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2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Globalisierung: Dimensionen – Facetten – Spannungsfelder

verfasst von : Björn Allmendinger

Erschienen in: Demokratie von unten?

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Nach Ansicht des australischen Politikwissenschaftlers Malcolm Waters wurde der Begriff „global“ schon vor 400 Jahren geprägt, während „Globalisierung“ bzw. „globalisieren“ Begrifflichkeiten seien, die frühestens seit 1959 Verwendung fänden. Diesbezüglich verweist Waters in Bezugnahme auf die Ausführungen im „Oxford English Dictionary“ von 1989 auf entsprechende Zeitschriftenartikel in THE ECONOMIST (1959) und SPECTOR (1962) sowie auf Einträge im britischen Wirtschaftslexikon „Webster“ von 1961. Christine Unrau führt in diesem Kontext hingegen einen bereits 1951 im „Annals of the American Academy of Political and Social Science“ erschienenen Artikel zur Globalisierungsthematik an. In diesem sei zum einen auf den „einheitsstiftenden Charakter der mittelalterlichen Kirche als Vorläufer der aktuellen, von der Industrialisierung angetriebenen Globalisierung, zum anderen […] [auf] das später intensiv diskutierte Verhältnis zwischen dem Lokalen und der Globalisierung“ hingewiesen worden.

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Fußnoten
1
Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass z. B. Georg Auernheimer die erstmalige Erwähnung des Begriffs Globalisierung ebenfalls auf das Jahr 1959 datiert (vgl. Auernheimer 2019: 7).
 
2
Ruigrok und van Tulder greifen ihrerseits wiederum auf die Untersuchungsergebnisse von Stephen Cohen aus dem Jahre 1991 zurück (siehe hierzu den Hinweis von Ruigrok/van Tulder 1995: 314). Ergänzend lohnt sich außerdem ein Blick auf die Übersichten von Andreas Busch (1999: 15) und Hans-Dieter Evers (2000: 400).
 
3
Jean Ziegler merkte zur begrifflichen Herkunft einst an: „‚Globalisierung‘ (globalisation) ist ein Anglizismus, der in den Sechzigerjahren von dem kanadischen Medientheoretiker Marshall McLuhan und dem amerikanischen Experten für ‚Probleme des Kommunismus‘ an der Universität Columbia, Zbigniew Brzezinski, lanciert wurde“ (Ziegler 2005: 29).
 
4
Eine ähnliche Einschätzung bezüglich der begrifflichen Entwicklungsverläufe nahm vor einigen Jahren auch Manfred Steger vor: „Although the term ‚globalization‘ can be traced back to the early 1960s, it was not until a quarter of a century later that it took the public consciousness by storm. […] At the end of the opening decade of the twenty-first century, there were millions of references to globalization in both virtual and printed space” (Steger 2009: 1).
 
5
Die Betonung des prozesshaften Charakters der Globalisierung ist u. a. auch bei Roland Robertson (1992: 135), Caren Kunze und Christoph Scherrer (Kunze/Scherrer 2011: 12), Manfred Steger (2009: 9) oder Malcom Waters zu finden. Letzterer betont etwa: „We can therefore define globalization as: A social process in which the constrains of geography on economic, political, social and culture arrangements recede, in which people become increasingly aware that they are receding and in which people act accordingly” (Waters 2001: 5).
 
6
Siehe ergänzend zu Beck u. a. auch Kettner (1997).
 
7
Dies lässt sich z. B. auch anhand des von Anthony Giddens 1990 skizzierten „institutional model“ (Dürrschmidt 2004: 47) veranschaulichen. Giddens geht hier von insgesamt vier „institutional clusters of modernity“ (Giddens 1990: 52) aus – world capitalist economy, international division of labour, nation-state system und world military order (vgl. ebd.: 53 ff.) –, welche in einer alternierenden und sich ständig verändernden Beziehung zueinander stehen.
 
