FormalPara Zusammenfassung

Die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern offeriert viel Potential für Verbesserungen. Doch wo stehen wir auf dem Weg zum Krankenhaus 4.0 und welche internationalen Digitalisierungsstrategien sind in den Blick zu nehmen? Wo sind Rationalisierungseffekte beim Personaleinsatz denkbar und wie lassen sich Digitalisierungsmaßnahmen bewerten? Der Beitrag beleuchtet Effekte auf das Krankenhauspersonal im Zuge der digitalen Transformation und wirft ein Schlaglicht auf die Möglichkeiten mit Blick auf die Verbesserung des Personaleinsatzes und eine Entlastung der Mitarbeitenden. Zudem zeigt er aktuell bestehende Hindernisse und Hürden sowie die resultierenden Herausforderungen mit Fokus auf das Krankenhauspersonal auf.

Digitisation in German hospitals offers a lot of potential for improvement. However, where do we stand on the road to Hospital 4.0 and which international digitisation strategies should be considered? Which rationalisation effects in staff deployment are conceivable and how can digitisation measures be evaluated? The authors examine the effects on hospital staff in the course of the digital transformation and shed light on the options for improving staff deployment and reducing the workload of the employees. They also highlight current obstacles and hurdles as well as the resulting challenges with a focus on hospital staff.

1 Einleitung

1.1 Rahmenbedingungen

Die Sicherstellung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen medizinischen Krankenhausversorgung in Deutschland steht mit Blick auf die kommenden Jahre vor großen Herausforderungen. Die demographische Entwicklung zieht eine Zunahme von schwerkranken, multimorbiden und älteren Patientinnen und Patienten nach sich, die konsekutiv zu steigenden Behandlungskosten führt. Stagnierende Fallzahlen bereits vor der Covid-19-Pandemie und die Ambulantisierung, die im Zuge der Pandemie zusätzlich an Fahrt aufgenommen hat, führen zu einem veränderten Leistungsgeschehen in den Kliniken. Zusätzlich steigen die Anforderungen an die Dokumentation als Voraussetzung für die Abrechenbarkeit medizinischer Leistungen. Hier sind beispielhaft die neu etablierten und nunmehr regelmäßig stattfindenden Strukturprüfungen zur Geltendmachung der OPS-Komplexbehandlungen nach § 275d SGB V zu nennen. Insgesamt bewirkt der steigende Kostendruck in den Krankenhäusern Anstrengungen zur Effizienzsteigerung.

1.2 Auf dem Weg Richtung Krankenhaus 4.0

Der Digitalisierung im Gesundheitswesen wird das Potenzial zugesprochen, die Effizienz zu steigern und Kosteneinsparungen bei gleichbleibender oder sogar steigender Qualität zu generieren (McKinsey & Company 2018). Erfahrungen aus anderen Branchen haben gezeigt, dass sich Prozesse mit Hilfe der Digitalisierung stärker standardisieren und automatisieren lassen. Auch wenn im Krankenhaus – anders als in der Industrie – nicht Produktionsprozesse, sondern ein Diagnose- und Therapieprozess im Mittelpunkt steht, wird hierbei Optimierungspotenzial gesehen. Die Chance auf Prozessoptimierung stellt daher in den Krankenhäusern, neben Aspekten des medizinischen Fortschritts, eine der treibenden Kräfte für die digitale Transformation dar.

Die Entwicklung in den Krankenhäusern hat dabei einen vergleichbaren Wandel wie im industriellen Gewerbe vollzogen (siehe Abb. 11.1). Es hat mit einem rein „analogen“ Krankenhaus begonnen, dem Krankenhaus 1.0, in dem das Zusammentreffen von Patientinnen und Patienten mit den Leistungserbringenden vor Ort stattfand, die Diagnostik auf Basis von Untersuchungen und Tests bestand und im Folgenden ein Behandlungsplan bzw. die Einleitung von Folgemaßnahmen erfolgte. Im Krankenhaus 2.0 erlangten technische Geräte zunehmend an Bedeutung, beispielhaft sind bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Computertomographie (CT) zu nennen. Zur Überwachung wurden Medizingeräte wie Pulsoxymeter eingesetzt und auch in den Operationssälen gewann die Technik zunehmend an Bedeutung (z. B. durch die Laparoskopie oder Roboter-assistierte Operationssysteme). Die Entwicklung und Einführung elektronischer Patientenakten steht im Mittelpunkt des Krankenhaus 3.0. Diese zieht weitreichende Veränderungen der klinischen und betrieblichen Abläufe nach sich. Zudem gewinnen elektronische Anwendungen zur Interaktion zwischen Patientinnen und Patienten auf der einen sowie den Leistungserbringenden auf der anderen Seite zunehmend an Bedeutung. Hier sind Errungenschaften wie die Telemedizin oder die Videosprechstunde zu nennen. Im Krankenhaus 4.0 spielt nun der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbesserung von Diagnostik, Koordination, Therapie und Kommunikation eine wesentliche Rolle. Agierende im Krankenhaus-Behandlungsteam, aber auch über die Sektorengrenzen hinweg, sind untereinander vernetzt und können auf intelligente Geräte, Sensoren und tragbare Geräte über das Internet der Dinge zugreifen (Li und Carayon 2021).

Abb. 11.1
figure 1

Auf dem Weg zum Krankenhaus 4.0. (In Anlehnung an Li und Carayon 2021)

Die Dynamik der digitalen Entwicklung in den deutschen Krankenhäusern war in den letzten Jahren jedoch eher träge. Die Erfahrungen aus anderen Bereichen verdeutlichen, dass es sich bei der digitalen Transformation um einen agilen Vorgang handelt, der an Fahrt aufnehmen muss. Brauchten Mobiltelefone noch zwölf Jahre, bis sie 50 Mio. Nutzerinnen und Nutzer erreichten, konnte diese Zahl der Internet-Anwenderinnen und -Anwender bereits nach sieben Jahren erreicht werden. Nachdem die digitale Technik von der Bevölkerung angenommen worden war, konnte Facebook nach nur vier Jahren die Marke von 50 Mio. Nutzenden überschreiten; Pokémon Go gelang dies später nach nur 19 Tagen (Koolwal und Khandelwal 2020).

