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Open Access 18.03.2024 | Aufsätze

Preissetzungsregeln für Kraftstoffe: Mehr Wettbewerb durch weniger Volatilität

verfasst von: Fritz Helmedag

Erschienen in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik

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Zusammenfassung

Die 2013 eingerichtete Markttransparenzstelle für Kraftstoffe instruiert die Verbraucher über die aktuellen Preise an den Zapfsäulen, die sich lokal aber weitaus weniger unterscheiden als Verfechter des Informationsportals seinerzeit erwarteten. Anscheinend fördert ein erleichterter Konditionenvergleich das Parallelverhalten der Anbieter und vermindert die Rivalitätsbeziehung unter den Verkäufern. In einem recht allgemein formulierten Modell werden die beiden grundsätzlichen preispolitischen Alternativen gegenübergestellt, um eine Regulierungsvorschrift abzuleiten, die eine schärfere Konkurrenz zwischen den Tankstellenbetreibern erwarten lässt. Die damit verbundene temporäre Preisbindung verspricht, die Effektivität der Markttransparenzstelle zu fördern.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Starke Marken, schwache Konkurrenz

Während in den ersten Dezennien der noch jungen Bundesrepublik Deutschland vor allem an den Stammtischen die jeweils aktuell zu beklagende Verteuerung des Bieres die Gemüter erhitzte, sind es seit einiger Zeit die Ausgaben an der Zapfsäule, die einen Rollenwechsel bewirkt haben: Die Tankrechnung hat unterdessen den Part des politischen Preises par excellence übernommen. Als Schurken im Drama treten die großen Mineralölunternehmen auf, die unter Generalverdacht stehen, ihre Marktmacht zu nutzen, um dem autofahrenden Volk happige Kosten für Otto- und Dieselkraftstoffe aufzubürden. Allenthalben diagnostiziert man darum wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf. Ein jüngeres Beispiel einschlägigen Bemühens lieferte ein „Tankrabatt“: Wegen der ab 1. Juni 2022 für drei Monate abgesenkten Energiesteuer verringerte sich die Abgabenbelastung inklusive Mehrwertsteuer für einen Liter Benzin um ca. 35 Cent und bei Diesel um etwa 16 Cent.
Allerdings habe diese Entlastung in den Augen vieler ihr Ziel verfehlt, denn sie führte nicht zu dem erwarteten Rückgang der Spritpreise. Zwei frühe Einschätzungen aus dem vielstimmigen Chor der Kritiker geben das Stimmungsbild wieder. So sei die Entscheidung der Regierungskoalition „grandios gescheitert“ (Beise 2022) und spüle vielmehr auf Steuerzahlers Kosten Extraprofite in die Kassen der Konzerne (vgl. Hickel 2022). Aber es gab auch Gegenstimmen. Wie ein Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich zeige, wurde der Tankrabatt fast vollständig an die Fahrzeuglenker durchgereicht (Vgl. Ifo Institut 2022). Der deutsche Bundeskanzler teilte diese Meinung (vgl. Fried 2022). Indes traf diese Einschätzung, wenn überhaupt, lediglich für den Monat Juni zu, im Juli und vor allem im August zogen die Preise erneut kräftig an (vgl. Brühl 2022). Dies verlieh den ohnehin schon enormen Profiten beim Kraftstoffverkauf weiteren Auftrieb (vgl. Brächer et al. 2022).
Vor dieser Kulisse forderte der zuständige Minister (neben etlichen anderen Gleichgesinnten) zeitig, „Übergewinne“ abzuschöpfen und das Kartellrecht zu verschärfen (Vgl. Zeit online 2022). Immerhin hat sich die Regierung nach Ablauf des Tankrabatts im dritten Entlastungspacket vorgenommen, aufgrund des Marktdesigns („merit order“) anfallende „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen zu besteuern (Vgl. Koalitionsausschuss 2022). Doch selbst wenn eines Tages in Deutschland etwa durch Umsatzvergleich definierte Extraprofite von Mineralölkonzernen abgeschöpft werden sollten, ist klar, dass es sich dabei um die Behandlung von Symptomen handelt und nicht um eine Maßnahme zur Belebung des Wettbewerbs. Hierfür ist eine geeignete Gestaltung der Preissetzungsvorschriften auf den Spritmärkten weitaus besser geeignet.
Im 2011 veröffentlichten Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Kraftstoffe hat das Bundeskartellamt zusammenfassend festgestellt, dass die großen Mineralölgesellschaften in Deutschland neben ihrer überragenden Stellung auf der Produktionsebene (Raffinierung) sowie der Distributionsstufe (Großhandel) „ein marktbeherrschendes Oligopol auf regionalen Tankstellenmärkten bilden“ (Vgl. Bundeskartellamt 2011, S. 19). Die im Jahr 2013 eingerichtete Markttranzparenzstelle ermöglicht den Verbrauchern nach Meinung des Kartellamts „… einen besseren Preisüberblick und eine bessere Auswahlentscheidung und stärkt so den Wettbewerb“ (Bundeskartellamt o.J.).