8
Wird die Globalisierung „als der zunehmende Anteil grenzüberschreitender privatwirtschaftlicher Aktivitäten an der gesamten Wirtschaftsleistung von Ländern“ (Becker et al. 2007: 13) definiert, so ist sie bspw. anhand der zur Verfügung stehenden Daten zu den jeweils getätigten Finanztransaktionen oder Auslandsinvestitionen messbar (vgl. Kessler 2009). Dies ermöglicht Entwicklung und Ausmaß ökonomischer Vernetzungsprozesse auch historisch zu erfassen sowie z. B. die so genannte „Integration nationaler Ökonomien empirisch zu belegen“ (ebd.).
 
9
Zahlreiche historisch-vergleichende Untersuchungen stützen diese These; vgl. u. a.: Sautter (2000: 8); Fäßler 2007; Hirst/Thompson 1999 oder Osterhammel/Petersson 2019. Weitere Bezugnahmen sind auch bei Messner (2005: 29), Overwien/Rathenow (2009a: 9), Schwarz (1998: 35) oder Blossfeld et al. (2011: 321) zu finden.
 
10
An dieser Stelle sei auf zweierlei Aspekte hingewiesen: Zum einen sind die Übergänge zwischen den einzelnen Globalisierungsphasen stets fließend, so dass sich der Start- und Endpunkt nicht genau bestimmen lassen. Hierzu merkte etwa Jan Aart Scholte an: „Globalization has no origin, in the sense of an exact starting point“ (Scholte 2000: 63). Zum anderen ist die Anzahl der Globalisierungsphasen/-wellen in der Forschung durchaus umstritten. Colin Crouch unterscheidet bspw. zwischen insgesamt „vier Wellen der modernen Globalisierung“ (Crouch 2020: 13). Zu diesen zählen: der Europäische Imperialismus (erste Welle), der Abbau der Zölle und die europäische Integration unter der Schirmherrschaft der USA (zweite Welle); die neoliberale Deregulierung (dritte Welle) sowie der Europäische Binnenmarkt, der Fall des Kommunismus und der Aufstieg des Fernen Ostens (vierte Welle) (vgl. Crouch 2020: 13 ff.).
 
11
Die Begriffswahl erfolgte in Anlehnung an Fäßler (2007: 60) und Conrad/Eckert (2007: 21).
 
12
Diesen angedeuteten „raumzeitlichen Schrumpfungsprozess“ (Kessler 2009: 31) umschrieb Marshall McLuhan bereits 1962 mit dem Begriffspaar „global village“ (McLuhan 1962, zit. 2002: 21).
 
13
Wie Osterhammel und Petersson allerdings ergänzend hervorheben, war das damalige „internationale“ Währungssystem in gleicher Weise auch von nationalstaatlichen Regulierungen, Protektionismus oder Abgrenzung des jeweiligen Einflussbereichs geprägt.
 
14
Zu den herausragenden Erfindungen im Transportbereich zählen u. a. die Dampfmaschine von James Watt (1769), die Dampflokomotive von Richard Trevithick (1804) sowie das Dampfschiff von Robert Fulton (1807). Im Bereich der Kommunikationstechnologie sei u. a. auf die Erfindung des elektromagnetischen Telegraphen von Wilhelm Weber und Carl Friedrich Gauß (1833), des Telefons von Alexander Graham Bell (1876) oder der Funktechnik von Guglielmo Marconi (1896) hingewiesen.
 
15
Cornelius Torp unterscheidet in seiner Analyse der „erste[n] Welle ökonomischer Globalisierung“ (Torp 2005: 27) zwischen drei Dimensionen: „die Entwicklung des weltweiten Handels, die Ausweitung der internationalen Kapitalmobilität und die Massenmigration“ (ebd.: 28). Bezüglich des letztgenannten Bereichs nimmt Torp jedoch eine Einschränkung vor: „Auf die Massenmigration, die dritte und letzte Dimension der Globalisierung vor dem Ersten Weltkrieg, kann hier in aller Kürze eingegangen werden, da – im Gegensatz zur Debatte um die beiden anderen Ebenen des weltwirtschaftlichen Integrationsprozesses – unstrittig ist, daß die friedliche Aus- und Einwanderung über Staatsgrenzen und Weltmeere hinweg im 19. Jahrhundert ein bis heute historisch einmaliges Ausmaß hatte. Aus globaler Perspektive war die dominierende Bevölkerungsbewegung der europäische Massenexodus in die Neue Welt. Ungefähr 60 Millionen Menschen kehrten […] im 19. und frühen 20. Jahrhundert Europa den Rücken und wanderten nach Übersee aus – drei Fünftel von Ihnen allein in die Vereinigten Staaten“ (ebd.: 43). Hierzu lohnt sich ebenfalls ein Blick in die Arbeit von O´Rourke und Williamson (1999: 119 ff.).
 