Die Bereitstellung innovativer, aber kostspieliger neuer Technologien führt gleichwohl zu Spannungen im Gesundheitswesen, insbesondere vor dem Hintergrund knapper Ressourcen (Vassolo et al. 2021). Im Bereich der Krankenhäuser Deutschlands trug insbesondere der Investitionsstau dazu bei, dass die Digitalisierung nicht entsprechend forciert werden konnte. Durch die Covid-19-Pandemie wurde förmlich über Nacht offenbar, wie bedeutsam beispielsweise die digitale intra- und intersektorale Vernetzung, digitale Anwendungen zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten oder die zeitnahe Verfügbarkeit digitaler Daten im medizinischen Versorgungskontext sein können. Vor diesem Hintergrund ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) zu sehen: Es wurde die Bereitstellung von 3 Mrd. € durch den Bund sowie weiteren 1,3 Mrd. € durch die Länder in Form des Krankenhauszukunftsfonds verankert, aus dem zukunftsweisende Projekte im Kontext der Digitalisierung und IT-Sicherheit an Krankenhäusern und Hochschulkliniken gefördert werden können (KHZG 2020). Die Förderschwerpunkte sollen dabei auf der Digitalisierung der Ablauforganisation, Dokumentation und Kommunikation sowie der Verbesserung der Telemedizin, Robotik und Hightechmedizin liegen (BAS 2021). Die Anträge auf Förderung aus dem Krankenhauszukunftsfonds konnten bis zum 31. Dezember 2021 gestellt werden.

Um die Auswirkungen des „Zukunftsprogramms Krankenhaus“ auf den Grad der Digitalisierung in den Kliniken auswerten zu können, ist die Teilnahme an der Evaluation für alle Häuser verpflichtend, die eine Förderung aus dem Krankenhauszukunftsfonds beantragt haben. Ziel ist die umfassende und standardisierte Bewertung des Digitalisierungsgrades von Krankenhäusern mit Hilfe eines eigens dafür entwickelten Reifegradmodells, das einen internationalen Vergleich über prognostizierte EMRAM-(Electronic Medical Records Adoption Model-)Stufen zulässt. Die erste Erhebung (Oktober bis Dezember 2021) gleicht dabei einer nationalen Bestandsaufnahme. Im Durchschnitt erreichten die Krankenhäuser einen DigitalRadar Score von 33,25 (von 100 möglichen) Punkten, wobei die Streuung sehr breit war und sich die Ergebnisse je nach Größe des Krankenhauses sowie der Trägerschaft unterschieden. Insbesondere in den Dimensionen der klinischen Prozesse, des Informationsaustauschs, der Telehealth sowie der Patientenpartizipation wurde Nachholbedarf gesehen. Mit Blick auf das international angewandte Benchmarksystem wird offenbar, dass sich der größte Teil der deutschen Krankenhäuser (69 %) aufgrund fehlender Ausstattungsmerkmale zur digitalen Dokumentation und fehlender Umsetzung der Interoperabilität auf einer prognostizierten EMRAM Stufe „0“ befindet, immerhin 27 % der Krankenhäuser erreichen die Stufe „1“ (DigitalRadar 2022).

2 Digitale Transformation im Krankenhaus und ihre Konsequenzen

Von der Digitalisierung, dem Prozess der Umwandlung eines analogen in ein digitales Medium (Stalder 2021), ist die digitale Transformation abzugrenzen. Hierunter ist die Einführung oder Nutzung digitaler Technologien mit der Zielsetzung zu verstehen, die Produktivität zu erhöhen, Werte zu schaffen oder die soziale Wohlfahrt zu verbessern (Ebert und Duarte 2018). Im Vorfeld von Digitalisierungsbestrebungen sind daher die Arbeitsabläufe zu beleuchten, denn ineffektive Prozesse zu digitalisieren wird kaum zu einem Mehrwert führen.

Von den neuen Medizintechnologien können dabei verschiedene Vorteile ausgehen. Die Verbesserung der medizinischen Qualität sollte zweifelsfrei der führende Grund sein und die Patientinnen und Patienten sollten im Mittelpunkt aller Bestrebungen stehen. Hierbei kann der Fokus auf ein besseres Outcome – durch Optimierung von Diagnostik und Therapie – gelegt werden. Ein weiterer Aspekt ist zudem die Erhöhung der medizinischen Sicherheit – beispielsweise durch Reduktion von Fehlern oder Fehlentscheidungen. Aufgrund begrenzter Ressourcen zielen Digitalisierungsanstrengungen auch auf finanzielle Vorteile durch Prozessoptimierung mit konsekutiver Steigerung der Effizienz ab. Ein strategischer Nutzen spielt auf dem konkurrierenden Krankenhausmarkt des Weiteren in doppelter Hinsicht eine relevante Rolle: mit Blick auf die Patientinnen und Patienten, jedoch genauso hinsichtlich (potenzieller) Mitarbeitenden. Die Wahl des Krankenhauses als Behandlungsort für die Patientinnen und Patienten oder als Arbeitgeber (aus der Perspektive der Mitarbeitenden) ist dabei unter Umständen vom Digitalisierungsgrad abhängig. Ein weiterer Mehrwert im Kontext der Digitalisierung kann mit Blick auf regulatorische Vorgaben erwartet werden. Hierbei sind exemplarisch Anforderungen im Zuge der Qualitätssicherung oder aufgrund von Abrechnungsbestimmungen zu nennen (Atwood et al. 2015).