Diese Sicht ist in der Wissenschaft allerdings umstritten. In einem einschlägigen Standardwerk liest man vielmehr: „… die Einführung eines zusätzlichen Vollkommenheitsfaktors, das ist die Markttransparenz, vermindert die Wettbewerbsintensität, da vorstoßende Wettbewerbshandlungen wegen der zu erwartenden Reaktionen der Mitbewerber (Sanktionsmechanismus) wirtschaftlich sinnlos werden“ (Schmidt und Haucap 2013, S. 13). Dementsprechend hat sich der Schreiber dieses in der Bundestagsanhörung, die der Errichtung der Tranzparenzstelle vorausging, skeptisch zu der oft vermuteten Verbesserung der Marktergebnisse allein durch Preisinformationen in Echtzeit geäußert.1 Statt vollständige Marktübersicht zu schaffen, komme es stattdessen auf geeignete Vorschriften an, welche die Preissetzung der Kraftstoffanbieter regulieren.
Die am 1. Januar 2011 in Österreich eingeführte und seitdem immer wieder verlängerte Bestimmung erlaubt den Tankstellenbetreibern, täglich um 12 Uhr den Preis einmalig zu erhöhen, der in den anschließenden 24 Stunden jedoch beliebig oft gesenkt werden darf. Unter solchen Bedingungen bleibt eine relativ starke Erhöhung des Kraftstoffpreises aber für jeden einzelnen Anbieter ohne größere Folgen, da er den Preis praktisch sofort auf das gegebenenfalls niedigere Niveau der Konkurrenz absenken kann (vgl. Berninghaus et al. 2012). Soweit sich in der Alpenrepublik ein gewisser Druck auf die Preise konstatieren lässt, ist er bei Diesel weitaus schwächer ausgeprägt als bei Benzin (vgl. Becker et al. 2021).
Weniger Flexibilität bietet die westaustralische Richtlinie, um 14 Uhr den Preis bekanntzugeben, der am nächsten Tag ab 6 Uhr morgens für 24 Stunden gilt. Diese Vorschrift brachte indes ebenfalls nicht den erhofften Erfolg (vgl. Reindl und Wein 2012).2 Zwar läuft jeder Tankstellenbetreiber gegenüber den austriakischen Verhältnissen Gefahr, dass nach einer vergleichsweise überzogenen Preissteigerung Kunden abwandern; moderate Erhöhungen halten dieses Risiko jedoch im Zaum. Unter den Kraftstoffhändlern kann sich dann zum Beispiel das Reaktionsmuster herausbilden, dass Änderungen der Rohölnotierungen die Marschrichtung der Spritpreise vorgeben, der sie mehr oder weniger folgen.
Bislang stützen sich die Erläuterungen der einschlägigen Abläufe allerdings oft bloß auf Plausibilitätsüberlegungen, empirische Anhaltspunkte oder Laborstudien (vgl. dazu Haucap und Müller 2012). Es gibt zwar einige Bemühungen zur formalen Untersuchung des grundsätzlichen Verhaltens der Tankstellenbetreiber, deren Aussagekraft leidet indes unter übermäßig strengen Prämissen. Meist beruht die Analyse auf Modellen homogener Märkte, wo die Anbieter wegen fehlender Präferenzen der Nachfrager und erfüllter Transparenzbedingung angeblich keine Preis-, sondern Mengenpolitik betreiben.3 Jedenfalls etabliert sich auf solchen vollkommenen Märkten im Ergebnis ein uniformer Preis, es gilt das „Law of Indifference“ (Vgl. Jevons 1879, S. 99). Tatsächlich kommen aber an Tankstellen durchaus (geringe) lokale und (größere) regionale Preisdifferenzen vor. Ein anderer Ansatz ist daher angebracht.
Die rigide Voraussetzung fehlender Präferenzen lässt sich lockern. Eine problemadäquat spezifizierte Variante der räumliche Preistheorie eignet sich, die hinter den zu beobachtenden Marktgeschehnissen wirkendenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Mit dem hier präsentierten Konzept ist es nunmehr möglich, zwei typische Eigenschaften der Benzinmärkte zu erfassen: Einerseits besteht eine relativ geringelastische Gesamtnachfrage nach den jeweils homogenen Waren Otto- sowie Dieselkraftstoff und andererseits existiert eine trotz gewisser Präferenzen ausgeprägte Beweglichkeit der Kunden, eine günstigere Tankstelle zu beehren. In diesem Spannungsfeld bietet der vorliegende Beitrag einen analytisch fundierten Marktergebnisvergleich zwischen sofort veränderbaren oder für eine bestimmte Zeit fixierten Preisen an der Zapfsäule. Das Einstiegsszenario beschreibt die Argumentationsbasis und liefert damit das Fundament für die weiteren Erläuterungen.