16
Siehe hierzu exemplarisch die Entwicklung des Zugverkehrs im Raum Dortmund, welche vom Institut für Raumplanung der TU Dortmund vor einigen Jahren anschaulich illustriert wurde (vgl. IfR TU Dortmund 2010).
 
17
Jörg Dürrschmidt definierte diese Begriffe einige Jahre später wie folgt: „Time-Space distanciation bezieht sich […] auf die grundlegende Reorganisierung raum-zeitlicher Kontextualitäten im Prozess der Modernisierung. […] [Sie] ist folglich für Giddens die Vorbedingung für die mit disembedding und reembedding beschriebenen Prozesse des Herauslösens sozialer Beziehungen aus lokalen Interaktionskontexten und ihrer Restrukturierung über raum-zeitliche Distanzen hinweg“ (Dürrschmidt 2004: 49).
 
18
Paul Virilio postulierte später sogar ein „Ende der Geographie“ (vgl. Virilio 1997).
 
19
Diese Phase umfasst den Zeitraum von Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1870er Jahre. Charakteristisch für diesen Zeitabschnitt sind u. a. das Konzept eines einheitlichen und homogenen Nationalstaats sowie die Herausbildung internationaler Beziehungsgeflechte und Regelwerke (vgl. Robertson 1992: 58).
 
20
Diese Phase umfasst den Zeitraum von den 1870er Jahren bis zur Mitte der 1920er Jahre. Prägende Elemente dieser Periode sind u. a. die Etablierung von „national societies“ und „generic individuals“ sowie die Entstehung einer „international society“, basierend auf der Idee einer vereinten, aber nicht einheitlichen Menschheit (vgl. ebd.: 59).
 
21
Die Begrifflichkeit des „globalen Bewusstseins“ sei hier durchaus kritisch betrachtet, da sie u. a. eine einheitliche ökonomische/kulturelle Entwicklung (im Sinne von Fortschritt und wirtschaftlichem Austausch) voraussetzt, die in vielen Bereichen nicht gegeben ist. Globales Bewusstsein sei daher vorläufig definiert als eine (relative) Auflösung abgegrenzter kultureller bzw. lokaler Identitäten und planetarische Verknüpfung menschlicher Beziehungen/Aktivitäten im Sinne einer entterritorialisierten Denkweise.
 
22
Die Meistbegünstigungsklausel ist „eine Vereinbarung im internationalen Handel, wonach ein Staat einem anderen alle außenhandelspolitischen Vorteile (z. B. Zollermäßigungen) einräumt, die er bereits einem dritten Staat zugestanden hat“ (Duden Wirtschaft, zit. n. bpb 2021). Speziell durch das spätere „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT) und die WTO sollte die Meistbegünstigungsklausel eine zunehmende wirtschaftspolitische Bedeutung erhalten.
 
23
Bei diesem Begriff sollte unterschieden werden zwischen einer „emanzipatorische[n] Strategie des globalen Südens gegen die Übermacht des Nordens“ (Nachtwey/Strotmann 2005: 21), d. h. eines Konzeptes, das speziell von Walden Bello vertreten wird und „eine Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen zurück auf die lokale und nationale Ebene vorsieht“ (Bello 2005: 66), und einer wirtschaftshistorischen Phase des verstärkten Protektionismus und Nationalismus – verbunden mit einem Streben nach Autarkie. Letztere dient als Bezugspunkt für die weiteren Ausführungen.
 
