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Open Access 2023 | Open Access | Buch

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Rechtliche Implikationen Profiling-basierter Preispersonalisierung

verfasst von: Klaus Wiedemann

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Munich Studies on Innovation and Competition

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Über dieses Buch

Dieses Open-Access-Buch untersucht, inwieweit Anbieter im Online-Vertrieb das technische Erkenntnisverfahren Profiling zum Zwecke der Preispersonalisierung einsetzen und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dabei gelten. Preispersonalisierung liegt vor, wenn der Preis für ein Gut oder eine Dienstleistung an die Zahlungsbereitschaft des einzelnen Kunden angepasst wird. Dafür ist u.a. die zielgerichtete Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig. Preispersonalisierung unterscheidet sich damit von dynamischen Preissetzungsmethoden, die bloßer Ausdruck von Angebot und Nachfrage sind. Entgegen weitverbreiteter Einschätzung kommen personalisierte Preise (noch) äußerst selten vor: Technische und wettbewerbliche Hindernisse schränken den Handlungsspielraum der Anbieter ein. Hinzu kommt, dass die individuelle Zahlungsbereitschaft situationsabhängig und oftmals irrational ist. Auch der Betroffene kann sie nicht immer konkret beziffern.

Der Schwerpunkt dieser wirtschaftsrechtlichen Untersuchung liegt auf dem Datenschutz- und dem Antidiskriminierungsrecht. Sie berücksichtigt zugleich wettbewerbs- und verbraucherschutzrechtliche Aspekte. Zudem entwickelt sie ein 3-stufiges Modell, welches einen eigenständigen methodischen Ansatz darstellt. Dies macht es möglich, Lebenssachverhalte im Kontext von Profiling und automatisierten Entscheidungen zu strukturieren und so einer rechtlichen Bewertung zugänglich zu machen. Die Untersuchung greift umfassend auf andere Disziplinen zurück, indem sie u.a. ökonomische, technische, empirische und psychologische Erkenntnisse berücksichtigt.

Das Buch untersucht, wie datenbasiertes Profiling und automatisierte Entscheidungen funktionieren, funktional miteinander zusammenhängen und reguliert sind. Im Anschluss analysiert es, wie Profiling genutzt werden kann, um im Online-Handel Preise zu personalisieren. Schließlich behandelt es die Frage, ob das geltende materielle Recht ausreichende Schutzmechanismen gegen Diskriminierung bereithält, die aus der Zugehörigkeit zu geschützten Gruppen resultiert und in einer systematischen preislichen Schlechterstellung zum Ausdruck kommt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Open Access

Kapitel 1: Einleitung
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit untersucht, wie datenbasiertes Profiling und automatisierte Entscheidungen funktionieren, funktional miteinander zusammenhängen und reguliert sind (Teil I). Im Anschluss analysiert sie, welche Möglichkeiten der Nutzung von Profiling bestehen, um im Online-Handel Preise zu personalisieren (Teil II). Aufbauend auf den so gefundenen Erkenntnissen behandelt die Arbeit schließlich die Frage, ob das geltende materielle Recht ausreichende Schutzmechanismen vor Diskriminierung bereithält, die aus der Zugehörigkeit zu geschützten Gruppen resultiert und in ihrer systematischen preislichen Schlechterstellung zum Ausdruck kommt (Teil III). Die Arbeit ist modular aufgebaut. Der erste Teil erarbeitet eine Grundlage für die weiteren Untersuchungen. Der zweite und dritte Teil bauen auf dem jeweils vorhergehenden auf. Preispersonalisierung stellt nur einen von zahlreichen denkbaren Anwendungsfällen der im ersten Teil entwickelten Grundlagen dar. Bei der Analyse des bestehenden Diskriminierungsschutzes handelt es sich, daran anknüpfend, um die Behandlung einer speziellen rechtlichen Fragestellung.
Klaus Wiedemann