2 Die theoretischen Grundlagen der Untersuchung

2.1 Die konsumentenindividuelle Kraftstoffnachfrage

Um die ziemlich komplexen Zusammenhänge zu durchleuchten, werden einige vereinfachenden Annahmen getroffen, die jedoch keine qualitative Auswirkung auf die Ergebnisse nach sich ziehen. Ausgangspunkt ist eine lineare individuelle „Basisnachfrage“, welche die in Liter pro Zeitraum gekaufte Kraftstoffmenge qabs angibt. Sie entspricht der Differenz zwischen der Sättigungsmenge \({\mathrm{q}}_{\mathrm{abs}}^{\mathrm{S}}\) bei kostenloser Beschaffung und dem mit einem konstanten Gewichtungsfaktor b versehenen Geldpreis pabs eines Liters:
$$q_{\mathrm{abs}}={q}_{\mathrm{abs}}^{S}-bp_{\mathrm{abs}}$$
(1)
Die Umstellung der Gl. 1 liefert die inverse Nachfragfunktion:
$$p_{\mathrm{abs}}=\frac{1}{b}\left({q}_{\mathrm{abs}}^{S}-q_{\mathrm{abs}}\right)$$
(2)
Zum Prohibitiv- oder Reservationspreis \({\mathrm{p}}_{\mathrm{abs}}^{\mathrm{p}}\) verzichten die Kunden auf den Kraftstoffkauf:
$${p}_{\mathrm{abs}}^{p}=p_{\mathrm{abs}}\left(q_{\mathrm{abs}}=0\right)=\frac{{q}_{\mathrm{abs}}^{S}}{b}$$
(3)
Die Division der inversen Nachfragefunktion (Gl. 2) durch den Höchstpreis (Gl. 3) führt zu einer normierten, dimensionslosen Beziehung zwischen dem relativen Preis als Prozentsatz des Prohibitivpreises (p) und der relativen Menge als Anteil der Sättigungsmenge (q):
$$p=\frac{p_{\mathrm{abs}}}{{p}_{\mathrm{abs}}^{p}}=1-\frac{q_{\mathrm{abs}}}{{q}_{\mathrm{abs}}^{S}}=1-q$$
(4)
Sieht man von Fixkosten ab und unterstellt für den betrachteten Zeitraum Grenzkosten (k) als konstanten Teil der maximalen Zahlungsbereitschaft, ergibt sich der ebenfalls in dieser Größe ausgedrückte Gewinn eines Alleinanbieters á la Cournot (Vgl. Cournot (1838, S. 47 ff.)) (GC) zu:
$$G_{C}=(p-k)(1-p)=p-k-p^{2}+pk> 0\;\text{f{\"u}r}\;0\leq k< p< 1$$
(5)
Zur Maximierung muss die erste Ableitung notwendigerweise verschwinden4:
$$\frac{\partial G_{C}}{\partial p}=1-2p+k=0$$
(6)
Der optimale Preis im Punktmarktmonopol (\({p}_{C}^{*}\)) – der später noch eine Rolle spielt – lautet daher:
$${p}_{C}^{*}=\frac{1+k}{2}$$
(7)
Im vorliegenden Fall bietet es sich an, das Modell um eine „Geschmacksstrecke“ zu erweitern, die es erlaubt, die Präferenzen der potenziellen Kunden durch die in Geld bewertete Entfernung zur Tankstelle zu quantifizieren. Entlang eines Straßenmarktes seien die Nachfrager mit gleicher, auf eins normierter Besetzungsdichte postiert.5
Der „Ortspreis“ für die Kunden beläuft sich auf den als Anteil am Höchstpreis ausgedrückten Prozentsatz an der Zapfsäule m plus der jeweiligen Entfernung zur Tankstelle r, die mittels einer positiven „Frachtrate“ t die räumliche Distanz in einen monetären Präferenzindikator verwandelt. Selbstverständlich können sich in dieser Größe neben den reinen Transportkosten auch das Angebotssortiment des Tankstellenshops und anderweitige Vorlieben niederschlagen. Der Transformationsfaktor berücksichtigt zwar persönliche Empfindungen, soll aber ebenso wie die normierte Nachfrage für alle Konsumenten identisch sein. Der Aufschlagfaktor rt auf den Tankstellenpreis m bringt die jeweilige Präferenz durch den Abstand zum Anbieter r zum Ausdruck. Der kundenindividuelle Preis im Rahmen dieser „horizontalen Produktdifferenzierung“ beträgt demnach:
$$p=1-q=m+rt$$
(8)
Dies bedeutet, dass die von einer Tankstelle subjektiv und objektiv „weiter entfernten“ Kunden zu höheren Preisen in der betrachten Periode weniger Sprit zapfen: Entweder bewegt man das eigene Auto seltener, bildet womöglich mit anderen Personen Fahrgemeinschaften oder steigt auf öffentliche Verkehrsmittel um.6

2.2 Preispolitik einer regionalen Monopoltankstelle

Ausgangspunkt der weiteren Betrachtung ist ein am Abschnittsanfang des Verkaufsgebiets platzierter Alleinanbieter.7 Der letzte vom regionalen Monopolisten erfasste Nachfrager an der Stelle DM wird aber kein Käufer, da er sich dem Prohibitivpreis gegenübersieht, der im normierten System 1 beträgt:
$$p^{p}=1=m+D_{M}t$$
(9)
Die rechte Gleichung der Gl. 9 liefert das Marktgebiet des regionalen Alleinanbieters:
$$D_{M}=\frac{1-m}{t}$$
(10)
Die in der betrachteten Zeitspanne verkaufte Gesamtmenge QM summiert sich auf:
$$Q_{M}={\int }_{0}^{D_{M}=\frac{1-m}{t}}\left(1-\left(m+rt\right)\right)dr=\frac{(m-1)^{2}}{2t}$$
(11)
Ohne Fixkosten erhält man den Gewinn GM aus dem Produkt des Stückdeckungsbeitrags mit der Menge:
$$G_{M}=\left(m-k\right)Q_{M}=\frac{(m-k)(m-1)^{2}}{2t}$$
(12)
Der Gewinn wird ebenso wie die variablen Stückkosten in Einheiten des Prohibitivpreises gemessen. Die notwendige Maximierungsbedingung lautet:
$$\frac{\partial G_{M}}{\partial m}=\frac{(1-m)(2k-3m+1)}{2t}=0$$
(13)
Daraus ergibt sich sofort der aus Alleinanbietersicht optimale Preis \(({\mathrm{m}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}})\) an der Zapfsäule:
$${m}_{M}^{*}=\frac{2k+1}{3}$$
(14)
Offenkundig hängt der Monopolpreis weder von der Entfernung der Kunden r noch vom Frachtsatz t ab: Präferenzen spielen keine Rolle. Ferner zeigt die Gl. 14, dass sich Änderungen der variablen Stückkosten, z. B. Senkungen der Steuerlast, nur zu zwei Dritteln an der Tankstelle widerspiegeln. Noch geringer schlagen Variationen der maximalen Zahlungsbereitschaft zu Buche: Im Preis kommt die Höher- oder Minderschätzung bloß zu einem Drittel zum Vorschein.
Die Länge des korrespondierenden Absatzgebiets \({D}_{M}^{*}\) ergibt sich nach Einsetzten des Monopolpreises (Gl. 14) in die Gl. 10:
$${D}_{M}^{*}=\frac{2\left(1-k\right)}{3t}$$
(15)
Die Substitutionen der Gln. 14 und 15 in die Gl. 12 führen zum Maximalgewinn \({G}_{M}^{*}\):
$${G}_{M}^{*}=\frac{2(1-k)^{3}}{27t}={D}_{M}^{*}\frac{(1-k)^{2}}{9}$$
(16)
Mit den für spätere Vergleiche willkürlich angenommenen Werten k = 0,1 und t = 0,01 berechnet man konkret:
$${m}_{M}^{*}=0{,}4{,}\;{D}_{M}^{*}=60\;\mathrm{und}\;{G}_{M}^{*}=5{,}4\;$$
(17)
Damit ist die Bühne bereitet, die Ausprägungen des Wettbewerbs zu untersuchen, den der Auftritt eines zweiten Verkäufers ins Rollen bringt. Zwar gibt es in der deutschen Realität wie erwähnt regional gewisse Benzinpreisdifferenzen, auf lokaler Ebene bewegen sie sich freilich meist nur im einstelligen Prozentbereich. Zu erklären ist allerdings das beobachtbare Auf und Ab des räumlichen Preisniveaus. Unter idealtypischen Verhältnissen kennzeichnen sich temporäre Gleichgewichtslagen durch gebietsweise uniforme Preise, die generell das Ergebnis von zweierlei Verhaltensweisen sind, die nun nacheinander unter die Lupe genommen werden.