24
Hingewiesen sei außerdem auf die Ausführungen von Jochen Oltmer: „[M]it dem Ersten Weltkrieg [setzte] eine Phase weltwirtschaftlicher De-Globalisierung und Desintegration ein, die durch protektionistische Politik noch entscheidend verstärkt wurde. Grenzüberschreitende Bewegungen wurden massiv reduziert. Das galt nicht nur für den Warenaustausch und den Kapitalverkehr, sondern auch für die grenzüberschreitenden Wanderungsbewegungen. Im Deutschen Reich, bis 1914 weltweit größter Importeur von Arbeitskraft, zeigte sich diese protektionistische Wende der Zwischenkriegszeit sehr klar mit einer offenen Bindung der Zuwanderungspolitik an die Entwicklung des Arbeitsmarktes“ (Oltmer 2005: 154).
 
25
Prägendes Element des fordistischen Produktionsmodells war u. a. die Standardisierung der Fertigungs- und Produktionsabläufe, d. h. vor allem eine feingliedrige Aufteilung der jeweiligen Arbeitsprozesse, sowie die Reduzierung der Produktpalette auf das „Modell-T“. Dieses Automobil besaß bspw. weder Gangschaltung noch Schalthebel, konnte in großer Stückzahl hergestellt und zu einem verhältnismäßig niedrigen Verkaufspreis angeboten werden.
 
26
Nicht zu verwechseln mit der begrifflichen Einordnung Claus Leggewies: „Die in Frankreich ‚sans papiers‘ genannte Bevölkerung ist das typische Produkt einer halbierten Globalisierung: So leicht Waren, Kapital, Dienstleitungen und willkommene (weil als nützlich betrachtete) Einwanderer Grenzen überschreiten dürfen, so schwer überwindbar bleiben sie für staatlicherseits unerwünschte Personen […]“ (Leggewie 2003: 20).
 
27
Vgl. hierzu auch die von Jörn Altmann (2000: 460) zusammengestellte Chronik des Bretton-Woods-Systems.
 
28
Eine gelungene Darstellung der Gründe bzw. Ursachen für den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems ist bspw. Stefan A. Schirm (2004: 70 f.) gelungen.
 
29
Als „Chicago Boys“ wird jene Gruppe von Ökonomen bezeichnet, die mehrheitlich am „Department of Economics“ der University of Chicago unter Milton Friedman studierte und u. a. nach dem Militärputsch in Chile 1973 wesentliche Schlüsselpositionen im staatlichen Wirtschaftsapparat übernahm. Im Sinne der von Friedman propagierten „Schocktherapie“ führte sie unter der Pinochet-Diktatur umfangreiche Privatisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen durch.
 
30
James Tobin war über die „Vereinnahmung“ seiner Theorie durch Attac wenig erfreut. In einem Interview sprach er 2001 sogar von einem Missbrauch seines Namens und merkte an: „Im großen Ganzen sind deren Positionen gut gemeint und schlecht durchdacht. Ich will meinen Namen nicht damit assoziiert wissen. […] Attac hat mir auch nicht mitgeteilt, dass sie meine Steuer propagiert. Ich habe nichts zu tun mit ihrer Namensgebung“ (zit. n. Reiermann/Schießl 2001: 124).
 
31
An anderer Stelle konstatiert Wahl: „Die Liberalisierung der Wechselkurse war sozusagen der ‚Urknall‘ für das, was heute als Globalisierung bezeichnet wird“ (Wahl 2007a: 20).
 
32
Zu nennen wären bspw. die Entstehung von Computernetzwerken, die Möglichkeit der Satellitenübertragung oder der Ausbau neuer Kommunikationsformen, wie die Fernkopie (Fax).
 
33
Ähnlich äußerte sich schon 1998 Jürgen Habermas: „Wie man es dreht und wendet, die Globalisierung der Wirtschaft zerstört eine historische Konstellation, die den sozialstaatlichen Kompromiß vorübergehend ermöglicht hat. Auch wenn dieser keineswegs die ideale Lösung eines dem Kapitalismus innewohnenden Problems darstellt, so hat er doch die entstandenen sozialen Kosten in akzeptierten Grenzen gehalten“ (Habermas 1998: 83).
 
