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2023 | Buch

Organisationale Machtbeziehungen im Wandel

Führung zwischen Zustimmung und Zwang

herausgegeben von: Olaf Geramanis, Stefan Hutmacher, Lukas Walser

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Dieses Fachbuch beschreibt mit seiner interdisziplinären Ausrichtung die Machtbeziehungen in Organisationen aus mehreren Blickwinkeln. Die Autoren untersuchen das Spannungsverhältnis zwischen klassischen Strukturen und Bedingungen auf der einen und einer eher diffusen Handlungs- und Gestaltungsmacht auf der anderen Seite. Dabei gehen Sie den Fragen nach, ob aktuell Veränderungen von Machtbeziehungen in Organisationen stattfinden und welcher Art diese sind bzw. welche Auswirkungen sie haben. Wie gehen Führende mit den Herausforderungen einer sich verändernden Welt um und welche machtdynamischen Folgen können sich daraus entwickeln? Wo sind möglicherweise Schwachstellen im Machtgefüge innerhalb einer Organisation und wie kann mit Ambivalenzen und Machtverschiebungen aufgrund sozialer und technischer Veränderungen umgegangen werden? Es wird deutlich, dass Machtausübung zwar asymmetrisch ist, aber keineswegs etwas Einseitiges – Machtbeziehungen sind Austauschbeziehungen.

Die Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz unterstützte diesen Tagungsband.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Gegenwartsbeschreibungen organisationaler Machtbeziehungen

