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22.02.2024 | Venture Capital | Schwerpunkt | Online-Artikel

Start-ups ringen noch um VC-Finanzierungen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Das Zinsumfeld und die schwache Konjunktur machen Wagniskapitalgeber knausrig. Viele Entrepreneure bangen daher um die Finanzierung ihrer Geschäftsideen. Fallende Zinsen könnten dem Markt 2024 allerdings einen Aufschwung bescheren, so eine aktuelle KfW-Research-Studie.

Die Zeiten für eine Start-up-Finanzierung sind schwierig. Mitte vergangenen Jahres befragte der Digitalverband Bitkom rund 200 Jungunternehmen zu ihren Erfahrungen bei der Suche nach einer Finanzierung. 79 Prozent berichteten seinerzeit von einer stärkeren Zurückhaltung der Investoren aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Dabei gaben mehr als zwei Drittel (71 Prozent) an, in den kommenden 24 Monaten Kapitalbedarf zu haben. Im Durchschnitt gehe es dabei um 2,3 Millionen Euro. 2022 lag dieser mit 3,3 Millionen Euro fast ein Drittel höher. 

VC-Markt war 2023 zäh

Wie schwer sich Start-ups noch immer mit der Suche nach frischen Kapital tun, zeigen auch aktuelle Zahlen zum Winterquartal 2023 des Mitte Februar erschienen "KfW Venture Capital Dashboard". Dem Report zufolge haben von Oktober bis Dezember Jungunternehmen in Deutschland in insgesamt 204 Finanzierungsrunden knapp 1,5 Milliarden Euro von Venture-Capital-Gebern (VC-Gebern) eingesammelt. Dabei blieb das Volumen der Transaktionen mit einem leichten Minus von 2,9 Prozent auf dem Niveau des Vorquartals. Allerdings sank die Anzahl der Deals um 19 Prozent. 

Für das Gesamtjahr zählten die KfW-Research-Experten 1.088 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 7,2 Milliarden Euro. "Aufgrund eines starken ersten Halbjahres konnten 2022 noch rund 1.500 Runden mit einem Volumen von 10,5 Milliarden Euro realisiert werden", führen die Ökonomen aus. Allerdings dürften sich die Zahlen für 2023 noch durch Nachmeldungen erhöhen, so die Experten. Daher werde das Deal-Volumen final in etwa dem des Vorkrisenjahres 2019 entsprechen. 

Zinsanstieg und schwache Konjunktur belasten VC-Markt

2023 sei sowohl für Investoren als auch für Start-ups schwierig gewesen. "Neben der sukzessiven Anpassung des Marktes an das neue Zinsumfeld sorgten die schwache Konjunktur und mit dem Nahostkonflikt neuerliche politische Risiken für ein herausforderndes Umfeld", heißt es zur Begründung. Aufgrund dieser geänderten Rahmenbedingungen habe sich der Markt "deutlich verlangsamt und die Entwicklung in den zurückliegenden Quartalen glich eher einem Auf und Ab". 

So gab es laut CB-Insights im vierten Quartal 2023 auch kein neues Einhorn in Deutschland zu vermelden. Die Zahl dieser Start-ups, die ein Marktbewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar vorweisen, liegt aktuell bei 30. Das letzte Jungunternehmen kam im Herbst 2023 mit dem Start-up Helsing aus München hinzu. Mit diesem erreichten im abgelaufenen Jahr nur drei Jungunternehmen in Deutschland diesen Status.

Weniger Kapital für Wachstumsfinanzierung

Auch wenn in den letzten drei Monaten des Jahres die Mittel bei der Wachstumsfinanzierung im Vergleich zum Vorquartal wieder leicht auf 705 Millionen Euro zulegen konnten, hielten sich die Geldgeber im abgelaufenen Jahr in diesem Bereich aber deutlich zurück, zeigen die aktuellen Daten. Mit 48 Prozent falle der Anteil der Wachstumsfinanzierungen hinter den der Jahre 2019 und 2021 mit jeweils 60 Prozent und hinter dem Jahr 2020 mit 55 Prozent zurück. 

Ein Blick auf das Transaktionsvolumen der einzelnen Finanzierungsphasen zeige zudem, dass der Marktabschwung, der zunächst vor allem in späteren Finanzierungsphasen zum Tragen kam, im vergangenen Jahr erstmals auch auf den Seed-Bereich durchgeschlagen ist. Nach über einer Milliarde Euro im Vorjahr seien hier - wie auch in den anderen Marktsegmenten - mit 845 Millionen Euro im Jahr 2023 deutlich weniger finanzielle Mittel geflossen. 

