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Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management 1/2024

Open Access 07.03.2024 | Spektrum

Moderne Prozessgestaltung am Beispiel der öffentlichen Verwaltung: Der Mensch im Mittelpunkt

verfasst von: Karolina Engenhorst, Laura Marcus, Linda Moder, Tino Kühnel, Prof. Dr. Anna Maria Oberländer, Prof. Dr. Maximilian Röglinger

Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management | Ausgabe 1/2024

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Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Zusammenfassung
  • Der Beitrag stellt Menschzentrierung als Ansatz für eine moderne Prozessgestaltung im Kontext der öffentlichen Verwaltung vor.
  • Hierfür wird auf die verschiedenen Eigenheiten der öffentlichen Verwaltung eingegangen.
  • Es werden verschiedene relevante Akteure sowie geeignete Methoden und Ansätze beleuchtet.
Kernthesen
  • Menschzentrierung in der Prozessgestaltung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Organisationen.
  • Die öffentliche Verwaltung ist angesichts ihrer spezifischen Charakteristika prädestiniert für eine Orientierung der Prozessgestaltung an Bedürfnissen der involvierten Menschen, steht dabei jedoch vor besonderen Herausforderungen.
  • Es muss in dieser Hinsicht zwischen Gestaltungsprozess und Ergebnis differenziert, aber beide Aspekte müssen berücksichtigt werden.
Handlungsempfehlungen
  • Organisationen sollten für eine konsequente menschzentrierte Prozessgestaltung alle relevanten internen und externen Akteure aktiv einbeziehen.
  • Im Gestaltungsprozess sollten Prozessgestalter unter Einbezug möglichst aller relevanten Akteure auf bewährte Methoden sowohl aus divergenten als auch konvergenten Gestaltungsphasen zurückgreifen.
  • Im Ergebnis sollten Organisationen Menschen nur dann in Prozessschritte und -abläufe involvieren, wenn dies einen Mehrwert bietet.

Moderne Prozessgestaltung als zentraler Werthebel

Prozesse bilden das Fundament für Arbeitsabläufe in Organisationen. Prozessmanagement – alle Aktivitäten von der Identifikation von Prozessen über deren Analyse, Gestaltung, Implementierung hin zur Steuerung und Überwachung – ist daher ein essenzieller Treiber organisationalen Erfolgs. Insbesondere die Prozessgestaltung, also die Neu- oder Umgestaltung bestehender Prozesse durch Prozessverbesserung und -innovation, gilt als zentraler Werthebel [1].
In der Prozessgestaltung sind nicht nur Auswirkungen im Prozess selbst zu berücksichtigen. Sie bewegt sich in einem multidimensionalen Kontext mit zahlreichen Abhängigkeiten innerhalb einer Organisation sowie über ihre Grenzen hinweg. So bringt der Umbau prozessualer Abläufe häufig tiefgreifende Veränderungen auf verschiedenen Organisationsebenen mit sich [2]. Eine moderne Prozessgestaltung muss daher Hand in Hand mit Organisationsentwicklung gehen: Sie rückt den Menschen und seine Perspektive in den Mittelpunkt [2].

Der Mensch im Mittelpunkt

Im Bereich User Experience (UX)/User Interface (UI)-Design ist Menschzentrierung schon lange ein dominantes Thema [3]. Mittlerweile wird auch im Prozessmanagement immer mehr darüber gesprochen, wie zentral es ist, dass Menschen Produkte und Services verstehen und mehrwertstiftend nutzen können. Besonders eine Spielart der Menschzentrierung, die Kundenorientierung, ist bereits weitverbreitet und eine übliche Maxime. Dabei fehlt es in der Breite jedoch an einer klaren Definition und einheitlichen Nomenklatur für eine weitergehende, alle Prozessbeteiligten inkludierende Menschzentrierung, insbesondere in der Prozessgestaltung. In der Folge werden Operationalisierung und Anwendung erschwert. Menschzentrierung verkommt zur Floskel – dieses Kernproblem führt zum Teil zu ziellosen Prozessgestaltungsaktivitäten, die im Zweifelsfall an den Menschen vorbeiführen, statt ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Im Ergebnis stehen unzufriedenstellende Arbeitsabläufe, ineffizient genutzte Ressourcen sowie Unzufriedenheit und mangelnde Akzeptanz. Eine zielgerichtete Menschzentrierung in der Prozessgestaltung ist daher entscheidend.