Frontmatter
Kapitel 1. Macht in Gruppen und Organisationen – zwei unterschiedliche Systemlogiken und die Konsequenzen für die Führung
Zusammenfassung
Die Hypothese dieses Artikels lautet, dass es im Zeichen neuer organisationaler Arbeitsformen zu einer beachtenswerten Verschiebung im Führungsverhalten und damit in der Verwendung von Macht kommt: Dabei gewinnt vor allem die Orientierung an Person und Gruppe massiv an Bedeutung. Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet dies: Erfolgreiche Führung muss neben der Organisationsdynamik eine Expertise für die Gruppendynamik entwickeln. Allerdings stehen der Organisation für diese Aufgabe bislang fast keine adäquaten „organisationalen“ Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Um die Unterschiedlichkeit und Unvereinbarkeit der jeweiligen Handlungslogik von Organisation und Gruppe aufzuzeigen, wird die wiederaufgenommene systemtheoretische Diskussion dargestellt, in der die Gruppe – ebenso wie Interaktion, Organisation und Gesellschaft – als ein eigener Systemtyp gilt. Diese Unterscheidung ist bedeutsam, weil es dadurch möglich wird, zwei grundlegend unterschiedliche Macht- und Führungskonzepte zu erfassen und zu bewerten: 1) Das Führen von Rolleninhabern durch Rolleninhaber ist ein konstitutives Merkmal von Organisationen und es erzeugt Organisationsdynamik. 2) Das Führen von Personen durch Personen ist ein Merkmal von Gruppen und damit Teil der Gruppendynamik. Die zentrale Frage lautet: Wodurch lässt sich „nicht organisationale Führung“ innerhalb von Organisationen legitimieren?
Olaf Geramanis
Kapitel 2. Zur Kultur der kaschierten Dominanz
Zusammenfassung
Asymmetrische Verhältnisse sind immer auch wechselseitige Abhängigkeitsverhältnisse; Autoritätsverhältnisse sind häufig Anerkennungsverhältnisse. Eltern sind abhängig von der Folgsamkeit ihrer Kinder, Lehrpersonen von jener ihrer SchülerInnen und Vorgesetzte von ihren MitarbeiterInnen. Führungskompetenzen sind nur in dem Grad wirksam, in dem die Mitarbeiterinnen bereit und fähig sind, sich führen zu lassen. Das Ideal der Gleichheit und damit die Erwartung symmetrischer Kommunikationsverhältnisse sind moderne Errungenschaften, welche auch sozial ungleiche InteraktionspartnerInnen unter Druck setzen, die Asymmetrie zu kaschieren. Mit der damit verbundenen strukturellen „Unaufrichtigkeit“ der Kommunikationsverhältnisse umzugehen, fällt nicht allen leicht. Dieser Umgang erfordert passende Masken, mehr oder weniger raffinierte Ausdrucksweisen, die Bereitschaft, den Gefühlsausdruck zu modellieren, d. h. ein situationssensibles Selbstpräsentationsmanagement.
Roland Reichenbach
Kapitel 3. Entwicklungschancen oder Regressionsgefahr? – Die Verzahnung von äußerer Bedrohung und innerseelischer Dynamik und ihre Auswirkung auf die menschlichen Beziehungen
Zusammenfassung
Äußere Bedrohungen wie das Coronavirus und der Krieg in Europa aktivieren innerpsychische Dynamiken und Prozesse. Was sind die Auswirkungen auf das seelische Funktionieren des einzelnen Menschen und die sozialen Beziehungen im Privaten wie in Gruppen oder Organisationen? Der Autor untersucht, wie die z. T. noch nie da gewesenen externen Einflüsse mit unserer psychischen Struktur und den in ihr ablaufenden Prozessen interferieren. Zum einen geht es um den Umgang mit potenzieller Reizüberflutung und Überwältigung, zum anderen um die innere Dynamik von rebellischen Triebwünschen, aggressivem Gewissen und überfordertem steuernden Ich. Hinzu kommt die Aktivierung spezifischer in der Entwicklung angelegter unbewusster Wunsch- und Angstfantasien. Es werden sowohl die Auswirkungen der heutigen Situation auf das seelische Gleichgewicht des Einzelnen und die (Macht-)Beziehungen in Gruppen und Organisationen als auch die möglichen Gefahren und Entwicklungschancen diskutiert
Markus Fäh
Kapitel 4. Organisation und Macht. Soziologische Perspektiven
Zusammenfassung
