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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

28. Rechtliche Grundlagen zum Aufbau von Ladeinfrastruktur

verfasst von : Marcel Porschen, Tobias Kuhnimhof, Chris Martin Vertgewall, Niklas Wehbring, Andreas Ulbig

Erschienen in: Elektromobilität

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Dieses Kapitel erläutert bedeutsame rechtliche Grundlagen in Bezug auf den Aufbau von Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Bereich. Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur werden regulatorisch durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Satzungen bestimmt.
Dieses Kapitel erläutert bedeutsame rechtliche Grundlagen in Bezug auf den Aufbau von Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Bereich. Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur werden regulatorisch durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Satzungen bestimmt.
In diese rechtlichen Grundlagen fließen vielfältige Strategien und Leitlinien ein, vor allem in Bezug auf Klima- und Immissionsschutz. Neue Anforderungen, die Weiterentwicklung und der Hochlauf der Elektromobilität erfordern eine stetige Anpassung und Überarbeitung dieser Grundlagen. Daher bietet dieses Kapitel einen Überblick zum Status quo vom Juli 2021. Änderungen und Aktualisierungen der rechtlichen Grundlagen sind innerhalb relativ kurzer Zeit sehr wahrscheinlich.
Tab. 28.1 verschafft einen Überblick zu den verschiedenen Ebenen der rechtlichen Grundlagen. Auf EU-Ebene geben diverse Richtlinien den Rahmen der Elektromobilität vor. Damit die Richtlinien ihre Wirkung entfalten können, ist eine Umsetzung in nationales Recht notwendig. So wurde etwa die Richtlinie 2014/94/EU als Ladesäulenverordnung in deutsches Bundesrecht übertragen. Weitere Rechtsmaterien auf Bundesebene, die Inhalte mit Bezug auf den Aufbau von Ladeinfrastruktur umfassen, sind etwa Eigentums- und Mietrecht, Netzanschluss, Eichrecht und das Elektromobilitätsgesetz. In Deutschland gelten darüber hinaus gemäß dem föderalistischen System in den einzelnen Bundesländern verschiedene Landesgesetze mit Bezug zur Ladeinfrastruktur. Zu nennen sind etwa die Landesbau- sowie Sonderbauverordnungen, der Denkmalschutz sowie das Straßen- und Wegerecht. Kommunen wird, ausgehend von Bundes- oder Landesrecht, etwa über Bebauungspläne, Stellplatz- oder Sondernutzungssatzungen eine gewisse Steuerung des Aufbaus von Ladeinfrastruktur ermöglicht.
Tab. 28.1
Überblick zu rechtlichen Grundlagen und Steuerungsinstrumenten des Ladeinfrastrukturaufbaus auf verschiedenen Ebenen
EU-Ebene
Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (2014/94/EU), geändert durch delegierte Verordnung (EU) 2018/674 als zentrale EU-Vorgabe für den Ladeinfrastrukturaufbau.
 
