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2024 | Buch

Verhüllung und Entblößung

Vom erzählenden Text:il zur filmischen Haut als Erfahrungsraum affektiver Identitätsentfaltung

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Über dieses Buch

Dieses Buch enthält eine interdisziplinäre Betrachtung zum identitätsbildenden Wechselspiel von Text, Textilem und der Haut im und über den Film. Kernthese ist die Überlegung, dass sich im Film über den Wechsel zwischen Textilem und nackter Haut ikonische Verdichtungen zugunsten eines assoziativen Erfahrungsraums entfalten. Dabei weicht der Stoff – der erzählerische gleichermaßen wie der textile – dem Sinnlichen, der Affizierung über die Haut. Die Untersuchung beleuchtet den Zusammenhang zwischen filmischer Rezeption und Selbstreflexion der Zuschauenden, aber auch einer Gesellschaft sowie des Films selbst im jeweils zeitlichen Kontext. Die Filmsehenden erfahren nicht nur das Geschehen und die Protagonist*innen, sondern vor allem auch sich selbst im Spiegel des Anderen – der anderen Figur, der anderen Geschichte, der anderen, filmischen Welt. Ziel der Untersuchung ist es, unter symbolische Hüllen zu schauen und das Wesentliche darunter zu entdecken. Durch die Interdisziplinarität der Arbeit werden nicht nur Interessierte der Film-, Medien- und Kulturwissenschaft, sondern auch der Soziologie, der Psychologie, des (Mode-)Designs, der Kunstgeschichte und der Architektur angesprochen. Das Buch regt zu Perspektivwechseln und interdisziplinärem Austausch auf der Basis der für uns alle existenziellen Haut an. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal werden Grenzen überwunden und Kollaborationen angeregt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung. Der Film als Medium der (Selbst-)Erfahrung
Zusammenfassung
„Weil ich zwei Hände habe, weiß ich“ – schreibt Gunter Gebauer 1984 in seinem Aufsatz Hand und Gewißheit und verweist damit auf die Signifikanz des Haptischen in der ästhetischen Wahrnehmung und die sich darüber eröffnende Möglichkeit der (Selbst-)Erkenntnis. Vor dem Hintergrund der an Bedeutung gewinnenden kognitions-psychologischen Emotionsforschung zeigt die Untersuchung anhand filmischer Inszenierungen von Verhüllung und Entblößung das Wechselspiel zwischen visueller und haptischer Wahrnehmung auf. Ausgehend von filmischen Figuren bzw. Figurendarstellungen und der Frage, wie sich diese zwischen bedeutendem Text:il und sinnlichem Empfinden entfalten, wird beleuchtet, welche Analogien sich zur (Selbst-)Erfahrung der Zuschauenden herstellen lassen und welche Rolle dabei der sensiblen Haut als Medium der taktilen sinnlichen Erfahrung zukommt.
Anke Steinborn
2. Text, Textil, Textur. Der rote Faden und das Wesentliche
Zusammenfassung
Im Vordergrund dieses Teils der Untersuchung stehen Theorien und Filmanalysen, in denen die Zusammenhänge von Text, Textil und Textur im Kontext des filmischen Erzählens dargelegt werden. Nach einem einleitenden Überblick zu den Entwicklungen des Textbegriffs im Allgemeinen wird anhand des Films Die Nibelungen (D 1924, R: Fritz Lang) die Übertragung des Textes und des Textbegriffes auf bzw. in den Film nachgezeichnet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Inszenierung der mythischen Erzählung und wie diese über die Handlung, die Mise en Scène sowie die Darstellung der Figuren und ihrer Kleidung identitätsstiftend wirkt. Daran anknüpfend wendet sich die Betrachtung den Figurendarstellungen in drei neueren Filmen der Jahre 2010–2016 zu. Ausgehend vom erzählenden Text der semantischen Kleidung erfolgt hier über den Akt der Entblößung eine Abwendung vom Textilen sowie vom bedeutenden Text, der durchdrungen wird, um das Wesentliche, das ‚wahre‘ Darunter erfahrbar zu machen. Im Fokus steht die Frage, welche filmästhetischen Veränderungen sich mit dem Akt der Entblößung vollziehen und wie sich darüber das Wesen der Protagonistinnen offenbart.