Der Beitrag behandelt das Phänomen der organisationalen Macht. Unterstellt, dass Organisation ein historisches Konstrukt zur Allokation von Ressourcen sowie zur systematischen Verfestigung sozialer und individueller Machtbeziehungen ist und dass eine grundsätzliche „Herrschaft durch Organisation“ besteht, werden zunächst klassische organisationale Machtkonzepte vorgestellt. Diese gehen im Grunde davon aus, dass sich Herrschende und Beherrschte in jeder Organisation kategorial gegenüberstehen. Sodann werden Organisationstheorien angeführt, die einen Wandel hin zu einem relationalen und prozesshaften Machtbegriff anzeigen. Gegen Ende wird auf die Verengung organisationaler Machtbeziehungen auf „Erwerbsarbeit“ eingegangen und bspw. Care- und Plattformarbeit als ebenso machtkonstitutiv begriffen. Mit bspw. Künstlicher Intelligenz finden auch neueste machtgenerierende Entitäten Erwähnung. Organisation als Modus scheint alternativlos geworden zu sein. Die Abschaffung dieses Modus ist aber wohl alles andere als einfach.
Thomas Matys
Kapitel 5. Wenn die Generation Z die Spielregeln neu definiert
Erwartungen und Arbeitsmotive der jungen Generation von Berufseinsteigenden angesichts eines von Fachkräftemangel geprägten Umfelds
Zusammenfassung
Die demografische Entwicklung führt zu einer Verschiebung auf dem Arbeitsmarkt. Doppelt so viele Arbeitskräfte gehen in Rente wie junge Mitarbeitende auf den Arbeitsmarkt kommen. Junge Berufseinsteigende haben Auswahlmöglichkeiten wie nie zuvor und bringen andere Erwartungen an die Arbeitgebenden mit. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf die aktuell jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt und deren Wertvorstellungen und Arbeitsmotive zu werfen, denn dieses Zusammenspiel von demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen führt zu einer Machtverschiebung in den Organisationen. Führungskräfte geraten unter Druck, trotz Fachkräftemangel genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Die zentrale Frage lautet: Wie können Organisationen diese Erwartungen der Generation Z für die eigene Weiterentwicklung nutzen und was bedeutet dies für die Führungspersonen? Im Beitrag werden anhand einer Forschungsarbeit im Sozialbereich im ersten Teil die Erwartungen und Arbeitsmotive der aktuell jüngsten Generation von Sozialarbeitenden aufgezeigt und diskutiert. Anschließend liegt der Fokus auf der Arbeitgeberattraktivität. Was unternehmen Führungsverantwortliche ganz konkret, um junge Fachkräfte zu rekrutieren und längerfristig zu halten? Der Beitrag schließt mit einem Fazit und Handlungsimpulsen für die Praxis.
Melanie Germann
Kapitel 6. Gender – jenseits der Binarität
Zur Gendergerechtigkeit in Gesellschaft, Organisationen und Teams
Zusammenfassung
In vielen Organisationen hat sich in den letzten Jahren mehr oder weniger die Vorstellung etabliert, dass das „Gendern“ als Prinzip im Umgang miteinander eine Kultur der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern begünstigen möge. Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, wird die Fragestellung verfolgt, wie gerechte Geschlechterverhältnisse zustande kommen (sollen) und wie man überhaupt mit Unterschieden umgehen soll, sodass die jeweils Beteiligten aufgrund ihres Geschlechts nicht benachteiligt oder bevorzugt werden. Zunächst wird der Genderbegriff vor dem Hintergrund seines rechtlichen Referenzrahmens beschrieben – was bedeutet „Gender“ und was ist mit „Genderkompetenz“ gemeint? Im nächsten Schritt wird untersucht, welche Form der Vermittlung von Genderkompetenz in der Praxis zu welchen Wirkungen führt bzw. ob der Prozess der Wahrheitsfindung in Richtung mehr Gerechtigkeit eher normativ oder eher prozesshaft zu gestalten wäre. Am Ende wird auf das Thema noch ein kritisches Blitzlicht geworfen – welche Narrative sind hier vorherrschend und was sagen sie über den Umgang mit Unterschieden aus?
Barbara Lesjak