Im Juli 2021 hat die EU-Kommission, als Bestandteil von „Fit for 55“, die Umwandlung der Richtlinie in eine EU-Verordnung vorgeschlagen.
Bundesebene
Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht, Bauplanungsrecht, Eigentums- und Mietrecht, Netzanschluss, Eichrecht, Elektromobilitätsgesetz und weitere
Landesebene
Landesbauordnungen, Sonderbauverordnungen, Garagenverordnungen, Straßen- und Wegerecht
Kommunale Ebene
Stellplatzsatzungen, Sondernutzungssatzungen, Bebauungspläne
Vielfach betreffen Regelungen, die beim Aufbau der Ladeinfrastruktur betrachtet werden müssen, nicht nur die Möglichkeiten des Aufbaus selbst und die diesbezüglichen Genehmigungen, sondern stellen auch Anforderungen in Bezug auf die Nutzung. Insbesondere die Art der Nutzung und der Nutzenden selbst spielen dabei eine Rolle. Als gesetzliche Regelungen sind beispielsweise zu betrachten:
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
  • Messstellenbetriebsgesetz (MsbG)
  • Mess- und Eichgesetz (MessEG)
  • Ladesäulenverodnung (LSV)
  • Stromsteuergesetz (StromStG)
  • Preisangabenverordnung (PAngV)
Der Aufbau von Ladeinfrastruktur muss den Netzbetreibenden sowie in bestimmten Fällen der Regulierungsbehörde angezeigt werden. Rechtliche Grundlagen sind dabei die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung – NAV) sowie die Ladesäulenverordnung (LSV). Gemäß § 19 NAV sind Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge vor deren Inbetriebnahme dem Netzbetreibenden mitzuteilen. Ab einer Summen-Bemessungsleistung von 12 kVA je elektrische Anlage ist die Zustimmung des Netzbetreibenden erforderlich. Versagt der Netzbetreibende die Zustimmung, so ist er dazu verpflichtet, neben einer Begründung mögliche Abhilfemaßnahmen auf Seiten des Netzbetreibenden sowie auf Seiten des Anschlussnutzenden zu nennen und einen Zeitbedarf für den beim Netzbetreibenden anfallenden Aufwand darzulegen.1 Die Netzanschlusspflicht des Netzbetreibenden gemäß § 17 EnWG wird von den Regelungen der NAV nicht beeinträchtigt. Als Resultat nicht hinreichender Netzkapazitäten sind Netzbetreibende zu einem entsprechenden Netzausbau verpflichtet. Betreibende öffentlich zugänglicher Ladepunkte sind gemäß § 5 LSV dazu verpflichtet, der Bundesnetzagentur den Aufbau und die Außerbetriebnahme solcher Ladepunkte anzuzeigen.2

28.1 Aufbau privater Ladeinfrastruktur

Private Ladeinfrastruktur bildet eine zentrale Säule zur Deckung des aktuellen und zukünftigen Ladebedarfs von Elektrofahrzeugen. Standorte und Ausgestaltung sind unterschiedlich und reichen von Haushaltssteckdosen (in Ausnahmefällen) und Wallboxen für einzelne Fahrzeuge bis hin zu privaten Lade-Hubs für Fahrzeugflotten.
Tab. 28.2 führt die zentralen Elemente einzelner rechtlicher Grundlagen in Bezug auf private Ladeinfrastruktur auf. Die in der Kurzfassung dargestellten Wirkungen auf den Aufbau der Ladeinfrastruktur werden anschließend erläutert.
Tab. 28.2
Relevante rechtliche Grundlagen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur auf privaten Flächen
Grundlage
Kurzfassung
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Mit § 554 BGB können Mieter:innen verlangen, Veränderungen an der Mietsache vorzunehmen, um unter anderem das Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge zu ermöglichen.
Wohnungseigentümergesetz (WEG)
Gemäß § 20 WEG können Wohnungseigentümer:innen eine angemessene bauliche Veränderung verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dient.
Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG)
Für den Neubau oder eine größere Renovierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden werden Vorgaben für zu schaffende Lade- und Leitungsinfrastruktur gemacht.
BauGB (Bauplanungsrecht)
Gemäß § 9 (11) BauGB können Flächen für Ladeinfrastruktur in Bebauungsplänen festgesetzt werden.
Landesbauordnungen (LBO)
Ladestationen sind bauordnungsrechtlich als bauliche Anlagen zu betrachten. In den meisten Landesbauordnungen sind sie unter den genehmigungsfreien Vorhaben zu finden.
Stellplatzsatzungen
Mit Hilfe der Stellplatzsatzungen können Kommunen den Aufbau von Ladeinfrastur vorantreiben und Anforderungen an die Ausstattung von Stellplätzen richten.

