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25.04.2024 | Verwaltungsmanagement | Kolumne | Online-Artikel

Kostet Kraft: Ein eigenes Kraftwerk beantragen

verfasst von: Petra van Laak

4:30 Min. Lesedauer

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Nirgends gibt es so viele Sprachblüten wie im öffentlichen Sektor. In ihrer monatlichen Kolumne blickt Agenturchefin Petra van Laak auf die Auswüchse – mit einem Augenzwinkern, aber immer konstruktiv.

Haben Sie schon von den Balkonkraftwerken gehört? Diese Solarzellen, die man sich an den Balkon hängen und damit eigenen Strom produzieren kann? Eine gute Sache, denn das hilft bei der Energiewende und ist ein klares Bekenntnis zu den Erneuerbaren. Wenn da nicht der Antrag wäre. Schließlich steht einem ja eine satte Förderung zu. Im Antrag steht:

„Nach der Registrierung und Anmeldung im System gelangen Sie zum sogenannten Portal Dashboard – eine Übersicht für die Erfassung Ihrer Daten.“

Hui, hier -ungt es aber gewaltig. Registrierung, Anmeldung, Erfassung: Das macht es nicht gerade lesefreundlich. Dazu mit „Dashboard“ ein englischer Begriff, den nicht jede antragstellende Person kennen wird. Ginge doch alles leichtfüßiger:

„Das sind die Schritte:

  1. Registrieren Sie sich.
  2. Melden Sie sich an.
  3. Tragen Sie Ihre Daten auf der Übersichtsseite ein.“

Es geht noch schlimmer

Nehmen wir an, Sie hätten die erste Hürde genommen. Schon versperrt Ihnen das nächste Sprachungeheuer den Weg:

„Bitte nehmen Sie Ihre Eingaben linear in folgenden Schritten vor:

  1. Erfassen Sie in den Personendaten eine Person, für die der Antrag gestellt wird. Hierbei kann es sich sowohl um Einzelpersonen, Gemeinschaften oder auch Unternehmen handeln. Sofern Sie für mehrere unterschiedliche Antragsteller (z. B. einmal als Einzelperson und in einem weiteren Antrag als Ehegemeinschaft oder Unternehmen) einen Antrag stellen wollen, legen Sie bitte für jede:n Antragsteller:in einen neuen Kontakt an. Kontaktdaten müssen nicht mehrfach angelegt werden, wenn z. B. Eheleute gemeinsam einen Antrag stellen, diese können in einem Kontakt erfasst werden.“

Warum ist das so verwirrend oder gar frustrierend?

  • Schon in der ersten Anweisung taucht mit „linear“ ein Fremdwort auf, das nicht alle kennen dürften.
  • Es werden zu viele Infos in einen Punkt gequetscht, nämlich Art der Eingabe, verschiedene Arten von Antragstellenden, Anlage von Kontaktdaten und Ausnahmen.
  • Die Verbindungswörter „hierbei“ und „sofern“ sind leicht angestaubt.
  • Die umfangreichen Satzkonstruktionen beginnen mit einem Nebensatz: „Sofern Sie …, legen Sie bitte …“. Leserinnen und Leser müssen sich im Kopf parallel zum Lesen das Subjekt zusammensuchen.
  • Verneinungen verkomplizieren die Inhalte: „müssen nicht mehrfach angelegt werden“.

So wäre es verständlicher:

„Bitte machen Sie einen Schritt nach dem anderen, bitte nichts überspringen:

  1. Feld Personendaten: Wer stellt den Antrag? (Einzelperson, Hausgemeinschaft, Unternehmen)
  2. Gibt es mehrere unterschiedliche Antragstellende? Legen Sie bitte jeweils einen neuen Kontakt an. 
  3. Stellen Sie den Antrag gemeinsam, zum Beispiel als Eheleute? Dann brauchen Sie nur einen Kontakt anlegen.“

Wollen die meinen Antrag vielleicht gar nicht?

Doch. Wollen sie. In diesem Fall ist die Investitionsbank Berlin wirklich hinterher, mehr Menschen für Steckersolargeräte zu gewinnen, wie die Balkonkraftwerke offiziell heißen. Aber wer zum Teufel denkt sich dann solche Antragsformulare aus? Ich kenne mehrere Leute in meinem Umfeld, die den Antragsprozess gerade ruhen lassen oder ganz abgebrochen haben oder erst gar nicht damit anfangen. Das ist schade. Denn es geht ja um eine gute Sache.

Für unnötige bürokratische Hürden und Formalitäten gibt es sogar einen Fachbegriff: Red Tape. Hier handelt es sich um digitales Red Tape, wie es in der Titelgeschichte im April in innovative Verwaltung beschrieben ist.

Wie komplizierte Formulare entstehen

Manchmal überlege ich, wie es zu solch komplizierten Formularen kommt. Ich stelle mir das in etwa so vor:

  • Ein engagiertes Team bastelt an einem Förderprogramm.
  • Wenn es fertig entwickelt und von alle Gremien genehmigt ist, befasst sich ein weiteres Team mit dem Prozess der Antragstellung. Alles soll digital funktionieren, was löblich ist.
  • Ein Dienstleister beziehungsweise eine Software muss her. Meist ist es eine SaaS-Lösung, eine „Software as a Service“-Lösung. Sie verspricht, Antragsprozesse zu optimieren und zu vereinfachen.
  • Die Anbieter der Software können programmieren und beachten die Usability. Vernünftig texten können sie deshalb nicht unbedingt. Müssen sie auch nicht. Sie müssen sich dessen aber bewusst sein.
  • Die Programmiererinnen und Programmierer treffen auf die Verwaltungsspezialistinnen und -spezialisten. Hinzu kommt noch eine Handvoll Hausjuristinnen und -juristen.

Jetzt mixen Sie das mal durch – erwarten Sie, dass da ein Antragsprozess herauskommt, den die Bürgerinnen und Bürger leichtfüßig durchschreiten können?

Bezieht andere Sichtweisen ein!

Wenn ein solcher Antragsprozess aufgesetzt wird, sollten weitere Personen mit ins Boot kommen:

  • Nutzerinnen und Nutzer, mal mehr, mal weniger digitalaffin: Sie geben konstruktives Feedback zur Verständlichkeit des Prozesses.
  • Gestalterinnen und Gestalter: Sie sorgen für ein angenehmes und barrierefreies Layout.
  • Texterinnen und Texter: Sie formulieren alles in klarem Deutsch, am besten gleich in Einfacher Sprache, denn die ist ab Juni 2025 vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ohnehin vorgeschrieben.
  • Mitarbeitende: Sie können wertvolle Hinweise dazu geben, wie sich die digitalen Prozesse vereinfachen lassen.
  • Digitale Lotsinnen und Lotsen: Sie schauen sich Prozesse im Hinblick auf Service Design an.

Bis dahin bleiben Sie bitte tapfer, was Anträge angeht, und offen dafür, was die Energiewende betrifft!

Sind Ihnen in letzter Zeit Sprachblüten aufgefallen? Schicken Sie sie gerne an die Autorin! Hier geht es zu Petra van Laaks Kontaktdaten.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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