2.1 Gesundheitsökonomische Evaluation von Digitalisierungsmaßnahmen

Eine zentrale Fehlannahme hinsichtlich der Finanzierung von Digitalisierungsprojekten in Krankenhäusern ist, dass im Zuge der Digitalisierungsmaßnahme per se Geld gespart würde und sich die entsprechenden Projekte nach einer Anschubfinanzierung über die Folgejahre durch Kosteneinsparungen an anderen Stellen quasi selbst tragen (Stephan und Haferkamp 2022). Um sich der Frage der (Re-)Finanzierung zu nähern, lassen sich gesundheitsökonomische Evaluationskonzepte einsetzen. Doch die Bewertung war bereits vor der Einführung digitaler Techniken der neuesten Generation eine Herausforderung und die Komplexität erhöht sich stetig weiter. Problematisch in diesem Zusammenhang sind zudem zwei Dinge: Zum einen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar, welche der Technologien zum neuen Standard werden wird und zum anderen lassen sich die Technologien durch das enge Zusammenspiel kaum mehr isoliert betrachten, sondern müssen in ihrer interagierenden Gesamtheit berücksichtigt werden (Vassolo et al. 2021).

Als vergleichende Studie kommt aufgrund der Perspektive der Leistungserbringenden beispielsweise die Kosten-Nutzen-Analyse in Betracht, da sich damit der Fragestellung der betriebswirtschaftlichen Rentabilität einer neuen Technologie nähern lässt. Hierbei werden die positiven Effekte der Maßnahme den vermiedenen Kosten der Vergleichsintervention (zum Beispiel der aktuellen Versorgung) sowie den Aufwendungen zur Realisierung der Maßnahme gegenübergestellt. Sowohl die Kosten als auch der Nutzen werden in monetären Größen angegeben, sodass sich in der Folge Bilanz ziehen lässt. Das Vorgehen ermöglicht die Ableitung eines Netto-Nutzens (der Nutzen überwiegt die Kosten) oder ein Netto-Verlust (die Kosten überwiegen den Nutzen) (Icks und Köberlein-Neu 2017).

2.1.1 Monetär bewertbare Kosten

Unter die monetär bewertbaren Kosten fallen beispielsweise die Anschaffungskosten für die Hard- oder Software, bestehend aus dem Anschaffungspreis und den Anschaffungsnebenkosten. Unter letzteren werden beispielsweise die Kosten für Transport und Montage, aber auch zur Implementierung, für Schnittstellen oder Lizenzen subsumiert. Kosten für Schulungen oder Fortbildungen lassen sich ebenfalls beziffern und fließen mit in die Betrachtung ein. Unterlassene Investitionen beim Aufbau digitaler Kompetenzen können zu fehlerhafter Anwendung des IT-Systems führen, aus der Ineffizienzen resultieren können, sodass der Mehrwert der neuen Technologie unter den Erwartungen bleibt. In der Regel werden Personalkosten in Folge der digitalen Transformation eingespart, sodass dieser Effekt unter dem Nutzen aufgeführt wird. Führt die Einführung einer Maßnahme jedoch zu einer erhöhten Nachfrage an IT-fachkundigem Personal, so sind diese Mehrkosten ebenfalls mit einzubeziehen.

2.1.2 Monetär bewertbarer Nutzen

Vor dem Hintergrund knapper Mittel sollte der zentrale Nutzen aus Sicht des Krankenhausmanagements in der Ressourcenoptimierung zum Wohle der Patientinnen und Patienten liegen. Hierbei ist eine Optimierung in quantitativer wie qualitativer Hinsicht möglich. Bei der Effizienzverbesserung lassen sich vorab definierte Ziele mit weniger (Personal-)Aufwand verwirklichen. Die eingesparte Zeit fließt (monetär bewertet) in die Analyse mit ein. Durch Prozessanalysen unter Berücksichtigung der einzelnen Prozessschritte lassen sich die Einsparungen quantifizieren. Die Zeitwerte des etablierten Workflows können beispielsweise durch Befragungen oder Beobachtungen erhoben werden. Die perspektivisch zu erwartenden Prozesszeiten nach Etablierung der digitalen Anwendung entsprechen zumeist Schätzwerten. Bei der Verbesserung der Ergebnisqualität werden die patientenbezogenen Outcomes ebenfalls monetär bewertet (z. B. gewonnene Lebensjahre oder Vermeidung von kostenträchtigen Komplikationen).

2.1.3 Nicht quantifizierbare Effekte

Die nicht-quantifizierbaren Effekte stellen eine große Herausforderung bei der Bewertung neuer Technologien dar. Sie können sowohl im Bereich der Kosten als auch des Nutzens auftreten und sind nur schwer identifizierbar. Von ihnen geht allerdings ein mittel- bis langfristiger und häufig unterschätzter Einfluss auf den Mehrwert der Innovation aus.

Die digitale Transformation hat längst Einzug in den Alltag der Menschen gefunden, das Fehlen digitaler Technik im Krankenhaus mag daher vor allem für jüngeres Personal nahezu befremdlich anmuten. Die erlebten Vorzüge digitaler Tools aus dem Alltag kann zu einer Erwartungshaltung bezüglich der Digitalisierung an ein modernes Krankenhaus mit hohem Qualitätsstandard führen. Bleibt die digitale Transformation hinter den Erwartungen zurück, ist eine Unzufriedenheit der Mitarbeitenden möglich. Diese kann jedoch auch im Zuge der Technologieeinführung durch eine Änderung der Alltagsroutine resultieren, insbesondere sofern der Nutzen der digitalen Anwendung für die Mitarbeitenden zweifelhaft erscheint. Ernüchterung und Frustration können sich dabei (abseits der messbaren Effekte auf die Produktivität) negativ auf den Umgang mit den Patientinnen und Patienten sowie in der Folge auf die Reputation des Hauses auswirken. Ein weiteres relevantes, aber monetär schwer zu bezifferndes Szenario stellen Systemausfälle oder -störungen beispielsweise infolge eines Cyberangriffs dar. Diese können neben den Auswirkungen auf die Klinikprozesse auch eine Gefahr für Patientinnen und Patienten darstellen (Kerkmann und Nagel 2020).

