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2017 | Buch

Finanzwirtschaft in ethischer Verantwortung

Erfolgskonzepte für Social Banking und Social Finance

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Über dieses Buch

Dieses Buch enthält verschiedene Vorträge, die hochrangige Vertreter aus Wissenschaft sowie aus Unternehmen und Institutionen der Banken- und Finanzbranche im Rahmen der Ringvorlesungen „Social Finance“ und „Social Banking“ an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter gehalten haben. Durch diese Dokumentation wird ein aktueller Beitrag zu der immer wichtiger werdenden Frage geleistet, welche Faktoren einer größeren Nachhaltigkeit des Finanzsektors im Wege stehen und welche innovativen Ansätze zur Schaffung eines nachhaltig(er)en Finanzsektors mittlerweile entwickelt worden sind. Die Beiträge beleuchten das breite Feld sozial und ökologischen Handelns im Banken- und Finanzbereich, zum einen praxisbezogen aus der Perspektive sozial-ökologischer Banken, zum anderen mit Themen, die von der sozial verantwortlichen Geldanlage und einer Ökonomie des Schenkens über das Instrument der Mikrofinanzierung und die gesellschaftliche Verantwortung der Finanzwirtschaft bis hin zu Social Finance als Element des Nachhaltigkeitsmanagements sowie der Zukunftsperspektive von Social Investment und Social Entrepreneurship reichen. Auch der Frage nach einer nachhaltigen und sozial verantwortlichen Entwicklung des Finanzsektors in Entwicklungsländern, dem Beitrag von Regionalwährungen zu einer nachhaltig funktionierenden und gerechteren Wirtschaftsordnung sowie der Frage, ob die Finanzmärkte die europäische Demokratie bedrohen, wird in diesem Buch nachgegangen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Gesellschaftliche Verantwortung der Finanzwirtschaft
Zusammenfassung
Finanzdienstleister sind in unser gesellschaftliches System eingebunden. Sie spielen bei der Sicherung dieses vernetzen Systems und seiner sozialen, ökonomischen und ökologischen Funktionsfähigkeit eine wichtige Rolle und tragen deshalb auch Mitverantwortung für diese Funktionsfähigkeit. Sie profitieren selbst davon, von seiner sozialen Sicherheit, den qualifizierten Arbeitskräften, seiner Infrastruktur, der Rechtssicherheit usw.; sie verdanken ihre Existenz, ihre Bestandssicherung der gesellschaftlich erteilten „Licence to Operate“. Das heißt, Finanzdienstleister sind dazu aufgerufen, eine aktive Rolle bei der Verantwortung für eine sozial, ökologisch und ökonomisch funktionsfähige und also nachhaltige Gesellschafts- und Wirtschaftsform zu übernehmen.
Unabhängig von einem solchen Verantwortungsanspruch liegt es aber auch im unmittelbaren eigenen ökonomischen Interesse, die Belange der Nachhaltigkeit strategisch ernst zu nehmen, nicht nur aus Reputationsgründen. Nachhaltigkeitsmanagement heißt Bestandssicherung. Selbst A. T. Kearney, kein Verfechter ökosozialer Romantik, kommt in einer Analyse der Finanzkrise 2008 zum Ergebnis, dass nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen (und mit ihnen nachhaltigkeitsorientierte Geldanlagen) stabiler und erfolgreicher durch die Krise gekommen sind. Auch wird ihnen ein hohesWachstumspotenzial zugesprochen.
Finanzdienstleister haben erst begonnen, die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsbetriebs und ihrer Produkte, der Geldanlagen, Kredite oder Versicherungen, genauer zu prüfen, zu kontrollieren und zu managen. Und sie haben erst begonnen, darüber zu berichten – intern wie extern.