Anke Steinborn
3. Image, Identität, Authentizität. Das Bild und das Werden
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der Wechselwirkungen zwischen Image, Identität und Authentizität zeigt dieser Teil des Buches auf, wie sich die Einzigartigkeit, das Besondere, das Wesentliche einer Persönlichkeit im und über den Film einerseits ikonisch verdichten und andererseits multisensorisch erfahren lässt. Ausgehend von der mythologischen Gestalt der schönen aber Unheil bringenden Pandora wird anhand der Verfilmung Die Büchse der Pandora (D 1929, R: Georg W. Pabst) zunächst das Wesen und Werden des (filmischen) Bildes, verkörpert in der Protagonistin Lulu, herausgearbeitet. Daran anschließend wendet sich die Betrachtung exemplarischen filmisch inszenierten Künstler:innen-Images der 1990er und 2000er Jahre zu. In den Vordergrund rückt hier die Frage, über welche filmästhetischen Mittel und Zeichen das Bild der Künstler:innen im Wechselspiel zwischen Verhüllung und Entblößung verdichtet und/oder affektiv erfahrbar wird. Verschiedene Zeichenkategorien und Erfahrungsebenen der intertextuellen Persönlichkeitsimaginationen werden dargestellt und zur filmischen Erfahrung des ‚Wahren‘ in Beziehung gesetzt.
Anke Steinborn
4. Maschine, Mensch, Membran. Formulierung und transformative Affizierung
Zusammenfassung
In diesem Teil der Untersuchung werden die Beobachtungen der vorangegangenen Filmanalysen zu symbolischen Hüllen, Haut und Entblößung im Film auf die Apparatur und die Metaphorik der Haut des Films und somit die Wechselwirkung von Maschine, Mensch und Membran im Rezeptionsprozess übertragen. Ausgehend vom Film Metropolis (D 1927, R: Fritz Lang) verfolgt die Betrachtung die filmische Spur von konstruierten Mechanismen zu einer durchlässigen, affektiv erfahrbaren Membran und dem damit verbundenen filmästhetischen Wandel von geschlossenen, industriell geprägten Mustern zu offenen, multisensorischen Erfahrungsräumen. Dabei wird die Frage fokussiert, wie sich bei der Filmrezeption die ‚Haut‘ des Films der eigenen fühlenden Haut als Träger und ‚Leinwand‘ der Erinnerung annähert. Wie werden eigene Erinnerungen und Erfahrungen im bzw. über den Film so aktiviert, dass das Gesehene nicht nur affektiv und emotional wirkt, sondern auch auf die eigene Geschichte identitätsbildend rückwirkt.
Anke Steinborn
5. Fazit und Ausblick
Zusammenfassung
Anhand der beiden Modi Verhüllung und Entblößung wurde deutlich, wie sich im Wechsel zwischen Text, Textilem und nackter Haut ikonische Verdichtungen zugunsten eines assoziativen Erfahrungsraums entfalten. Ein Erfahrungsraum, in dem sich die Zuschauenden über affektives und szenisches Verstehen im Kontext ihrer eigenen Erinnerungen und Vorstellungen selbst erfahren und sich ihrer eigenen Wahrnehmungserfahrung synästhetisch gewahr werden. Vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Analogien zwischen der Filmrezeption und der Identitätsbildung sowie der individuellen und filmischen Selbstreflexion zeichnet sich mit der ästhetischen Wende zum Haptischen und der damit verbundenen Fokussierung der Haut ein skinematic turn ab, in dem sich einmal mehr das insbesondere therapeutische Potential des Films offenbart.
Anke Steinborn
Backmatter
Metadaten
Titel
Verhüllung und Entblößung
verfasst von
Anke Steinborn
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-43653-7
Print ISBN
978-3-658-43652-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43653-7