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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

Zusammenfassung für Entscheidungstragende

verfasst von : Assoz. Prof. Dr. Karl-Heinz Erb, Univ.-Prof.in Dr.in Ulrike Tappeiner, Univ.-Doz.in Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Robert Jandl, Dr. Andreas Baumgarten, Univ.Ass. Dipl.-Ing. Dr. Hartmut Dumke, Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Tatjana Fischer, Assoc. Prof. Dr. Herbert Formayer, Mag.a Dr.in Veronika Gaube, Univ.-Prof. DDr. Michael Getzner, Assoc. Prof.in Dr.in Simone Gingrich, Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Georg Gratzer, Dipl.-Ing. Dr. Willi Haas, Dr. Friedrich Hinterberger, Dr.in Jill Jäger, Mag.a Charlotte Kottusch, Dipl.-Ing. Dr. Florian Kraxner, DI.in Dr.in Katharina Lapin, Dipl.-Vw.in Dr.in Ina Meyer, Dr. Thomas Schinko, Univ.-Prof.in Kyoko Shinozaki, Mag.Dr. Stefan Schneider, Dr. Silvio Schüler, Univ.Prof. Dr. Gernot Stöglehner, PD Dr Mag Erich Tasser, MMag. Ph.D. Thomas Thaler, Dr. Peter Weiss, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Walter Wenzel, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Werner Zollitsch

Erschienen in: APCC Special Report: Landnutzung und Klimawandel in Österreich

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Die Zusammenfassung für Entscheidungstragende fasst die Inhalte des APCC Special Report „Landnutzung und Klimawandel in Österreich“ in komprimierter Form zusammen. Im Lichte des Zusammenhanges von Landnutzung, Klimawandel und gesellschaftlichem Wohlergehen werden die gegenwärtige Situation und zukünftige Entwicklungen in Österreich synoptisch beschrieben, wesentliche Optionen der Klimawandelanpassung und des Klimaschutzes dargestellt, deren Trade-offs und Synergien systematisch beleuchtet und zentrale Einsichten zur Umsetzung von Strategien zum Klimaschutz und der Klimawandelanpassung in Österreich zusammengefasst.
Leitautor_innen:
Karl-Heinz Erb1, Ulrike Tappeiner2,3, Robert Jandl4, Andreas Baumgarten5, Hartmut Dumke6, Tatjana Fischer1, Herbert Formayer1, Veronika Gaube1, Michael Getzner6, Simone Gingrich1, Georg Gratzer1, Willi Haas1, Friedrich Hinterberger7, Jill Jäger8, Charlotte Kottusch9, Florian Kraxner9, Katharina Lapin4, Ina Meyer10, Thomas Schinko9, Kyoko Shinozaki11, Stefan Schneider12, Silvio Schüler4, Gernot Stöglehner1, Erich Tasser3, Thomas Thaler1, Peter Weiss13, Walter Wenzel1, Werner Zollitsch1
Nachwuchswissenschafter_innen:
Paula Bethge1, Bastian Bertsch-Hörmann1
Zitiervorschlag:
APCC (2024): Zusammenfassung für Entscheidungstragende. [Erb, K.-H., U. Tappeiner, R. Jandl, A. Baumgarten, H. Dumke, T. Fischer, H. Formayer, V. Gaube, M. Getzner, S. Gingrich, G. Gratzer, W. Haas, F. Hinterberger, J. Jäger, C. Kottusch, F. Kraxner, K. Lapin, I. Meyer, T. Schinko, S. Schneider, S. Schüler, K. Shinozaki, G. Stöglehner, E. Tasser, T. Thaler, P. Weiss, W.- Wenzel, W. Zollitsch]. In: APCC Special Report: Landnutzung und Klimawandel in Österreich [Jandl, R., Tappeiner, U., Foldal, C. B., Erb, K.-H. (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg, S. 1–28.
1
Universität für Bodenkultur Wien
2
Universität Innsbruck
3
Eurac Research
4
Bundesforschungszentrum für Wald
5
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
6
Technische Universität Wien
7
Universität für angewandte Kunst Wien
8
privat
9
Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA)
10
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
11
Paris Lodron Universität Salzburg
12
GeoSphere Austria
13
Umweltbundesamt GmbH

A. Einleitung: Landnutzung, Klimawandel und gesellschaftliches Wohlergehen

Die Landnutzung stellt eine Grundlage der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dar [hohe Konfidenz]. Die Bereitstellung von Nahrung, Wasser und anderen Ressourcen ist eine nicht ersetzbare, essenzielle Funktion der Landnutzung, ebenso wie die Raumfunktion für Siedlungen und Infrastruktur, die Schutzfunktion (z. B. vor Muren, Lawinen, Überschwemmungen), sowie viele weitere regulierende, unterstützende und kulturelle Funktionen (z. B. Bodenbildung, Bestäubung, Erholung). Die biologische Vielfalt ist eng mit diesen Funktionen verknüpft. Die Funktionen und deren Interaktion werden durch den Klimawandel maßgeblich beeinflusst. Gleichzeitig ist die Landnutzung, global und auch in Österreich, ein wesentlicher Treiber der Erderhitzung wie auch des Biodiversitätsverlusts [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​1; 1.​2; 1.​4}
A.1
Landökosysteme spielen eine Schlüsselrolle beim Austausch von Energie, Wasser und Aerosolen zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre [hohe Konfidenz]. Landökosysteme sind – wie auch die biologische Vielfalt – in unterschiedlichem Maße vom Klimawandel betroffen sowie anfällig gegenüber Wetterextremen. Eine nachhaltige Landnutzung kann dazu beitragen, die negativen Auswirkungen des Klimawandels und von Wetterextremen auf Ökosysteme und auf die Gesellschaft zu reduzieren [hohe Konfidenz]. Anpassungspotenziale sind jedoch beschränkt [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​1.​2; 1.​2.​2; 1.​4; 3.​5; 4.​2; 4.​3}
A.2
Landökosysteme wirken, in Abhängigkeit von Landnutzung und Klima(-wandel), als Quellen oder als Senken für Treibhausgase. Zudem können Veränderungen der Landnutzung wesentlich zur Emissionsminderung beitragen, etwa durch die Bereitstellung oder den Ausbau von Kohlenstoffsenken. Emissionsminderungspotenziale sind aber beschränkt und gekennzeichnet durch Ziel- und Interessenskonflikte, z. B. zwischen Nahrungsmittelproduktion, Energieproduktion, Siedlungsentwicklung und Naturschutz [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​1.​2; 1.​2.​4; 2.​2; 2.​5; 5.​1; 5.​2; 6.​2; 6.​3; 8.​4.​1.​2}
A.3
Zukünftige klimawandelbedingte Herausforderungen der Landnutzung stehen in engem Zusammenhang mit Entwicklungen in anderen Sektoren, wie z. B. Industrie, Energiebereitstellung und Verkehr [hohe Konfidenz]. Während späte oder geringe Emissionsminderungen in diesen Sektoren den Anpassungsdruck in der Landnutzung und die Nachfrage nach landbasierten Minderungsoptionen erhöhen, können zügige Emissionsminderungen und Reduktionen der Nachfrage diese abschwächen. Hier besteht ein hohes Potenzial, bestehende Ziel- und Interessenskonflikte zwischen Anpassung, Emissionsminderung und anderen Funktionen der Landnutzung zu verschärfen oder abzuschwächen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​1; 6.​2; 9.​5}