Profiling und automatisierte Entscheidungen

Frontmatter

Open Access

Kapitel 2: Profiling
Zusammenfassung
Vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung bestand im europäischen Rechtsraum keine rechtlich verbindliche Definition des Begriffs Profiling. Er wurde weder in der Datenschutz-Richtlinie 94/46/EG noch in den verschiedenen Fassungen des Bundesdatenschutzgesetzes verwendet. Auch ansonsten besteht keine fest etablierte Definition. In der vorliegenden Arbeit wird als Ausgangspunkt der Untersuchungen auf die Legaldefinition in Art. 4 Nr. 4 DSGVO zurückgegriffen, um den Begriff im Kontext der Verordnung zu konkretisieren.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 3: Profiling und automatisierte Entscheidungen: Ein 3-stufiges Modell
Zusammenfassung
Die beschriebenen kritischen Aspekte von Profiling wurden ausgehend von der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 4 DSGVO und dem Einsatz von Profiling in der Praxis entwickelt. Bei der Beschreibung der mit Profiling zusammenhängenden tatsächlichen Problemlagen tritt eine wesentliche Erkenntnis zutage. Es bietet sich an, eine Unterscheidung in qualitativer sowie chronologischer Hinsicht zu treffen zwischen Profiling einerseits, also der „bloßen“ Erstellung von Bewertungen, und dem darauf aufbauenden Prozess der Entscheidungsfindung (ggf. mitsamt der Ausführung dieser Entscheidung) andererseits. Denn „Profiling – als automatisierte Datenverarbeitung – bildet die Grundlage, auf der eine Entscheidung des Verantwortlichen aufsetzt, die für die betroffene Person dann eine rechtliche Wirkung oder sonstige Konsequenz mit sich bringt.“ Diese beiden Stufen können erst durchgeführt werden, wenn eine ausreichende Datengrundlage vorliegt. Die Datensammlung muss also logischerweise den ersten Schritt in diesem Modell darstellen.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 4: Regulierung von Profiling und automatisierten Einzelentscheidungen
Zusammenfassung
Auf den in Art. 4 Nr. 4 DSGVO legaldefinierten Begriff Profiling wird in der Datenschutz-Grundverordnung sowohl in ihrem verfügenden Teil als auch in ihren Erwägungsgründen an mehreren Stellen Bezug genommen. Vor dem Hintergrund des hier vertretenen 3-stufigen Modells spielt vor allem Art. 22 DSGVO eine Schlüsselrolle. Diese Norm regelt die Zulässigkeit automatisierter Einzelentscheidungen und ist damit für die dritte Stufe des Modells (Entscheidungsfindung und -ausführung) relevant. Sie wird im Folgenden neben den rechtlichen Vorgaben für das eigentliche Profiling vertieft analysiert. Die weiteren relevanten Betroffenenrechte des Kapitels III, welche Profiling explizit in Bezug nehmen, sind zunächst die Informationspflichten der Art. 13 II lit. f, 14 II lit. g DSGVO, welche nur im Kontext von automatisierten Entscheidungsfindungen gem. Art. 22 DSGVO speziell auf Profiling Bezug nehmen. In diesen Fällen steht dem Betroffenen zudem ein Auskunftsrecht gem. Art. 15 I lit. h DSGVO zu. Die Grundtatbestände der Art. 13, 14 und 15 DSGVO kommen auch zur Anwendung, wenn Profiling durchgeführt wird, ohne dass die gefundenen Ergebnisse im Nachgang zur Grundlage vollständig automatisierter Entscheidungen werden. Art. 21 I, II DSGVO gewährt zudem in bestimmten Situationen ein Widerspruchsrecht, welches Profiling beispielhaft nennt (ein eigener Aussagegehalt kommt der Nennung allerdings nicht zu). Die genannten Vorschriften werden im Folgenden überblicksartig mit Blick auf ihren Regelungsgehalt und ihre Funktion im Kontext von Profiling umrissen. Eine vertiefte, spezifischere Analyse erfolgt im dritten Teil dieser Arbeit im Kontext der Frage, ob das geltende materielle Recht in der Lage ist, die Mitglieder geschützter Gruppen vor Diskriminierung durch personalisierte Preise zu schützen.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 5: Zusammenfassung
Zusammenfassung
Profiling i. S. d. Art. 4 Nr. 4 DSGVO stellt ein statistisches Erkenntnisverfahren dar, welches sich der Verarbeitung personenbezogener Daten bedient. Es dient dazu, die persönlichen Aspekte natürlicher Personen wertend zu analysieren bzw. vorherzusagen. Diese Bewertungen können in einer Vielzahl von Lebensbereichen und mit ganz verschiedenen Zielrichtungen zum Einsatz kommen. Ihr potenzieller Anwendungsbereich ist damit äußerst breit. Als typische Beispiele lassen sich Kredit-Scoring und personalisierte Werbung nennen.
Klaus Wiedemann

