Arbeitslosen und Kurzarbeitenden geeignete Qualifizierung zu ermöglichen. Dies ist der Schlüssel zur einer proaktiven Bewältigung der aktuellen Transformationsprozesse. Schließlich ist nach einer transformativen Rezession der Vorkrisenstand nicht mehr der relevante Maßstab. Entscheidend ist daher, die Transformation der Wirtschaft voranzubringen und Neues zu schaffen.
In der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich währenddessen eine zunehmende Verfestigung. Über eine seit 2020 anhaltende Krisenzeit liegen die Chancen, aus der Arbeitslosigkeit in einen neuen Job zu wechseln, deutlich niedriger als zuvor. Zudem liegt die Arbeitslosenquote von Niedrigqualifizierten deutlich über vor-Corona-Niveau. Entscheidend sind daher weitere Investitionen in individuelle Betreuung, Vermittlung und Qualifizierung. Ein hohe Arbeitskräftebedarf allein reicht für den Abbau sich verfestigender Arbeitslosigkeit nicht aus.
Ein weiteres Handlungsfeld ist die soziale Sicherung, etwa in Bezug auf Selbständige und Trends wie der Zunahme der Plattformarbeit. Hier zeigt das Konzept der Digitalen Sozialen Sicherung, wie sich Institutionen anpassen können, um zukünftigen digitalen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Neben Investitionen in Personal sind Digitalinvestitionen entscheidend. Ein Schub könnte hier durch gesonderte Abschreibungsmöglichkeiten auf Digitalgüter ausgelöst werden, egal ob es um Hardware oder immaterielle Güter geht. Über die zusätzlichen Abschreibungen würde sich die Steuerlast reduzieren und ein Teil der Investition finanzieren lassen – ein starker Anreiz für Digitalisierungsinvestitionen. Derartige Superabschreibungen können ein Baustein einer umfassenden Digitalisierungsstrategie sein, welche die digitale Transformation angesichts der bisher eher mittelmäßigen Fortschritte (Bornschein et al. 2023) zu einem Erfolg machen kann, der mit Industrialisierung in Deutschland vergleichbar ist.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
Zurück zum Zitat Arntz, M., Gregory, T., Janssen, S., & Zierahn, Ulrich (2016). Tätigkeitswandel und Weiterbildungsbedarf in der digitalen Transformation. ZEW/IAB, Mannheim. Arntz, M., Gregory, T., Janssen, S., & Zierahn, Ulrich (2016). Tätigkeitswandel und Weiterbildungsbedarf in der digitalen Transformation. ZEW/IAB, Mannheim.
Zurück zum Zitat Bornschein, C., Cleemann, S., Hermann, B., & von der Leyen Weber Yilmaz, D. E. Y. (2023). Das digitale Deutschland – Eine Bestandsaufnahme. BDA-Digitalrat. Bornschein, C., Cleemann, S., Hermann, B., & von der Leyen Weber Yilmaz, D. E. Y. (2023). Das digitale Deutschland – Eine Bestandsaufnahme. BDA-Digitalrat.
Zurück zum Zitat Carbonero, F., Ernst, E., & Weber, E. (2020). Robots worldwide: the impact of automation on employment and trade. IAB-Discussion Paper 07/2020. Carbonero, F., Ernst, E., & Weber, E. (2020). Robots worldwide: the impact of automation on employment and trade. IAB-Discussion Paper 07/2020.
Zurück zum Zitat Hutter, C., & Weber, E. (2020). Corona-Krise: die transformative Rezession. Wirtschaftsdienst, 100(6), 429–431.CrossRef Hutter, C., & Weber, E. (2020). Corona-Krise: die transformative Rezession. Wirtschaftsdienst, 100(6), 429–431.CrossRef
Zurück zum Zitat Klinger, S., & Weber, E. (2016). Detecting unemployment hysteresis: a simultaneous unobserved components model with Markov switching. Economics Letters, 144, 115–118.CrossRef Klinger, S., & Weber, E. (2016). Detecting unemployment hysteresis: a simultaneous unobserved components model with Markov switching. Economics Letters, 144, 115–118.CrossRef
Zurück zum Zitat Merkl, C., & Weber, E. (2020). Raus aus der Neueinstellungskrise! Wirtschaftsdienst, 100(7), 507–509.CrossRef Merkl, C., & Weber, E. (2020). Raus aus der Neueinstellungskrise! Wirtschaftsdienst, 100(7), 507–509.CrossRef
Zurück zum Zitat Möller, J., & Umkehrer, M. (2015). Are there long-term earnings scars from youth unemployment in Germany? Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 235, 474–498.CrossRef Möller, J., & Umkehrer, M. (2015). Are there long-term earnings scars from youth unemployment in Germany? Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 235, 474–498.CrossRef
Zurück zum Zitat Schoukens, P., & Weber, E. (2020). Perspektiven nach Corona: Vorschlag zu einer Arbeitslosenversicherung für Selbstständige. Soziale Sicherheit, 69(12), 427–431. S. 70, Nr. 1, S. 32–36. Schoukens, P., & Weber, E. (2020). Perspektiven nach Corona: Vorschlag zu einer Arbeitslosenversicherung für Selbstständige. Soziale Sicherheit, 69(12), 427–431. S. 70, Nr. 1, S. 32–36.