Führung zwischen Zustimmung und Zwang

Frontmatter
Kapitel 7. Agilität.Macht.Containment
Zusammenfassung
Agilität gilt als modernes Organisationsprinzip. Im Kern hat es den Anspruch, Unternehmen in komplexen und sich schnell ändernden Märkten adaptiv zu steuern, sodass sie sich auch in der BANI-Welt (zu Deutsch: brüchig, ängstlich, nicht linear, unverständlich) erfolgreich entwickeln können. Ängste, Spannungen und negative Emotionen, die aus dieser brüchigen, nicht linearen und schwer verständlichen Umwelt entstehen, müssen in den Organisationen bearbeitet und bewältigt werden. Aus psychodynamischer Perspektive spielt dafür die Etablierung von personalem und strukturellem Containment in Organisationen eine zentrale Rolle. Im Anschluss an die Beschreibung des Konzepts ordnen wir es in den Machtdiskurs ein. Wir zeigen zum Schluss auf, wie Führungskräfte durch Selbstreflexion Ambiguitätstoleranz und Containment erlernen können, um in der BANI-Welt erfolgreich arbeiten zu können.
Heidi Möller, Thomas Giernalczyk
Kapitel 8. Paradoxien der Führung
Warum es in Organisationen selten so läuft wie gewünscht
Zusammenfassung
Mithilfe der Unterscheidung Autorität, Führung und Macht werden Möglichkeiten und Begrenzungen von Einfluss in Organisationen untersucht. Dabei wird die These vertreten, dass Entscheidungen – als wichtigste Form von Einflussnehmen – immer janusköpfig sind. Führung kann nie nur sachlich richtig liegen, sozial motivieren und künftige, positive Wirkungen erzielen. Einflussnehmen in Organisation wird so zur Bereitschaft, durch das Lösen von Problemen neue und andere Probleme zu schaffen. Gestaltung von unwahrscheinlichen Kooperationen und Regulation von wahrscheinlichen Konflikten werden zu einem paradoxen Vorgang, der sich selbst permanent schwächt und daraus Stärke gewinnen muss.
Klaus Eidenschink
Kapitel 9. Geschlecht im Arbeitsleben – Macht, Aussehen, Ausdrucksverhalten
Zusammenfassung
Die Ungleichbehandlung von Frauen im Arbeitsleben hat vielerlei Ursachen. Eine davon ist die in unserer Gesellschaft etablierte Kleider- und Aussehensordnung, die Frauen die schwerpunktmäßige Zuständigkeit fürs Gutaussehen zuweist. Männer sind im Arbeitsleben, und sonst, oft vergleichsweise unauffällig und mehr oder weniger „uniformiert“ gekleidet, und besondere Kennzeichen wie Marken und teure Qualität lenken die Aufmerksamkeit mehr auf Status als auf die individuelle Körpererscheinung. Dagegen sind Frauenmode sowie Schmuck- und Kosmetikstandards so angelegt, dass sie die Aufmerksamkeit auf den Körper und die individuellen Stilentscheidungen von Frauen lenken. Dies lädt – auf der Ebene objektiver Interaktionssignale, nicht unbedingt subjektiver Absicht – die Berufsteilnahme von Frauen mit dem Double Bind oder der widersprüchlichen Doppelbotschaft auf: „Ich sehe zwar super aus, aber ich will auf keinen Fall auf mein Aussehen hin beurteilt werden!“
Barbara Kuchler
Kapitel 10. Herausforderung Wachstum – Zwang zur Anpassung oder Freiheit für Entwicklung?
Zusammenfassung