B. Gegenwärtige Situation und zukünftige Entwicklungen in Österreich

In Österreich werden 33 % der Fläche als Landwirtschaftsflächen genutzt, 48 % der Flächen sind Waldflächen, etwa 7 % der Fläche sind Siedlungsraum (Stand 2020), 2 % Oberflächengewässer und Feuchtgebiete (Abb. ZfE.1), nur etwas mehr als 10 % der meist im Hochgebirge gelegenen Fläche sind noch weitgehend naturnah. Während landwirtschaftliche Flächen abnehmen, nehmen Wald- und Infrastrukturflächen zu. Die klimawandelbedingte Erwärmung liegt in Österreich über dem globalen Durchschnitt und wird sich mindestens bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts fortsetzen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2.​1; 1.​2.​2; 1.​2.​3}
B1.1
Eine klimawandelbedingte Erwärmung der Landökosysteme ist für die nächsten Jahrzehnte unvermeidbar und neben dem Temperaturanstieg mit einer Zunahme von Extremereignissen (Dürre, Starkregen) verbunden [hohe Konfidenz]. Der Mitteltemperaturanstieg betrug in Österreich seit der vorindustriellen Periode mehr als 2 °C (global: ca. 1 °C; Abb. ZfE.2) und betrifft alle Jahreszeiten. Die Zunahme hat sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt [hohe Konfidenz]. Die weitere Entwicklung in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts hängt stark vom menschlichen Verhalten ab. Beim Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens stabilisiert sich die Temperatur im Bereich der natürlichen Schwankungen, werden keine Klimaschutzmaßnahmen ergriffen, setzt sich die Erwärmung mit mehr als 3 °C fort [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2.​1; 1.​3.​1}
B1.2
Die Siedlungs- und die Waldflächen in Österreich wurden in den letzten Jahrzehnten ständig größer, während landwirtschaftliche Flächen abnahmen [hohe Konfidenz]. Dies kann als Ausdruck eines landwirtschaftlichen Strukturwandels, der durch eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Betriebe, Abnahme der ländlichen Bevölkerung, und Zunahme der Verbuschung gekennzeichnet ist, gewertet werden. {Abschn.​ 1.​2.​3; 3.​4.​2; 3.​5.​4}
B1.3.
Die Siedlungs- und Verkehrsflächen haben in den letzten Jahrzehnten in Österreich stark zugenommen. Täglich werden rund 11,5 ha Fläche versiegelt [hohe Konfidenz]. Im Jahr 2019 sind insgesamt 5729 km2, das sind 7 % der Landesfläche, Siedlungen und Infrastrukturflächen. Die nachteiligen ökologischen und sozialen Folgen (wie z. B. Biodiversitätsverluste, Verlust von Bodenfunktionen, Hitzeinseln, Kosten für die Instandhaltung von Infrastruktur, Verlust zusammenhängender Freiflächen, hoher Ressourcenverbrauch und damit zusammenhängende Umweltbelastungen) sind gut dokumentiert [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2.​2; 1.​2.​3; 3.​4.​1; 3.​4.​2; 3.​4.​3}
B1.4
Wie in anderen Europäischen Ländern setzte auch in Österreich – nach einer langen Phase des Waldflächenrückgangs – im 19. Jahrhundert eine Trendumkehr und Ausdehnung der Waldfläche ein. Diese ist auf den Wandel von landwirtschaftlicher Subsistenz zu einer industrialisierten Volkswirtschaft zurückzuführen. Durch den Ersatz von Brennholz und Holzkohle durch fossile Energieträger, Änderungen in der Waldbewirtschaftung und die Wiederbewaldung von landwirtschaftlichen Grenzertragsböden und Almen hat sich der Zustand der Wälder im 20. Jahrhundert verbessert, bis durch Luftverunreinigungen und den Klimawandel die österreichischen Wälder wieder unter Druck kamen [hohe Konfidenz]. Die Daten der Österreichischen Waldinventur zeigen, dass seit den 1960er-Jahren die Waldfläche von 3,69 auf derzeit 4,02 Mio. ha zugenommen hat. Die Waldflächenzugänge befinden sich hauptsächlich im bäuerlichen Kleinwaldbesitz [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2.​2; 1.​2.​3; 3.​2; 3.​3.​1}
B1.5
Nicht alle Landnutzungstypen stellen in gleichem Ausmaß Ökosystemleistungen zur Verfügung. Landwirtschaftliche Nutzflächen stellen vorwiegend Versorgungsleistungen bereit (Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln), aber auch andere Ökosystemleistungen, wie z. B. Bodenfruchtbarkeit, Bestäubung und kulturelle Identität. Ökosystemleistungen von Wäldern umfassen Versorgungsleistungen (z. B. Sägerund- und Brennholz), Regulierungsleistungen (z. B. Kohlenstoffbindung, Schutz vor Naturgefahren, Regulierung des Wasser- und Nährstoffkreislaufs) und kulturelle Leistungen (z. B. Erholungsraum, Landschaftsbild). Eine Versiegelung des Bodens durch Siedlungsbau führt grundsätzlich zu einem Verlust von regulierenden Ökosystemleistungen. Grünanlagen, Friedhöfe und Gärten spielen heute eine bedeutende Rolle für den Erhalt der Biodiversität, ein günstiges Stadtklimas oder die Verbesserung der Luftqualität. Grüne Infrastruktur erfüllt zudem in hohem Ausmaß kulturelle Ökosystemleistungen (z. B. Umweltbildung, Treffpunkte verschiedener Gesellschaftsschichten). In welchem Ausmaß dabei die unterschiedlichen Ökosystemleistungen bereitgestellt werden, hängt von der Form und Intensität der Nutzung ab [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​3; 3.​5.​2}
B1.6
In Österreich ist der Wald Hauptlieferant von Bioenergie, die von besonderer Bedeutung für die regionale und dezentrale Energieversorgung ist: 14 % der im Inland produzierten erneuerbaren Energie entfallen auf Scheitholz, 40 % auf sonstige feste biogene Energieträger, die zum Großteil aus Waldbiomasse hergestellt werden [hohe Konfidenz]. Die energetische Holznutzung im Ausmaß von 25,5 Mio. m3 pro Jahr wird hauptsächlich von Nebenprodukten der Holzverarbeitung, inkl. Rinde (10,4 Mio. m3) und Papierherstellung (Laugen; 4,5 Mio. m3), aus der Verarbeitung von importiertem und heimischem Holz und geringfügig aus Altholz (0,5 Mio. m3) bedient. Dazu kommen etwa 3,5 Mio. m3 Hackgut und 6,6 Mio. m3 Brennholz aus dem österreichischen Einschlag für die direkte energetische Nutzung. Rechnerisch stammt mehr als ein Drittel der energetisch genutzten Waldbiomasse aus Importen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​3.​2; 2.​7; Box 3.​4}
B1.7
Österreichs Selbstversorgungsgrad (SVG) ist bei Fleisch und Milchprodukten im Generellen hoch (Konsummilch 177 %, Rindfleisch 145 %). Bei Eiern, Getreide, Käse, Hühnerfleisch und Schweinefleisch, Bier und Wein ist die Bilanz annähernd ausgeglichen. Netto-Importe finden sich bei Butter (SVG 73 %) und Putenfleisch (44 %). Bei Futtermitteln fällt der SVG unterschiedlich aus: klassische Futtergetreide und Körnermais liegen bei 84 und 96 %, proteinreiche Futtermittel (Nebenprodukte der Pflanzenölerzeugung) unter 50 % [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​2.​2}
B1.8
Auf der land- und forstwirtschaftlich genutzten Fläche wurden 2018 1,3 % der Brutto-Wertschöpfung Österreichs erwirtschaftet. Die wirtschaftliche Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft ist vor allem in ländlichen Räumen überdurchschnittlich. Neben der Verarbeitung der Primärproduktion spielt die Veredelungswirtschaft (Erzeugung und Import von Biomasserohstoffen und Export von hochverarbeiteten Gütern) in Österreich eine wichtige Rolle. Der Klimawandel kann in Österreich zu geringeren Erntemengen aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse sowie zu höheren Produktionskosten (insbesondere im Osten, z. B. durch Bewässerung) führen [mittlere Konfidenz]. Der Zentralalpenraum ist davon hingegen weniger betroffen, in höheren Lagen kann der Klimawandel sogar zu Produktionssteigerungen führen [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2; 1.​2.​2; 1.​3.​3; 1.​3.​4}