34
Im Bereich der Warenproduktion, des Warenexports und der ausländischen Direktinvestitionen war in den Jahren von 1970 bis 1994 ebenfalls ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen, wie Eike W. Schamp schon 1996 herausgearbeitet hat (vgl. Schamp 1996). Beachtenswert ist ferner die Zunahme ausländischer Direktinvestitionen zwischen 1995 und 2009 (vgl. UNCTAD 2010: 2).
 
35
In ähnlicher Weise argumentierte bereits der britische Kulturtheoretiker Arnold J. Toynbee in den 1940er und 1950er Jahren. Zu nennen sind hier etwa seine Werke „Civilisation on Trial“ und „The World and the West“ (vgl. hierzu auch den Verweis von Perkins 2007: 94).
 
36
Ulrich Menzel war hier ähnlicher Meinung: „Die wichtigsten Konflikte dieser Welt sind folglich nicht mehr ideologisch oder ordnungspolitisch, wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts, sondern religiös und kulturell, vielleicht sogar ethnisch bedingt, treten insbesondere an den Bruchlinien auf, die diese Zivilisationsräume voneinander scheiden“ (Menzel 1998: 26).
 
37
Zwar teilt Kessler nicht die These einer maßgeblich auf die Triade beschränkten Globalisierung, doch scheint ein Querschnitt seiner Untersuchungsergebnisse – unter Ausblendung jeweiliger Einzel- bzw. Sonderfälle – dies dennoch zu bestätigen. In allen von Kessler untersuchten Teilbereichen (Auslandsdirektinvestitionen, Außenhandel, Telefonverkehr, Internetnutzung, Luftverkehr und Tourismus) erreichen die so genannten Industrienationen, und hier speziell Japan, Westeuropa und Nordamerika, Spitzenwerte (vgl. Kessler 2009: 45 ff.).
 
38
Dies knüpft u. a. an theoretische Überlegungen Joseph Schumpeters und Friedrich August Hayeks an. Während Schumpeter die Demokratie als Eliten- und Konkurrenzdemokratie verstand, in der es vornehmlich um den Auswahlprozess von professionellen Führungskräften bzw. Berufspolitikern gehe und der Wähler „die Arbeitsteilung zwischen ihnen selbst und den von ihnen gewählten Politikern“ (Schumpeter 1946, zit. n. 2020: 389) zu respektieren habe, sah Friedrich August Hayeks die Demokratie in ihrer funktionalen Bedeutung ausschließlich darauf beschränkt, die „höchsten Ziele der bürgerlichen Gesellschaft“ (Hayek 1944, zit. n. 2009: 99) zu erreichen und das vorhandene Privateigentum zu sichern (vgl. ebd.). Eine „unbeschränkte Demokratie“ (Hayek 2002a: 211), so Hayek, bedrohe die Freiheit des Wettbewerbs wie des Eigentums und bewirke letztlich eine „progressive Ausdehnung der staatlichen Kontrolle des Wirtschaftslebens […], selbst wenn die Mehrheit der Menschen eine Marktwirtschaft bewahren möchten“ (Hayek 2002b: 180).
 
39
Hier verstanden als ökonomische Denkrichtung, die an der Universität von Chicago entstand und u. a. mit der wirtschaftstheoretischen Konzeption des Monetarismus (nach Friedman) in Verbindung gebracht wird. Siehe ergänzend auch die vorherige Anmerkung zur Begrifflichkeit „Chicago Boys“.
 
40
Bettina Lösch knüpft hier inhaltlich an Noam Chomsky an, ohne aber direkt auf ihn Bezug zu nehmen.
 
41
Hierzu formulierte bereits Jürgen Habermas: „Zwischen Kapitalismus und Demokratie besteht ein unauflösbares Spannungsverhältnis; mit beiden konkurrieren nämlich zwei entgegengesetzte Prinzipien der gesellschaftlichen Integration um den Vorrang“ (Habermas 1995: 507).
 
