11.2.5.3.1 Staatsziele und Grundrechte, Klimaklagen
Mit dem BVG Nachhaltigkeit ist im österreichischen Verfassungsrecht ein „Bekenntnis“ des Staates zum „umfassenden Umweltschutz“ und damit auch zum Klimaschutz verankert (Lueger,
2020). Dieses Bekenntnis hat nicht den Charakter eines Grundrechts (Hattenberger,
1993), sondern stellt eine bloße Staatszielbestimmung dar (Sander & Schlatter,
2014). In der Judikatur wurde das Staatsziel wiederholt herangezogen, um das öffentliche Interesse an grundrechtsbeschränkenden Umweltschutzregelungen (z. B. ein Fahrverbot für Motorboote aus Umweltschutzgründen) zu bekräftigen und Grundrechtseingriffe zu legitimieren. Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur dritten Piste des Wiener Flughafens (
Dritte Piste Flughafen Wien,
2017) wurde in Frage gestellt, dass Umwelt- und Klimaschutz im Lichte des Staatsziels als „öffentliches Interesse“ für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes herangezogen werden kann (Merli,
2017; Madner & Schulev-Steindl,
2017; E. M. Wagner,
2017). Ähnlich wie die Staatszielbestimmung wirkt auf der europäischen Ebene Art. 37 der Grundrechtecharta als bloße Grundsatzbestimmung und nicht als Grundrecht (Madner,
2019a).
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Teil des österreichischen Verfassungsrechts ist, enthält kein explizites Grundrecht auf Umweltschutz, jedoch können aus ihren Garantien bestimmte umweltrelevante Schutzpflichten abgeleitet werden (Grabenwarter & Pabel,
2021; Schnedl,
2018; Ennöckl & Painz,
2004; Wiederin,
2002). So wird in der Judikatur aus Art. 8 EMRK die Verpflichtung abgeleitet, im Interesse des Privat- und Familienlebens dem Einzelnen Schutz vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Umweltverschmutzungen zu gewährleisten, Umweltinformationen bereitzustellen und Umweltprüfungen durchzuführen (Grabenwarter & Pabel,
2021). Nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung gewährt Art. 8 EMRK dabei jedoch keinen Anspruch auf den Schutz der Umwelt „also solcher“, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit die mit dem Privat- und Familienleben grundrechtlich geschützte Sphäre des Einzelnen nicht berührt sieht (Braig & Ehlers-Hofherr,
2020). In der Literatur wird der Schutz, den Art. 8 EMRK für die Umwelt gewährt, deshalb auch als bloß indirekter oder anthropozentrischer Schutz bezeichnet (Müllerová,
2015). Zudem verlangt Art. 13 EMRK, dass die nationale Rechtsordnung schon die mögliche Verletzung eines Konventionsrechts überprüfbar machen muss (Grabenwarter & Pabel,
2021). Dieses Recht auf eine wirksame Beschwerde hat der EGMR explizit auch für die mögliche Verletzung von Art. 8 EMRK in umweltrelevanten Fällen bestätigt (
Hatton u. a. gegen Vereinigtes Königreich,
2003). Aktuell sind mehrere Fälle beim EGMR anhängig, die sowohl die Frage nach Klimaschutzpflichten von Staaten (
Duarte Agostinho u. a. gegen Portugal u. a.,
anhängig; dazu Braumann,
2021) als auch explizit die Frage nach einem Recht auf wirksame Beschwerde im Zusammenhang mit fehlenden oder zu wenig ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen betreffen (
Mex M. gegen Österreich,
anhängig;
Verein KlimaSeniorinnen Schweiz u. a. gegen Schweiz,
anhängig).
