Steuerpolitik

Wir beziehen uns in diesem Kapitel auf die Kern-OECD Länder: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika. Wie auch in anderen Politikfeldern kommen die meisten ForscherInnen aus diesen Ländern und die meiste Forschung wird über diese Länder gemacht (Hakelberg und Seelkopf 2021). Wie sich weniger wohlhabende oder undemokratische Länder unterscheiden, lässt sich anderweitig nachlesen (Cottarelli 2011; Genschel und Seelkopf 2016). Einen Überblick zur Steuersituation in Entwicklungsländern geben Bahl und Bird (2008) oder Bastiaens (2021).

Niedrigere Mehrwertsteuersätze auf Güter des täglichen Bedarfs oder spezielle Verbrauchssteuern auf Luxusgüter wie Champagner versuchen, indirekte Steuern weniger regressiv zu machen. Da allerdings auch alle wohlhabenden KäuferInnen die niedrigere Steuer auf Güter des täglichen Bedarfs zahlen und reichere Menschen absolut mehr konsumieren (wobei sie einen relativ geringeren Teil ihres Einkommens hierfür ausgeben), ist der Umverteilungseffekt geschwächt. Luxussteuern machen das Gut für Ärmere noch unerschwinglicher. Der Internationale Währungsfond (2014) rät daher zu einem einheitlichen Mehrwertsteuersatz und Umverteilung auf der Ausgabenseite.

Dies ist allerdings nicht zwangsläufig so. Prinzipiell können alle Steuern regressiv, proportional oder progressiv gestaltet werden. Historisch waren beispielsweise Handelssteuern progressiv, da nur die Reichen in der formalen Ökonomie konsumierten. Direkte (Kopf)steuern hingegen waren häufig sehr regressiv gestaltet.

Der Freibetrag ist auch der Grund, warum sogenannte „Flat-Tax“-Systeme, die viele osteuropäische Länder eingeführt haben, trotz des gleichen Steuersatzes auf alle Arten von Einkommen progressiv sind. Allerdings greift diese Art der Progression vor allem am unteren Ende der Einkommensverteilung. Wie unser Beispiel zeigt, spielt der Freibetrag eine immer kleinere Rolle, je höher das Einkommen. Daher arbeiten die meisten direkten Steuern mit steigenden Grenzsätzen, um das System auch am oberen Ende progressiv zu gestalten.

Der Anteil direkter Steuern am BIP wird historisch bzw. in weniger entwickelten Ländern auch heute noch häufig als Maß der Staatskapazität insgesamt genutzt (Rogers und Weller 2014). Sozialabgaben sind Teil der direkten Steuern in dieser Abbildung.

In ökonomisch schwierigen Zeiten sank die Steuerlast nicht automatisch, sondern HausbesitzerInnen mussten ihre Fenster zumauern – eine unintendierte Konsequenz dieser Steuer, die noch heute sichtbar ist. Noch schlimmer als die architektonischen Nebeneffekte dieser Politik waren allerdings die Gesundheitseffekte eines Lebens ohne Tageslicht (Oates und Schwab 2015).

Einzelne spezielle Verbrauchsteuern wie die Schaumweinsteuer existieren heute noch neben generellen Verbrauchsteuern. Sie sind allerdings fiskalisch irrelevant, sondern dienen meist entweder der Besteuerung bestimmter Luxusgüter (um indirekte Steuern progressiver zu gestalten) oder der Besteuerung „sündigen“ Verhaltens (um Anreize zu setzen, weniger Alkohol, Zucker oder Tabak zu konsumieren). In ihrer modernsten Form werden sie meist als Umweltsteuern eingeführt.

Damit führen wir hier – entlang der englischsprachigen Literatur – die Machtressourcentheorie und die Parteiendifferenzthese in einem Ansatz zusammen.