Teil II

Frontmatter

Open Access

Kapitel 6: Preisdiskriminierung
Zusammenfassung
Der Begriff Preisdiskriminierung wird in den Wirtschaftswissenschaften unterschiedlich definiert. Als Annäherung an die Thematik wird hier zunächst eine vereinfachte Definition herangezogen. Diese besagt, dass Preisdiskriminierung vorliegt, wenn ein Anbieter zum selben Zeitpunkt für das gleiche Gut von verschiedenen Käufern verschiedene Preise verlangt. Diese Formulierung ist aber aus verschiedenen Gründen irreführend und ungenau. So wäre nach dieser Definition Preisdiskriminierung z. B. auch dann gegeben, wenn ein Anbieter nur deshalb von Kunden unterschiedliche Preise verlangt, weil er tatsächlich unterschiedliche Kosten hat. Ein Beispiel hierfür wäre der Fall, dass ein Anbieter aufgrund höherer Versandkosten vom Kunden A einen höheren Gesamtpreis als vom Kunden B verlangt, da A – im Gegensatz zu B – im Ausland lebt und dementsprechend höhere Portokosten anfallen. Zugleich würden Situationen von dieser Definition mangels „verschiedener Preise“ nicht erfasst, in denen alle Betroffenen denselben Preis zahlen, dieser de facto aber diskriminierend ist, weil beim Anbieter verschiedene Kosten anfallen. Dies ist in der Praxis zum Beispiel der Fall, wenn Industriegüter, deren Versand besonders kostenintensiv ist (etwa Zement), an Kunden unabhängig vom Lieferort zum gleichen Preis verkauft werden und die Versandkosten immer im Endpreis enthalten sind. Hierdurch werden die Kunden, bei denen besonders hohe Transportkosten anfallen, gegenüber den günstiger zu erreichenden bevorzugt.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 7: Preispersonalisierung
Zusammenfassung
Der vorhergegangene Abschnitt hat eine allgemeine Definition des Begriffs Preisdiskriminierung entwickelt, welche auf der Definition von Stigler aufbaut und diese konkretisiert. Zudem wurden die in der ökonomischen Literatur beschriebenen allgemeinen Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Preisdiskriminierung sowie die drei traditionell unterschiedenen Grade beschrieben, voneinander abgegrenzt und mit Blick auf ihre datenschutzrechtliche Relevanz analysiert.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 8: Weiterführende Überlegungen
Zusammenfassung
Unmittelbare Preispersonalisierung im Online-Handel ist in den Ländern der Europäischen Union nach heutigem Wissensstand ein seltenes, nur in wenigen Fällen beobachtbares Phänomen. Das Ausmaß ist quantitativ wie qualitativ begrenzt: In den wenigen registrierten Fällen waren die prozentual messbaren Unterschiede zwar nicht in allen, aber in den meisten Fällen gering. Das Ausmaß mittelbarer Preispersonalisierung, welche empirisch nur schwer mit der notwendigen statistischen Signifikanz zu erheben ist, dürfte größer sein. Es scheint allerdings auch eher gering zu sein. Häufig vorzufinden ist hingegen Verhaltensdiskriminierung (Behavioural Discrimination): Internet-Seiten und vernetzte Endgeräte des Internet of Things sind geprägt durch eine zunehmende Personalisierung, was die Suchergebnisse und andere Formen der Seitengestaltung sowie Werbung jeglicher Art angeht. Diese Form der Personalisierung ist strikt zu trennen von Preispersonalisierung, deren Wesen in der Anpassung des Preises an die (aus Eigenschaften und Verhalten abgeleitete) Zahlungsbereitschaft des Kunden besteht. Gleichermaßen notwendig ist die Abgrenzung von dynamischen Preisen.
Klaus Wiedemann