Ob und inwieweit aus grundrechtlichen Schutzpflichten ein Anspruch auf konkrete Klimaschutzmaßnahmen abgeleitet werden kann, wird in der Literatur differenziert beurteilt (Binder & Huremagić,
2021; Buser,
2020; Groß,
2020; S. Meyer,
2020). Geht man vom Bestehen klimaschutzrelevanter Schutzpflichten aus, so kommt den Grundrechten im Kontext des Klimawandels eine doppelte Rolle zu (W. Kahl,
2021): Während die Grundrechten inhärenten Schutzpflichten, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Leben oder dem Grundrecht auf Eigentum, den Staat zum Schutz der Umwelt und des Klimas verpflichten, schützen klassische Abwehrrechte die Rechtsposition des Einzelnen, in die durch Klimaschutzmaßnahmen häufig eingegriffen wird (Hofer,
2021). In der Literatur werden in diesem Zusammenhang insbesondere das Eigentumsgrundrecht und die Erwerbsfreiheit herausgegriffen (T. Weber,
2019), die relevant werden, wenn Klimaschutzmaßnahmen auf die Beschränkung bestimmter klimaschädlicher Aktivitäten sowie auf Nutzungseinschränkungen und Verbote (z. B. Dieselfahrverbot) abzielen (Hattinger,
2019). Umgekehrt hat das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst (
1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20,
2021) den drastischen Klimaschutzmaßnahmen, die erforderlich werden, wenn gegenwärtige Klimaschutzmaßnahmen wenig weitreichend sind, eine eingriffsähnliche Vorwirkung auf praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit zugemessen (Aust,
2021; Saiger,
2021). Im Interesse der Schonung künftiger Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass die Entwicklung zur Klimaneutralität rechtzeitig und vorausschauend eingeleitet wird (Schlacke,
2021a). In diesem Sinne hat das BVerfG den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 näher zu regeln.
Der aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz abgeleitete Vertrauensschutz schützt in eng begrenztem Maße auch das Vertrauen des Einzelnen in den unveränderten Fortbestand der bestehenden Rechtslage und schränkt insoweit den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein (Holoubek,
1997). Dies betrifft z. B. rückwirkende nachteilige Gesetzesänderungen oder Konstellationen, in denen die Erwartung auf den Fortbestand der Rechtslage geweckt und zugleich zu entsprechenden wirtschaftlichen Dispositionen ermuntert wurde (siehe auch Lutz-Bachmann,
2021). Die Rechtsprechung hat unter diesem Gesichtspunkt beispielsweise das In-Aussicht-Stellen einer Ausnahme von einem Nachtfahrverbot für lärmarme LKW und anschließende Einbeziehung in das Verbot als problematisch erachtet (
VfSlg 12944,
1991). Fragen des Vertrauensschutzes werden z. B. im Zusammenhang mit energetischen Sanierungspflichten im Gebäudebestand (Klima,
2016) oder in Bezug auf Reduktion von Treibhausgasemissionen diskutiert (Hofer,
2021; für Deutschland, Altenschmidt,
2021).
Im internationalen und europäischen Kontext steigt die Zahl sogenannter Klimaklagen (United Nations Environment Programme & Sabin Center for Climate Change Law,
2017,
2020), im Rahmen derer Einzelne oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf verschiedene Weise versuchen (E. M. Wagner,
2018), die Klimakrise vor Gerichten zu thematisieren (Fitz,
2019). Der niederländische Fall Urgenda gilt dabei im europäischen Kontext als besonders wesentlich, hat darin doch ein Gericht den niederländischen Staat im Sinne der staatlichen Fürsorgepflicht zu einer Steigerung der Klimaschutzzielsetzungen verpflichtet (Antonopoulos,
2020; Pedersen,
2020; Spier,
2020). Diese Entscheidung wurde letztlich auch vom Höchstgericht bestätigt (
Urgenda,
2019). Die Tatsache, dass ein Gericht in diesem Zusammenhang die neue Zielsetzung direkt selbst vorgeschrieben hat, wird in der Literatur auch kritisch diskutiert (Wegener,
2019). Der Fall Urgenda hat Vorbildwirkung für Klimaschutzklagen in anderen europäischen Ländern (Wewerinke-Singh & McCoach,
2021; Barritt,
2020; Saurer & Purnhagen,
2016), die teilweise auch erfolgreich waren (Schomerus,
2020).