Auf der anderen Seite besitzt eine gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit das Potenzial, sich in doppelter Hinsicht als nützlich zu erweisen. Durch den positiven Einfluss auf das Arbeitgeberimage lassen sich Vorteile auf dem umkämpften Fachkräftemarkt erzielen. Darüber hinaus kann diese Stimmung (neben den messbaren Auswirkungen auf die Arbeitsroutine) Einfluss auf den Umgang mit den Patientinnen und Patienten besitzen, sodass deren Zufriedenheit und konsekutiv das Ansehen des Krankenhauses steigen.

Eine neue Technologie kann ihren Nutzen jedoch nur dann entfalten, wenn sie tatsächlich zum Einsatz kommt. Um einen langfristigen Nutzen zu generieren, gilt es in die Akzeptanz der Nutzenden zu investieren. Denn insbesondere zu Beginn ist eher mit einer Zunahme der Arbeitsbelastung durch die Änderungen der Prozesse zu rechnen. Zudem besteht eine (unterschwellige) Sorge vor Substitution infolge der Technologieeinführung (Holler 2017). Dies kann zur zögerlichen Annahme digitaler Anwendungen führen und den konstruktiven Umgang mit den Veränderungen behindern. Um diese Einflüsse nach Möglichkeit zu reduzieren, ist eine langfristige Betrachtung und Nutzenbewertung angebracht. Denn die positiven Effekte kommen teilweise mit einer deutlichen Verzögerung zum Tragen, da sich die Prozesse erst (wieder) einspielen und sich die Technologie bewähren muss. Je komplexer die Anwendung und je umfangreicher der Einfluss auf den Workflow, desto flacher kann die Lernkurve verlaufen. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass sich vermeintlich kostengünstige Lösungen im Verlauf als Fehlentscheidung herausstellen können. Eine Einbettung der Investitionsentscheidungen in den Gesamtkontext der Digitalisierungsstrategie des Krankenhauses kann dabei Schnittstellenproblematiken zwischen Standorten oder Programmen verhindern sowie perspektivische Funktionalitäten berücksichtigen. In die Betrachtung ist des Weiteren die Schnelllebigkeit der Digitalisierung (neben der erforderlichen Interoperabilität) zu inkludieren. Chancen und Möglichkeiten zukünftiger digitaler Anwendungen werden die der heutigen deutlich übertreffen. Investitionen in Digitalisierungsprojekte sollten daher nicht ausschließlich auf die Kompensation aktueller Probleme abzielen, sondern zukunftsorientiert gedacht werden, um einen möglichst großen (und nachhaltigen) Nutzen daraus zu ziehen.

2.2 Effekte digitaler Anwendungsbeispiele auf die Krankenhausmitarbeitenden

Aufgrund der ubiquitären Einsatzmöglichkeiten digitaler Anwendungen in den Krankenhäusern folgt ein Überblick über die Effekte auf das Krankenhauspersonal anhand einiger ausgewählter digitaler Anwendungsbeispiele, unterteilt in patientennahe und patientenferne Anwendungen.

2.2.1 Patientennahe Anwendungen

Unter patientennahen Anwendungen sind vorrangig Lösungen rund um das Patientendatenmanagement subsummiert, das einem digitalen Repositorium aller patientenbezogener Daten entspricht. Sie beinhalten beispielsweise die digitale Patientenkurve, das digitale Labor sowie das Bildarchiv- und Kommunikationssystem (Picture Archiving and Communication System – PACS). Darunter fallen auch Entscheidungsunterstützungssysteme (Clinical Decision Support Systems – CDSS), die beispielsweise konkrete Hinweise bei der Verordnung von Medikamenten oder bei der Dokumentation von Vitalparametern liefern und damit bei der Entscheidung entlasten können. In der personalisierten Medizin kann beispielsweise mithilfe von digitalen Zwillingen neben neuen Behandlungsansätzen eine viel passgenauere Therapie für die Patientinnen und Patienten hervorgebracht werden.

Patientendaten sind insofern in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen können sie auf der individuellen Ebene das Outcome und/oder die Behandlungsabläufe verbessern. Zum anderen bieten sie in der Gesamtheit betrachtet die Chance eines Nutzens für eine Reihe an Patientinnen und Patienten, denn durch die Verarbeitung der Daten kann die medizinische Versorgung verbessert, Therapien zielgerichteter und somit optimiert werden.