In diesem Beitrag geht es um das Verhältnis des persönlichen Wachstums der einzelnen Person und den Anspruch der Organisation, dass die Akteure bestmöglich zu ihrem Zweck beitragen sollen. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Mensch und Organisation, wenn nicht nur eine spezifische Arbeitsleistung erwartet wird, sondern eine einzelne Person ihre Kreativität oder „das ganze Selbst“ in die Organisation einbringen soll? Welche Konflikte und Chancen ergeben sich, wenn die Organisation erwartet, dass sich „das Mindset“ oder „das Selbst“ der Akteure weiterentwickeln soll? Zielt nicht ursprünglich ein Großteil der Arbeit in Human Resources darauf ab, dass sich Personen entwickeln, um den Anforderungen der Organisation gerecht zu werden? Ist es auch möglich, dass es die Aufgabe der Organisation ist, dass sich die Akteure in Freiheit entwickeln? Was bedeutet es für unser Verständnis von Organisationen, wenn wir die Kontroverse wechselseitig denken? Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit sich Grundannahmen über das Verhältnis von Organisation und Person ändern.
Johannes Willms, Sara Willms, Maria Schmuck
Kapitel 11. Power needs Belonging
Die Krise der Macht ist eine Krise der Zugehörigkeit
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt die Krise der klassischen Macht in Organisationen: Das Interesse an Machtpositionen, die sog. Führungsmotivation, lässt nach. Gleichzeitig sinkt die Zustimmung zu formalen Machtstrukturen. Nicht zuletzt ist eine Diffusion klassischer Vorgesetztenmacht zu konstatieren: Wer was wo bestimmen darf, ist unübersichtlich geworden.
Theresia Volk reflektiert – aus ihrer Praxis als Beraterin und Change Managerin –, welchen Anteil daran eine ganz andere Entwicklung hat, die der arbeitsweltlichen Flexibilisierung. Klassische organisationale Zugehörigkeitsformen, wie das Team (sozial), die eigene Berufsrolle (professionell) oder die Identifikation mit einem übergeordneten Ganzen (ideell), schwinden. Die verbindliche Zugehörigkeit zu einem sozialen, professionellen oder ideellen „Wir“ ist aber nicht Folge, sondern Voraussetzung für verbindliche und gelingende Machtbeziehungen, so die These. Denn Grundlage für Autorität ist eine externe Größe, an der sich diejenigen, die Autorität ausüben, wie diejenigen, die ihr folgen, gemeinsam orientieren (Hannah Arendt). Wo Zugehörigkeiten aber fehlen, verfällt auch die Haltbarkeit von Macht.
Theresia Volk
Kapitel 12. Machtaspekte und Machtdynamiken – blinde Flecken in der Führungsentwicklung
Zusammenfassung
Im Mainstream der Führungsentwicklung wird Macht selten explizit adressiert, sondern meist ausgeblendet. Dies geschieht z. B., indem komplexe soziale Prozesse als rein psychologische verstanden werden oder indem Macht als vermeintlich neutrale Ressource im Dienst von unproblematischen Zwecken behandelt wird. Als Konsequenz bleiben zentrale Einflussfaktoren auf Führungserfolg sowie ethische Fragestellungen unterbelichtet und die Entwicklung von relevanten Machtkompetenzen wird nicht gefördert. Der Beitrag untersucht solche „blinden Flecken“ der Führungsentwicklung im Zusammenhang mit gängigen Führungskonzepten, dominanten Diskursen, verbreiteten Herangehensweisen und charakteristischen Machtdynamiken und beleuchtet, wie diese einem aufgeklärten Zugang zu Machtaspekten der Führung gegenüberstehen. Ein kurzer Blick auf alternative Führungsentwicklungsansätze ergänzt die Betrachtung.
Andrea Kleinhuber