Eigenheiten der öffentlichen Verwaltung

Insbesondere in der öffentlichen Verwaltung sollte Menschzentrierung im Zentrum der Prozessgestaltung stehen. Ob eine nutzerzentrierte Anwendung für Sachbearbeitende oder ein Ende-zu-Ende-durchdachtes Servicedesign für Bürger, Unternehmen oder Kommune – in der öffentlichen Verwaltung geht es immer um das größtmögliche Wohl des Menschen und daran ausgerichtete Dienstleistungen. In diesem Sinne kann sich die bezüglich moderner Prozesse in Deutschland stark aufholbedürftige Verwaltung [4] in der menschzentrierten Prozessgestaltung hervortun. Die byte, Bayerische Agentur für Digitales, hat sich diesem Ansatz verschrieben und arbeitet mit menschzentriertem Vorgehen an einer einfachen, sicheren und transparenten Verwaltung. In erster Linie hat die byte den Auftrag, die Digitalisierung für die 12 Bayerischen Staatsministerien und die Staatskanzlei voranzutreiben und beratend sowie umsetzend an ihrer Seite zu agieren.
Allerdings stehen diesem Vorhaben einige Schwierigkeiten gegenüber, denn der öffentliche Sektor unterliegt einer hohen Verantwortung und bedarf damit einer besonders hohen Achtsamkeit bezüglich rechtlicher Notwendigkeiten und korrektem Handeln. So ergibt sich häufig ein grundlegendes Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Verwaltungsmitarbeitenden und denen derjenigen, die die Dienstleistungen des Staats nutzen: Rechtliche Korrektheit und Vorsicht auf der einen, einfache und nachvollziehbare Nutzbarkeit auf der anderen Seite.
Es wird grundsätzlich mit Steuergeldern agiert, was zum Beispiel in Vergaben unter anderem zur Sparsamkeit verpflichtet und mit einem weitreichenden Regelwerk die oft schnell gewünschte Beschaffung digitaler Lösungen erschwert. Auch in Hinblick auf Datenschutz und Transparenz sind die ohnehin hohen Erfordernisse im Kontext der öffentlichen Verwaltung besonders ernst zu nehmen. Des Weiteren unterliegen öffentliche Institutionen Wahlzyklen. Dies wirkt sich auf die Kontinuität von Maßnahmen aus, auch auf oft lang angelegte Prozessgestaltungsvorhaben.
Das Ressortprinzip, wie es zum Beispiel Artikel 51 der Bayerischen Verfassung vorsieht, ermöglicht klare Verantwortlichkeiten und Rollen, wodurch politischen und gesellschaftlich relevanten Themen angemessener Fokus zukommt. Allerdings kann die daraus resultierende Eigenständigkeit zu einer hindernden Variablen werden. Standardisierung wird erschwert und ressortübergreifende Zusammenarbeit jedenfalls nicht angereizt, sodass beispielsweise jedes Ministerium eigene Personal- oder Finanzprozesse hat. Die Frage, die sich nun also stellt, ist: Welche Veränderungen nützen dem Menschen so, dass er dazu bereit ist, den Nutzen des bisherigen aufzugeben und einen neuen, innovativen Prozess zu leben?