3 Parallele Preispolitik

Das Erscheinen eines Anbieters i in einem beliebigen, doch nicht allzu fernen Abstand D macht aus dem ehemaligen Monopolisten am anderen Ende der Marktstrecke einen Dyopolisten, der nunmehr unter einer neuen Firma j seine Geschäfte betreibt. Der Neuling operiert wie der etablierte Händler mit variablen Stückkosten k und sieht sich ebenfalls gleichmäßig verteilten Konsumenten mit normierter Basisnachfrage gegenüber.8 Um den Schreibaufwand zu verringern, verweisen die Indizes i, j wahlweise entweder auf diesen oder jenen Akteur, wobei dann das andere Subskript den Mitanbieter repräsentiert.
Eine weit verbreitete Kritik an marktbeherrschenden Unternehmen läuft darauf hinaus, dass sie quasi gemeinsam als Monopol agieren, statt im Konkurrenzkampf die Rivalen zu unterbieten. Die Verhältnisse auf dem Kraftstoffmarkt begünstigen ein solches Verhalten, wozu die Transparenzstelle gewiss einen Beitrag leistet, denn eine attackierende Preissenkung würde praktisch sofort durch die nachziehenden „Kollegen“ neutralisiert. Als Konsequenz droht eine Gewinneinbuße.
Oligopolisten hüten sich jedenfalls, ein superiores Gruppengleichgewicht durch chancenlose Einzelaktionen zu gefährden. Darum fordern sie im individuellen und kollektiven Interesse Preise, die den Gesamtgewinn maximieren, von dem sie einen Anteil abbekommen. Das wechselseitige preispolitische Vergeltungspotenzial stabilisiert dieses Marktergebnis, ohne dass es hierzu einer Kartellbildung oder einer förmlichen Absprache bedarf.
Es versteht sich, dass im räumlichen Dyopol das zweidimensionale Marktgebiet Dmax nicht länger als das Doppelte des regionalen Monopols \({D}_{M}^{*}\) gemäß Gl. 15 sein darf:
$$D_{\max }\leq 2{D}_{M}^{*}=\frac{4\left(1-k\right)}{3t}$$
(18)
Bei uniformem Preis mi = mj = mij und jeweils halbierter Gesamtlänge des Marktes Rij = D/2 beträgt der Gewinn Gij:
$$G_{ij}=\left(m_{ij}-k\right){\int }_{0}^{\frac{D}{2}}\left(1-\left(m_{ij}+rt\right)\right)dr=\frac{D(k-m_{ij})(4m_{ij}+Dt-4)}{8}$$
(19)
Die notwendige Optimierungsbedingung lautet:
$$\frac{\partial G_{ij}}{\partial m_{ij}}=\frac{D\left(4\left(k+1\right)-8m_{ij}-Dt\right)}{8}=0$$
(20)
Als Einheitspreis zur gemeinsamen Gewinnmaximierung (\({\mathrm{m}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\)) resultiert:
$${m}_{ij}^{*}=\frac{4\left(k+1\right)-Dt}{8}={p}_{C}^{*}-\frac{Dt}{8}> {m}_{M}^{*}=\frac{2k+1}{3}\;\text{f{\"u}r}\;D< D_{\max }$$
(21)
Für individuelle, gegenüber dem regionalen Monopol kürzere Marktstrecken \(R_{ij}< {D}_{M}^{*}\) übersteigt der Kollektivpreis \({m}_{ij}^{*}\) stets den Preis \({m}_{M}^{*}\) eines Anbieters, der als einziger die Kunden seiner Domäne bedient. Mit wachsender potenzieller Wettbewerbsintensität, d. h. einer schrumpfenden Marktlänge D, wird der Einkauf bei einem Dyopolisten sogar zunehmend teurer, um im Grenzfall den Preis des Punktmarktmonopols \({p}_{C}^{*}\) zu erreichen. Außerdem reagiert der gewinnmaximierende Einheitspreis weniger prononciert auf Stückkostenvariationen:
$$\frac{\partial {m}_{ij}^{*}}{\partial k}=\frac{1}{2}< \frac{\partial {m}_{M}^{*}}{\partial k}=\frac{2}{3}$$
(22)
Vor diesem Hintergrund war a priori zu erwarten, dass die Senkung der Energiesteuer nur zum Teil an die Kunden durchgereicht wird.9
Die Rücksubstitution des optimalen Preises \({\mathrm{m}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\) führt zum Höchstgewinn \(\left({\mathrm{G}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\right)\):
$${G}_{ij}^{*}=\frac{D\left(4\left(k-1\right)+Dt\right)^{2}}{128}$$
(23)
Für die Marktlänge des regionalen Monopols \(D={D}_{M}^{*}\) = 60, die Stückkosten k = 0,1 und den Frachtsatz t = 0,01 berechnet man:
$${m}_{ij}^{*}=0{,}475> {m}_{M}^{*}=0{,}4{,}\;R_{ij}=30\;\mathrm{und}\;{G}_{ij}^{*}=4{,}219$$
(24)
In der räumlichen Preistheorie entspricht die pari passu-Adaptation an das soeben beschrieben Marktergebnis dem sog. Lösch-Wettbewerb, Richtung und Ausmaß der synchronen Preismodifikationen decken sich, der Reaktionskoeffizient beträgt eins.10
Prinzipiell besteht die Kernaufgabe der Oligopoltheorie darin, nach zutreffenden Mutmaßungen über die Reaktion der Konkurrenz auf eigene Preisänderungen zu suchen. In der vorliegenden Marktstruktur stellt die parallele Preispolitik eine solche konsistente konjekturale Variation dar, denn es handelt sich um eine schlüssige Erläuterung, wie und weshalb sich jeder Anbieter aus individuell rationalen Beweggründen verhält: Eine durch Richtung und Ausmaß identische Preispolitik – beispielsweise ausgehend vom beiderseitigen Preis des regionalen Monopols – führt früher oder später zum erzielbaren Höchstgewinn (vgl. Helmedag 2000). In der Literatur dominiert hingegen im Unterschied zur Praxis zumindest auf dem Kraftstoffmarkt eine andere Deutung des Konkurrenzgeschehens.