Deutsche VC-Geber gewinnen an Bedeutung

Vor allem deutsche Wagniskapitalgeber seien seit 2022 deutlich aktiver, während ausländische und hier insbesondere die US-amerikanische VC-Gesellschaften nach dem Boom-Jahr 2021 deutlich zurückhaltender agieren. So sei der Anteil inländischer Investoren am Deal-Volumen im vierten Quartal 2023 auf einen Rekordwert von 38 Prozent geklettert, wie nachstehende Grafik belegt:  

Für diese Entwicklung seien drei Gründe wesentlich, so die KfW-Reaserach-Experten. Der deutsche VC-Markt sei auf Investorenseite in den letzten Jahren gewachsen. Ihr Fundraising habe im Jahr 2022 einen bisherigen Höhepunkt erlangt, was zu einer Ausweitung des Angebots an inländischen Mitteln im Jahr 2023 beigetragen haben dürfte. Zudem seien US-Investoren besonders häufig an großen Finanzierungsrunden beteiligt. "Diese bleiben im abkühlenden Markt jedoch vermehrt aus." 

Drittens konzentrierten sich einige internationale Investoren in der aktuellen Marktlage "auf das Bestandsgeschäft im Heimatmarkt und fahren das eigene Exposure im europäischen Tech-Sektor gleichzeitig zurück". Somit stehen auch strategische Entscheidungen hinter den zu beobachtenden Entwicklungen.

Health, Software, Fintechs und Energie stehen im Fokus

Zu den beliebtesten Zielen der Kapitalgeber gehören nach wie vor Start-ups aus dem Bereich Health und Life-Science. "Diese Unternehmen entwickeln Technologien wie medizinische Geräte, digitale Gesundheitsplattformen, Innovationen im Bereich Biotech und Medikamente", heißt es in der Studie. Aber auch Entrepreneure im Segment Enterprise Software stehen nach wie vor hoch im Kurs der Geldgeber. Im abgelaufenen Jahr profitierten diese besonders vom Boom bei Anwendungen der Künstlichen Intelligenz. Das habe ihren Marktanteil wieder gesteigert. 

Ein deutliches Revival nach einem starken Dämpfer im Jahr 2022 erlebt derzeit außerdem der Bereich Fintech, auf den im Gesamtjahr 2023 in Deutschland mit zwölf Prozent gar die meisten Deals entfielen", so die Ökonomen. 

Aber auch Jungunternehmen, die an der Energieerzeugung und -speicherung sowie an Clean-Energy-Lösungen arbeiten, sind für Wagniskapitalgeber interessant. Im Jahr 2023 stellen diese erstmals zehn Prozent aller Deals im Markt. Die Entwicklung im vierten Quartal deute auf ein weiteres Wachstum hin, "für das die Energiekrise und die grüne Transformation der Wirtschaft langfristige Impulse sein dürften".

Investoren wollen langfristige Geschäftsmodelle

Die starke Fokussierung auf bestimmte Branchen und Unternehmen stellen auch die VC-Marktstudie 2023 von Pricewaterhouse Coopers (Pwc) fest. Dieser zufolge halten 82 Prozent der Early-Stage-Investoren Selektion für den Schlüssel zur Wertsteigerung. Dabei konzentrieren sich 76 Prozent der Geldgeber vor allem auf kapitaleffiziente, nachhaltige und langfristige Geschäftsmodelle. 

Auch in dieser Erhebung zeigt sich eine Konzentration auf die Bereiche Software Development/SaaS, aber auch auf Start-ups, die in der Klimatechnologie, der Mobilität und Logistik oder der Bio- und Medizintechnologie aktiv sind. "Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen auch Impact Investments - vor allem mit Schwerpunkt auf Dekarbonisierung."

Die geringeren Bewertungen bei Start-ups eröffnen neue Möglichkeiten, denn die Nachfrage und der Finanzierungsbedarf auf dem Markt sind nach wie vor hoch. Während sich andere Investoren zunehmend zurückhalten, entstehen so vor allem für Corporate-VC-Investoren mögliche Geschäfte und Investitionen, die vor zwei Jahren wegen des Überangebots an Kapital nicht realisierbar waren", berichtet Enrico Reiche, Partner Venture Deals Lead bei Pwc Deutschland

Sinkende Zinsen verleihen VC-Markt auftrieb

Auch die Experten von KfW-Research haben verschiedene Faktoren ausgemacht, die dem Markt im laufenden Jahr wieder Schwung verleihen können: Hierzu gehöre die Aussicht auf sinkende Zinsen in der zweiten Jahreshälfte. Diese könne den Unternehmensbewertungen und somit auch den Exit-Optionen zugutekommen und die Fundraisingbedingungen verbessern. 

Aufgrund des sehr erfolgreichen Fundraisings aus den vergangenen Jahren bleibe die deutsche VC-Industrie zudem sehr gut kapitalisiert und Investoren profitieren derzeit von günstigeren Einstiegsbewertungen. "Nicht zuletzt hat mit dem Wachstumsfonds Deutschland zum Jahresende 2023 einer der größten VC-Dachfonds Europas sein Final Closing verkündet", so die Ökonomen.

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