Menschzentrierte Prozessgestaltung in der öffentlichen Verwaltung

Relevante Akteure

Im Kontext der öffentlichen Verwaltung müssen verschiedene Akteure berücksichtigt werden, um effiziente und bürgernahe Abläufe sicherzustellen. Diese Akteure lassen sich grob in Interne und Externe unterteilen.
Auf der externen Seite stehen Akteure, die die Auswirkungen der Verwaltungsprozesse unmittelbar erfahren oder beobachten, dabei jedoch nicht Teil des Verwaltungsapparats sind. Hierzu gehören in erster Linie Bürger, Kommunen und Unternehmen, die mit der öffentlichen Verwaltung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen interagieren. Es ist essenziell, die Bedürfnisse dieser Akteure zu verstehen, um sicherzustellen, dass die Prozesse ihren Anforderungen gerecht werden. Darüber hinaus spielen auch Gesellschaft und Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Sie beobachten die Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung kritisch und sind in der Lage, Missstände aufzudecken oder Veränderungen zu fordern. Transparenz und Offenheit der Verwaltungsprozesse beeinflussen das Vertrauen der Gesellschaft in die Institutionen maßgeblich.
Auf der internen Seite stehen Personen, die die Verwaltungsprozesse ausführen und gestalten. Hierzu gehören Prozessbearbeitende wie Sachbearbeitende, die täglich Anfragen bearbeiten und Entscheidungen treffen. Ihre Kompetenz, Motivation und Arbeitsbedingungen haben einen direkten Einfluss auf Prozesseffizienz und -qualität. Führungskräfte verschiedener Ebenen tragen wiederum die Verantwortung für die Steuerung und Optimierung der Abläufe.
Die politische Ebene verknüpft die interne und externe Dimension. Politische Entscheidungen können die Besetzung von Posten in der Verwaltung beeinflussen, Prioritäten setzen und strategische Richtungen vorgeben. Die Dynamik zwischen der politischen Ebene, der internen Verwaltung und der Öffentlichkeit schafft ein sehr spezifisches Umfeld, da politische Entscheidungen direkte Auswirkungen auf die Verwaltungsprozesse haben können. Menschzentrierung in der öffentlichen Verwaltung hat angesichts dieser Dynamik höchste Relevanz. Dabei können zwei wesentliche Dimensionen unterschieden werden: der Gestaltungsprozess und das Ergebnis.