28.1.1 Bauordnungs- und Bauplanungsrecht

Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge sind grundlegend als bauliche Anlagen zu bewerten. Sie fallen jedoch nicht unter Tankanlagen, sondern sind eher als Nebenanlagen eingeordnet. In elf von 16 Landesbauordnungen (LBO) sind Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge derzeit explizit unter den verfahrensfreien Bauvorhaben aufgeführt. Die Einteilung der Ladeinfrastruktur in die verschiedenen verfahrensfreien Anlagen ist in diversen LBO nicht einheitlich geregelt. Es lassen sich in den elf Landesbauordnungen vier verschiedene bauliche Anlagenarten finden, denen die Lademöglichkeiten zugeordnet sind. Es handelt sich je nach Bauordnung um:
  • Plätze, private Verkehrsanlagen, Aufschüttungen und Abgrabungen
  • Leitungen und Anlagen für Lüftung, Wasser- und Energieversorgung, Abwasserbeseitigung und Fernmeldewesen
  • Anlagen der Ver- und Entsorgung
  • Sonstige Anlagen
In Bayern und im Saarland wird die Genehmigungsfreiheit durch Bedingungen eingeschränkt. Die Bayerische Landesbauordnung definiert eine maximale Größe der Ladestationen.3 Im Saarland dürfen Flächen notwendiger Stellplätze und deren Zufahrten nicht in Anspruch genommen werden.4 In den Bauordnungen der Länder Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen fehlt die explizite Nennung der Genehmigungsfreiheit.5 Allerdings ist in diesen Bundesländern von einer genehmigungsfreien Errichtung auszugehen. In Nordrhein-Westfalen stellt beispielsweise die Errichtung einer Ladestation in einer Garage keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar: Ladestationen werden als Teile von Leitungsanlagen und Bestandteile der technischen Gebäudeausrüstung bewertet.6
Trotz der Genehmigungsfreiheit sind die Bestimmungen der jeweiligen Bauordnungen einzuhalten. Des Weiteren sind bei Errichtung von Ladeinfrastruktur in der Nähe eines Denkmals die denkmalschutzrechtlichen Vorgaben der jeweiligen Länder zu berücksichtigen.7 Für die Errichtung von Ladesäulen in einer Garage oder Tiefgarage finden gegebenenfalls die Garagenverordnungen der Länder Anwendung. Gemäß § 2 (3) GaV Hessen müssen mindestens 5 % der Stellplätze über einen Anschluss an Ladestationen für Elektrofahrzeuge verfügen.8
Im Jahr 2021 wurde § 9 (11) BauGB um den Halbsatz „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“ ergänzt.9 Bauplanungsrechtlich gab es bis zu dieser jüngsten Änderung keine abschließenden Festsetzungen gemäß § 9 BauGB. Verschiedene Bebauungspläne umfassten dennoch bereits Festsetzungen, die eine Ladeinfrastruktur einbezogen haben. Ladeinfrastruktur steht in einem engen Zusammenhang zur Zulässigkeit von Stellplätzen oder Garagen. Es ist zu erwarten, dass nur dort Ladeinfrastruktur errichtet wird, wo zu ladende Fahrzeuge abgestellt werden können.10

28.1.2 Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG)

Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften – WEMoG) werden unterschiedliche Aspekte der privaten Ladeinfrastruktur an und in Wohngebäuden adressiert. Konkret richten sich die Änderungen des BGB an Wohnungsmietende und die des WEG an Wohnungseigentümer:innen. Mit diesen Änderungen soll der Aufbau privater Ladeinfrastruktur insbesondere in Mehrfamilienhäusern erleichtert werden. In der Vergangenheit hatte es einige Fälle gegeben, in denen es zu Rechtsstreitigkeiten kam. Streitpunkt waren zum Beispiel von Eigentümer:innen-Gemeinschaften nicht genehmigte bauliche Veränderungen zur Errichtung einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge.11
Mit der Ergänzung des § 20 Abs. 2 WEG wird die Errichtung von Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern mit mehreren Wohnungseigentümer:innen erleichtert. Analog zu den Änderungen des BGB kann eine Person mit Wohneigentum gemäß § 20 Abs. 2 WEG angemessene bauliche Veränderungen für Barrierefreiheit, Einbruchschutz und das Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge verlangen. Zusätzlich wird der Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität aufgeführt.12
Der § 554 des BGBs (Barrierereduzierung, E-Mobilität und Einbruchschutz) ermöglicht dem Mietenden den Anspruch, dass bauliche Veränderungen der Mietsache, die im Fall von E-Mobilität dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, seitens des Vermietenden erlaubt werden. Allerdings wird dieser Anspruch durch Zumutbarkeit der baulichen Veränderung für den Vermietenden eingeschränkt. Bei Zustimmung zur Veränderung kann der Mietende zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet werden.

