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31.08.2022 | Werkstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Aluminium im automobilen Materialkreislauf

verfasst von: Dieter Beste

5:30 Min. Lesedauer

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Im automobilen Leichtbau ist und bleibt Aluminium erste Wahl – für eine leichte Karosserie, leichte Komponenten und nicht zuletzt leichte Gehäuse für Batterien und E-Motoren. Aber wohin geht die Reise angesichts explodierender Energiekosten?

Die Aluminiumproduktion ist in Deutschland im ersten Quartal 2022 laut dem Branchenverband Aluminium Deutschland (AD ) zum Teil deutlich gesunken. Einen besonders starken Rückgang verzeichneten die Hersteller von Rohaluminium nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes mit einem Minus von knapp einem Fünftel (-18 %) auf gut 235.000 t. Die drastisch gestiegenen Stromkosten brächten insbesondere die energieintensiven Primäraluminiumhütten an die Grenze der Wirtschaftlichkeit. Und auch die internationalen Lieferketten bereiteten Probleme. "Für uns als energieintensive Industrie ist die aktuelle Strom- und Gaspreisentwicklung eine harte Belastungsprobe", kommentiert AD-Präsident Hinrich Mählmann.

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Gewinnung, Recycling, Ökologie

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Fakten zu den Ressourcen der Rohstoffe für die Aluminiumerzeugung, zum Prozess der Primäraluminiumgewinnung, zum Materialkreislauf zusammengestellt und mit einer Betrachtung der ökologischen Faktenlage abgeschlossen.

Den aktuellen Krisen zum Trotz setzt die Automobilindustrie weiterhin auf das Leichtmetall. Da sind zum einen die Vorzüge des Materials: "So hat Aluminium einen erheblichen Gewichtsvorteil gegenüber Stahl und ist gegenüber kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff wesentlich günstiger. Gerade im Hinblick auf die Elektromobilität, bei der das Gewicht und die Kosten bedeutende Rollen spielen, sehe ich Aluminium als derzeit die beste Wahl", sagt Thomas Eutebach, Werksleiter bei Constellium Automotive Structures Europe, Gottmadingen, im Interview "Aluminium ist in einem sehr weiten Anwendungsspektrum sinnvoll" (Seite 16f) aus der ATZproduktion 1-2020.

Zunächst wähle man Aluminium wegen seiner Grundeigenschaften wie gute Wärmeleitfähigkeit, niedriges spezifisches Gewicht oder Korrosionsbeständigkeit, sagt Eutebach. Parallel dazu erfolge jedoch auch die Weiterentwicklung des Materials etwa in Richtung höherer Festigkeit bei guter Duktilität. Pluspunkte sammelt Aluminium auch mit seinen Fügemöglichkeiten wie etwa dem inzwischen möglichen Schweißen mit Stahl

Positiv in die Waagschale fallen auch mögliche weitere Verbindungstechniken, "die Klebtechnik und Reibrührschweißen verwenden", sagt Seiichi Hirano, Vorstandsmitglied der UACJ Corporation, einem japanischen Aluminiumkomponenten-Zulieferer mit der weltweit drittgrößten Produktionskapazität im Interview "Wir senken die CO2-Emissionen durch nachhaltiges Aluminium" (Seite 25f) aus der ATZ 3-2021. Aufgrund der Fortschritte bei den Fügetechniken zwischen verschiedenen Materialien und mit unterschiedlichen Dicken entstünden vermehrt leichte Karosseriestrukturen aus Verbundwerkstoffen mit Stahl im Zentrum; "die Vollaluminiumstruktur ist jetzt auf High-End-Fahrzeuge beschränkt", erläutert Hirano. Aluminium bringt seine guten Eigenschaften allein oder im Verbund mit anderen Materialien im Automobil zur Geltung – und "kann nicht einfach durch andere Materialien ersetzt werden."  

Sekundäraluminium lässt sich wirtschaftlich günstig produzieren

Dank seiner Materialeigenschaften – hohe spezifische Festigkeit, geringes spezifisches Gewicht – und seiner guten Verbindungsmöglichkeiten ist Aluminium im automobilen Leichtbau eine feste Größe. "Allerdings ist die Produktion von Primäraluminium bekanntlich sehr energieintensiv, was zu einem hohen CO2-Fußabdruck führt", merken Lorenzo Rieg, Anna Meyer, Hanno Bertignoll im Artikel Potentiale der Kreislaufwirtschaft zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen (Seite 170) der Zeitschrift BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 4-2019 an, relativieren ihren Einwurf jedoch umgehend: Andererseits habe Aluminium auch hohes Potenzial für den Klimaschutz, und zwar aufgrund seiner hohen Zirkularität: "Die Produktion von Sekundäraluminium benötigt nur etwa 5 Prozent der Energie im Vergleich zur Primärproduktion", so die Autoren. 