In der täglichen (Dokumentations-)Routine der Pflegekräfte sowie des ärztlichen Personals prägen Tablets oder mobile Visitenwagen mit Laptops das Bild auf den Stationen, mithilfe derer die patientenbezogene Dokumentation erfolgt. Durch die direkte Übermittlung der Vitalparameter von smarten Messgeräten oder Sensoren in die Patientenkurve entfällt die Zwischendokumentation der Messergebnisse. Die Erfassung wichtiger Ereignisse kann ad hoc durch das Pflegepersonal in den Pflegebericht (ggf. unter Zuhilfenahme der Spracherkennung) erfolgen. Die ärztliche Anordnung findet auf vergleichbare Weise noch direkt am Patientenbett statt. Durch die Adressaten-spezifische Zuordnung ist eine synchrone Bearbeitung durch das Pflegepersonal möglich. Teilschritte (wie beispielsweise das Anordnen, Bereitlegen und Ausfüllen von Konsilscheinen nebst Übersendung an die ausführende Abteilung) können dabei entfallen, da weitergehende Untersuchungen oder therapeutische Maßnahmen (wie Laboranforderungen, Beauftragung von bildgebender Diagnostik oder Physiotherapiebehandlungen) direkt von der Ärztin oder dem Arzt angefordert und beauftragt werden können. Durch die postwendende Verfügbarkeit von Vorbefunden, Laborwerten und/oder radiologischen Befunden (und Bildern) können diagnostische und therapeutische Schritte schneller eingeleitet werden. Die Anforderung, Suche und Übersendung der Akte oder Röntgenbilder aus dem Archiv entfällt nebst Wartezeit. Während der Übernahme der Medikamente in die digitale Patientenakte des Krankenhausinformationssystems (KIS) kann mithilfe von Entscheidungsunterstützungssystemen bereits eine Prüfung auf Wechselwirkungen oder Kontraindikationen erfolgen. Die Bereitstellung der Medikamente ist mithilfe eines geschlossenen elektronischen Medikamentenverwaltungssystems ohne Zeitverzug möglich. Durch die Überführung medizinischer Daten in die Logik des Diagnose- und Prozedurenkodiersystems, unterstützt durch künstliche Intelligenz, können die Kodierfachkräfte zeitnah Vorschläge im Kontext einer fallbegleitenden Kodierung erhalten. Der Entwurf eines Entlassungsberichts lässt sich KI-gestützt mittels strukturierter Daten (z. B. Anamnese und Untersuchungsbefunde) in time vorbereiten und kann per Spracherkennung um entsprechende Passagen ergänzt werden.

Von den patientennahen digitalen Anwendungen geht ein hohes Potenzial für Effizienzverbesserungen aus, da sich im „Kerngeschäft“ des Krankenhauses – der Diagnostik und Therapie von Patientinnen und Patienten – viele Prozesse in den bestehenden, historisch gewachsenen Ablauf integriert haben, ohne bezüglich des Optimierungspotenzials überprüft worden zu sein. Inwieweit die Einführung digitaler patientennaher Anwendungen zu messbaren (Einspar-)Effekten beim Klinikpersonal führt, ist dabei von vielerlei Faktoren abhängig: Insbesondere von der bisherigen Organisationsform, aber auch von dem Willen, Abläufe in Frage zu stellen, die im weiteren Sinne mitbetroffen sein könnten. Ferner von der Motivation, (medizinisch-pflegerische, technische sowie organisatorische) Problemfelder zu adressieren, die über die eigentliche Implementierung der neuen Technik hinausgehen (Stephan und Haferkamp 2022). Daher ist es wichtig zu berücksichtigen, dass durch die Einführung zunächst nicht nur IT-seitig Personalressourcen gebunden werden, sondern auch aus dem Bereich der Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegenden zeitliche Kapazitäten zu planen sind. Denn bei der Etablierung neuer Anwendungen ist nicht nur der technische Support von grundsätzlicher Wichtigkeit, sondern auch die Verschränkung von medizinischem Domänenwissen mit Digitalisierungs-/IT-Kenntnissen. Viele Einrichtungen von Unterstützungssystemen finden nicht plug and play statt, sondern sie müssen auf die spezifischen medizinischen Einrichtungen und Angebote individualisiert werden. Teilweise liegen die Anwendungen zudem in modularer Bauweise vor, sodass die Module erst umfassend durch versiertes Personal vor Ort mit Content befüllt werden müssen. Die entsprechenden berufsgruppenübergreifenden Überlegungen und die Überarbeitung der Prozessabläufe oder des digitalen Contents müssen individuell für jedes Krankenhaus zeitaufwändig adaptiert bzw. ausgearbeitet werden. Die Mitarbeitenden in diesen Planungs- und Implementierungsprozess mit einzubinden ist vor dem Hintergrund der Akzeptanz-Grundlegung für die digitale Technologie eine lohnenswerte Investition. Die Potenzialentfaltung ist zudem von der digitalen Kompetenz der Mitarbeitenden abhängig, denn die Einarbeitung und Umstellung auf die neuen Prozesse verläuft unter optimierten Grundvoraussetzungen schneller. Personen mit einer sehr guten digitalen Kompetenz erleben zudem häufiger eine Entlastung durch digitale Technik, als dies bei Menschen mit durchschnittlichem (digitalem) Know-how der Fall ist (DigiKIK 2022).

Effizienzverbesserungen ziehen jedoch auch im Anschluss an die Implementierungs- und Einarbeitungsphase nicht zwingend („Netto“-)Rationalisierungseffekte nach sich. Bei der digitalen Pflege-Prozessdokumentation wird zwar mit einer Freisetzung zeitlicher Ressourcen aller am Pflegeprozess Beteiligten gerechnet (Stephan und Haferkamp 2022). Durch Veränderungen an die qualitativen Anforderungen der Mitarbeitenden sind daher innerhalb der einzelnen Berufsfelder Anpassungen denkbar. Die digitalen Technologien bieten dann in diesem Kontext die Chance, die menschlichen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und die Werte der Humanität zu realisieren (= Digitaler Humanismus) (Nida-Rümelin 2021). Zudem ist zu berücksichtigen, dass durch den medizinischen Fortschritt sowie die demographische Entwicklung der Bedarf an medizinischem Personal wächst und sich dieser im Zuge der digitalen Transformation kompensieren lässt. Auf der anderen Seite wird der Bedarf an technisch versiertem Personal für Instandhaltung sowie Support im Laufe der Zeit und mit zunehmender Integration digitaler Anwendungen im Krankenhausalltag weiter steigen.