4 Isolierte Preispolitik

Bemerkenswerterweise nimmt sogar in der Analyse des Wettbewerbs auf homogenen Märkten die Hypothese breiten Raum ein, der Rivale verfolge eine Vogel-Strauß-Politik, indem er seine Konditionen trotz der Initiative des Gegenspielers beibehält (vgl. Helmedag 2012). Tatsächlich zieht der Mitanbieter jedoch nach, was wiederum eine Rückwirkung auslöst usw. Unter solchen Bedingungen findet Konkurrenz als Preiskorrekturprozess statt, bis kein Anpassungsbedarf mehr besteht: Der Schnittpunkt der entsprechenden Reaktionskurven ist erreicht.
Im vorliegenden Umfeld braucht man zur Herleitung der generellen Gewinnformeln das jeweilige Marktgebiet der beiden Protagonisten, Ri bzw. Rj in Abhängigkeit der Tankstellenpreise mi und mj. Diese Strecken ergeben sich durch die Übereinstimmung der Ortspreise an der Konkurrenzgrenze:
$$m_{i}+tR_{i}=m_{j}+tR_{j}=m_{j}+t(D-R_{i})$$
(25)
Die Marktgebiete betragen:
$$R_{i}=\frac{1}{2t}\left(m_{j}-m_{i}+tD\right)$$
(26)
Ohne Fixkosten beläuft sich der Gewinn der Tankstelle i (Gi) auf:
$$\begin{array}{l} G_{i}=\left(m_{i}-k\right){\int }_{0}^{R_{i}=\frac{1}{2t}\left(m_{j}-m_{i}+tD\right)}\left(1-\left(m_{i}+rt\right)\right)dr\\ \ =\frac{(k-m_{i})(m_{j}-m_{i}+Dt)(3m_{i}+m_{j}+Dt-4)}{8t}\\ \ =R_{i}\frac{(k-m_{i})(3m_{i}+m_{j}+Dt-4)}{4} \end{array}$$
(27)
Grundsätzlich hängt der Gewinn jedes einzelnen Händlers nicht nur vom eigenen Preis ab, sondern auch von dem des Konkurrenten. Gesucht ist die beste Antwort des Verkäufers i auf einen vom Mitanbieter j vorgelegten Preis. Die partielle Ableitung von Gl. 27 lautet:
$$\frac{\partial G_{i}}{\partial m_{i}}=\left[\frac{2(k-m_{i})(m_{j}-3m_{i}+Dt+4)-(m_{j}-m_{i}+Dt)(3m_{i}+m_{j}+Dt-4)}{8t}\right]$$
(28)
Die notwendige Bedingung zur Gewinnmaximierung fordert, die rechte Seite von Gl. 28 gleich Null zu setzen. Daraus ergibt sich der optimale Preis mRi für einen als konstant erachteten Preis des Wettberbers mj:
$$\begin{array}{l} m_{Ri}=\frac{3k+2\left(m_{j}+Dt+2\right)-W_{Ri}}{9}\;\mathrm{mit}\\ \qquad \\ W_{Ri}=\sqrt{Dt\left(13Dt-6k+26m_{j}-20\right)+3k\left(3k-2m_{j}-4\right)+m_{j}\left(13m_{j}-20\right)+16} \end{array}$$
(29)
Damit liegen die Reaktionsfunktionen für autonomes Verhalten auf dem Kraftstoffmarkt vor. Sie hängen zwar in verwickelter Manier von den Parametern ab, aber sie eigenen sich zur algorithmischen Preissetzung (vgl. Sternberg 2023).
Angenommen, im Zahlenbeispiel verlangt Händler j zunächst den Preis bei gemeinsamer Gewinnmaximierung mj = mij = 0,475. Im ersten Schritt senkt Tankstellenbetreiber i gemäß Gl. 29 seinen Preis auf mRi1 = 0,407 in der Hoffnung, der Konkurrent reagiere darauf nicht.11 Der Gewinn des preispolitischen Wellenbrechers steigt gegenüber der gemeinsamen Gewinnmaximierung auf GRi1 = 4,368 > \({\mathrm{G}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\)= 4,219.
Aber der „first mover“ i hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Der Überschuss des j schrumpft nämlich auf Gj1 = 3,91. Um diesen Rückgang zu kompensieren, schlägt der Anbieter j zurück und senkt gemäß Reaktionsfunktion (Gl. 29) – in der nun i und j vertauscht sind – seinen Preis auf mRj2 = 0,401. Der Deckungsbeitrag des j steigt damit auf Gj2 = 4,081, während bei i eine Reduktion auf Gi2 = 4,053 zu verbuchen ist. Doch schon mit der nächsten Runde ist der beiderseitige Gleichgewichtspreis gefunden: \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\)= 0,4. Der jeweilige Gewinn beläuft sich dann auf \({\mathrm{G}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\)= 4,05; ein Betrag, der geringer ist als der maximale Gewinn bei paralleler Preispolitik \({\mathrm{G}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\)= 4,219 gemäß Gl. 24.12
Allgemein ergibt sich der Gleichgewichtspreis nach wechselseitiger Anpassung \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\) durch den Schnittpunkt der Reaktionskurven bzw. der Berechnung eines Fixpunktes der Beste-Antwort-Funktion, d. h. Gl. 29 erfüllt die Bedingung mRi = mRj = \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\). Die relevante Lösung lautet:
$${m}_{R}^{*}=\frac{2\left(1+k\right)+3Dt-\sqrt{Dt\left[13Dt-4\left(1-k\right)\right]+\left(2k-2\right)^{2}}}{4}$$
(30)
Für eine verschwindende Marktlänge ergibt sich ein minimaler Gleichgewichtspreis aus Gl. 30 in Höhe der variablen Stückkosten k.13 Dies entspricht dem in den Lehrbüchern beschriebenen Ergebnis vollständiger Konkurrenz auf einem Punktmarkt. Wenn indes Präferenzen berücksichtigt werden, steigt der Preis \({m}_{R}^{*}\) mit der Marktlänge über die Grenzkosten an und schneidet den Preis des regionalen Monopols (Gl. 14) am Ende des Versorgungsgebiets (Gl. 15):
$${m}_{R}^{*}=\frac{2\left(1+k\right)+3Dt-\sqrt{Dt\left[13Dt-4\left(1-k\right)\right]+\left(2k-2\right)^{2}}}{4}={m}_{M}^{*}=\frac{2k+1}{3}\,\text{f{\"u}r}\,D={D}_{M}^{*}$$
(31)
Das Zahlenbeispiel bestätigt das generelle Ergebnis: Da die Marktlänge \({\mathrm{D}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}}\) gewählt wurde, muss \({\mathrm{m}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}}={\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}=0{,}4\) gelten. Für kürzere Distanzen unterschreitet der bei isolierter Verhaltensweise schrittweise angesteuerte Gleichgewichtspreis \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\) den Preis des regionalen Monopols \({\mathrm{m}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}}\).14
Dagegen übersteigt der mit zunehmender Strecke D sinkende Gleichgewichtspreis bei Parallelpolitik \({\mathrm{m}}_{\mathrm{ij}}^{\mathrm{*}}\) (Gl. 21) bis zum Schnittpunkt Dmax – der doppelten Länge des regionalen Monopols \({\mathrm{D}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}}\) – den Gleichgewichtspreis \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\), welcher sich infolge einer sukzessiven Anpassungsabfolge gemäß der Gl. 30 einstellt:
$${m}_{R}^{*}-{m}_{ij}^{*}=\frac{7Dt-2\sqrt{Dt\left[13Dt-4\left(1-t\right)\right]+4\left[1-k\left(2-k\right)\right]}}{8}< 0\,\text{f{\"u}r}\,D< D_{\max }$$
(32)
Mit den abgeleiteten analytischen Resultaten ist das Fundament errichtet, um darauf regulierungspolitische Konsequenzen abzuleiten. Welche Vorschrift verspricht dem fahrenden Volk eine relativ günstige Befüllung ihrer mit Verbrennungsmotoren angetriebenen Vehikel?