B.2 Die Treibhausgasbilanz Österreichs

Insgesamt stellt der in der Treibhausgasinventur definierte Sektor Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzungen (engl. abgekürzt „AFOLU“) im Jahr 2020 eine Netto-Emissionsquelle in Österreich in der Größenordnung von 5,7 Mio. t CO2e/Jahr (8 % der Gesamtemissionen) dar [mittlere Konfidenz]. Die (zuletzt kleiner gewordene) Senke, welche Wälder und der Holzproduktepool bilden, wird dabei durch die Emissionen aus der Landwirtschaft wieder ausgeglichen und überstiegen [mittlere Konfidenz]. Verkehrs- und Gebäudeemissionen haben ebenfalls Landnutzungsbezug und verursachen rund 40 % der Treibhausgasgesamtemissionen Österreichs (Stand 2020). Sie stellen aber einen anderen Sektor gemäß Treibhausgasinventur dar (Abb. ZfE.3). {Abschn.​ 2.​2.​3.​1; 2.​2.​3.​2; 2.​2.​3.​3; 7.​1; 7.​1.​3}
B2.1
Der Großteil (54 %) der rund 7,0 Mio. t CO2e/Jahr Emissionen in der Landwirtschaft entfällt auf Methan-Emissionen aus dem Verdauungstrakt von Viehbeständen, v. a. Rindern, 15 % auf Wirtschaftsdüngereinsatz und 29 % auf direkte und indirekte Emissionen aus dem Boden [hohe Konfidenz]. Emissionen aus diesem Bereich nahmen seit 1990 stetig ab (\({-}\)14 %). {Abschn.​ 2.​2.​3.​1; 2.​2.​3.​2; 2.​2.​3.​3; 2.​6.​1}
B2.2
Der AFOLU-Bereich Landnutzung, Landnutzungswechsel und Forstwirtschaft (engl. abgekürzt LULUCF) stellt im Jahr 2020 – anhand von mehrjährigen Mittelwerten berechnet – eine Kohlenstoffsenke mit rund \({-}\)1,4 Mio. t CO2e/Jahr dar [mittlere Konfidenz]. Diese beruht hauptsächlich auf Waldflächenausweitung (65 %), gefolgt von Erhöhungen der Holzvorräte im Wald (28 %) und aus österreichischem Holz produzierten Produkten (7 %; Tab. ZfE.1; mittlere Konfidenz). Seit dem Senken-Peak von rund 19 Mio. t CO2e/Jahr im Jahr 1999 nimmt die jährliche Senke im Wald kontinuierlich ab (\({-}\)87 % seit 1999), unter anderem bedingt durch eine Zunahme der Ernte (teilweise störungsbedingt) bei gleichzeitiger Abnahme des Holzzuwachses im Wald. Der allgemeine Trend der Senkenabnahme zeigt sich im langjährigen Mittel (neue Inventurergebnisse zeigen beträchtliche jährliche Schwankungen) und wird sich ohne gegensteuernde Maßnahmen wahrscheinlich fortsetzen und der LULUCF-Bereich zu einer Quelle werden [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 2.​2.​3; Box 2.​2}
Tab. ZfE.1
Treibhausgasemissionen und -senken des Landnutzungssektors (AFOLU: Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzungen) Österreichs 1990, 2000, 2018, 2019 und 2020. Angaben in kt CO2-Äquivalenten (CO2e) für Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) pro Jahr. Positive Zahlen: Emissionen; negative Zahlen: Senken. (Quelle: Umweltbundesamt 2022)
 