Menschzentrierung im Gestaltungsprozess

Menschzentrierung im Gestaltungsprozess ist ein Ansatz, bei dem die Bedürfnisse, Perspektiven und Erfahrungen aller Akteure, die in den Prozess involviert sind, aktiv und kontinuierlich in den Gestaltungsprozess einbezogen werden, um menschenorientierte Prozesse sicherzustellen.
Um dies zu gewährleisten, kann im Rahmen der Prozessgestaltung der sogenannte Double Diamond [5], ein bewährter Ansatz aus dem Design Thinking, angewendet werden (Abb. 1). Der Double Diamond unterscheidet zwischen Divergenz und Konvergenz im Gestaltungsprozess. In den Divergenzphasen geht es darum, möglichst viele Ideen, Perspektiven und Ansätze zu sammeln und zu erforschen. In den Konvergenzphasen werden die gesammelten Ideen bewertet, ausgewählt und weiterentwickelt, um konkrete Lösungen zu erarbeiten. Durch den Wechsel zwischen Divergenz und Konvergenz können verschiedene Ansätze untersucht und die besten Lösungen ausgewählt werden.
Konkret umfasst der Double Diamond im Idealzustand vier Phasen: Verstehen, Definieren, Entwickeln und Finalisieren. Nachfolgend werden diese mit konkreten Beispielen dargestellt. In der Realität werden Unternehmen beispielsweise aus Zeit- oder Kostengründen nicht zwangsläufig alle Phasen durchlaufen. Teilweise kommt dort auch das Modell des Reverse Double Diamond [6] zum Einsatz.
In der Verstehensphase liegt der Fokus auf der umfassenden Analyse bestehender Probleme als Grundlage für die Prozessgestaltung. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, die Bedürfnisse der beteiligten Akteure zu verstehen, zum Beispiel durch:
  • Interviews und Beobachtungen: Die Durchführung von Interviews und Umfragen mit den Prozessbeteiligten sowie Beobachtungen ihrer Interaktionen mit Prozessen ermöglichen eine Erfassung von Bedürfnissen. Auf diese Weise können Erfahrungen und Schmerzpunkte in einem vertrauensvollen Kontext erfasst werden.
  • Workshops: Rollenübergreifende Workshops dienen dazu, den bestehenden Prozess in seiner Gesamtheit zu visualisieren und zu verstehen. Hierbei können Prozesskarten, Flussdiagramme und Wertstromanalysen zum Einsatz kommen. Das Workshopformat fördert dabei den Austausch und führt oft zu umfangreichen Erkenntnissen. Ergänzend zu den bekannten Visualisierungsansätzen im Prozessmanagement, zum Beispiel Business-Process-Model-and-Notation-Modelle (BPMN-Modelle), lassen sich hier Methoden von UX-Designern einsetzen, um komplexe Sachverhalte nachvollziehbar zu dokumentieren und Menschen mitzunehmen.
In der Definitionsphase wird die Problemstellung präzisiert und der Fokus auf spezifische Aspekte des Prozesses gerichtet. So soll sichergestellt werden, dass alle Akteure ein gemeinsames Verständnis haben, zum Beispiel durch:
  • Persona-Entwicklung: Personas sind ein hilfreiches Werkzeug, um die Vielfalt der Prozessbeteiligten zu repräsentieren und ihre Bedürfnisse und Ziele besser zu verstehen. Sie dienen als Referenzpunkt während des Gestaltungsprozesses und helfen dabei, die Perspektive der Nutzer und ihren individuellen Mehrwert nicht aus den Augen zu verlieren.
  • Problem-Statements: Durch die Erstellung von Problem-Statements wird das Problem konkretisiert und es entsteht ein gemeinsames Verständnis.
  • Customer Journey Mapping: Die Erstellung von Customer Journey Maps ermöglicht es, den gesamten Prozess aus Nutzerperspektive zu visualisieren. Diese Methode hilft dabei, Schritte und Interaktionen verständlich zu machen. Dabei werden potenzielle Schmerzpunkte und Ansatzpunkte zur Verbesserung identifiziert.
Die Entwicklungsphase konzentriert sich auf die (kreative) Entwicklung von Lösungsideen. Hauptziel ist es, konkrete Ansätze zu generieren, die die identifizierten Probleme adressieren und den Bedürfnissen der beteiligten Akteure entsprechen, zum Beispiel durch:
  • Design-Thinking-Workshops: In solchen Workshops können unterschiedliche Stakeholder zusammenkommen, um Lösungsansätze aus verschiedenen Blickwinkeln zu generieren. Hierbei können kreative Techniken wie Brainstorming und Mindmapping angewandt werden, um die Ideenvielfalt zu fördern, aber auch spezifische Ansätze aus dem Prozessmanagement wie zum Beispiel Gestaltungsheuristiken. Insbesondere die Einbindung von UX-Designern mit Erfahrung in der Einholung und Umsetzung von Nutzerfeedback kann von Vorteil sein.
  • Prototyping mit Nutzerbeteiligung: Die Erstellung von Prototypen für Prozessverbesserungen bietet die Möglichkeit, Nutzer in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Verschiedene Prozessvarianten können simuliert und vorab getestet werden. Für Prototypen gibt es verschiedene Möglichkeiten, seien es Papiermodelle oder interaktive Mockups mithilfe von Simulationsprogrammen.
  • Usability-Tests: Um sicherzustellen, dass die geplanten Prozessveränderungen tatsächlich die gewünschten Verbesserungen bringen und den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen, sind Usability-Tests entscheidend. Hierbei wird überprüft, wie gut die Änderungen funktionieren und wie sie von den Nutzern wahrgenommen werden. Dies ermöglicht es, Schwachstellen zu identifizieren und anzugehen.
In der Finalisierungsphase werden die am besten geeigneten Lösungen ausgewählt, implementiert und in den operativen Prozess integriert. Dies erfolgt oft schrittweise, um notwendige Anpassungen vorzunehmen und einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Um sicherzustellen, dass die beteiligten Akteure die Änderungen verstehen und anwenden können, haben sich zum Beispiel folgende Ansätze bewährt:
  • Partizipative Implementierung: Bei der Einführung neuer Prozesse ist es wichtig, die beteiligten Mitarbeitenden aktiv einzubeziehen. Dies kann durch Trainings und Schulungsmaterialien erfolgen oder durch die Ermutigung zu Feedback und Anpassungen aufgrund ihrer Erfahrungen.
  • Kommunikation und Change Management: Alle Stakeholder sollten über die bevorstehenden Veränderungen und deren Vorteile umfassend informiert werden, um Widerstand zu minimieren und Akzeptanz zu fördern.