28.1.3 Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG)

Während das WEMoG in Bezug auf Elektromobilität vor allem den Aufbau von Lademöglichkeiten des Nutzenden in bestehenden Wohngebäuden erleichtert, zielt das GEIG auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Aufbau insbesondere bei Neuerrichtung und größeren Renovierungen ab. Im Gegensatz zu den Änderungen des BGB und des WEG werden auch Nichtwohngebäude vom Geltungsbereich erfasst.
Mit dem Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität – GEIG) ist die Richtlinie EU/2018/844/13 in nationales Recht umgesetzt worden. Das GEIG regelt die Ausstattung von Stellplätzen mit notwendiger Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität und gibt für bestimmte Anwendungsfälle zusätzlich Anforderungen an zu errichtende Ladeinfrastruktur vor. Leitungsinfrastruktur umfasst gemäß § 4 GEIG mindestens eine geeignete Leitungsführung sowie den erforderlichen Raum für die Elemente „Zähler“, „intelligente Messsysteme für ein Lademanagement“ und „erforderliche Schutzelemente“.
Die Vorgaben des GEIG sind nach Wohngebäuden, Nichtwohngebäuden und gemischt genutzten Gebäuden differenziert. Sowohl bei Neuerrichtung als auch bei größeren Renovierungen sind ab einer bestimmten Zahl zugehöriger Stellplätze die Regelungen des GEIG anzuwenden. Für Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen muss in jedem Fall bis zum Jahr 2025 mindestens ein Ladepunkt errichtet werden. Nichtwohngebäude von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die größtenteils selbst genutzt werden, fallen nicht in den Anwendungsbereich. Zusätzlich gelten Ausnahmen, falls bei der Renovierung die Kosten der Lade- und Leitungsinfrastruktur 7 % der Gesamtkosten der Maßnahme überschreiten oder es sich um öffentliche Gebäude handelt, die bereits vergleichbaren Anforderungen – gemäß Umsetzung der Richtlinie 2014/94/EU – unterliegen.14

28.1.4 Stellplatzsatzungen

Über Vorgaben zur Gestaltung von Stellplätzen können Kommunen die Vorbereitung oder den Aufbau von Ladeinfrastruktur steuern. Wird in den Stellplatzsatzungen die Vorbereitung des Anschlusses gefordert, gehen die Vorgaben des GEIG bezüglich der Ausstattung der Stellplätze mit Leitungsinfrastruktur in vielen Fällen über die Anforderungen aktueller Stellplatzsatzungen hinaus. Die tatsächliche Ausstattung mit Ladepunkten ist durch das GEIG kaum abgedeckt, so dass in diesem Bereich Stellplatzsatzungen, die explizit Ladepunkte bei der Gestaltung der Stellplätze fordern, die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen bezüglich des Aufbaus privater Ladeinfrastruktur verdeutlichen. So sind beispielsweise gemäß der Stellplatzsatzung der Stadt Rostock ab einer Anzahl von zehn zu errichtenden Stellplätzen 10 % von ihnen derart zu gestalten, dass sie den Mindestanforderungen an Normalladepunkte für Elektroautos genügen.15
Regulatorisch wird der Ausbau privater Ladeinfrastruktur eher ermöglicht als begrenzt. Jedoch existieren weiterhin limitierende Faktoren in Bezug auf den Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur. Inwiefern sich die Rechtsansprüche von Wohnungseigentümer:innen und Mietenden konkret in der Praxis umsetzen lassen, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht abschließend bewerten. Insbesondere bei Wohngebäuden mit einer Vielzahl von Eigentümer:innen und Stellplätzen stellt sich die Frage bezüglich der konkreten Umsetzung der Ladeinfrastruktur-Errichtung. Neben bestehenden technischen Hürden – unzureichende Anschlüsse etwa – ist auch zu bedenken, inwiefern ein Lade- und Lastenmanagement, das künftig notwendig werden kann, schon heute von Personen mit Wohneigentum bei der Errichtung ihrer eigenen Ladeinfrastruktur berücksichtigt werden muss. Errichten Personen mit Wohneigentum ihre Ladeeinrichtung ohne Rücksicht auf eine zukünftige Errichtung von Ladeinfrastruktur weiterer Personen mit Wohneigentum in der Immobilie, könnten diese mit zusätzlichem Aufwand konfrontiert werden, sollte die Kapazität des Hausanschlusses nicht für weitere Ladepunkte ausreichen.