THG
1990
2000
2018
2019
2020
Gesamtemissionen Österreich in kt CO2e/Jahr
CO2, CH4, N2O
78.423
80.085
78.558
79.741
73.592
Sektor Landwirtschaft
Verdauung in Rindermägen
CH4
4513
4191
3819
3764
3733
Wirtschaftsdünger-Management (CH4 und N2O)
CH4, N2O
1137
993
1097
1085
1079
Düngung landwirtschaftlicher Böden
N2O
2381
2101
2018
1985
2003
Sonstige
CO2, CH4, N2O
88
91
155
151
149
Summe Sektor Landwirtschaft
CO2, CH4, N2O
8119
7376
7090
6985
6964
% der Gesamtemissionen
10 %
9 %
9 %
9 %
9 %
Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
Wald
CO2, CH4, N2O
\({-}\)10.874
\({-}\)15.994
\({-}\)2434
\({-}\)2427
\({-}\)2420
Davon im bestehenden Wald
CO2, CH4, N2O
\({-}\)7864
\({-}\)13.629
\({-}\)734
\({-}\)733
\({-}\)732
Davon Neubewaldung
CO2, N2O
\({-}\)3009
\({-}\)2365
\({-}\)1701
\({-}\)1694
\({-}\)1688
Acker
CO2, N2O
326
108
343
361
407
Grünland
CO2, CH4
649
471
333
331
329
Feuchtgebiete
CO2
42
36
66
60
59
Siedlungsraum
CO2, N2O
455
326
226
241
295
Sonstiges Land
CO2, N2O
458
381
296
267
250
Holzprodukte
CO2
\({-}\)3122
\({-}\)1889
\({-}\)1969
\({-}\)1462
\({-}\)173
Summe Sektor LULUCF
CO2, CH4, N2O
\({-}\)12.065
\({-}\)16.561
\({-}\)3139
\({-}\)2629
\({-}\)1253
% der Gesamtemissionen
\({-}\)15 %
\({-}\)21 %
\({-}\)4 %
\({-}\)3 %
\({-}\)2 %
Summe Landwirtschaft und LULUCF (i.e. AFOLU)
\({-}\)3946
\({-}\)9186
3951
4355
5711
% der Gesamtemissionen
\({-}\)5 %
\({-}\)11 %
5 %
5 %
8 %
B2.3
Die aktuelle C-Senke in Österreichs Ökosystemen ist auf die Wirkung von vergangenen und gegenwärtigen Landnutzungen und -bewirtschaftungen zurückzuführen und die dadurch verursachte Differenz zwischen aktuellem und potenziellem Kohlenstoffbestand in der Landschaft. Der potenzielle Kohlenstoffbestand bezieht sich auf jene Vegetation, die sich ohne Landnutzung etablieren würde, und stellt mit 0,8 Gt C – das ist das rund 40-Fache der jährlichen Emissionen Österreichs [mittlere Konfidenz] – das hypothetische Maximum des Kohlenstoffspeicherpotenzials der Vegetation dar. Drei Viertel dieser Differenz kommt durch die landwirtschaftliche Nutzung zustande, durch die potenzieller Waldbestand durch Agrarökosysteme ersetzt wird. Ein Viertel der Differenz ist auf reduzierte Kohlenstoffbestände in genutzten Wäldern gegenüber unbewirtschafteten Wäldern zurückzuführen. Die Realisierung von vergleichsweise großen Emissionsminderungpotenzialen ist bereits bei einer mäßigen Verkleinerung dieser Differenz zwischen aktuellem und potenziellem Kohlenstoffbestand in der Vegetation möglich. Die entsprechende Realisierung würde aber einen tiefgreifenden Landnutzungswandel bedingen und damit Zielkonflikte zwischen Landnutzungsinteressen (Versorgung mit Rohstoffen) und Emissionsminderung erzeugen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 2.​2.​2}
B2.4
Die UNFCCC-Treibhausgasbilanz ist territorial bzw. an einer Produktionsperspektive orientiert und stellt daher nur Emissionen dar, die direkt im jeweiligen Land anfallen. Unter Berücksichtigung der Außenhandelsbeziehungen, also bei einer konsumorientierten Betrachtung, wird deutlich, dass im Bereich Ernährung der „Fußabdruck“ um 60–120 % größer ist als jener der territorialen Bilanz [mittlere Konfidenz]. Dies ist ein Hinweis auf eine geografische Auslagerung von Umweltbelastungen und Treibhausgasemissionen in andere Länder [hohe Konfidenz]. Industrieländer, wie auch Österreich, in denen der Holzvorrat im Wald zunimmt, importieren zusehends landwirtschaftliche Produkte aus Regionen mit Netto-Abholzung [mittlere Konfidenz]. Für die Holzwirtschaft liegen keine vergleichbaren Berechnungen vor. Diese Forschungslücke ist insofern schwerwiegend, da Österreich ein relevanter globaler Handelspartner in Bezug auf Holz und Holzprodukte ist und Importe sich auf rund die Hälfte des im Inland geschlägerten Rundholzes belaufen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​3.​2; 2.​7; 3.​3.​3}