5 Preisbildung durch temporäre Preisbindung

Wie jedes Modell beruht die vorangegangene Analyse auf Annahmen, welche die Tragweite der erzielten Ergebnisse mehr oder weniger einschränken. Die Prämissen dieser Studie sind jedoch recht generell gehalten. Auf der Konsumentenseite wurden lediglich identische lineare Nachfragefunktionen und ein uniformer subjektiver Gewichtungsfaktor der räumlichen Entfernung von der Zapfsäule unterstellt. Diese Spezifikationen lassen sich allerdings als Durchschnittsgrößen interpretieren, so dass individuelle Abweichungen nicht ins Gewicht fallen. Die Anbieter operieren unter gleichen variablen Stückkosten, was angesichts der großen Bedeutung der aktuellen Rohölnotierungen für die Beschaffung durchaus zulässig erscheint. Außerdem lässt sich die Zahl der Konkurrenten vervielfältigen, wenn vom eigenen Standort mehrere Marktstrecken ausgehen, die in der vorgestellten Manier unter die Lupe genommen werden. Im Übrigen handelt es sich bei den exogenen Parametern um Werte, die selbstverständlich auch kurzfristig variieren können. In diesem Licht besitzen die abstrakt formulierten Erkenntnisse einen ziemlich hohen Allgemeinheitsgrad.
Die Untersuchung erbrachte eine eindeutige Preishierarchie: Die Spitzenposition nehmen immer Spritkosten ein, die auf dem gegenwärtig möglichen, durch keinerlei Anpassungsbremsen verzögerten kollektiven Anbieterverhalten beruhen, das den Nachfragern des gesamten Präferenzspektrums am meisten für Benzin abverlangt. Die Markttransparenzstelle, die seit 2013 sofort die Konditionen der benachbarten „Kollegen“ verbreitet, hat diese latent ohnehin vorhandene kollusive Tendenz zusätzlich befeuert. Insofern wurde die eingangs erwähnte Kritik an der Schaffung eines solchen Informationsportals bestätigt.
Aber Befürworter der Markttransparenzstelle hegen die Hoffnung, dass mit dieser Einrichtung dem Wettbewerb als Unterbietungsprozess eine Lanze gebrochen werde.15 Diese weitverbreitete Sicht auf die Konkurrenz unterstellt ein autonomes Preissetzungsverhalten, das darauf vertraut, dass der billigere Lieferant einen geringeren Gewinn pro Liter durch eine größere Verkaufsmenge überkompensiert. Die idealtypische Vorstellung könnte aufgehen, wenn der zusätzliche Absatz auf einer gesteigerten Nachfrage jener Kunden beruht, die nicht von den Mitanbietern abwandern. Und falls die anderen Händler auch in diesem Glauben handelten, wären die perfekt informierten Verbraucher die Nutznießer, denn sie zahlten stets weniger als bei einer parallelen Preispolitik der Tankstellenbetreiber (vgl. Gl. 32).
Doch die trotz gewisser Präferenzen bestehende hohe Preissensibilität der Kraftstoffkäufer sorgt tatsächlich für ein anderes Geschehen: Ihre ausgeprägte Mobilität unterbindet eine kämpferische Preissenkungspolitik, da die umgehend in Kenntnis gesetzten Rivalen ohne Verzug entsprechend reagieren, um einen Kunden- und Gewinnverlust zu vermeiden. Unter den gegenwärtigen Bedingungen sind selbst kurzfristig isolierte Aktionen unattraktiv und es bildet sich zwar ein stark fluktuierendes Preisniveau heraus, allerdings ohne nennenswerte Marktanteilsverschiebungen nach sich zu ziehen. Angesichts einer täglich und saisonal schwankenden Gesamtnachtfrage koordiniert die Markttransparenzstelle quasi das gemeinsame Auf und Ab der Preise zur kollektiven Gewinnmaximierung: Die resultierenden „… Preiserhöhungsmuster sind ein deutliches Zeichen für Parallelverhalten …“ (Neukirch und Wein 2016, S. 195). Die damit stets verbundene Schmälerung der Konsumentenwohlfahrt wurde oben bewiesen. Um den aus Verbrauchersicht inferioren Ablauf außer Kraft zu setzen, ist es geboten, Wettbewerbshandlungen gerade bei Preismeldungen in Echtzeit lukrativ zu machen: Konkret sollte die Gewissheit bestehen, dass Mitanbieter auf eigene Preissenkungen nur verzögert reagieren können, weil sie für eine bestimmte Zeit an ihre Konditionen gebunden sind.