Für die Mitarbeitenden eröffnen sich durch die Digitalisierung weitere positive Nebeneffekte. Beispielsweise lässt sich durch digitale Prozessstandardisierung die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte in den chirurgischen Fächern verbessern (Renner 2020). Zudem sind durch die Option von Remote-Work einiger Facharztgruppen (z. B. Radiologie) infolge der PACS-Einführung Veränderungen bei der Dienstgestaltung und damit -belastung denkbar, was langfristig den Arztberuf wieder attraktiver machen könnte.

2.2.2 Patientenferne Anwendungen

Patientenferne Anwendungen beeinflussen direkt die Prozesse des (potenziellen) Krankenhauspersonals. Hierunter sind beispielsweise die digitalen Dienst- und Urlaubspläne sowie die Zeiterfassung zu verstehen. Als vorteilhaft ist zu sehen, dass durch die digital verfügbaren Daten die Dienstplanerstellung auch fernab des Stationsgeschehens möglich ist. Dem Nachweis der Personalplanung kommt insbesondere im Kontext der Strukturprüfungen nach § 275d SGB V eine hohe Relevanz zuteil. Die Bereitstellung aus digitalen Planungs- oder Zeiterfassungssystemen kann diesen Vorgang vereinfachen und den Ausgang der Prüfungen positiv beeinflussen. In einigen Kliniken sind darüber hinaus Mitarbeiter-Apps mit Zugriff auf die Personalakte im Einsatz. Digitale Bewerbungen sowie eFortbildungen gehören dagegen bereits vielerorts in den Krankenhäusern zum Alltag und sind damit beinahe Standard.

Zur Interaktion bzw. Kommunikation mit Patientinnen und Patienten oder Leistungserbringenden kommen beispielsweise Patienten-Portale oder Aufnahme-Apps zum Einsatz. Auch standardisierte digitale Anwendung im Kontext des Aufnahme- und Entlassmanagements werden (sektorenübergreifend) in den Kliniken genutzt. Eine weitere Möglichkeit ist das Erstellen eines eArztbriefes direkt aus dem KIS, was die Kommunikation mit den weiterbehandelnden Ärztinnen und Ärzten relevant vereinfacht. Hierbei handelt es sich vornehmlich um strategische Vorteile, die durch eine verbesserte und vereinfachte Kommunikation und Interaktion mit Patientinnen und Patienten sowie den Einweisenden erzielt werden können. Vielerorts findet zudem die Notaufnahmeorganisation auf Basis digitaler Anwendungen statt. Hierbei lassen sich zweifelsfrei wieder Effizienzverbesserungen erwarten. Syntaktische, semantische und prozessuale Interoperabilität ist für den erfolgreichen Einsatz eine Grundvoraussetzung, die sowohl krankenhausintern als auch im Hinblick auf die Vernetzung der unterschiedlichen Healthcare-Player eine zentrale Rolle spielt.

Die Basis-Prozesse wie Kodierung, Rechnungslegung oder Bearbeitung von Rechnungsreklamationen erfolgen vielfach mithilfe digitaler Anwendungen. Insbesondere im Zusammenhang der Kodierung als Grundlage der Abrechnung besteht mithilfe von KI-Systemen Optimierungspotenzial. Durch den Abgleich der Kodierung mit der klinischen Dokumentation hält diese im Bedarfsfall einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) Stand. Auch die Bearbeitung der MD-Fälle lässt sich mithilfe des digitalen Datenversands oder vor Ort anhand der digitalen Dokumentation ressourcensparend durchführen. Zur Langzeitarchivierung medizinischer Dokumentation stehen darüber hinaus IT-Lösungen zur Verfügung. Logistikprozesse wie Bestellwesen oder damit verbundene Rechnungslegung finden papierlos statt.

Im Bereich des Datenmanagements bilden DataWarehouse-Systeme die zentrale Datengrundlage zur Optimierung heterogener Datenquellen. Red-Flag-, Warn- oder Kontroll-Systeme können durch einen internen Datencheck verschiedener Datenquellen den Behandelnden Hilfestellung geben. Voraussetzung und Herausforderung ist dabei die Interoperabilität der Subsysteme.

Weitere, im weitesten Sinne supportive Anwendungsbereiche können beispielsweise die digitale Verarbeitung bzw. Aushändigung des Medikationsplans oder andere medizinischer Dokumente für die Patientinnen oder Patienten beinhalten. Auch Zusatzdienste wie Übersetzungsanwendungen, die internationale Kommunikation oder die Erstellung von Kostenvoranschlägen können hilfreich unterstützen.

2.3 Hindernisse und Hürden sowie resultierende Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung

Neben knappen finanziellen Ressourcen der Krankenhäuser, die eine umfassende Einführung digitaler Anwendungen sowie ein zügiges Voranschreiten der digitalen Transformation behindern, stellen Akzeptanzprobleme seitens der Mitarbeitenden eine Hürde bei der Einführung neuer Technologien dar. Untersuchungen zeigen, dass sich in den Kliniken, in denen die Einführung digitaler Patientenakten im Zuge äußerer Umstände und aufgrund von (verpflichtender) Rahmenbedingungen stattgefunden hat, kaum mehr ein zusätzlicher Benefit durch erweiterte Funktionen erzielen lässt (Apathy et al. 2021). Voraussetzung für einen zielführenden Einsatz digitaler Anwendungen ist daher, die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu stärken. Die transparente Kommunikation der Digitalisierungsstrategie und die frühzeitige und umfassende Einbindung aller (von der Digitalisierungsmaßnahme betroffenen) Mitarbeitenden in den Planungs- und Einführungsprozess kann Vorbehalte ausräumen und die Akzeptanz stärken.