Zurück zum Zitat Warning, A., & Weber, E. (2018). Digitalisation, hiring and personnel policy: evidence from a representative business survey. IAB-Discussion Paper 10/2018. Warning, A., & Weber, E. (2018). Digitalisation, hiring and personnel policy: evidence from a representative business survey. IAB-Discussion Paper 10/2018.
Zurück zum Zitat Warning, A., Weber, E., & Püffel, A. (2022). On the impact of digitalization and artificial intelligence on employers’ flexibility requirements in occupations. Empirical evidence for Germany. Frontiers in artificial intelligence, 5., . Warning, A., Weber, E., & Püffel, A. (2022). On the impact of digitalization and artificial intelligence on employers’ flexibility requirements in occupations. Empirical evidence for Germany. Frontiers in artificial intelligence, 5., .
Zurück zum Zitat Webb, M. (2020). The impact of artificial intelligence on the labor market. SSRN Working Paper 3482150. Webb, M. (2020). The impact of artificial intelligence on the labor market. SSRN Working Paper 3482150.
Zurück zum Zitat Weber, E. (2017). Employment and the welfare state in the era of digitalisation. CESifo Forum, 18(4), 22–27. Weber, E. (2017). Employment and the welfare state in the era of digitalisation. CESifo Forum, 18(4), 22–27.
Zurück zum Zitat Weber, E. (2019). Digitalisierung: Der Arbeitsmarkt verändert sich. Industrie 4.0 Management, 35(6), 62–66.CrossRef Weber, E. (2019). Digitalisierung: Der Arbeitsmarkt verändert sich. Industrie 4.0 Management, 35(6), 62–66.CrossRef
Zurück zum Zitat Weber, E. (2020). Corona, Strukturwandel und Arbeitsmarkt. ifo Schnelldienst, 73(9), 17–19. Weber, E. (2020). Corona, Strukturwandel und Arbeitsmarkt. ifo Schnelldienst, 73(9), 17–19.
Zurück zum Zitat Weber, E. (2021). Qualifizierung: Weiterbildungskonzept für Krisen. Wirtschaftsdienst, 101(3), 154.CrossRef Weber, E. (2021). Qualifizierung: Weiterbildungskonzept für Krisen. Wirtschaftsdienst, 101(3), 154.CrossRef
Zurück zum Zitat Weber, E. (2023). Digitale Soziale Sicherung für selbständige Plattformarbeit. In K. Goldberg, O. Leßmann & M. Schuler-Harms (Hrsg.), Soziale Sicherung Selbstständiger (S. 190–197). Weber, E. (2023). Digitale Soziale Sicherung für selbständige Plattformarbeit. In K. Goldberg, O. Leßmann & M. Schuler-Harms (Hrsg.), Soziale Sicherung Selbstständiger (S. 190–197).
Zurück zum Zitat Wolter, M. I., Mönnig, A., Hummel, M., Weber, E., Zika, G., Helmrich, R., Maier, T., & Neuber-Pohl, C. (2016). Wirtschaft 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Ökonomie: Szenario-Rechnungen im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen. IAB-Forschungsbericht 13/2016. Nürnberg. Wolter, M. I., Mönnig, A., Hummel, M., Weber, E., Zika, G., Helmrich, R., Maier, T., & Neuber-Pohl, C. (2016). Wirtschaft 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Ökonomie: Szenario-Rechnungen im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen. IAB-Forschungsbericht 13/2016. Nürnberg.
Metadaten
Titel
Digitalisierung und Regulierung am Arbeitsmarkt
verfasst von
Enzo Weber
Publikationsdatum
29.12.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik
Print ISSN: 0937-0862
Elektronische ISSN: 2364-3943
DOI
https://doi.org/10.1007/s41025-023-00253-2