Organisationale Kontextgestaltung und ihre Machtdynamiken

Frontmatter
Kapitel 13. Machtspiele „über Bande“
Wie sich organisationale Machtverhältnisse im Zuge des Compliance-Managements wandeln
Zusammenfassung
Der Text fragt nach den Folgen, die sich durch die Einführung eines Compliance Managements für die innerorganisationalen Machtverhältnisse ergeben. Dabei zeigt sich, dass mit dem Compliance Management eine organisationale Drittpartei eingeführt wird. Hierdurch wird die dyadische Machtbeziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter in eine triadische überführt. In der Konsequenz kommt es zu einer Symmetrisierung von Machtverhältnissen, welche vor allem die Unsicherheit innerhalb der Organisation steigert. Organisational folgenreich ist dies insofern, als absehbar Flexibilitätspotenziale verloren gehen. Vor dem Hintergrund der Analyse plädiert der Text für eine konsequente Berücksichtigung formaler Strukturkontexte in der Analyse von Machtkonstellationen – sowohl in der wissenschaftlichen Analyse als auch in der Praxis der Organisationsgestaltung.
Sven Kette
Kapitel 14. Macht im Labor
Problemstellungen im gruppendynamisch fundierten Organisationstraining
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit verschiedenen Phänomenen der Macht im Aufbau und in der Entwicklung von Organisation. Anhand des erfahrungsbasierten Lernformats des Organisationstrainings (auch Organisationslaboratorium oder OLab) in der Tradition der „Klagenfurter Schule der Gruppen- und Organisationsdynamik“ werden ausgewählte Phänomene beschrieben, bei denen sich die Machtfrage während der Bildung von Organisation unausweichlich stellt. Sofern nicht ‚von außen‘ vorgegeben und gesetzt (wie das etwa bei Planspielen der Fall ist), sondern ‚von unten‘ bzw. selbstgesteuert entwickelt, trifft dies insbesondere auf drei Phänomenbereiche zu: 1) die Macht und Ohnmacht der amorphen Menge, 2) die Innen- und Außenpolitik von Gruppen sowie 3) die notwendige Hierarchisierung zur Übernahme von Gesamtverantwortung. Diese sind auch in ihrem Ablauf als typische Phasenabfolge heuristisch zu verstehen, wenn es um die Herstellung von Entscheidungsfähigkeit größerer, zunächst unstrukturierter sozialer Gebilde geht.
Matthias Csar, Ulrich Krainz
Kapitel 15. Macht in Unternehmerfamilien
Die Governance von Familienorganisationen
Zusammenfassung
Familien und Organisationen sind gemeinhin klar voneinander unterschieden. Im Falle von Unternehmerfamilien ist das anders; diesbezüglich können wir beobachten, wie eine ungewöhnliche Verbindung entsteht: eine Familienorganisation mit formalen Strukturen der Governance, wie Regeln und Prozesse der Kommunikation und Entscheidung sowie ihrer Durchsetzung und Implementierung. Diese Strukturen können als Versuche interpretiert werden, Probleme der Macht zu lösen, die aus den hier eng verkoppelten Kontexten von Familie, Eigentum und Unternehmen entstehen. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der (auch beispielhaften) Beschreibung von Machtdynamiken in Unternehmerfamilien und den Formen ihrer Bearbeitung. In diesem Zusammenhang werden zwölf Fragekomplexe bzw. Schritte der Strategieentwicklung für und in Unternehmerfamilien skizziert, mit denen Machtfragen adressiert und in einer für diese Familienorganisationen angemessenen Form bearbeitet werden.
Heiko Kleve
Kapitel 16. Einfluss und Ohnmacht der Personalentwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
Impulse aus einer organisationsethnografischen Studie
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit Fragen der Ausgestaltung des Einflusses der Personalentwicklung (PE) in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Als empirische Grundlage dienen dabei die im Rahmen einer organisationsethnografischen Studie in sieben KMU erhobenen Daten. Die Analyse zeigt, dass sich die PE-Arbeit innerhalb unterschiedlicher Spannungsfelder vollzieht und einen großen Einfluss auf die organisationalen Prozesse, aber auch auf menschliches Wohlergehen in der Organisation hat. Dies beruht neben der Expertise der PersonalerInnen auch auf ihrer Eingebundenheit in den organisationalen Informationsfluss sowie auf der Legitimität ihrer Position. Ebenfalls besteht ein erhebliches Machtpotenzial der PE in ihrer schützenden Wirkung auf Organisationsmitglieder sowie in ihrer Funktion als Unsicherheitspuffer. Zu den identifizierten Quellen der Ohnmacht der PE zählen ungeklärte Unstimmigkeiten mit Machthabenden, Rollenunsicherheit sowie das Nichtthematisierbare innerhalb einer Organisation.
Evelina Sander, Carina Kröber, Franziska Anhalt, Michael Dick
Kapitel 17. Soziodrama als Simulation sozialer Systeme
Macht in Change-Prozessen
Zusammenfassung
Machtdynamiken entscheiden maßgeblich über den Erfolg von Veränderungsprozessen mit. Sie müssen daher bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen berücksichtigt werden. Das Soziodrama, eine mit dem Planspiel verwandte Simulationsmethode, ermöglicht es, diese Dynamiken zu reflektieren und die gewonnenen Erkenntnisse in die Planung zu integrieren. Der Beitrag stellt die Methode Soziodrama vor und zeigt anhand eines Fallbeispiels auf, wie sich die Komplexität von Veränderungsdynamiken mit dem Soziodrama beobachtbar machen lässt.
Falko von Ameln, Christoph Buckel