Vorbehalte gegenüber den digitalen Anwendungen resultieren häufig aus der Sorge vor Substitution, dass also der eigene Arbeitsplatz durch die Einführung im Zuge der digitalen Transformation überflüssig würde. Weitere Punkte stellen Bedenken gegenüber der „Fremdbestimmung“ durch die Technik und daraus resultierende wachsende Kontrolle dar. Das (subjektive) Empfinden einer höheren Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit der Digitalisierung durch die Arbeitsverdichtung sowie zunehmende Störungen im Arbeitsprozess durch Unterbrechungen schürt zudem die Skepsis (Holler 2017). Die Einbeziehung des Betriebsrates sowie die Erstellung eines Regelwerks, das einen Rahmen beim Umgang mit der neuen Technik bildet, kann sich als hilfreich beim Abbau der Ressentiments erweisen. Gleichzeitig gilt es mögliche Abschreckungseffekte von potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei wenig digitalisierten Krankenhäusern zu bedenken, da sich – gerade bei jüngeren Menschen – eine unüberbrückbare Differenz zur zunehmend digitalisierten Alltagswelt ergibt.

Mangelnde Möglichkeiten der interoperablen Gesundheitsdatennutzung führen häufig zu Doppeldokumentation und Unterbrechungen im Workflow. Diese frühzeitig zu erkennen und dadurch resultierende Ineffizienzen auszuräumen, stellt aufgrund der Vielzahl an „digitalen Insellösungen“ sowie fehlenden Schnittstellen eine Herausforderung in den Krankenhäusern dar. Ein weiterer Aspekt ist die Suche nach praktikablen Lösungen im Kontext des Datenschutzes. Die frühzeitige Berücksichtigung von praxistauglichen Autorisierungs- und Zugriffskonzepten lässt Unterbrechungen oder Friktionen im Diagnose- und Behandlungsablauf vermeidbar werden. Störungen und Ausfälle der digitalen Technik zum Beispiel infolge von Cyberattacken gilt es mit entsprechenden Sicherheitskonzepten zu begegnen. Regulatorische Anforderungen an die Vorkehrungen zur Vermeidung von Störungen sind gestiegen, setzen aber neben den entsprechenden technischen Mitteln einen personellen Aufwand zur Etablierung voraus. Die Öffnung der Krankenhaussysteme im Zuge von Patientenportalen sowie der intersektoralen Kommunikation erhöht die Anforderungen noch einmal erheblich.

Mit Blick auf das Klinikpersonal stellt das Kompetenzmanagement eine große Herausforderung dar. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden ändern sich im Zuge der digitalen Transformation bedeutsam, sodass eine Steigerung der digitalen Kompetenz nötig wird. Diese im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen nicht nur zur Produkteinführung zu vermitteln, sondern in Folge der Fluktuation der Mitarbeitenden und/oder der Weiterentwicklung der digitalen Anwendungen in regelmäßigen Abständen zu erneuern, stellt eine organisatorische und inhaltliche anspruchsvolle Aufgabe dar.

Aufgrund der Vielzahl an Digitalisierungsmöglichkeiten gilt es eine Auswahl der anzugehenden Maßnahmen im Sinne einer Gesamtstrategie zu treffen. Eine umfassende Evaluation einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenkomplexe ist im klinischen Alltag nur sehr aufwendig möglich, da beispielsweise die Prozesszeiten als Datengrundlage kaum verfügbar sind und daher individuell erhoben werden müssen. Die Herausforderung liegt insofern in der weisen und nachhaltigen Konzeption eines krankenhausindividuellen Masterplans.

3 Internationale Anwendungsbeispiele

Genauso wie es große Unterschiede im internationalen Ländervergleich der stationären Gesundheitsversorgung gibt, existieren auch Unterschiede in der flächendeckenden Umsetzung von Digitalisierung in den jeweiligen Ländern. Hierfür sind sowohl regulatorische Aspekte als auch (gesundheits-)politische Unterschiede bis hin zu Finanzierungsfragen ursächlich. Anhand von zwei Beispielen werden nachfolgend exemplarisch grundsätzlich unterschiedliche Beispiele für den Einsatz von Digitalisierung und die entsprechende Auswirkung auf die stationäre Gesundheitsversorgung aufgezeigt.

In manchen Ländern gibt es eine zentralisierte Krankenhausversorgung, in der Patientenflüsse zentral nach Versorgungsebenen gesteuert verteilt werden. Häufig ist dies kombiniert mit telemedizinischen Elementen und einer entsprechenden Investition in Digitalisierung. Dänemark ist ein europäisches Beispiel: Hier wurde nicht nur bereits vor über 20 Jahren eine nationale E-Health-Strategie implementiert, sondern es fand auch ab 2008 eine umfassende Krankenhausreform statt, einhergehend mit einer Zentralisierung der stationären Versorgung (Mirza 2021). Eine persönliche Identifikationsnummer und die flächendeckende elektronische Patientenakte wurden ebenso umgesetzt wie die Kondensation der Krankenhauslandschaft mit Schließung von kleineren Krankenhäusern zugunsten von 18 Krankenhäusern der Maximalversorgung mit zugehörigen Ambulanzzentren. Hohe Investitionen schufen eine optimale, digital vernetzte Krankenhausversorgung mit insgesamt deutlich reduzierten Bettenkapazitäten im Vergleich zur Bettenzahl vor der Reform. In der seit 2018 gültigen E-Health-Strategie setzt man auf datengetriebene Workflows mit KI und digitaler Kommunikation, um sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung nah am Patienten zu realisieren, eine gute Gesundheitsdatenverfügbarkeit in Kombination mit telemedizinischen Anwendungen sowie einer weiteren Zunahme der medizinischen Spezialisierung (Danish Ministry of Health et al. 2018). Der Fokus liegt dabei neben einer aktiven Patienteneinbindung auf der zeitkritischen Verfügbarkeit von Daten, der Datensicherheit und personalisierter Prävention.