Menschzentrierung im Ergebnis

Während in der menschzentrierten Prozessgestaltung der Einbezug aller relevanten Prozessbeteiligten zentral ist, um ihre Bedürfnisse adäquat in der Lösungsfindung zu berücksichtigen, kann man dies nicht pauschal auf das Ergebnis des Gestaltungsprozesses übertragen. Für eine Menschzentrierung im Ergebnis sollten Menschen nur in diejenigen Prozessschritte und -abläufe involviert sein, in denen sie einen konkreten Mehrwert leisten oder empfangen. So entsteht Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit. Dieser Ansatz lässt sich anhand verschiedener Prozessdimensionen illustrieren.
In repetitiven, wenig wissensintensiven Routinetätigkeiten bietet ein hoher Automatisierungsgrad zahlreiche Vorteile. Beispielhaft kann das für einen Rechnungsprozess bedeuten, dass möglichst wenige Arbeitsvorgänge von Sachbearbeitenden vorgenommen werden müssen. Durch Dunkelverarbeitung und Anwendung moderner Technologien wie Robotic Process Automation können der erforderliche Ressourcenaufwand sowie die Fehleranfälligkeit aufgrund manueller Bearbeitung stark gesenkt werden. Es geht hier also nicht (immer) um ein perfektes UX-Design verwendeter Systeme, sondern um einen Ende-zu-Ende-Prozess, der dem Menschen den Arbeitsablauf erleichtert. Im Ergebnis nimmt eine menschzentrierte Prozessgestaltung den Menschen aus bestimmten Prozessschritten innerhalb des Verwaltungsapparats heraus – Technologie dient lediglich als Mittel, ihre Bedürfnisse besser zu erfüllen. Auch in analytischen und kognitiv anspruchsvollen Aufgaben bieten Technologien wie Künstliche Intelligenz großes Potenzial [7]. Sie können Mitarbeitende durch Automatisierung entlasten und gleichzeitig durch Beschleunigung und sparsamen Ressourceneinsatz einen deutlichen Mehrwert für Prozessempfänger schaffen.
In kreativen, wenig repetitiven oder hoch variablen Prozessen mit wenig kodifiziertem Wissen oder hohem Anteil persönlicher Interaktion sollten Menschen in der Prozessdurchführung stark involviert sein. Dies ist sowohl aus Perspektive der Mitarbeitenden als auch der Prozessempfänger sinnvoll, wenn Expertenwissen oder menschliche Eigenschaften wie Empathie notwendig sind. Menschzentrierung erfordert dann, den Menschen bewusst in Prozessschritte zu integrieren. Statt Automatisierung kann Technologie hier eher menschliche Fähigkeiten unterstützen und erweitern, statt sie zu ersetzen.

Fazit

Prozessmanagement stellt durch einen Fokus auf effektive und effiziente Arbeitsabläufe einen zentralen Erfolgshebel dar. Besonders hervorzuheben ist die Prozessgestaltung, welche durch Prozessverbesserung und -innovation eine zentrale Rolle einnimmt und dabei den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken sollte. Die menschzentrierte Prozessgestaltung lässt sich im Gestaltungsprozess und im Ergebnis betrachten. Im Gestaltungsprozess ist der kontinuierliche Einbezug aller relevanten Akteure unerlässlich. Die Anwendung bewährter Methoden und die Berücksichtigung von Nutzerfeedback tragen zur erfolgreichen Umsetzung bei. Die Menschzentrierung im Ergebnis erfordert eine differenzierte Betrachtung. In routinemäßigen, wenig wissensintensiven Tätigkeiten kann eine hohe Automatisierung die Effizienz steigern. In kreativen, wenig repetitiven Prozessen hingegen sollten Menschen stark involviert sein und durch Technologie unterstützt werden.
Insgesamt ist eine ganzheitliche menschzentrierte Prozessgestaltung zentral, um Arbeitsabläufe zu optimieren, Ressourcen effizient zu nutzen und eine hohe Zufriedenheit sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei den Nutzern der Prozesse zu gewährleisten. Drei Kernaussagen lassen sich zusammenfassen:
1.
Menschzentrierung als unverzichtbarer Erfolgsfaktor: Eine klare Definition und Einbettung der Menschzentrierung in die Prozessgestaltung sind entscheidend für die Initiierung gezielter und wirksamer Maßnahmen.
 