Veränderungsherausforderungen organisationaler Machtbeziehungen

Frontmatter
Kapitel 18. Machtverschiebung durch generative künstliche Intelligenz – und die Konsequenzen für das Transformationsmanagement
Zusammenfassung
Angesichts des beschleunigten technologischen Fortschritts bei künstlicher Intelligenz (KI) verändern sich die Mensch-Algorithmus-Austauschbeziehungen grundlegend. KI-Anwendungen, die autonom einen Output generieren, haben in jüngster Zeit einen Umbruch in der Diskussion der Mensch-Maschine-Interaktion ausgelöst. Machtverschiebungen vom Menschen hin zu KI-Anwendungen, bisher häufig tabuisiert, werden nun intensiv diskutiert. Der Beitrag zeichnet diese Machtverschiebungen anhand von Beispielen nach und die Spannungsfelder der Machtverschiebungen werden, auch unter ethischen Gesichtspunkten, diskutiert. Es werden Hinweise gegeben, wie die Machtverschiebungen während digitaler Transformationsprozesse thematisiert werden können. Es zeigt sich, dass generative KI neben den Vorteilen auch zunehmende Risiken birgt, die in den Transformationsprozessen mit bearbeitet werden müssen.
Ulrich Lenz
Kapitel 19. Machtbewusstsein im Zeitalter von Artificial Intelligence
Urgency- und Desirezustände dynamisieren in funktional organisierter Gewohnheit
Zusammenfassung
Wie weit greift AI (Artificial Intelligence) in unser Leben, Führen und Organisieren ein und wozu werden wir aufgerufen? Im Beitrag wird deutlich, dass wir uns mit unseren eigenen AI-Errungenschaften radikal differenzieren und gleichzeitig durch die damit einhergehende Verschmelzung mechanischer, biologischer, psychischer und sozialer Operationsmodi bekannte Grenzen erodieren. Bevorstehende Disruptionen und Ungewissheit fragen nach erhöhter Verarbeitungskapazität, die mit einem Bewusstsein der Machtverhältnisse einhergeht. Als Handlungsprinzip wird eine Kultur der Dynamisierung von Urgency und Desire skizziert mit dem Fokus, unterschiedliche „Intelligenzen“ und Machtverhältnisse zu integrieren. Einem prozessorientierten Organisationsverständnis kommt dabei besondere Bedeutung zu, weil es auch darum geht, bewusste Lernkulturen als stabile Gewohnheiten zu etablieren, um Disruptionen fruchtbringend zu nutzen sowie Wirkungen zu interpretieren.
Maria Spindler
Kapitel 20. Hybride Arbeit, Freelancer, Gig-Working und Co: Machtdynamiken in grenzaufgelösten und dezentralisierten Arbeitsorganisationen
Zusammenfassung
Traditionelle Organisationen wandeln sich in komplexe Wertschöpfungssysteme mit zunehmend dezentralisierten und digitalisierten Formen der Arbeitsorganisation. Indem sich die Vorstellungen von Mitgliedschaft verändern und sich Arbeit in digitalisierte Räume verschiebt, lösen sich die Grenzen von Organisationen auf. Im Beitrag wird argumentiert, dass sich in solch grenzaufgelösten Organisationen die Machtdynamiken verändern. Im Beitrag werden zwei Dynamiken exemplarisch betrachtet: erstens diejenigen, die sich aus der abnehmenden Wirkung bürokratischer Strukturen als Machtressourcen ergeben, wenn sich die Formen der organisationalen Mitgliedschaft und Zugehörigkeit verändern (z. B. Freelancer, hybride Arbeit). Zweitens werden die Schnittstellen zwischen Menschen und intelligenten Technologien in digitalen Arbeitsräumen und die sich dadurch verschiebenden Machtverhältnisse betrachtet. Der Beitrag zielt darauf ab, die veränderten Machtdynamiken sichtbarer zu machen und damit einen reflektierten Umgang mit Macht in digital transformierten Organisationen zu ermöglichen.
Stephan Kaiser, Arjan Kozica
Kapitel 21. Die Macht der Autorität
Warum wir für die Transformation eine Evolution unseres Bewusstseins zu Autorität brauchen
Zusammenfassung
Autorität ist nicht gleichzusetzen mit Macht, obgleich Autorität eine Form von ihr ist. Sowohl Macht als auch Autorität sind das Gegenteil von Gewalt und Zwang. Durch einen aktiv gestalteten Evolutionsprozess des Bewusstseins zu Autorität lassen sich auch scheinbar feststehende Machtasymmetrien in Bewegung bringen. Dieser zunächst in einem Individuum beginnende Transformationsprozess entfaltet sich durch Interaktion in sozialen Systemen. Jede Transformation ist mit Konflikten verbunden. Deren Energie können Menschen in Organisationen mit einer transformativen Haltung zu Autorität nutzen; sie können Gleichwertigkeit und Co-Führung in Führungsbeziehungen entstehen lassen, ohne Führung aufzugeben. Diese sich in Organisationen mit der Zeit daher ausbildenden Kompetenzen können Menschen nutzen, um auch als BürgerInnen den gegenwärtigen politischen und ökonomischen (Dis-)Kurs zu verändern.
Frank Baumann-Habersack
Kapitel 22. Mythos „machtlose“ Agilität: Was passiert mit der Macht in einer agilen Transformation?
Zusammenfassung
Agile Ansätze thematisieren Macht weder bezogen auf das agile Set-up noch auf die Transformation zur agilen Arbeitsform. In einer mehrjährigen Fallstudie zur agilen Transformation eines Ingenieurbetriebs haben wir daher gezielt darauf geschaut, ob und wie sich Macht verändert. Wir können zeigen, wie die ehemals stark hierarchische Führung in vielen kleinen Schritten Macht abgibt und neue Rollen und Entscheidungsgefäße für eine breitere Verteilung von Macht und Verantwortungsübernahme geschaffen werden. Aber Abgabe von Macht garantiert noch nicht ihre Übernahme durch vormals weniger Mächtige. Anderen wiederum wird Macht regelrecht weggenommen – mit den erwartbaren Widerständen. Aus unserer Fallstudie schließen wir, dass Macht weiterhin Bestand hat und in einer agilen Organisation in veränderter Gestalt bestehen bleibt. In agilen Transformationen sollte daher darauf geachtet werden, wie sich Macht verändert und im Sinne der Veränderung optimal verteilt und eingesetzt werden kann.
Sara Berli, Johann Weichbrodt, Katrina Welge
Metadaten
Titel
Organisationale Machtbeziehungen im Wandel
herausgegeben von
Olaf Geramanis
Stefan Hutmacher
Lukas Walser
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-42092-5
Print ISBN
978-3-658-42091-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42092-5

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