28.2 Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur

Wenn von öffentlicher Ladeinfrastruktur gesprochen wird, ist häufig öffentlich zugängliche Infrastruktur auf privatem Gelände einbezogen. Hinsichtlich öffentlich zugänglicher Ladepunkte, etwa auf Parkplätzen von Lebensmitteleinzelhändlern, gelten die rechtlichen Grundlagen für private Ladeinfrastruktur. Zusätzlich sind die Vorgaben zu berücksichtigen, die mit dem Betrieb einer solchen öffentlich zugänglichen Ladesäule einhergehen. Des Weiteren gibt es Ladeinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum. In diesem Fall können Städte und Gemeinden direkt auf den Aufbau und deren Ausgestaltung einwirken.
Zielsetzungen zur Elektromobilität finden sich in verschiedenen informellen Plänen und Konzepten auf kommunaler Ebene. Aktuell existieren bezüglich öffentlicher Ladeinfrastruktur keine gesetzlichen Mindestvorgaben, die in bestimmten administrativen Räumen erfüllt werden müssen. Viele Städte und Gemeinden haben ein Eigeninteresse daran, dass öffentliche Ladeinfrastruktur in der jeweiligen Verwaltungseinheit errichtet wird. Häufige Zielsetzung ist ein bedarfsgerechter Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur bei gleichzeitiger Grundversorgung von Gebieten mit voraussichtlich geringer Auslastung.
In Tab. 28.3 sind zu beachtende rechtliche Grundlagen im Kontext des Aufbaus öffentlicher Ladeinfrastruktur zusammengefasst.
Tab. 28.3
Relevante rechtliche Grundlagen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur auf öffentlichen Verkehrsflächen
Grundlage
Kurzfassung
Ladesäulenverordnung (LSV)
Die LSV enthält Anforderungen an den Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur
Straßen- und Wegegesetze der Länder
Öffentliche Ladeinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum fallen als Verkehrsanlagen in den Geltungsbereich des Straßen- und Wegerechts. Ladeinfrastruktur ist als Sondernutzung zu betrachten.
Sondernutzungssatzungen
Eine Sondernutzungssatzung ermöglicht es, die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zu systematisieren. Sie ermöglichen den Kommunen eine Steuerung des Aufbaus öffentlicher Ladeinfrastruktur.
Elektromobilitätsgesetz (EmoG)
Das EmoG ermöglicht etwa Bevorrechtigungen für Elektrofahrzeuge im Bereich des ruhenden Verkehrs, um Ladeoptionen besser nutzen zu können
Die Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektromobile (LSV) definiert Mindestanforderungen an Interoperabilität und barrierearme Nutzung. Darunter fallen etwa Vorgaben zu Bezahlmethoden oder zu punktuellem Laden. Die LSV setzt die Richtline (EU-AFI) in nationales Recht um.16
Gemäß aktueller Rechtsprechung des VGH München17 und den Vorgaben der Landesbauordnungen (vgl. § 1 Anwendungsbereich LBO NRW)18 berührt öffentliche Ladeinfrastruktur als Bestandteil der Straßenausstattung weder den Geltungsbereich des Bauordnungs- noch des Bauplanungsrechts. Im Sinne des BayStrWG stellen Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum regelmäßige Verkehrsanlagen dar, die der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dienen. Folglich können Gemeinden als Straßenbaulastträger Ladeinfrastruktur ohne Baugenehmigung aufstellen.19 Tendenziell sind Ladesäulen im Sinne der Straßen- und Wegegesetze der Länder als Sondernutzung zu klassifizieren und benötigen daher eine Sondernutzungserlaubnis (beispielsweise StrWG NRW§ 18 (1)). Mit Hilfe einer Sondernutzungssatzung können kommunale Leitbilder, Strategien und Konzepte bei der Vergabe der Sondernutzungserlaubnis systematisch berücksichtigt werden.
Basierend auf dem Elektromobilitätsgesetz (EmoG) sind für Elektrofahrzeuge Bevorrechtigungen im öffentlichen Straßenraum möglich. Das ermöglicht bei der Einrichtung von Ladestandorten, Parkplätze für die Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen freizuhalten und nicht erlaubte Nutzung zu sanktionieren.20

28.3 Betrieb von Ladeinfrastruktur

Der Betrieb von Ladeinfrastruktur geht mit einigen rechtlichen Einschränkungen und Verpflichtungen einher. Es kann zwischen dem Betrieb von öffentlicher und privater Ladeinfrastruktur unterschieden werden, wobei die Vorgaben im öffentlichen Bereich deutlich komplexer sind.