Ein weiteres, immer wieder genanntes Land mit Vorreiterrolle für digitale Medizin ist Israel. Hier spielt die Beteiligung der Industrie am Aufbau einer leistungsfähigen digitalen Gesundheitsversorgung eine maßgebliche Rolle. Zentrale Bestandteile der nationalen Gesundheitsstrategie sind zum einen die Finanzierung von Forschungsclustern für digitale Medizin sowie zum anderen die Konsolidierung von existierenden Gesundheitsdatenbanken in eine zentrale Datenbank. Die Förderung von Vernetzungsplattformen steht ebenso wie innovative Ausschreibungen mit Beteiligungsmöglichkeiten von industrieller Forschung und Start-ups im Mittelpunkt. Gerade die Unterstützung von Start-ups in den Bereichen KI und personalisierte Medizin ist ein wichtiger Bestandteil des Regierungsprogramms (Sturman 2020). So wurde bereits im März 2018 ein Fünf-Jahres-Plan mit Investitionen im dreistelligen Millionenbereich freigegeben, der Israel noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie in eine sehr gute Ausgangsbasis brachte. Im Psifas-(Mosaik-)Projekt wurden die vier existierenden Gesundheitsdatenbanken der Health Maintenance Organizations (HMOs) nach dem Opt-out-Verfahren zu einer Nationalen Datenbank zusammengelegt. Das Leistungsangebot der HMOs geht dabei über das unserer gesetzlichen Krankenversicherungen hinaus, da sie eigene Kliniken, Versorgungszentren und Forschungseinrichtungen betreiben, wodurch eine sehr breite Datenbasis in Psifas einfließt (Briseno und Kostera 2018). Das hierdurch geschaffene Öko-System für Präzisionsmedizin steht wissenschaftlichen Einrichtungen ebenso wie der industriellen Forschung Israels offen und fördert synergistisch die biomedizinische Industrie, die medizinische Wissenschaft und die Gesundheitseinrichtungen (State of Israel Ministry of Health 2022).

4 Fazit

Der demographische Wandel mit einem erhöhten Bedarf an medizinischer Versorgung gepaart mit einem sich zuspitzenden Fachkräftemangel lassen Effizienzbestrebungen im Personalmanagement deutscher Krankenhäuser unentbehrlich erscheinen. Der digitalen Transformation wird bei diesen Bemühungen eine tragende Rolle zugesprochen. Zudem lässt die Digitalisierung und die damit verbundene Verfügbarkeit von Daten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung erwarten. Die bisherige Entwicklung der Digitalisierung in den Kliniken war indes eher zögerlich und im Ländervergleich wenig dynamisch. Sie spiegelt zudem nicht die digitale Transformation des Alltags der Menschen wider, sodass die Diskrepanz zunehmend wächst. Insofern fordern inzwischen 71 % der Menschen in Deutschland mehr Tempo beim Ausbau der digitalen Medizin (bitkom research 2021).

Eine Ursache der langsamen digitalen Entwicklung ist sicherlich im Investitionsstau der Krankenhäuser zu sehen. Das Krankenhauszukunftsgesetz, das im Oktober 2020 in Kraft getreten ist, zielt darauf ab und setzt Anreize, in Digitalisierungsprojekte zu investieren. Auf der anderen Seite stehen der weiteren Etablierung digitaler Anwendungen in der medizinischen Versorgung Vorbehalte entgegen. Bei Teilen des medizinischen Personals in den Kliniken sind Ressentiments aufgrund eines (zumindest temporären) Mehraufwandes vorrangig in der Implementierungsphase sowie Substitutionsängste durch Prozessoptimierung im Zuge der Digitalisierung möglich. Um die digitale Transformation zügig, aber nachhaltig in Gang zu setzen, gilt es durch die Einbindung der Mitarbeitenden diese Vorbehalte abzubauen und den Nutzen der Digitalisierung aufzuzeigen. Dem gegenüber steht die Erwartungshaltung von Mitarbeitenden, diesen Nutzen zeitnah sowie möglichst umfänglich zu realisieren und unter Zuhilfenahme digitaler Anwendungen qualitativ hochwertige Medizin zu betreiben. Zwischen diesen beiden Perspektiven zu vermitteln, dabei eine digitale Kompetenz der Mitarbeitenden aufzubauen und ein (digitales) Wissensmanagement zu etablieren, dürfte eine zentrale Aufgabe des Krankenhausmanagements bei der digitalen Transformation darstellen.

Inwieweit sich die digitale Transformation auf der Ebene einzelner Krankenhäuser kurz- bis mittelfristig refinanziert und zu tatsächlichen Rationalisierungseffekten führt, ist kritisch zu sehen bzw. bleibt abzuwarten. Durch die Prozessoptimierung sind Umverteilungen innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen eines Krankenhauses denkbar, sodass zumindest eine Kompensation des perspektivisch wachsenden Fachkräftemangels angestrebt werden kann. Es ist jedoch ferner zu erwarten, dass die Digitalisierung und die damit verbundenen Errungenschaften zukünftig gehäuft eine Rolle bei der Wahl des Krankenhauses spielen werden – nicht nur aus Sicht qualifizierter (potenzieller) Mitarbeitender, sondern auch aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten. Die Effekte der beiden Stakeholdergruppen sind monetär schwer zu beziffern und können dennoch auf dem umkämpften Krankenhausmarkt einen entscheidenden Vorteil bieten. Intangible Faktoren sollte daher bei der Ausarbeitung einer krankenhausindividuellen Digitalisierungsstrategie neben der (reinen) Betrachtung monetärer Effekte ausreichend Berücksichtigung finden.