Immer wieder sind Klimaklagen aber aktuell mit zahlreichen materiellen und prozessualen Herausforderungen und offenen Fragen verbunden (Schulev-Steindl,
2021; E. M. Wagner,
2021a). So ist – nicht zuletzt im österreichischen Kontext – schon der Zugang zu Gerichten in vielen Fällen insofern begrenzt, als dass Kläger_innen dafür eine spezifische Betroffenheit durch den Klimawandel geltend machen müssen (Schulev-Steindl,
2021). Im Rahmen einer europäischen Klimaklage (
Carvalho u. a./Parlament und Rat,
2019), aber auch bei einer österreichischen Klimaklage (
G 144-145/2020-13, V 332/2020-13,
2020; dazu Rockenschaub,
2021) konnte diese spezifische Betroffenheit beispielsweise nicht nachgewiesen werden (jeweils kritisch Horner,
2021; Schulev-Steindl,
2020; Winter,
2019), wobei im österreichischen Fall das Verfahren vor den EGMR noch nicht abgeschlossen ist (Pflügl,
2021). Das deutsche Bundesverfassungsgericht (
1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20,
2021) hat jüngst die Beschwerdebefugnis natürlicher Personen (einschließlich in Bangladesch und Nepal lebender Beschwerdeführer_innen) wegen einer möglichen Verletzung staatlicher Schutzpflichten aus dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit bzw. dem Eigentumsgrundrecht bejaht.
Im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Klimaklagen, beispielsweise gegen Unternehmen (Antretter,
2021; E. M. Wagner,
2021b), stellen Fragen der Rechtswidrigkeit und der Kausalität weitere Herausforderungen dar (E. M. Wagner,
2021a; Spitzer,
2017). Verstößt eine Handlung nicht gegen bestehendes Recht, ist fraglich, wie die Rechtswidrigkeit – als Voraussetzung für Schadenersatzansprüche – begründet werden kann. Diese Frage stellt sich beispielsweise dort, wo Produktionsanlagen dem Emissionshandelssystem unterliegen und dessen Vorgaben von der Anlage erfüllt werden (Spitzer & Burtscher,
2017). Unter dem Stichwort „Kausalität“ erweist sich die Herstellung eines kausalen Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Ereignis (z. B. einer Naturkatastrophe oder einer Hitzewelle) und dem voranschreitenden globalen Klimawandel oft als schwierig (Schulev-Steindl,
2021). Am Beispiel internationaler Klimaklagen zeigt die Literatur auf, dass diese Problematik abgeschwächt werden kann, wenn bei der Geltendmachung staatlicher Verpflichtungen der Kausalitätsnachweis nur teilweise erbracht werden muss (Orator,
2021; Buser,
2020; Backes & Veen,
2020; Verschuuren,
2019).
11.2.5.3.2 Klimaschutzgesetz
Das nationale Klimaschutzgesetz (KSG) bezieht sich auf den Non-ETS-Bereich, das sind die Sektoren Abfallwirtschaft, Gebäude, Landwirtschaft, Verkehr und (teilweise) Energie und Industrie. Für diese Sektoren schreibt das KSG jährliche Höchstmengen an Treibhausgasemissionen vor (Fitz & Ennöckl,
2019). In seiner aktuell gültigen Fassung sind solche Höchstmengen bis zum Jahr 2020 vorgesehen, für den Zeitraum danach fehlt es an einer Festlegung. Eine Novellierung des KSG ist aktuell noch nicht eingeleitet worden.