42
Vgl. hierzu auch Laclau/Mouffe 2006: 216.
 
43
Dieser These schließt sich auch Peter Wahl, Gründungsmitglied von Attac-Deutschland, an: „Wir haben es bei dem neoliberalen Typ von Globalisierung […] mit einer grundlegenden Tendenz zur Entdemokratisierung zu tun“ (Wahl: 2006: 56).
 
44
Hier als „Nichteinmischung in das Recht unbeschränkter Aneignung“ (Laclau/Mouffe 2006: 215) zu verstehen.
 
45
Olaf Leiße zufolge konstruiert Michael Zürn unter der Begrifflichkeit „Denationalisierung“ ein Konzept, das „unterhalb von Globalisierung und Entgrenzung angelegt ist“ (Leiße 2009: 51). Und weiter führt Leiße aus: „Das Konzept der Denationalisierung unterscheidet sich von dem der Globalisierung vor allem dahingehend, dass Denationalisierungsprozesse die Grenzen des Nationalstaates in räumlicher und funktionaler Hinsicht überschreiten, ohne weltumspannend sein zu müssen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die analysierten Zusammenhänge nicht in allen Regionen gleichermaßen zu finden sind“ (ebd.). Zürn selbst formuliert dies mit folgenden Worten: „Gesellschaftliche Denationalisierung kann operational definiert werden als die relative Zunahme der Intensität und der Reichweite grenzüberschreitender Austausch- und Produktionsprozesse in den Sachbereichen Wirtschaft, Umwelt, Gewalt, Mobilität sowie Kommunikation und Kultur. Gesellschaftliche Denationalisierung ist damit eine Variable, die je nach betrachtetem Sachbereich und je nach betrachtetem Land unterschiedliche Werte annehmen kann“ (Zürn 2001: 112).
 
46
Skylla und Charybdis sind Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie, die der Sage nach (siehe bspw. Homers „Odyssee“) in der Straße von Messina jeweils eine Seite der Meerenge bewachten.
 
47
Flassbeck und Steinhardt führen an späterer Stelle ihres Werkes aus: „Ob feste oder flexible Wechselkurse zwischen den Währungen verschiedener Volkswirtschaften vorherrschen, ob es Zölle und andere Handelsschranken gibt, immer sind es die Staaten und nicht die Märkte, die darüber entscheiden, auf welche Weise und mit welchen Auswirkungen Güter, Kapital und Menschen sich über die Grenze bewegen“ (Flassbeck/Steinhardt 2018: 302).
 
48
Weiffen wählt in ihren Ausführungen den Terminus „pessimistisch“. Dieser wird im Folgenden allerdings durch den Begriff „globalisierungskritisch“ ersetzt. Dadurch soll vor allem eine begriffliche Abgrenzung zur Gruppe der Globalisierungsgegner*innen vollzogen werden (siehe hierzu auch den Abschnitt 2.3).
 
49
Brigitte Weiffen verweist in diesem Kontext auf die Domino-Theorie, welche sich auf die zunehmende Ausbreitung und räumliche Verteilung demokratischer Systeme bezieht (vgl. Weiffen 2009: 100 ff.). So sind bspw. nach Christina Lindborg und Harvey Starr (2003) speziell in den Jahren von 1974 bis 1996 so genannte Ansteckungseffekte zu beobachten, d. h. Nationalstaaten, in denen sich Demokratien etabliert haben bzw. etablieren konnten, dienten als politisches Vorbild für ihre jeweiligen Nachbarstaaten. Im Gegensatz hierzu steht die Wellen-Theorie, die sich auf die periodische bzw. zyklische Festigung und Erweiterung demokratischer Systeme fokussiert und etwa von Samuel Huntington vertreten wird (vgl. Huntington 1991).
 
50
Der von Freedom House seit 1973 jährlich veröffentliche Bericht zur Entwicklung und Ausbreitung der Demokratie („Freedom in the World“) ist eine der bekanntesten (Langzeit-)Studien zu diesem Themenfeld. Freedom House unterteilt die jeweiligen Demokratien nach den Kategorien „free“, „partly free“ und „not free“. Von einigen Autor*innen wird die mangelnde Objektivität und wissenschaftliche Neutralität der „Freedom House“-Untersuchungen moniert (vgl. hierzu u. a. Pickel/Pickel 2006: 218 ff. oder auch Prittwitz 2007: 78).
 