B.3 Klimawandelauswirkungen, sozio-ökonomische Treiber und Herausforderungen in der österreichischen Landnutzung

Sozioökonomische Faktoren (z. B. Einkommenssteigerungen und damit verbundene wachsende Konsumausgaben), demografische und soziale Entwicklungen (z. B. Altersstruktur, soziale Veränderungen, Ernährungsgewohnheiten), politische Rahmenbedingungen (Agrar-, Energiepolitik oder Raumordnung), technische Entwicklungen sowie klimatische Treiber bedingen gemeinsam die Landnutzung. Dabei spielt die Erderhitzung eine immer größere Rolle. In der Vergangenheit und Gegenwart sowie bis 2050 haben die sozio-ökonomischen Treiber noch einen größeren Einfluss auf Landnutzungsentscheidungen als klimawandelbedingte Treiber [mittlere bis hohe Konfidenz]. Nach 2050 wird sich dieses Verhältnis bei unzureichender oder zu langsamer Emissionsminderung umdrehen (je nach Emissionsminderungsszenario und in Abhängigkeit von sozio-ökonomischen Entwicklungen früher oder später) [mittlere Konfidenz]. Dies hat weitreichende Folgen für Österreichs Landnutzung, wobei die Auswirkungen räumlich sehr unterschiedlich ausfallen [mittlere Konfidenz]. Wesentlich für zukünftige Entwicklungen sind Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen in der Landnutzung. {Abschn.​ 3.​23.​4}
B3.1
Die agrarpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, inklusive der fortschreitenden Integration in die Weltmärkte, führten in der Vergangenheit zu einer Erhöhung der Produktivität (produzierte Biomasse pro Fläche) und Kapitalisierung der landwirtschaftlichen Produktion in Österreich [hohe Konfidenz]. Dabei kam es zu einer Zunahme der Betriebsgröße bei gleichzeitiger Abnahme der Anzahl der Betriebe und der Anbauflächen. Durch gezielte Maßnahmen in den 1990er-Jahren wurde eine Extensivierung und Abschwächung negativer Umweltauswirkungen erzielt (Bodenfruchtbarkeit, Stickstoffemissionen) [mittlere Konfidenz]. Allerdings stagniert dieser Trend seit den 2000er-Jahren. {Abschn.​ 3.​2.​2}
B3.2
Durch klimawandelbedingt steigende Temperaturen sowie sich verändernde Muster und Häufigkeiten von Niederschlägen (und darauffolgendem Schädlingsbefall) und Extremereignissen (z. B. Trockenheit, Frostrisiko) verändern sich Potenziale und Risiken im Anbau von spezifischen Nutzpflanzen. Beispielsweise kann sich durch Ertragseinbußen bei den Kulturarten Weizen, Körnermais und Kartoffeln der Selbstversorgungsgrad 2036–2065 von derzeit über 100 % auf deutlich unter 100 % reduzieren – also Netto-Importe notwendig werden [mittlere Konfidenz]. Die durch den Klimawandel bedingten Auswirkungen auf die Landwirtschaft sind jedoch durch das komplexe Zusammenspiel von vielen Faktoren (Wetterextremereignissen, Schädlingsbefall, Dürreperioden oder Effekten von Ozon und CO2 auf das Pflanzenwachstum sowie Anpassungsmaßnahmen, wie neue Kulturarten) nicht eindeutig prognostizierbar und regional sehr unterschiedlich. Trockenheit bzw. Niederschlagsverfügbarkeit sind wesentlich für die räumliche Heterogenität [hohe Konfidenz], aber die hohe Bandbreite an möglichen Niederschlagsszenarien bedingt eine geringe Konfidenz in Prognosen der Auswirkungen. {Abschn.​ 3.​2.​1}
B3.3
Der Klimawandel hat große Auswirkungen auf Praktiken und Einkommen in der Landwirtschaft, wie z. B. zusätzliche Investitionen in Anbautechniken (z. B. Bewässerungsanlagen), Änderung der Anbaumuster und Fruchtfolgen oder die Nutzung neuer (adaptierter) Nutzpflanzenarten und -sorten [mittlere Konfidenz]. Steigende Temperaturen und die Verlängerung der Vegetationsperiode ermöglichen in Regionen mit genügend Niederschlag eine Intensivierung der Grünlandbewirtschaftung (Erhöhung der jährlichen Schnitthäufigkeit) oder eine Umwandlung von Grünland in Ackerland. Dies kann allerdings Konflikte mit dem Erhalt der Biodiversität erzeugen. {Abschn.​ 2.​3.​3}
B3.4.
Klimawandelbedingte Störungen im Wald, durch Dürre, extreme Schneefallereignisse, Sturm und darauffolgende Borkenkäfervermehrungen haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen [hohe Konfidenz]. Die künftige Rolle dieser Störungen, sowie von Waldbrand, dürfte zunehmen. Das Ausmaß der resultierenden Waldschäden ist jedoch noch nicht verlässlich beurteilbar. Die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Österreichs Wäldern (z. B. Schutzwirkung für Siedlungen und Infrastruktur) wird durch Störungen jedenfalls reduziert [hohe Konfidenz]. Besonders betroffen sind (a) die arten- und strukturarmen sogenannten „sekundären Fichtenwälder“ in Tieflagen, (b) die Wälder in sommerwarmen Gebieten, die vermehrt von Dürreschäden betroffen sind und (c) zunehmend auch Bergwälder. {Abschn.​ 3.​3.​2; 3.​3.​4}
B3.5
Von besonderer Bedeutung ist auch der Effekt von Störungen der Bestandsstruktur auf das Mikroklima, welches dadurch in seiner Funktion als Puffer für größere Klimaveränderungen behindert wird, denn ein intaktes Kronendach bspw. gleicht Temperaturschwankungen aus [hohe Konfidenz]. Nachhaltige Strategien zum Umbau von Wäldern umfassen daher nicht nur Kohlenstoffspeicherung und -stabilität, sondern auch andere Faktoren, wie z. B. das Mikroklima, die Schutzfunktion vor Naturgefahren oder auch den Wasserhaushalt. {Abschn.​ 3.​3.​2; 3.​5.​2; Box 3.​6; Abschn.​ 4.​3.​2; 5.​1.​2; 8.​4.​6}
B3.6
Auch Städte sind von den Konsequenzen des Klimawandels betroffen. Dazu zählen vor allem häufigere Hitzewellen und Hochwasserereignisse, darüber hinaus auch Massenbewegungen (Muren, Lawinen) für Städte im alpinen Raum [hohe Konfidenz]. Die Auswirkungen des Klimawandels stellen daher auch die Stadtbewohner_innen vor zunehmend große Herausforderungen, wobei arme und armutsgefährdete Personen und ältere Menschen besonders gefährdet sind [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​4.​1}
B3.7
Die kontinuierliche Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen ist eine Begleiterscheinung des steigenden Wohlstands infolge des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums und der damit einhergehenden Veränderungen der Ansprüche an den Raum [hohe Konfidenz]. Dies wiederum geht Hand in Hand mit einem erhöhten Ressourcen- und Energiebedarf [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​2}
B3.8
Die verstärkten Hitzeinseleffekte durch Bodenversiegelung und die erhöhte Schadstoffbelastung der Luft durch verstärkten motorisierten Individualverkehr wirken sich negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung Österreichs aus [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 8.​4.​5; 8.​4.​5.​18.​4.​5.​2}