Diskriminierung geschützter Gruppen durch Preispersonalisierung

Frontmatter

Open Access

Kapitel 9: Einleitung
Zusammenfassung
Preispersonalisierung ist ein Unterfall von Preisdiskriminierung. Sie hat der Natur der Sache nach stets ökonomische Auswirkungen, da von ihr Zahlungsströme zwischen den Kunden und den Anbietern und damit die Verteilung von finanziellen Ressourcen und Wohlstand abhängen. Die ökonomische Betrachtungsweise ist neutral und wertfrei: Sie stellt auf Faktoren wie Effizienz und Wohlfahrt ab, ohne die unterschiedliche Behandlung Einzelner mit einer darüber hinausgehenden Wertung zu verbinden.
Klaus Wiedemann

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Kapitel 10: Relevante Rechtsregime
Zusammenfassung
Der folgende Überblick dient dazu, die (möglicherweise) einschlägigen Regelwerke zu eruieren und festzustellen, ob ihnen grundsätzliche Relevanz und Anwendbarkeit im Kontext von Preispersonalisierung zukommt. Im darauf folgenden Kap. 11 erfolgt die eigentliche rechtliche Analyse unter Rückgriff auf das 3-stufige Modell.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 11: Rechtliche Analyse anhand des 3-stufigen Modells
Zusammenfassung
Im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung stellt sich zunächst die Frage, in welchen Konstellationen Preispersonalisierung mit der Verarbeitung personenbezogener Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO einhergeht. Nur dann ist sie anwendbar, Art. 2 I DSGVO. Sofern personenbezogene Daten verarbeitet werden, muss gem. Art. 6 I bzw. 9 II DSGVO eine geeignete Rechtsgrundlage vorliegen. Zudem steht zu untersuchen, welche datenschutzrechtlichen Transparenzpflichten der Anbieter zu befolgen hat und wie weitreichend diese im Fall des Personalised Pricings sind. In Frage kommen Informationspflichten (Art. 13 und 14 DSGVO) sowie das Auskunftsrecht des Art. 15 DSGVO.
Klaus Wiedemann

Open Access

Kapitel 12: Abschließende Bemerkungen
Zusammenfassung
Profiling nach dem Verständnis der Datenschutz-Grundverordnung ist ein technisches Erkenntnisverfahren, das auf dem Prinzip der Gruppenbildung basiert. Diesem Verfahren wohnen signifikante persönlichkeitsrechtliche Implikationen inne, erlaubt es doch die Schaffung „neuer“ personenbezogener Daten, die dem Betroffenen zugewiesen werden und teilweise tiefgehende Einblicke in seine persönlichen Aspekte erlauben. Für die rechtliche Bewertung ist die Erkenntnis bedeutsam, dass Profiling letztlich nichts anderes ist als eine Wahrscheinlichkeitsberechnung. Im Einzelfall falsche Ergebnisse – sog. false positives bzw. false negatives – sind diesem Verfahren deshalb systemimmanent. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der gedanklichen Trennung von Profiling und darauf basierenden Entscheidungen sowie die Berechtigung der Regulierung automatisierter Einzelentscheidungen in Art. 22 DSGVO.
Klaus Wiedemann
Backmatter
Metadaten
Titel
Rechtliche Implikationen Profiling-basierter Preispersonalisierung
verfasst von
Klaus Wiedemann
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-67452-9
Print ISBN
978-3-662-67451-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-67452-9