Bernd Wagner
2. Bedrohen die Finanzmärkte die europäische Demokratie?
Zusammenfassung
Nach der Insolvenz der Großbank Lehman Brothers im Jahr 2008 offenbarte die fortschreitende Krise, dass auf den Finanzmärkten Grundlegendes im Argen liegt. Daraus resultierte innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen der Wunsch, einen Abgeordneten in das Parlament zu schicken, der der Liberalisierung des Finanzsystems bereits im Vorhinein kritisch gegenübergestand. Glücklicherweise beschäftigte ich mich im Laufe meines Studiums schwerpunktmäßig mit Finanzkrisen, mit Finanzmärkten sowie deren Regulierung, mit Steueroasen und Steuerflucht. Insofern war ich zunächst durch das Studium und später durch mein langes Engagement bei Attac, einer globalisierungskritischen Organisation, auf die Arbeit als Abgeordneter vorbereitet. Seit 2009 bin ich Mitglied des Europäischen Parlaments und vertrete damit mein Mandat in einer Institution, in der die Regeln der Finanzmärkte in Europa gesetzt werden. Die wichtigsten Gesetze im Bereich der Regulierung des Finanzsystems sind europäische Gesetze, die in Deutschland lediglich in nationales Recht umgesetzt werden. Durch Mehrheitsentscheidungen wird sich im Rat der Mitgliedsländer mit dem Europaparlament auf einen gemeinsamen Text jedes Gesetzes geeinigt. Wie aber kann angesichts dieses demokratischen Prozesses die Demokratie durch Finanzmärkte bedroht sein? Im Laufe der vergangenen vier Jahre konnte ich zu dieser zentralen Fragestellung ganz eigene Erfahrungen sammeln.
Sven Giegold
3. Social Investment and Social Entrepreneurship in the UK – A Leading or Misleading Track?
Abstract
Social Investment and Social Entrepreneurship in the UK is the story of an increasingly congested space and a contested direction of travel. The emergence of social entrepreneurship since the 1990’s, and the development of social investment since the formation of the Social Investment Taskforce by the then Chancellor of the Exchequer Gordon Brown in 2000, are important developments, but it still remains to be seen if the direction of travel is a misleading track or not, or indeed if the still nascent state of the social investment sector renders its appearance chaotic and misguided, but ultimately a progressive direction for the Third Sector.
Pauline Hinchion
4. Der Beitrag der DEG für eine nachhaltige und sozial verantwortliche Entwicklung des Finanzsektors in Entwicklungsländern
Zusammenfassung
In meinem Vortrag möchte ich Ihnen die Tätigkeit der Deutschen Investitions‐ und Entwicklungsgesellschaft (DEG) vorstellen und diskutieren, was die DEG unter nachhaltiger und sozial verantwortlicher Finanzierung in Entwicklungsländern versteht. Außerdem werde ich aufzeigen, wie die DEG dieses Verständnis praktisch umsetzt und wie die Wirkung ihres Konzepts gemessen wird.
Das Unternehmensziel der DEG ist fest mit dem Auftrag verbunden, sozialverträglich, umweltverträglich und nachhaltig zu investieren. Die DEG ist 1962 auf Initiative der Bundesregierung gegründet worden, namentlich durch Walter Scheel, den damaligen Minister für Entwicklungszusammenarbeit. Das Konzept der DEG war von Beginn an darauf ausgerichtet, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Dies äußert sich darin, dass keine direkten Zuschüsse in die Entwicklungsländer gegeben werden sollen, sondern privatwirtschaftliche Unternehmen finanziert werden. Diese Unterstützung soll die Unternehmen in die Lage versetzen, selbstständig rentabel zu arbeiten und damit eine positive Wirkung in ihren Ländern zu erzielen. Außerdem werden keine Staatsunternehmen, sondern ausschließlich privatwirtschaftliche Unternehmen gefördert.