Vor dem geschilderten Hintergrund hat eine konkurrenzfördernde Preisbildungsregel zunächst festzulegen, für wen sie gilt. Im Jahr 2022 erzielten Aral 21 %, Shell 20 %, Jet 10,5 %, Total 9,5 % und Esso 7 % Marktanteil am Kraftstoffabsatz (Vgl. Statista (2022). Die genannen fünf Marken umfassten zwei Drittel des Gesamtumsatzes, womit die Oligopolvermutung nach § 18 Abs. 3 S. 2 GWB zutrifft. Während die restlichen Verkäufer in ihrer Preisbildung frei sind, sollten die marktbeherrschenden Konzerne künftig zwei miteinander verknüpften Handlungsbeschränkungen unterliegen: Jedes einzelne Mitglied dieser Gruppe darf abwechselnd seine Preise nur in einem vorgegebenen Zeitfenster setzen und das Unternehmen ist an diese Entscheidung solange gebunden, bis es wieder an der Reihe ist. Die Marttransparenzstelle sorgt weiterhin dafür, dass sich Anbieter und Nachfrager über die aktuellen Spritpreise informieren können.
Zum Beispiel verkünden die Aral-Tankstellen montags zwischen 11 und 12 Uhr die für 72 Stunden gleichbleibenden Kraftstoffpreise. Die anderen Oligopolisten dürfen im ersten Durchlauf beliebig agieren, ehe sie diesen Spielraum durch die eigene Festlegung verlieren. Als nächster gebundener Anbieter nennt Shell am Dienstag die an ihren Zapfsäulen bis Freitag fixierten Preise. Am Mittwoch beginnt dann zwischen 11:00 und 11:20 Uhr Jet mit der Preisbekanntgabe, gefolgt von Total und Esso während den kommenden jeweils 20 min. Tags drauf eröffenet Aral den Reigen aufs Neue. Dies gewährleistet den Oligopolisten im Zeitablauf die Preissetzung an verschiedenen Wochentagen und den dann herrschenden Marktverhältnissen.
Durch die vorgeschlagene Entzerrung fallen zunächst die Preiszyklen weg, die sich gegenwärtig beim Ottokraftstoff E5 (Diesel) in durchschnittlich 18 (17) Änderungen pro Tag spiegeln (vgl. Bundeskartellamt 2023). Diese immense Volatiliät wird von manchen Autoren als Anzeichen funktionierenden Wettbewerbs zum Vorteil der Käufer interpretiert (Haukap et al. 2017; Neukirch und Wein 2019). Andernorts ist von Preissteigerungen bei Benzin und Diesel als Ergebnis der höheren Markttranzsparenz die Rede (Dewenter et al. 2017).
Die kollektive Dynamik reflektiert indes grundsätzlich keine Kostenvariationen, da der Verkauf aus dem Bestand im Bodentank erfolgt, der zuvor für eine bestimmte Rechnungssumme beschafft wurde. Ebenso wie bei den kurzfristigen Preisschwankungen liegt die Motivation für die wellenförmigen Preisbewegungen während des Tages, am Anfang und Ende einer Woche oder der Ferien vielmehr darin, eine mehr oder minder ausgepägte Nachfrageträgheit auszunutzen.
Preisentscheidungen im hier propagierten System müssen jedenfalls mit großer Sorgfalt gefällt werden, weil eine Korrektur nur nach Tagen möglich ist. Insbesondere Preissteigerungen bergen Risiken, weil es in der Luft liegt, dass während der verordneten Stillhaltezeit Kundschaft zu billigeren Anbietern abwandert. Denn in dieser Phase besteht für die Konkurrenz ein Anreiz, sich autonom zu verhalten, weil die gewinnmaximale Anpassung gemäß der Reaktionsfunktion (Gl. 29) jetzt lukrativ erscheint. Schließlich dürfte sich zum Vorteil der Verbraucher mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Preisniveau in der von Gl. 30 determinierten Höhe etablieren. Die Markttransparenzstelle erfüllt dabei eine wichtige Funktion, statt wie gegenwärtig eher ein durch Gl. 21 bestimmtes höheres Preisniveau heraufzubeschwören.
Aufgrund gemachter Erfahrungen kann die vorgeschlagene Ausgestaltung der Preisregulierung selbstverständlich modifiziert werden, etwa was die Dauer der Preiskonstanz anbelangt. Außerdem bleibt es der Politik unbenommen, gegen die horizontale und vertikale Konzentration auf den Kraftstoffmärkten vorzugehen. Soweit dies zu geringeren Preisen führt, ist unter ressourcenpolitischen Gesichtspunkten jedoch zu prüfen, ob nicht (sozial abgefederte) höhere (anstatt temporär oder dauerhaft niedrigere) Energiesteuern das Gebot der Stunde sind.

