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2009 | Buch

Moderne Röntgenbeugung

Röntgendiffraktometrie für Materialwissenschaftler, Physiker und Chemiker

verfasst von: Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel

Verlag: Vieweg+Teubner

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Wilhelm ConradRöntgen hat 1895 mit seiner Entdeckung der damals so genannten X-Strahlen ein neues Zeitalter für Mediziner und Techniker aufgeschlagen. Sehr schnell wurde erkannt, welche Möglichkeiten sich aus der Nutzung dieser Strahlen ergeben. Eine Sammlung historischer Entwicklungen als auch aktueller Probleme in Medizin und Technik ist 1995 in [81] zum 100 jährigen Jubiläum der Entdeckung der Röntgenstrahlung erschienen. Die Anwendung der später nach Röntgen benannten Strahlen hat vor allem in der Technik eine große Verbreitung gefunden. Dabei ist durch die Anwendung der Röntgenbeugung an Kristallen durch M. von Laue, W. Friedrich und P. Knipping seit 1912 ein völlig neuer Zweig der Strukturaufklärung geschaffen worden. Man spricht vom Beginn der strukturell orientierten experimentellen Festkörperphysik.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
2. Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen. Ein zeitlich periodisches elektrisches Feld mit der Feldstärke \( \mathop E\limits^ \to \) baut ein zeitlich variables Magnetfeld mit der magnetischen Feldstärke \( \mathop B\limits^ \to \) auf. Das Magnetfeld baut wiederum ein veränderliches elektrisches Feld auf. \( \mathop E\limits^ \to \) und \( \mathop B\limits^ \to \) stehen senkrecht aufeinander, beide Felder schwingen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und sind um 90° phasenverschoben. Magnetisches- und elektrisches Feld sind Träger der elektromagnetischen Energie. Röntgenstrahlung ist eine masselose, elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge λ von etwa 10-3 bis 101 nm, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Zu ihrer Ausbreitung benötigen elektromagnetische Wellen kein Transportmedium. Der technisch relevante Energiebereich der Strahlung liegt zwischen 3keV und 500 keV. Derzeit werden auch verstärkt andere Quellen mit energiereicherer, aber vor allem intensitätsreicherer Strahlung wie Synchrotron- und Teilchenstrahlung (Neutronen) genutzt.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
3. Beugung von Röntgenstrahlung
Neben den mikroskopischen Arbeitsverfahren und der thermischen Analyse haben besonders die Röntgenfeinstrukturuntersuchungsmethoden bei der Beschreibung von Werkstoffen ein weites Anwendungsfeld gefunden. Während die Metallmikroskopie den Gefügeaufbau der Legierungen erschließt, untersucht man mit Hilfe der Röntgenstrahlen den atomaren Aufbau der einzelnen Gefügebestandteile.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
4. Hardware für die Röntgenbeugung
Die folgenden Hauptkomponenten werden für Experimente mit der Röntgenbeugung benötigt:
  • Strahlerzeuger
  • Monochromatoren, Strahloptiken, Strahlformer
  • Strahldetektoren
  • Goniometer, Probenhalter
  • Komponenten zur Nachbildung von Umwelteinflüssen (Temperatur, Druck, Luftfeuchte, Umweltsimulation)
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
5. Methoden der Röntgenbeugung
Führt man ein Beugungsexperiment durch, dann ist damit immer das Ziel verbunden, mehr über die Feinstruktur der Probe zu erfahren. Aus dem Beugungsexperiment kann man die im Bild 5.1 aufgezeigten Zusammenhänge und Informationen erhalten. Daraus wird ersichtlich, dass mit einer Untersuchung nicht alle Ergebnisse gleichzeitig, mit höchster Genauigkeit und dazu noch produktiv, d. h. sehr schnell vorliegen. Aus dem Kapitel 4.5.5 ist schon bekannt, dass Genauigkeit und Zeit sich oft diametral gegenüber stehen. Es ist also äußerst wichtig und notwendig, erst hinterfragen, welche Informationen gewünscht werden und danach sowohl die Messanordnung als auch die Messstrategie auszuwählen.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
6. Phasenanalyse