Andreas Zeisler
5. Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise
Zusammenfassung
Die Aufregung um die Erschütterungen im Zuge der letzten Finanz‐ und Wirtschaftskrise hat sich gelegt. Zwar sind die Folgen noch längst nicht überwunden und dauern die politischen und wissenschaftlichen Bemühungen an, sie in den Griff zu bekommen, doch hat die Krise ihren eigentlichen Schrecken, der in ihrer anfänglichen Unberechenbarkeit und Unkontrollierbarkeit lag, verloren. Die Frage ist nur: Haben wir wirklich aus dieser Krise gelernt? Und ziehen wir die richtigen, das heißt auch die wirklichen wirksamen Konsequenzen? Immerhin hat die Krise ihren Ursprung ausgerechnet in dem, was uns stark gemacht hat: dem wirtschaftlichen Verstand. Das macht sie zugleich so gefährlich; sie bewegt sich nicht in Außenbezirken der modernen Gesellschaft, sondern – unter Gesichtspunkten des allgemeinen Wohls – in ihrem Kern. Wo Wirtschaft und Finanzen ihre Orientierung verlieren, verliert sie auch die Gesellschaft.
Die Wirtschaft, auch eine gut gehende, beruht auf Bedingungen, die sie nicht selbst herstellen kann. Diese Bedingungen sind gesellschaftlicher und kultureller Art. Probleme entstehen, wenn sich das wirtschaftliche System verselbständigt, seine eigenen Gesetzmäßigkeiten von den gesellschaftlichen und kulturellen abkoppelt, wenn es – wie zum Beispiel im Finanzbereich – innovativ auf Kosten der allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung wird oder diese als Bedingungen seines eigenen Gelingens missachtet.
Peter van den Brock
6. Sozial verantwortlich Geld anlegen am Beispiel von Oikocredit
Zusammenfassung
Der volle Name von Oikocredit lautet „Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft“. Oikocredit bietet die Möglichkeit, Rücklagen sozial verantwortlich zu investieren. Durch diese Anlagen werden weltweit Kredite an benachteiligte Menschen finanziert und fördern somit deren wirtschaftliche Eigenständigkeit. Oikocredit ist in diesem Sinne eine Entwicklungsorganisation, die jedoch nicht als Spendenorganisation konzipiert ist, wie beispielsweise „Brot für die Welt“, sondern wie eine Bank. In der Vermittlung von Oikocredit erleben wir, dass viele Menschen in unserem Land das Wort „Entwicklung“ mit Spenden assoziieren. Diese Verknüpfung setzt in der Regel früh ein: Bereits in der Schule veranstaltet man Basare, Benefizkonzerte und ähnliches. Das macht es für uns selbst nach 40 Jahren des Bestehens nicht immer leicht, Oikocredit wirklich als „Finanzinstitut“ zu vermitteln.
Ulrike Chini
7. Die Triodos Bank und ihr nachhaltiges Geschäftsmodell
Zusammenfassung
Eine der Herausforderungen, denen nicht nur die Triodos Bank, sondern auch die anderen Banken derzeit begegnen müssen, ist das Thema Regulierung. Die Bankenaufsicht betrachtet die Triodos Bank nun als eine mittelgroße Bank; damit gehen weitreichende Anforderungen einher. Wie sind sehr darum bemüht, uns dennoch Räume zum Atmen zu erhalten, die Ruhe zu bewahren und weiterhin das zu leben, was die Triodos Bank ausmacht und wonach wir streben. Die Gründung der Triodos Bank erfolgte im Jahr 1980. Unsere vier Gründer, Adriaan Deking Dura, Dieter Brüll, Lex Bos und Rudolf Mees, beschäftigen sich seit den Sechzigerjahren intensiv mit Fragestellungen rund um das Thema Social Banking, aber auch stark mit der Anthroposophie. Die Gründer sind damals auch zur GLS Bank nach Bochum gereist, weil dort ähnliche Ideen lebten, und haben sich von Herrn Barkhoff, dem Gründungspionier der GLS Bank, inspirieren lassen. Zum Umfeld unserer vier Gründer gehörte damals noch Bernard Lievegoed, und in dem Zusammenhang gibt es eine kleine Gründungsanekdote. Die vier Gründer sind zu Herrn Lievegoed gegangen, der ein Arzt, Psychologe und Heilpädagoge und zudem Vorsitzender der anthroposophischen Gesellschaft war. Sie gingen einfach zu dem Vorsitzenden hin, haben die Initiative vorgestellt und gesagt: „Wir wollen eine Bank gründen“, und haben ihn nach seiner Meinung gefragt. Das war in einem runden Eckzimmer, berühmt unter den damaligen Anthroposophen in Zeist. Dort hat Bernard Lievegoed also die vier empfangen und gesagt: „Ok, ihr wollt eine Bank gründen“; er schaute jeden an und sagte: „Lex Bos, willst du das machen?“ „Ja, dafür bin ich ja hier.“ „Dieter Brüll, willst du das machen?“ „Ja natürlich!“ „Rudolf Mees, willst du das auch machen?“ „Ja, ja natürlich!“ Adriaan Deking Dura genauso. Und dann hat er wohl gesagt: „Ok, gut, dann sind wir fertig.“ Es gibt so einen holländischen Ausdruck: „Dan zijn we klaar“. Dann sind die vier wieder raus gegangen, haben sich angeschaut und gesagt: „Jetzt haben wir ein Versprechen abgegeben. Jetzt müssen wir das auch tun!“ Das ist ein Motiv, das maßgebend ist für den Charakter von Triodos und die Kultur der Bank: dieser Aspekt des Tuns.