Interessenkonflikt

F. Helmedag gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Fußnoten
1
Der Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung nebst den Angaben zur Sprechzeit findet sich unter https://​www.​tu-chemnitz.​de/​wirtschaft/​vwl2/​videos.​php.
 
2
Im Unterschied zu Westaustralien bescheinigen Dewenter und Heimeshoff (2012) der österreichischen Vorschrift eine gewisse preissenkende Wirkung. Angerer (2020) konstatiert hingegen, dass die Konsumenten in Westaustralien von der dort praktizierten Regel mehr profitieren.
 
3
Wobei jedoch unklar ist, wie dies in der Praxis bei variablen Verkaufsmengen funktionieren soll, vgl. Helmedag (2012, S. 31 ff.). Die Eigenschaften und Unterschiede von Bietverfahren um fixe Mengen behandelt Helmedag (2021).
 
4
Die hinreichende Bedingung ist hier und im Folgenden erfüllt.
 
5
Unterschiedliche räumliche Kundenkonzentrationen können zu konkav-konvexen Nachfragekurven führen. Solche Funktionen eignen sich zur Illustration der „doppelt-geknickten“ Preis-Absatzfunktion, die das von Erich Gutenberg entwickelte Modell monopolistischer Konkurrenz kennzeichnet. Vgl. zu dieser Diskussion mit weiteren Literaturangaben Helmedag (1985).
 
6
Im Anschluss an Hotelling (1929) setzen manche Autoren eine völlig unelastische Nachfrage voraus. Smithies (1941) hat die rigide Prämisse kritisiert und einheitlich lineare Nachfragefunktionen vorausgesetzt.
 
7
Eine ausführliche Darstellung bietet Helmedag (1998).
 
8
Vgl. für Lösungsansätze bei differierenden Preis-Absatzfunktionen Helmedag (1991).
 
9
Die in Gl. 22 formulierte präzise Rangordnung der Kostenweiterreichung ist informativer als die in allgemeinen Modellen abgeleiteten Wirkungen. Vgl. etwa Verboven und van Dijk (2009).
 
10
Lösch (1962, S. 65) kennzeichnet das räumliche Gleichgewicht durch stabile Marktgebiete, die bei paralleler Preispolitik erhalten bleiben.
 
11
In der räumlichen Preistheorie wird die (irrtümlich) angenommene „polypolistische“, „autonome“ oder „isolierte“ Verhaltensweise des Mitanbieters als „Hotelling/Smithies-Wettbewerb“ bezeichnet, wobei die oben genannten Beiträge der namensstiftenden Autoren um die Standortwahl kreisen.
 
12
Im wirklichen Leben dürfte ein auf „Versuch und Irrtum“ angewiesener „freier“ Tankstellenbetreiber die im Modell abgeleiteten exakten Funktionsverläufe nicht kennen. Die formal präzise Analyse strebt vor dieser Kulisse an, die „hinter dem Rücken der Akteure“ wirkende Komplexität aufzudecken.
 
13
Der andere Wert, der sich formal aus Gl. 30 für D = 0 ergibt, ist der (irrelevante) Prohibitivpreis 1.
 
14
Der Preis \({\mathrm{m}}_{\mathrm{R}}^{\mathrm{*}}\) erreicht schließlich ein Maximum, das allerdings stets jenseits des Versorgungsgebiets eines regionalen Monopols \({\mathrm{D}}_{\mathrm{M}}^{\mathrm{*}}\) liegt und deshalb aus ökonomischer Sicht bedeutungslos ist.
 
15
Vgl. beispielsweise Schultz (2005), der für Preise unterhalb der Zahlungsbereitschaft ein völlig unelastisches Nachfrageverhalten annimmt.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Preissetzungsregeln für Kraftstoffe: Mehr Wettbewerb durch weniger Volatilität
verfasst von
Fritz Helmedag
Publikationsdatum
18.03.2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik
Print ISSN: 0937-0862
Elektronische ISSN: 2364-3943
DOI
https://doi.org/10.1007/s41025-024-00262-9