28.3.1 Private Ladeinfrastruktur

Prinzipiell gelten grundlegende rechtliche Verpflichtungen in Bezug auf den Betrieb von Ladeinfrastruktur – sowohl für private als auch für öffentliche. Je nach Nutzung der privaten Ladeinfrastruktur finden jedoch diverse Vorgaben keine Anwendung. So entfällt etwa die Einstufung als Elektrizitätsversorgungsunternehmen inklusive der damit verbundenen Pflichten, falls nur eigene Fahrzeuge geladen werden. Diese Einordnung ist auch gültig, wenn Dritte unentgeltlich und nur in geringem Maße Strom beziehen.21

28.3.2 Öffentliche Ladeinfrastruktur

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) legt in § 3 Ziff. 25 fest, dass der Strombezug einer Ladesäule einem Letztverbrauch entspricht. Der Ladesäulenbetreibende ist damit Letztverbrauchender und kann deshalb seine Energielieferanten frei wählen; insbesondere ist er selbst kein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des EnWG. Die Ladesäulenverordnung (LSV) definiert dabei die Rolle des Ladesäulenbetreibers unter rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten. Die Definition von Letztverbrauchenden im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) weicht jedoch von dieser Darstellung ab. Dort sind Letztverbrauchende laut § 3 Ziff. 33 als „jede natürliche oder juristische Person, die Strom verbraucht“ definiert – also der Fahrende des ladenden Fahrzeugs.
Ist die Ladeinfrastruktur auch für Dritte zugänglich, werden Betreibende gemäß § 3 Ziff. 20 EEG 2017 zum Elektrizitätsversorgungsunternehmen und sind zur Entrichtung der EEG-Umlage (Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien) verpflichtet.22 Aufgrund der zusätzlichen Kosten und des erhöhten Aufwands steht dieses Gesetz bei Ladeinfrastrukturbetreibenden in der Kritik. Aus dieser rechtlichen Konstellation ergeben sich für Ladesäulenbetreibende diverse Meldepflichten an den zugehörigen Übertragungsnetzbetreiber. Darüber hinaus muss eine jährliche Endabrechnung vorgelegt werden. Die Ladesäulenverordnung legt fest, unter welchen Bedingungen Ladeinfrastruktur als öffentlich gilt. Für öffentliche Ladeinfrastruktur gelten spezielle Anforderungen, etwa die Verwendung bestimmter Steckerstandards oder die Möglichkeit des einmaligen Aufladens im Gegensatz zu beispielsweise Abonnements. Zuletzt müssen öffentliche Ladepunkte den Vorgaben des Mess- und Eichrechts (MessEG) entsprechen.23
Gemäß § 3 der Preisangabenverordnung (PAngV) muss die Mengeneinheit für den Arbeitspreis stets €/kWh und als solche gut erkennbar an der jeweiligen Ladeinfrastruktur sichtbar sein. Verfügt die Ladeinfrastruktur über keinerlei Display, ist die dynamische Anpassung von Preisen erschwert. Zudem können Einmalentgelte je Ladevorgang oder eine Parkgebühr erhoben werden.
Darüber hinaus gehen Ladevorgänge mit einer Lärmemission einher. Diese Emission entsteht durch die Kühlung der Ladeinfrastruktur bei hoher Ladeleistung, also vor allem bei Schnellladeinfrastruktur. Dabei ist gemäß § 117 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu beachten, dass keine unzulässig hohe Lautstärke entsteht. Im Fall zu hoher Lärmemission müssen beispielsweise Schallschutzwände installiert oder Ladeleistungen reduziert werden.
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Fußnoten
1
Niederspannungsanschlussverordnung vom 1. November 2006 (BGBl. I S. 2477), die zuletzt durch Artikel 35 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858) geändert worden ist.
 