B.4 Ökosystemleistungen und Biodiversität in Österreich

Landnutzung und Landnutzungsänderungen führten und führen zu Veränderungen des Landschaftsbildes, der Landschaftsvielfalt und damit auch der Biodiversität sowie zu einer Veränderung – im Allgemeinen eine Abnahme – bei der Erbringung von bereitstellenden, regulierenden und kulturellen Ökosystemleistungen in Österreich [hohe Konfidenz], einhergehend mit einer Abnahme der Ökosystem- und Artenvielfalt [hohe Konfidenz]. Der Klimawandel beeinflusst zusätzlich sowohl die Vulnerabilität von Ökosystemen als auch die Resilienz der Bereitstellung von Ökosystemleistungen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​5.​1 bis Abschn.​ 3.​5.​4}
B4.1
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist beispiellos in Ausmaß und Geschwindigkeit. Im globalen Durchschnitt sind etwa 25 % der bewerteten Tier- und Pflanzenarten bedroht, in Österreich zeigen sich im Vergleich dazu überdurchschnittliche Bedrohungen. 45 % der Säugetierarten, 57 % der Brutvogelarten, 100 % der Kriechtiere und Lurche, 33 % der Farn- und Blütenpflanzen und 29 % der Pilzarten sind in Österreich gefährdet, die Populationen von Wirbeltieren sind in den letzten 30 Jahren um 40 % zurückgegangen [hohe Konfidenz]. Zudem ist die Hälfte der für Österreich ausgewiesenen 488 Biotoptypen gefährdet [hohe Konfidenz]. Die Datenlage in Bezug auf Artenverluste bei Insekten ist für Österreich schlecht. (Intensive) Landnutzung, gefolgt von Klimawandel und invasiven Arten, sind die Haupttreiber von Biodiversitätsverlust [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 8.​4.​6.​18.​4.​6.​3}
B4.2
Der Klimawandel und der Strukturwandel in der Landwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte führte zu einer zunehmenden räumlichen Differenzierung in Hinblick auf die Erbringung von Ökosystemleistungen [hohe Konfidenz]. In der Zukunft wird es aufgrund des weiter fortschreitenden Klimawandels, unter der Annahme gleichbleibender Trends in den sozio-ökonomischen Entwicklungen (u. a. Zuzug in Stadtregionen und Stadtumlandgebieten, Konzentrierung von Produktions- und Dienstleistungsunternehmen entlang hochrangiger Infrastruktur, Abwanderungen aus peripheren ländlichen Regionen, boomende Tourismusregionen), zu einer Fortsetzung dieses Trends kommen. Regulierende und kulturelle Ökosystemleistungen werden dabei als Folge der Reduzierung der landwirtschaftlichen Nutzung und der damit einhergehenden Ausbreitung der Waldfläche in höheren Lagen, anders als in bestehenden Waldflächen (siehe A3.4), weit weniger stark abnehmen, während die bereitstellenden Ökosystemleistungen flächendeckend zurückgehen werden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​4; 3.​5; 4.​3.​4; 8.​4.​6.​18.​4.​6.​3}
B4.3
Kulturelle Ökosystemleistungen, die stark von der Art der Landnutzung sowie der Landschaftszusammensetzung und -vielfalt abhängen (wie z. B. ästhetische und symbolische Werte oder Erholungsfunktionen) könnten durch die zunehmende Vereinheitlichung der Landschaft, etwa durch die Bewaldung von zuvor arten- und strukturreichen Wiesenlandschaften (Almen o. ä.), die Intensivierung der Landwirtschaft (bspw. durch Monokulturen) und einer Ausweitung von Siedlungs- und Infrastrukturflächen weiter zurückgehen [hohe Konfidenz]. Dementsprechend sind die Reduktion der Nutzungsintensität, ein Gegensteuern zur Vereinheitlichung und der Erhalt von vielfältigen Kulturlandschaften zentrale zukünftige Herausforderungen für eine nachhaltige und resiliente Entwicklung. {Abschn.​ 3.​5.​1; 3.​5.​4}
B4.4
Änderungen in der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung haben Auswirkungen auf die Ökosystemleistungen und die Biodiversität [hohe Konfidenz]. Häufig führt die Maximierung von bereitstellenden Ökosystemleistungen (z. B. die erhöhte Bereitstellung von Nahrungsmitteln durch landwirtschaftliche Intensivierung) zu einem Biodiversitätsverlust und zu Rückgängen der regulierenden und kulturellen Ökosystemleistungen, da diese von der Biodiversität abhängig sind [hohe Konfidenz]. Intensive Landwirtschaft kann bei gleichbleibender Produktion zwar die Flächenkonkurrenz reduzieren und damit die Möglichkeit der Renaturierung von landwirtschaftlichen Flächen eröffnen („land sparing“), allerdings führt eine Intensivierung auch zu einer Abnahme der Resilienz der Böden (Bodenerosion, Degradierung) und damit langfristig zu Produktionseinbußen [mittlere Konfidenz]. Methoden des „land sharing“ (wie z. B. allgemeine Extensivierung, Biolandwirtschaft, Permakultur oder Agroforstsysteme) hingegen führen kurzfristig zu Produktionseinbußen (im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft), sorgen aber langfristig für resilientere Ökosysteme und damit für stabile Produktionsverhältnisse [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​5.​1}
B4.5
Die Art der Waldbewirtschaftung hat Auswirkungen auf die Resilienz von Waldbeständen gegenüber den zunehmenden Störungen im Klimawandel [hohe Konfidenz]. Ein Waldumbau hin zu Laub- und Mischbeständen trägt dazu bei, die Resilienz der Wälder zu erhöhen und verbessert, neben mehr Totholzvorräten, die Bereitstellung von regulierenden Ökosystemleistungen und die Waldbiodiversität [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​3.​2; 4.​3.​1}
B4.6
Eine anhaltende Flächenversiegelung erhöht den Bedarf nach regulierenden Leistungen wie Hitze-, Hochwasser-, Steinschlag- und Windschutz, um die durch den Klimawandel verursachten Gefahren und Schäden für die Gesundheit und die Umwelt zu reduzieren [hohe Konfidenz]. Gleichzeitig führt Bodenversiegelung grundsätzlich zum Verlust von regulierenden Ökosystemleistungen, beeinflusst aber auch kulturelle und versorgende Ökosystemleistungen negativ [mittlere Konfidenz]. Grüne Infrastruktur in Städten (wie z. B. Grünanlagen, Gärten und offene Flussläufe) ist deshalb nicht nur für regulierende Ökosystemleistungen und die Biodiversität wichtig, sondern auch für kulturelle und versorgende Ökosystemleistungen [hohe Konfidenz]. Die Schaffung von Grüner Infrastruktur ist ein zentrales Element der Raumentwicklung. {Abschn.​ 3.​5.​3; 7.​1.​2; 7.​2.​1}