51
Weiffen merkt hierzu kritisch an: „Während zwischen wirtschaftlicher und politischer Liberalisierung schwerlich ein Kausalzusammenhang behauptet werden kann, weil beiden Prozessen politische Entscheidungen zugrunde liegen, und während es nahe liegend [sic!] ist, dass ökonomische Liberalisierung zur Ausweitung der Weltmarktintegration führt, ist bei der Beziehung zwischen Weltmarktintegration und Demokratie die Richtung der Kausalität umstritten. Auch graphische Darstellungen […] illustrieren zwar deutlich, dass eine zeitliche Koinzidenz zwischen den anwachsenden Welthandels- und Kapitalströmen und der Ausbreitung der Demokratie existiert, lassen aber keine Aussage über die Kausalität zu“ (Weiffen 2009: 102).
 
52
Auch für Maren Becker et al. ist der Globalisierungsprozess keine Naturgewalt, sondern ein politisch gewolltes Projekt und „im Wesentlichen die Folge von Entscheidungen demokratisch legitimierter Regierungen auf nationaler Ebene und von Übereinkommen in internationalen Organisationen, die wiederum von demokratisch legitimierten Regierungen der Industrieländer entscheidend beeinflusst wurden“ (Becker et al. 2007: 15).
 
53
Der IWF und die Weltbank haben ihren Hauptsitz jeweils in Washington D.C., die WTO in Genf. Viele Globalisierungskritiker*innen betrachten diese Konstellation als Ausdruck US-amerikanischer und europäischer Hegemonie.
 
54
Ein Beispiel für Letzteres ist das Attac-Netzwerk mit seiner Forderung einer Tobin-Steuer. Christiane Grefe et al. führten in einer der ersten Abhandlungen über Attac-Deutschland an: „[Es geht den Globalisierungskritiker*innen] um die Universalisierung der Demokratie, um die Souveränität aller Bürger dieser Welt. Die modernen Demokratien entstanden als Nationalstaaten. Und die Souveränität der Nationalstaaten begründet sich mit ihrer Macht der Steuererhebung. […] Heute ist die Wirtschaft global, aber der Rahmen, in dem sie steht, ist es nicht. Und die zentrale Forderung einer weltweiten Demokratiebewegung muss ein weltweites Steuersystem für wirtschaftliche Akteure sein, die weltweit tätig sind“ (Grefe et al. 2003: 187).
 
55
In diesem Kontext wies Wolfgang Kraushaar darauf hin, dass sich die „Polyvalenz des Schlüsselworts [Globalisierung] […] in der Diffusion möglicher Kontrahenten nieder[schlägt] […] [und es] häufig unklar [ist], wer der eigentliche Adressat der Proteste ist“ (Kraushaar 2001: 21) und in welchen Fällen nun von „Gegnerschaft“ oder „Kritik“ gesprochen werden kann.
 
56
Martin Peters ist diesbezüglich sogar der Auffassung, dass die „Verwandlung der ‚Globalisierungsgegner‘ in ‚Globalisierungskritiker‘“ (Peters 2014: 248) einen „schleichenden Paradigmenwechsel [illustriert]: von der wütenden Ablehnung sozialer Verhältnisse zur konsensorientierten Detailkritik“ (ebd.).
 
57
Auszüge aus dem hier zitierten Flyer „Block G8: bewegen – blockieren – bleiben“ anlässlich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm sind im elektronischen Zusatzmaterial einsehbar.
 
58
Sinnbildlich hierfür – aber mitnichten repräsentativ für die Gewerkschaftsbewegung – steht der Slogan des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands „American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations“ (AFL-CIO) während der Anti-WTO-Proteste in Seattle 1999: „WTO: People First – Not China First” und die damit in Zusammenhang stehenden Debatten um die Aufnahme Chinas in die WTO (vgl. Brecher et al. 2000: 19 ff.).
 
Metadaten
Titel
Globalisierung: Dimensionen – Facetten – Spannungsfelder
verfasst von
Björn Allmendinger
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44296-5_2