2
Ladesäulenverordnung vom 9. März 2016 (BGBl. I S. 457), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1520) geändert worden ist.
 
3
Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl. S. 588, BayRS 2132-1-B), die zuletzt durch § 4 des Gesetzes vom 25. Mai 2021 (GVBl. S. 286) geändert worden ist.
 
4
Landesbauordnung (LBO) (Art. 1 des Gesetzes Nr. 1544) vom 18. Februar 2004, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 4. Dezember 2019 (Amtsbl. I 2020 S. 211, 760).
 
5
Vgl. Landesbauordnungen der 16 Bundesländer.
 
6
Vgl. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV NRW) 2017.
 
7
Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG) in der Fassung vom 11.März 1980, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934), in Kraft getreten am 25. November 2016.
 
8
Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (Garagenverordnung – GaV) in der Fassung vom 17. November 2014.
 
9
Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2939) geändert worden ist.
 
10
Vgl. Zengerling 2017.
 
11
Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMOG) in der Fassung vom 16. Oktober 2020.
 
12
Wohnungseigentumsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Januar 2021 (BGBl. I S. 34).
 
13
Richtlinie (EU) 2018/844 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Richtlinie 2012/27/EU über Energieeffizienz.
 
14
Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz vom 18. März 2021 (BGBl. I S. 354).
 
15
Vgl. Bürgerschaft der Hansestadt Rostock 2017.
 
16
Ladesäulenverordnung vom 9. März 2016 (BGBl. I S. 457), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1520) geändert worden ist.
 
17
Vgl. VGH München 2018.
 
18
LBO NRW § 1 Anwendungsbereich.
 
19
Vgl. VGH München 2018.
 
20
Elektromobilitätsgesetz vom 5. Juni 2015 (BGBl. I S. 898), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3091) geändert worden ist.
 
21
Vgl. Mainz et al. 2019.
 
22
Vgl. Mainz et al. 2019.
 
23
Vgl. Mainz et al. 2019.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Bürgerschaft der Hansestadt Rostock (Satzung der Hansestadt Rostock über die Herstellung notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellmöglichkeiten für Fahrrä-der und über die Erhebung von Ablösebeträgen für notwendige Stellplätze und Fahrradabstellmöglichkeiten: Satzung der Hansestadt Rostock über die Herstellung notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellmöglichkeiten für Fahrrä-der und über die Erhebung von Ablösebeträgen für notwendige Stellplätze und Fahrradabstellmöglichkeiten (Stellplatzsatzung), 2017 Bürgerschaft der Hansestadt Rostock (Satzung der Hansestadt Rostock über die Herstellung notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellmöglichkeiten für Fahrrä-der und über die Erhebung von Ablösebeträgen für notwendige Stellplätze und Fahrradabstellmöglichkeiten: Satzung der Hansestadt Rostock über die Herstellung notwendiger Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellmöglichkeiten für Fahrrä-der und über die Erhebung von Ablösebeträgen für notwendige Stellplätze und Fahrradabstellmöglichkeiten (Stellplatzsatzung), 2017
Zurück zum Zitat Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV NRW): Landesbauordnung- Dienstbesprechung mit den Bauaufsichtsbehörden Mai 2017 Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV NRW): Landesbauordnung- Dienstbesprechung mit den Bauaufsichtsbehörden Mai 2017
Zurück zum Zitat VGH München 2018: Errichtung von Verkehrsanlagen zum Zwecke der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs – Ladesäulen zum Aufladen von Elektromobilen VGH München 2018: Errichtung von Verkehrsanlagen zum Zwecke der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs – Ladesäulen zum Aufladen von Elektromobilen
Zurück zum Zitat Zengerling, C.: e-Quartier Hamburg Elektromobilität in urbanen Wohnquartieren. Zentrale Ergebnisse des Rechtsgutachtens, 2017 Zengerling, C.: e-Quartier Hamburg Elektromobilität in urbanen Wohnquartieren. Zentrale Ergebnisse des Rechtsgutachtens, 2017
Metadaten
Titel
Rechtliche Grundlagen zum Aufbau von Ladeinfrastruktur
verfasst von
Marcel Porschen
Tobias Kuhnimhof
Chris Martin Vertgewall
Niklas Wehbring
Andreas Ulbig
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65812-3_28

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