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2024 | Buch

Organisationen im Labor?

Grenzen der Simulation von Formalität in gruppendynamischen Trainings

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Über dieses Buch

In gruppendynamischen Trainings wird viel über das Leben in Freundeskreisen, Liebesbeziehungen, Jugendcliquen, Wohngemeinschaften, Straßengangs, Terrorgruppierungen oder Kleinfamilien, aber kaum etwas über die Dynamik in Unternehmen, Verwaltungen, Ministerien, Armeen, Polizeien, Krankenhäusern, Universitäten oder Schulen abgebildet. In diesem Buch wird gezeigt, wie gruppendynamische Trainings den Übergang von einer Gruppe zu einer Organisation unterbinden – durch den Druck zur personenbezogenen Kommunikation, durch ihre Entmutigung der Ausdifferenzierung von Rollen, durch die Verhinderung von Hierarchien und durch eine Tendenz zur Diffusität der Themen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Zur Hoffnung, durch gruppendynamische Trainings etwas über Organisationen zu lernen
Zusammenfassung
Es fällt auf, wie stark sich die Hoffnungen in Bezug auf gruppendynamische Trainings verschoben haben. Nachdem Gruppendynamiker in der Anfangsphase den Anwendungsbereich der Trainings nicht genau spezifizierten, wurde in der gruppendynamischen „Sturm- und Drang-Zeit“ die Gesellschaft zum zentralen Bezugspunkt der Trainings erklärt (siehe dazu Schmidt 1989: 299).
Stefan Kühl
Kapitel 2. Die personenbezogene Erwartungsbildung in gruppendynamischen Trainings
Zusammenfassung
In Gruppen werden Erwartungen vorrangig anhand von Personen aufgebaut. Man kennt Djamila, Kim oder Mian – oder meint zumindest sie zu kennen – und orientiert das eigene Verhalten an der Einschätzung derer Persönlichkeiten. Man verleiht Geld, weil man sich darauf verlässt, dass Djamila dies garantiert zurückzahlen wird, kommt eine halbe Stunde zu spät zu einer Verabredung, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass Kim nie pünktlich ist oder verschweigt relevante Informationen, weil man ahnt, dass diese bei Mian nicht sicher sind (siehe dazu Luhmann 1984: 429 f.).
Stefan Kühl
Kapitel 3. Die Entmutigung von Rollendifferenzierung in gruppendynamischen Trainings
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu Organisationen kann man sich in Gruppen als Person nicht hinter eine Rolle zurückziehen. Unter dem Prinzip Rolle versteht man ein „Bündel von Erwartungen“, die sich an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen. Es geht also um Erwartungen, die „ein Mensch ausführen kann“, die „aber nicht auf bestimmte Menschen festgelegt sind“, sondern durch „verschiedene, möglicherweise wechselnde Rollenträger“ wahrgenommen werden. Hier wird von Erwartungen gegenüber Einzelpersonen abstrahiert (Luhmann 1972, S. 86 f.).
Stefan Kühl
Kapitel 4. Die Infragestellung von verfestigten Führungsansprüchen
Zusammenfassung
Seit Anbeginn hat die Frage der Führung in der Gruppenforschung eine wichtige Rolle gespielt. Besonders die Forschungen zu Teams um Kurt Lewin bezüglich der unterschiedlichen Führungsstile von Kindergruppen – autoritär, gleichgültig, indifferent und demokratisch – haben hier einen wichtigen Einfluss gehabt (siehe früh Lewin 1944; zentral auch Lippitt und White 1958; siehe dazu Shils 1951: 54 f.). Als Abgrenzungsfolie für einen von den Gruppenforschern favorisierten demokratischen Führungsstil diente dabei besonders der autoritärere Führungsstil, der letztlich „alle Gruppenmitglieder zu einer Identifizierung mit der jeweiligen Führung“ zwinge und zu einer „Entladung von Aggressionsbedürfnissen nach außen auf negative Bezugsgruppen durch ein internes Freund-Feind-Schema“ führe (Brocher 1969: 4 f.).
Stefan Kühl
Kapitel 5. Die „Intimisierung“ der Interaktion in gruppendynamischen Trainings
Zusammenfassung
Zur stabilisierenden Konformität innerhalb einer Gruppe ist ein „Mindestmaß an Konsens“ der Themen notwendig. Für die Gemeinsamkeiten eignen sich dabei keine Inhalte, in denen „Konsens mit jedermann selbstverständlich ist“. Über unbestreitbare Tatsachen wie etwa, dass die Sonne gerade scheint, die Bäume anfangen zu grünen oder die Bahn immer zu spät kommt, lassen sich zwar vorzüglich Alltagsinteraktionen mit Fremden gestalten, jedoch nur schwer in den Gruppen integrieren (Luhmann 2008: 52/10c2a).
Stefan Kühl
Kapitel 6. Plädoyer für eine präzise Bestimmung der Systemreferenz gruppendynamischer Trainings
Zusammenfassung
Die mit gruppendynamischen Trainings verbundene Hoffnung war, dass diese nicht nur die Reflexionsfähigkeit des Einzelnen erhöhen und so zur Erweiterung des Verhaltensrepertoires beitragen, sondern auch Veränderungsprozesse in Organisationen erleichtern können (siehe für frühe Überblicke Buchanan 1965, 1969). Dabei bestand die Erwartung, dass sich durch gruppendynamische Trainings sowohl die Effizienz als auch Zufriedenheit in Unternehmen (siehe früh Blake et al. 1964), Verwaltungen (siehe Wimmer 1976), Schulen (siehe beispielsweise für Deutschland beinahe ein Gründungsmythos Minssen 1965; aber auch Pfeiffle 1974; Wimmer 1974 oder Geißler 1981), Universitäten (siehe Däumling 1971) und Kirchen (siehe Schmidt 1974; Lowtzow und Kremer 1980; kritisch Gassmann 1984) verbessern lassen (einschlägig Schein und Bennis 1965).
Stefan Kühl
Backmatter
Metadaten
Titel
Organisationen im Labor?
verfasst von
Stefan Kühl
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-43629-2
Print ISBN
978-3-658-43628-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43629-2

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