Im Kapitel 5 wurde aufgezeigt, wie das Beugungsdiagramm oder Diffraktogramm einer polykristallinen Probe zustande kommt. Das Diffraktogramm einer untersuchten Probe sollte als erstes qualitativ ausgewertet werden. Bei dieser Auswertung soll festgestellt werden, welche kristallinen Phasen dem Diffraktogramm zugeordnet werden können. Man spricht dabei von der qualitativen Phasenanalyse.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
7. Zellparameterbestimmung (Gitterkonstantenbestimmung)
Die regelmäßige Anordnung von Atomen und damit die Kristallbildung erfolgt aus Gründen der Energieminimierung des Gesamtsystems. Für ganz bestimmte Atomabstände – Bindungsabstände ergeben sich lokale Minima der Energie, die äußerst stabil sind. Der räumliche Abstand dieser Minima in einem Kristall ist ein »Fingerabdruck« der Atomanordnung. Die dabei möglichen Kristallsysteme, die sich ausbildenden Elementarzellen mit einer Atombelegung abweichend von primitiven Elementarzellen können äußerst exakt mit der Röntgenbeugung ermittelt werden. Diesen Vorgang nennt man Strukturbestimmung. Bestimmt man dagegen vorwiegend nur die Abstände der Atome und die Längen der Elementarzellenabschnitte, dann wird dieser Vorgang Präzisionszellparameterbestimmung (Präzisionsgitterkonstantenbestimmung) genannt. Da die Abstände zwischen den Atomen abhängig von der Temperatur, dem Legierungsgehalt und auch von inneren mechanischen Spannungen gering variieren können, sind anstatt des Begriffes Gitterkonstantenbestimmung im nachfolgenden immer der Begriff Zellparameterbestimmung verwendet worden.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
8. Mathematische Beschreibung von Röntgenbeugungsdiagrammen
Seit der Durchführung der ersten Beugungsexperimente zeigte sich, dass das Aussehen der einzelnen Beugungsinterferenzen, also die Intensitätsverteilung der lokalen Beugungspeaks in Form, Profil und Intensität unterschiedlich sind. Man spricht vom Linienprofil der Beugungsinterferenz. Sehr früh erkannte man, dass das Linienprofil durch die Größe und Form der kohärent streuenden Bereiche (»Korngröße«), Mikroeigenspannungen und Gitterdefekte (Versetzungen, Stapelfehler usw.) beeinflusst wird. Somit bildet die Röntgenprofilanalyse (Linienprofilanalyse von Röntgenbeugungsdiagrammen) ein wichtiges Werkzeug der Materialwissenschaftler, Festkörperphysiker und -chemiker.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
9. Kristallstrukturanalyse
Die Aufgabe der Kristallstrukturanalyse besteht in der Bestimmung der Atomlagen in der Elementarzelle. In der Regel erfolgt dies aus den über Beugungsexperimenten (Elektronen-, Neutronen- oder Röntgenbeugung) bestimmten Strukturfaktoren. Die Bestimmung der Strukturfaktoren kann sowohl über die Auswertung der Intensität von Einkristallbeugungsaufnahmen als auch der Intensität von Pulverbeugungsdiagrammen erfolgen. Die Atomkoordinaten können leider nicht direkt aus den Strukturfaktoren ermittelt werden, da aus den gemessenen Beugungsintensitäten nur die |Fhkl|2-Werte bestimmt werden können.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
10. Röntgenographische Spannungsanalyse
Schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde erkannt, dass die Röntgenbeugung Informationen über den Dehnungszustand eines Materials liefern kann. Hieraus entwickelten sich eine Reihe von Verfahren, die es erlauben, mit Hilfe der Röntgenbeugung den Dehnungs- und Spannungszustand eines Materials zu bestimmen. Sie werden unter dem Begriff der »Röntgenographischen Spannungsermittlung« (RSE) zusammengefasst. Begleitet von vielen Fortschritten der apparativen Messtechnik wurde die RSE in den letzten Jahrzehnten wesentlich durch die Arbeiten von E. Macherauch und V. Hauk gefördert. Sie initiierten u.a. die heute alle vier Jahre stattfindenden europäischen (ECRS) und internationalen (ICRS) Tagungen über Eigenspannungen. Umfassende Darstellungen der Entwicklung und Anwendung geben u. a. die Bücher [72, 127]. In den folgenden Kapiteln sind die wesentlichen Grundlagen des Verfahrens zusammengestellt. Manche der besprochenen Herleitungen sind in ausführlicherer Form in [27] enthalten. Die Darstellungen und Beispiele stammen größtenteils aus [72, 27], wo auch jeweils die genauen Zitate angeführt sind. Die EN-Norm [16] ist auf diesen Arbeiten ebenfalls aufgebaut.
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11. Röntgenographische Texturanalyse