In den vergangenen Jahren konnte das KSG die Einhaltung der Zielvorgaben aufgrund diverser struktureller Schwächen nicht bzw. nur unter umfangreichen Zertifikatszukäufen gewährleisten (Ennöckl,
2020). Als eine solche Schwäche wird zentral das Fehlen eines substanziellen Governance- und Verantwortlichkeitsmechanismus genannt: Zwar sieht das KSG den Abschluss eines Gliedstaatsvertrages (Art. 15a B-VG) vor, um im Falle der Verfehlung der Klimaziele die (Kosten-)Verantwortlichkeit zwischen Bund und Ländern zu regeln (Schwarzer,
2012). Ein solcher Vertrag wurde jedoch nie abgeschlossen (Fitz & Ennöckl,
2019). Stattdessen wurde für den Fall eines notwendigen Zertifikatzukaufs eine Kostentragungsregelung im Finanzausgleichsgesetz 2017 vorgesehen (§§ 28 f), der zufolge diese Kosten im Verhältnis 80:20 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden (Ennöckl,
2020). Diese fixe Aufteilung, die den tatsächlich Beitrag zu den Treibhausgasreduktionen nicht berücksichtigt und damit wenig Anreizwirkung hat, wurde kürzlich vom Rechnungshof kritisiert (Rechnungshof Österreich,
2021). Zudem ergibt sich aus der Kostentragungsregelung nur bedingt ein Anreiz zur Einhaltung der Emissionsgrenzen, da sich die Kostentragungsregelung nicht auf die sektorenspezifischen Emissionsgrenzen bezieht, sondern auf die insgesamt vorgesehenen Höchstmengen von Treibhausgasemissionen (Habjan,
2018). Überdies kritisiert eine Evaluierungsstudie, dass die Klimamaßnahmenplanung, wie sie im KSG grundgelegt ist, ohne regelmäßige Evaluierung und ausreichende Einbindung der Wissenschaft erfolgt und die vorgesehenen Fristen für die Erarbeitung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu wenig straff sind; zudem besteht kein Säumnisschutz für den Fall, dass keine Klimamaßnahmen geplant werden, und es fehlt ein externer Kontrollmechanismus (Schulev-Steindl et al.,
2020).
11.2.5.3.3 Erneuerbaren-Ausbaugesetz und Energieeffizienzgesetz
Als wesentliche klimarelevante Bereiche des nationalen Energierechts gelten die Regelung zur Förderung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz (Pirstner-Ebner,
2020). Das sogenannte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) schafft einen neuen Rahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien, um den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern (2030: 32 Prozent) und auf Österreichs Klimaneutralität bis 2040 hinzuwirken (§ 4). Zu diesem Zweck errichtet das EAG einen neuen Förderrahmen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen sowie für erneuerbares Gas. Für beide Bereiche sind Investitionszuschüsse und Marktprämien vorgesehen (Nigmatullin,
2021; Laimgruber,
2021), das dahinterstehende Fördervolumen wird aber teilweise als zu gering eingeschätzt (Katalan & Reitinger,
2021). Die dem Fördersystem unterliegenden, nunmehr sozial-ökologischen Kriterien wurden im Vorfeld insbesondere aus Naturschutzüberlegungen kritisiert (Holzleitner & Veseli,
2021; Schlatter,
2021). Das EAG bietet überdies eine Grundlage für die Bildung von Energiegemeinschaften (Cejka,
2021; Hartlieb & Kitzmüller,
2021) sowie die Errichtung regulatorischer Freiräume („Sandboxes“) für Forschungs- und Demonstrationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien (Ennser,
2021).
Die Überarbeitung des Energieeffizienzgesetzes wurde noch nicht in den parlamentarischen Prozess eingebracht. In seiner aktuellen Fassung verpflichtet das Gesetz im Wesentlichen die Energielieferanten dazu, Effizienzmaßnahmen bei sich selbst, ihren Endkunden oder anderen Endenergieverbrauchern zu setzen. Andernfalls ist von Energielieferanten eine Ausgleichsabgabe zu entrichten (Schwarzer,
2016a; E. Wagner,
2016). Die dabei früher eingeräumten weiten Spielräume hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsabgabe (Steinmüller,
2015) sind nunmehr mit einem Verweis auf die durchschnittlichen Grenzkosten der umzusetzenden Energieeffizienzmaßnahmen begrenzt.