C. Anpassung

C.1 Anpassungsstrategien

Eine vorrausschauende, „proaktive“ Anpassung an die zunehmenden klimabedingten Veränderungen, wie z. B. Trockenheit, Hitze oder invasive Arten, die auf Resistenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit (siehe Abb. ZfE.4) gleichermaßen achtet, ist vorteilhafter als eine ausschließlich reaktive Anpassung [hohe Konfidenz]. Anpassungsmaßnahmen in Land- und Forstwirtschaft werden bereits bei einem Temperaturanstieg unter 1,5–2 °C notwendig; in Österreich ist demnach bei der aktuellen Erwärmung von 2 °C schon Handlungsbedarf gegeben. Besondere Bedeutung kommt dabei standortangepassten Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der Düngung oder Bewässerung, dem Schutz der Bodenfunktionen und der Biodiversität, sowie konsumseitigen Maßnahmen, wie z. B. einer Ernährungsumstellung hin zu einer überwiegend pflanzlichen Ernährung, zu. Diese tragen dazu bei, die Vulnerabilität der Ökosysteme zu reduzieren, die Bereitstellung von Ökosystemleistungen aufrechtzuerhalten oder auszubauen und Zielkonflikte abzuschwächen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​3; 4.​1; 5.​1.​2; 8.​1; 8.​4; 9.​3}
C1.1
Eine vorrausschauende Planung und systematische Erfassung potenzieller Anpassungsmaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft an den Klimawandel unter Berücksichtigung der existierenden Unsicherheiten kann helfen, negative Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen zu vermeiden [hohe Konfidenz]. Es stehen zahlreiche Informationen und Ansätze zur frühzeitigen, proaktiven und langfristigen Klimawandelanpassung zur Verfügung, beispielsweise auch mit den Klimawandelanpassungsstrategien von Bund und Ländern. In der nominellen und funktionellen Raumordnung fehlen diese Planungen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​1; 4.​2; 7.​2.​3; 7.​3}
C1.2
Aufgrund kleinräumiger und vielfältiger Topografien und einer dadurch bedingten Diversität der österreichischen Landnutzungssysteme ist die Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel regional sehr unterschiedlich. Die Entwicklung und Anwendung von Anpassungsstrategien, welche lokale naturräumliche Standortseigenschaften sowie regionale sozio-ökonomische Bedingungen, aber auch Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen berücksichtigen, ist daher erforderlich [hohe Konfidenz]. Die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser spielt hierbei eine Schlüsselrolle, insbesondere in der Landwirtschaft [hohe Konfidenz]. Dabei kann es auch zu Zielkonflikten kommen, wenn z. B. durch einen sinkenden Grundwasserspiegel aufgrund von Bewässerung bei Trockenheit der Nitratgehalt im Wasser ansteigt. {Abschn.​ 4.​1.​1; 4.​2.​1; 4.​2.​4.​1; 4.​2.​4.​2}
C1.3
Der Schutz und Erhalt der Biodiversität sichert Ökosystemleistungen und hat eine Schlüsselfunktion für effektive und nachhaltige Anpassungsmaßnahmen in der Landnutzung [hohe Konfidenz]. Entscheidende Faktoren für den Schutz der Biodiversität sind eine standortangepasste, nicht zu intensive Flächennutzung, die Größe, Qualität und räumliche Verteilung von Ausgleichsflächen inner- und außerhalb von Schutzgebieten sowie das Vorhandensein und die Erhaltung von Korridoren und Trittsteinbiotopen zur Vernetzung der Populationen [hohe Konfidenz]. Anpassungsmaßnahmen, die keinen Biodiversitätsschutz beinhalten, sind weniger erfolgsversprechend [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​1; 4.​1.​2; 4.​3.​3; 4.​3.​4}

