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29.04.2024 | Führungsqualität | Im Fokus | Online-Artikel

Millionen Beschäftigte haben innerlich gekündigt

verfasst von: Andrea Amerland, dpa

3:30 Min. Lesedauer

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Bye-Bye und auf nimmer Wiedersehn: So lässt sich die Stimmung von Erwerbstätigen auf den Punkt bringen. Viele Beschäftigte sehen sich einer Umfrage zufolge nach neuen Jobs um - und nicht nur, weil die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut sind.

Quiet Quitting oder innere Kündigung sind die Begriffe, die umreißen, was gerade die Hauptbefindlichkeit von Beschäftigten in Deutschland ist. Diese sind nämlich einer Umfrage zufolge zunehmend auf dem Sprung, um den Job zu wechseln. So stimmten nur rund 53 Prozent der Befragten der Aussage vollständig zu, in einem Jahr noch bei derselben Firma beschäftigt sein zu wollen. 2018 lag dieser Anteil noch bei rund 78 Prozent. Seither sinkt er kontinuierlich.

Der Anteil derjenigen, die fest davon überzeugt sind, in drei Jahren noch in ihrem Unternehmen arbeiten zu wollen, ist im Laufe der Jahre peu à peu auf jetzt 40 Prozent geschrumpft. 2018 lag der Wert noch bei 65 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Engagement Index des Beratungsunternehmens Gallup hervor. Für die Untersuchung wurden zwischen dem 20. November und 22. Dezember 2023 insgesamt 1.500  Arbeitnehmende ab 18 Jahren telefonisch interviewt. 

Mitarbeiterbindung erreicht Tiefstand

45 Prozent der Befragten sind demnach bereits aktiv auf Jobsuche oder zumindest offen für einen Wechsel. Und nur noch 14 Prozent fühlen sich ihrem Arbeitgeber eng verbunden. Die Langzeitstudie, die seit 2001 jährlich erhoben wird, dokumentiert einen Zehn-Jahres-Tiefstwert: Fast jeder Fünfte (19 Prozent) sagt, dass er sich überhaupt nicht gebunden fühlt. Vier von zehn Befragten, die weniger als ein Jahr im Unternehmen sind, stecken ihre Fühler bereits nach einer neuen Stelle aus. Damit haben auf alle Erwerbstätigen ab 18 Jahren hochgerechnet mehr als 7,3 Millionen Beschäftigte bereits innerlich gekündigt. 

Gründe sind laut der Studienautoren in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem geopolitischem Druck zu suchen. Doch neben Corona, Krieg, Energiekrise und Inflation dürfen Unternehmen nicht übersehen, dass sie selbst in der Verantwortung stehen, das People Management neben dem Krisen- und Kostenmanagement nicht zu vergessen. Denn das eine könne ohne das andere nicht funktionieren. Oder anders ausgedrückt: Ohne Mitarbeiter kein Unternehmen.  

Wechselwilligkeit auf Grund schlechter Führung

Der entscheidende Faktor für die extrem hohe Wechselwilligkeit, ist laut der Studie allerdings die erlebte Führung. Nur gut ein Fünftel ist uneingeschränkt mit dem direkten Vorgesetzten zufrieden. Darüber hinaus haben Beschäftigte nicht das Gefühl, dass ihre Chefs ihre Stärken wahrnehmen und schätzen. Damit bewahrheitet sich der Ausspruch des amerikanischen Führungskräfte-Coaches und Beraters Marcus Buckingham: "Mitarbeitende verlassen keine Unternehmen, sondern Chefs."

Auch sei der wirtschaftliche Schaden, der durch unmotivierte Beschäftige und Fluktuation entsteht, nicht unerheblich. Gallup beziffert die Kosten, die aus Produktivitätseinbußen resultieren auf eine Summe zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro. Denn bei geringer Mitarbeiterbindung steigt auch die Zahl der Fehltage. So waren Beschäftigte, die innerlich gekündigt haben, 2023 durchschnittlich rund neun Tage krank gemeldet, stark gebundene Mitarbeitende hingegen nur knapp fünf Tage.

Vertrauen in Zukunftsfähigkeit sinkt

Erschwerend hinzu kommt, dass nur noch 40 Prozent der Befragten uneingeschränkt Vertrauen in die finanzielle Zukunft ihres Arbeitgebers haben, so ein weiteres Teilergebnis der Gallup-Umfrage. In den Corona-Jahren erreichte dieser Wert mit 55 Prozent den höchsten, der jemals im Rahmen der Studie gemessen wurde. Seither geht es allerdings stetig bergab. Auch die Überzeugung, die eigene Geschäftsführung könne künftige Herausforderungen meistern, befindet sich auf Talfahrt. Nur noch ein Viertel der Befragten glaubt daran, dass Chefs für die Zukunftssicherung den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Die stärkere Wechselbereitschaft auf dem Arbeitsmarkt als zu Corona-Zeiten bestätigt auch der Experte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Dabei handelt es sich aus seiner Sicht um eine Normalisierung auf das Niveau vor der Pandemie.

Fluktuation als Teil der Transformation

Beschäftigte wechselten den Job, wenn es gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt, erläutert Weber. "Das ist aktuell der Fall." Außerdem stellten Unternehmen verstärkt ein und werben dafür auch Arbeitskräfte anderswo ab. Ein weiterer Grund für die gestiegene Wechselbereitschaft könne sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr zufrieden mit ihrem Job seien oder es Umbrüche gebe, sodass sie sich eine lukrativere Beschäftigung suchten - wie es aktuell im Zuge der Digitalisierung geschehe. "Das ist etwas, das in der Transformation passiert. Ich würde das nicht als Warnsignal sehen", betonte Weber.

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