2.
Die öffentliche Verwaltung als Modell und Herausforderung: Die öffentliche Verwaltung bietet ideale Voraussetzungen für eine menschzentrierte Prozessgestaltung, stellt sich jedoch einigen einzigartigen Herausforderungen. Die Erfahrungen aus ihren Prozessgestaltungsaktivitäten können wertvolle Lehren für Organisationen im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft bieten.
 
3.
Unterscheidung zwischen Menschzentrierung im Prozess und im Ergebnis: Die Unterscheidung zwischen Gestaltungsprozess und Ergebnis ist von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Umsetzung. Es erfordert den Einsatz unterschiedlicher Methoden und Ansätze.
 
Basierend darauf lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten: Organisationen sollten alle relevanten Akteure aktiv in den Prozess einbeziehen, um eine konsequent menschzentrierte Prozessgestaltung sicherzustellen. Während des Gestaltungsprozesses ist es ratsam, bewährte Methoden sowohl aus divergenten als auch konvergenten Gestaltungsphasen anzuwenden. Bei der Umsetzung sollten Organisationen Menschen in Prozessen nur dann einbeziehen, wenn dies einen klaren Mehrwert bietet. Dieser ganzheitliche Ansatz zur Prozessgestaltung, der Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann Organisationen dabei unterstützen, effizienter, effektiver und erfolgreicher zu arbeiten.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Dumas, M., La Rosa, M., Mendling, J., & Reijers, H. A. (2018). Fundamentals of business process management. Bd. 2. Heidelberg: Springer.CrossRef Dumas, M., La Rosa, M., Mendling, J., & Reijers, H. A. (2018). Fundamentals of business process management. Bd. 2. Heidelberg: Springer.CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Kerpedzhiev, G. D., König, U. M., Röglinger, M., & Rosemann, M. (2021). An exploration into future business process management capabilities in view of digitalization: results from a Delphi study. Business & Information Systems Engineering, 63, 83–96.CrossRef Kerpedzhiev, G. D., König, U. M., Röglinger, M., & Rosemann, M. (2021). An exploration into future business process management capabilities in view of digitalization: results from a Delphi study. Business & Information Systems Engineering, 63, 83–96.CrossRef
3.
Zurück zum Zitat Norman, D. (2013). The design of everyday things: revised and expanded edition. Basic books. Norman, D. (2013). The design of everyday things: revised and expanded edition. Basic books.
4.
Zurück zum Zitat Europäische Kommission (2022). Digital economy and society index (DESI) Europäische Kommission (2022). Digital economy and society index (DESI)
7.
Zurück zum Zitat Maedche, A., Legner, C., Benlian, A., Berger, B., Gimpel, H., Hess, T., Hinz, O., Morana, S., & Söllner, M. (2019). AI-based digital assistants: opportunities, threats, and research perspectives. Business & Information Systems Engineering, 61, 535–544.CrossRef Maedche, A., Legner, C., Benlian, A., Berger, B., Gimpel, H., Hess, T., Hinz, O., Morana, S., & Söllner, M. (2019). AI-based digital assistants: opportunities, threats, and research perspectives. Business & Information Systems Engineering, 61, 535–544.CrossRef
Metadaten
Titel
Moderne Prozessgestaltung am Beispiel der öffentlichen Verwaltung: Der Mensch im Mittelpunkt
verfasst von
Karolina Engenhorst
Laura Marcus
Linda Moder
Tino Kühnel
Prof. Dr. Anna Maria Oberländer
Prof. Dr. Maximilian Röglinger
Publikationsdatum
07.03.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Wirtschaftsinformatik & Management / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 1867-5905
Elektronische ISSN: 1867-5913
DOI
https://doi.org/10.1365/s35764-024-00508-3

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