Alexander Schwedeler
8. Social Finance als Element des Nachhaltigkeitsmanagements: das Beispiel SAP
Matthias Heiden, Diana Pauly, Marc Müller
9. Keine Welt ohne die Ökonomie des Schenkens – GLS Treuhand: 50 Jahre Stiften, Schenken, Vererben
Zusammenfassung
Keine Welt ohne die Ökonomie des Schenkens stellt am Beispiel der Arbeit der GLS Treuhand das Schenken als zentrale Kategorie einer Wirtschaftsweise dar, die auf ökologische, soziale und ökonomische Transformation jenseits der zerstörerischen Ausrichtung auf das Prinzip des Wachstums ausgerichtet ist. Dazu gehört, tradierte Wahrnehmungen, Denken und Kategorienbildungen der Wirtschaftswissenschaften grundlegend zu hinterfragen und in gelebter Praxis ökologische und sozial tragfähige Formen des Wirtschaftens zu erproben.
Annette Massmann
10. Neues Geld für eine neue Ökonomie: Die Reform des Geldwesens als Voraussetzung für eine Marktwirtschaft, die den Menschen dient
Zusammenfassung
Nicht wenige Menschen zweifeln deshalb wieder an den Wettbewerbsfunktionen, an den wohlstandvermehrenden Effekten, die in der ökonomischen Theorie einer freien Marktwirtschaft zugeschrieben werden und ziehen sogar den Kommunismus wieder als alternatives Wirtschaftsmodell in Betracht. Auch Karl Marx sah die Ungleichverteilung der Einkommen, die damals ähnlich ausufernd war, wie sie es heute ist, und suchte einen Ausweg. Leider erkannte er die dem Geld innewohne Problematik nicht und kam daher zu Lösungsvorschlägen, die die eigentliche Problematik nicht lösen, aber stattdessen noch andere hinzufügen. Weder der Kommunismus, noch dieWettbewerbswirtschaft funktionieren langfristig,wenn wir das Geld nicht reformieren. Unser Finanzsystem ist der Hauptgrund für Marktversagen, was leider von wenigen Ökonomen erkannt wird. Wenn wir unser Geld so reformieren, wie es einst Silvio Gesell vorgeschlagen hatte, haben wir eine Chance, eine Marktwirtschaft zu etablieren, die dem Menschen dient. Wenn wir eine solche Geldreform zudem mit einem Bewusstseinswandel kombinierten, könnten wir sogar von einer Marktwirtschaft, die den Menschen dient, zu einer wahrhaften Ökonomie der Nächstenliebe kommen, in derMenschen ihr Glück erreichen, indem sie einander dienen.
Felix Fuders
Metadaten
Titel
Finanzwirtschaft in ethischer Verantwortung
herausgegeben von
Gregor Krämer
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-12584-4
Print ISBN
978-3-658-12583-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12584-4