11.2.5.3.4 Anlagen- und Infrastrukturrecht
Der Rechtsrahmen für die Genehmigung von Anlagen und Infrastrukturprojekten unterscheidet sich mit Blick auf Klimaschutzaspekte deutlich, je nachdem, ob für ein Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist oder nicht. Bei der Genehmigung kleinerer und mittlerer Projekte werden Klimaschutzaspekte nach Maßgabe der relevanten Rechtsgrundlagen, z. B. im Naturschutzgesetz, im Wesentlichen im Rahmen von Interessenabwägungen berücksichtigt. Solche Interessenabwägungen verweisen zumeist allgemein auf „öffentliche Interessen“ und konkretisieren oft auch das Gewicht, das diesen Interessen zuzumessen ist, nicht näher (Sander,
2019). Behörden und überprüfenden Gerichten bleibt hier ein recht weiter Spielraum, um eine (politische) Wertentscheidung zu treffen (Fuchs,
2014,
2017; Ranacher,
2017). Während Teile der Literatur hier eine Möglichkeit sehen, Klimaschutzinteressen zu stärken (Romirer & Geringer,
2021; Schwarzer,
2016b), sehen andere Vertreter_innen der Wirtschaft in der Praxis der Anlagengenehmigung eine ungerechtfertigte Privilegierung von Umweltinteressen gegenüber wirtschaftlichen Interessen (Schmelz,
2017a). Als besonders schwierig erweist sich in der Praxis die Interessenabwägung bei Anlagen und Infrastrukturprojekten, die zwar einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, beispielsweise Energieerzeugungsanlagen für erneuerbare Energien, aber negative Auswirkungen auf andere Umweltgüter haben (Schumacher,
2022; Berl & Gaiswinkler,
2021). Für den Bereich Naturschutz hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) klargestellt, dass an Maßnahmen, die zum Klimaschutz beitragen, nicht in jedem Fall ein höheres öffentliches Interesse besteht (
2009/10/0020,
2010). Vielmehr muss dieses Interesse im Einzelfall, unter Berücksichtigung von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahme, beurteilt werden. Ausschlaggebend für ein Überwiegen ist, welche Bedeutung die Verwirklichung der Maßnahme für den Klimaschutz hat und wie gravierend die negativen Auswirkungen auf andere Umweltschutzgüter, beispielsweise den Naturhaushalt, sind (
2010/10/0127,
2013). Selbst für den Fall, dass das Interesse am Klimaschutz überwiegt, beinhalten die Naturschutzgesetze der Länder aber vielfach eine Pflicht, die negativen Auswirkungen einer Maßnahme auf die Natur zu minimieren. Diese Pflicht berechtigt die Behörde dazu, die Genehmigung nur unter Vorschreibung von Auflagen zum Naturschutz, wie der Errichtung von Ersatzflächen eines Lebenstraumtyps, zu genehmigen (Hollaus,
2021). Eine diesem Eingriffs-/Ausgleichssystem nachgebildete Regelung für den Klimaschutz besteht derzeit nicht. Vereinzelt werden auf Landesebene aber Solitärbäume und Baumgruppen durch Gesetz geschützt (Baumgesetze), was auch als Schutz von klimarelevanten CO
2-Speichern verstanden werden kann. Ähnlich wie für Wälder, die nach dem Forstgesetz geschützt sind (Lindner & Weigel,
2019), sind Ausgleichsmaßnahmen in Form von Ersatzpflanzungen vorgesehen, wenn diese Bäume entfernt werden (Hollaus,
2021).
Bei größeren Infrastrukturprojekten, wie großen Wasserkraftanlagen oder Verkehrsprojekten, sind im Rahmen der UVP die Auswirkungen auf das Mikro- und Makroklima zu erheben und zu bewerten (Reichel,
2019). In der Vollzugspraxis ist die Darstellung und Bewertung dieser Auswirkungen mit Herausforderungen verbunden (Jiricka-Pürrer et al.,
2018). Als Ultima Ratio sieht das UVP-Gesetz explizit vor, dass die Genehmigung mit Blick auf das öffentliche Interesse am Umweltschutz auch versagt werden kann, wenn im Falle einer Gesamtbewertung von schweren Umweltbelastungen auszugehen ist (Madner,
2019b; Schmelz & Schwarzer,
2011). Darüber, in welchen Konstellationen die Möglichkeit besteht, eine Genehmigung angesichts schwerer Umweltbelastungen zu versagen, äußert sich die Literatur kontrovers (Sander,
2019; Fitz,
2019). Die verwaltungsgerichtliche Judikatur hat hier bislang keine Klarheit über solche Anwendungsszenarien geschaffen (VwGH,
Ro 2018/03/0031-0038, Ro 2019/03/0007-0009-6,
2019; dazu Kirchengast et al.,
2020;
VwSlg 18189 A/2011,
2011).