Die Beugungsdiagramme der Vielkristalle weisen in der Regel weder eine gleichmäßige Intensitätsbelegung der Ringe auf, wie man sie von feinkörnigen Pulverproben in der Debye-Scherrer-Anordnung erwarten würde, vgl. auch Bilder 5.25, 5.26 und 5.28, noch erhält man scharfe Beugungspunkte oder Laue-Diagramme, die auf einen Einkristall hinweisen würden. Bereits Hupka (1913) und Knipping (1913) fanden ungleichmäßige Intensitätsverteilungen, so genannte Texturdiagramme, und schlossen auf eine mehr oder weniger regellose Verteilung der Orientierungen kleiner, aber in sich homogener kristalliner Bereiche im Material.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
12. Bestimmung der Kristallorientierung
Mittels der kurzwelligen, in der Größenordnung der Kristallabstände liegenden, Wellenlänge der Röntgenstrahlung ist es möglich, neben der nun schon bekannten Phasenanalyse auch Informationen zur Kristallanordnung und der Kristallitorientierung zu erhalten.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
13. Untersuchungen an dünnen Schichten
Bei der Untersuchung von dünnen Schichten liegt weniger kristallines Material vor als bei der üblichen Pulverdiffraktometrie. So übersteigt die Eindringtiefe der Röntgenstrahlung bei dünnen Schichten deren Schichtdicke um ein Vielfaches. Damit ist das »Angebot an beugungsfähigen Körnern« stark eingeschränkt. Je nach Schichtart, d. h. amorph, polykristallin, einkristallin oder epitaktisch sind jeweils andere Betonungen auf die Untersuchungsanordnung und Messstrategie des Beugungsexperimentes zu legen. Eine Sammlung von Anwendungen und Darstellungen für Schichten sind in [144] zusammengefasst.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
14. Spezielle Verfahren
In ihrem klassischen Experiment aus dem Jahr 1912 hatten Laue, Friedrich und Knipping weiße, also polychromatische Röntgenstrahlung verwendet, um damit an einem Einkristall den Effekt der Beugung kurzwelligen Röntgenlichtes am Kristall nachzuweisen. Da technische Werkstoffe in der Regel nicht als Einkristall, sondern in Form von Polykristallen mit mehr oder weniger regelloser Kristallitorientierung vorliegen, stellt sich die Frage, was passiert wäre, wenn die drei Pioniere der Röntgenbeugung anstelle eines Kupfervitrioleinkristalls eine beliebige pulverförmige Substanz verwendet hätten. Anhand einfacher Überlegungen wird schnell klar, dass das Ergebnis dieses Experimentes weitaus weniger spektakulär ausgefallen wäre. Bei der Behandlung des Laue-Verfahrens, Kapitel 5.9.1, war gezeigt worden, dass jeder Einkristall entsprechend seiner Orientierung zum einfallenden Strahl ein ganz spezielles Beugungsmuster liefert. Bereits das Vorliegen mehrerer gegeneinander fehlorientierter Kristallite führt jedoch zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Indizierung der Laue-Diagramme, da sich die Anzahl der Beugungsreflexe vervielfacht. Setzt man diesen Gedankengang nun weiter fort und betrachtet eine polykristalline (Pulver-)Probe mit einer sehr großen Anzahl von Kristalliten, die von polychromatischer Strahlung getroffen werden, so gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass der gesamte Film eine mehr oder weniger homogene Schwärzung erfahren würde.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
15. Zusammenfassung
Die Röntgenbeugung mit allen den hier vorgestellten Verfahren ist ein mächtiges Werkzeug in der Strukturaufklärung geworden. Grundlage jeglicher Strukturaufklärung sind die Beugungserscheinungen an Kristallen. Mit der relativ einfachen Braggschen-Gleichung lassen sich in der Praxis faktisch alle Methoden und Beugungsanordnungen ausreichend erklären.
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
16. Lösung der Aufgaben
Lothar Spieß, Gerd Teichert, Robert Schwarzer, Herfried Behnken, Christoph Genzel
Backmatter
Metadaten
Titel
Moderne Röntgenbeugung
verfasst von
Lothar Spieß
Gerd Teichert
Robert Schwarzer
Herfried Behnken
Christoph Genzel
Copyright-Jahr
2009
Verlag
Vieweg+Teubner
Electronic ISBN
978-3-8349-9434-9
Print ISBN
978-3-8351-0166-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-9434-9

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