Was dies bedeutet, zeigt sich im Vergleich mit anderen Werkstoffen am Beispiel einer Stoßstange, den Ulrich Förstner und Stephan Köster im Kapitel Kreislaufwirtschaft des Buchs Umweltschutztechnik anstellen (Seite 536): 

  • Der Energiebedarf für ein Produkt setzt sich zusammen aus der Energie für die Rohmaterialherstellung und der Energie für die Fertigung der entsprechenden Bauteile. Im Falle der untersuchten Stoßstange ist der Energiebedarf für die Herstellung des Rohmaterials und der Bauteile bei Aluminium am höchsten, gefolgt von einem Verbundwerkstoff aus Polyurethan plus Glasfasern. Bei Stahl sind beide Energieaufwände etwa gleich niedrig. 
  • Der Einsatz von Recyclingrohstoffen spart viel Energie. Dabei ist der Einspareffekt bei Verwendung von Sekundäraluminium mit Abstand am stärksten. Durch Wegfall der Tonerdefabrikation und Schmelzelektrolyse können 90 % des Energiebedarfs eingespart werden. Der spezifische Energiebedarf für Sekundäraluminium beträgt 14 MJ/kg gegenüber 140 MJ/kg für primäres Aluminium; die Fertigung erfordert jeweils 60 MJ/kg. Der Verbundwerkstoff ist dagegen kaum recycelbar und verbraucht zusätzlich Deponievolumen.

Automobiler Leichtbau ist ohne Aluminium schwer denkbar

Das Argument, Aluminium zu wirtschaftlich günstigen Bedingungen im Materialkreislauf halten zu können, hat dem Werkstoff in der Automobilindustrie Flügel verliehen. Audi zum Beispiel ist nach eigenen Angaben inzwischen beim "Aluminium Closed Loop" angelangt, der nach Unternehmensangaben Energie- und bilanzielle CO2-Einsparungen sowie einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen beinhaltet. Schon seit rund drei Jahrzehnten hat der Ingolstädter Hersteller Erfahrungen mit Aluminium gesammelt; mit seiner Space-Frame-Technologie wurde er Mitte der 1990er Jahre zum Vorreiter der Aluminium-Anwendung im automobilen Leichtbau.

Heute geht es beim Leichtbau mit Aluminium neben dem Energiesparen um "bilanzielle CO2-Neutralität", also darum, aktuell nicht vermeidbare CO2-Emissionen durch Kompensationsprojekte zumindest mengenmäßig auszugleichen. Im Klartext: Da die Herstellung von Aluminium energieintensiv ist, kommt es darauf an, soviel wie möglich zu recyclen. Ein geschlossener Kreislauf liegt dann vor, wenn das Material ohne Qualitätsverlust aufbereitet und in seiner ursprünglichen Güte erneut verwendet werden kann. 

Dieser bei Audi sogenannte Aluminium Closed Loop wurde 2017 am Standort Neckarsulm erstmals umgesetzt. Derzeit läuft das Projekt an vier Standorten des Konzerns, an denen Presswerke mit einem hohen Anteil an Aluminiumteilen betrieben werden. Neben Neckarsulm sind dies zurzeit Ingolstadt, Győr in Ungarn und Volkswagen Slovakia in Bratislava. 2021 konnten durch den Aluminium Closed Loop nach Unternehmensangaben mehr als 195.000 t CO2 allein für die Produktion von Audi-Modellen bilanziell reduziert werden. Seit Einführung im Jahr 2017 beliefen sich diese Gesamteinsparungen demnach auf mehr als 725.000 t CO2.

Auch in Bratislava wandert Aluminium jetzt im Kreislauf

Mit Volkswagen Slovakia hat sich der erste Mehrmarkenstandort des Konzerns dem Projekt Aluminium Closed Loop angeschlossen. Auch hier geht es um das Recycling von Aluminiumstanz-Verschnitten aus dem Presswerk, die zum Aluminium-Lieferanten zurückgebracht werden. Dort werden die Aluminiumverschnitte wieder aufbereitet, sodass der Werkstoff ohne Qualitätsverluste aufs Neue in die Automobilproduktion gelangen kann. Das funktioniert gut: "Dank der Trennungs- und Reinigungsprozesse im Produktionsprozess sowie beim Recycler erreichen die Stanzabfälle aus dem Presswerk für das Recycling im Aluminium Closed Loop einen Reinheitsgrad von 99,9 Prozent", sagt Stanislav Novák, Leiter des Presswerk-Fachteams in Bratislava. Im Pilotjahr sei es gelungen, trotz der schwankenden Produktion aufgrund der schwierigen globalen Situation mehr als 6.600 t Aluminiumverschnitte an das Kreislaufprojekt zu liefern.

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