C.2 Landwirtschaft

Klimabedingte Störungen umfassen zunehmende Trockenheit und die Ausbreitung von Schadorganismen und können zu Verschärfungen der Flächenkonkurrenz führen. Anpassungsmaßnahmen sind vorhanden und werden teilweise bereits umgesetzt, sind aber mit erheblichen Kosten verbunden [hohe Konfidenz]. Synergien zwischen Klimawandelanpassung und Zielen wie dem Biodiversitätsschutz können hergestellt werden, allerdings sind Anpassungsmaßnahmen in einigen Bereichen beschränkt [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​1.​2; 4.​2.​1}
C2.1
Die natürliche Wasserverfügbarkeit wird, bedingt durch stärkere Trockenperioden, für den Pflanzenbau zu einem zunehmend ertragslimitierenden Faktor, dem zumindest in manchen Regionen durch Bewässerung, den Umstieg auf trockenresistentere Sorten oder die räumliche Verlagerung der Produktionsgebiete begegnet werden kann [hohe Konfidenz]. Diese Optionen sind oft mit beträchtlichen Kosten verbunden. Die Wassernutzungseffizienz kann auch durch ackerbauliche Maßnahmen wie z. B. Mulchsaat erhöht werden. Alle Maßnahmen bedürfen dabei einer lokalen Beurteilung, um die Standortverhältnisse bestmöglich zu berücksichtigen und zu nutzen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1}
C2.2
Ein zentraler Hebel der Klimawandelanpassung in der Landwirtschaft ist die nachhaltige Sicherung der Bodenfunktionen, insbesondere die langfristige Stabilisierung eines optimalen Humusgehaltes [hohe Konfidenz]. Eine abwechslungsreiche Fruchtfolge, Gründüngung, Zwischenfruchtanbau, Mischkulturen, Untersaaten, Agroforstsysteme und Biodiversitätsflächen erhöhen die Widerstandskraft des landwirtschaftlichen Systems gegen extreme Wetterbedingungen sowie gegen Unkraut- und Schädlingsdruck und tragen positiv zur Biodiversität und zum Klimaschutz bei [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1}
C2.3
Der Klimawandel und globale Handelsströme verändern die Ausbreitungsmuster und das Schadenspotenzial von Schadorganismen und Pflanzenkrankheiten, was angepasste Pflanzenbaumethoden, effizienten Pflanzenschutz und gezielte Resistenzzüchtung erfordert [mittlere Konfidenz]. Dem vermehrten Auftreten von Schadorganismen und Pflanzenkrankheiten kann mit Pflanzenschutzmethoden, z. B. der Etablierung vielfältiger Fruchtfolgen, der Förderung von Nützlingen oder einer hohen biologischen Aktivität der Bodenorganismen, sowie mit gezielter Resistenzzüchtung entgegengewirkt werden [mittlere Konfidenz]. Der fortschreitende Klimawandel macht zudem die Prüfung und Etablierung neuer, angepasster Kulturarten oder Sorten notwendig, um Erträge zukünftig sicherstellen zu können [hohe Konfidenz]. Hier ist auch ein Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Regionen, die jetzt schon andere Klimabedingungen haben, sinnvoll. Das Wissen über die Ausbreitungsmuster und ökologischen Wechselwirkungen von Schädlingen und Krankheiten ist noch spärlich. Konkrete Lösungen zur Eindämmung der Schadorganismen und Krankheiten erfordern Forschung und langfristiges Monitoring [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1}
C2.4
Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet. Durch die hohe Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln werden 60 % der Ackerflächen und 100 % des Grünlandes für die Erzeugung von Futtermitteln verwendet [hohe Konfidenz]. Unter sich verändernden Klimabedingungen, die die Möglichkeiten der Landbewirtschaftung einschränken, herrscht hier ein Zielkonflikt, hervorgerufen durch die Konkurrenz zwischen Futtermittelproduktion und pflanzlichen Nahrungsmitteln auf dem Ackerland. Ein Umbau der Produktionssysteme auf verstärkt pflanzliche Nahrungsmittel ist hier deutlich effizienter und klimaschonender, erfordert aber eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1; 5.​3.​2; 8.​4.​3}
C2.5
Im Dauergrünland sind die Anpassungsstrategien an den Klimawandel begrenzt: Die Wasserspeicherkapazität kann durch Humusaufbau nur geringfügig erhöht werden; die großflächige flächendeckende Bewässerung von Grünlandflächen ist derzeit aus ökonomischen Gründen und aufgrund zahlreicher Konflikte bei der Wassernutzung unrealistisch. Maßnahmen wie die Einhaltung einer Schnitthöhe von nicht unter 8 cm, die Erhöhung der Pflanzenartenvielfalt (bei optimalem Flachwurzler-Tiefwurzler-Verhältnis), die Anpflanzung von Windschutzhecken und das Schließen von Lücken im Bestand tragen zu einer besseren Wassernutzungseffizienz bei [mittlere Konfidenz]. Unter dem Gesichtspunkt ansteigender Temperaturen und verringerter Niederschläge kommt dem Erhalt von Almflächen eine besondere Bedeutung zu, da dort mit einer verbesserten Produktivität zu rechnen ist. Der Vermeidung von Bodenverdichtungen kommt aus Sicht der Mitigation, aber auch der Erhaltung der Bodenfunktionen, große Bedeutung zu [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​2; 5.​2.​1.​2}

C.3 Forstwirtschaft

In den österreichischen Wäldern häufen sich klimawandelbedingte Störungen, deren Auswirkungen (insb. eine erhöhte Baummortalität) von einer historischen, dem Standort nicht entsprechenden Baumartenwahl verstärkt werden [hohe Konfidenz]. Hohe Temperaturen und Trockenheit erhöhen die Anfälligkeit vieler Wälder gegenüber Schädlings- und Krankheitsbefall sowie zumeist menschlich verursachten Waldbränden [hohe Konfidenz]. Anpassungsmaßnahmen werden vorgenommen, um die Resistenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Wälder zu erhöhen, sodass die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Bereitstellung vielfältiger Ökosystemleistungen trotz Klimawandel höher wird. {Abschn.​ 3.​3.​2; 4.​3.​1}
C3.1
Die Transformation von Nadelwaldreinbeständen in Mischwälder wird in Österreich seit etwa 30 Jahren forciert und reduziert die Gefährdung der Wälder durch Borkenkäfer und andere biotische Schäden. Durchforstungen erhöhen die Stabilität der Wälder gegen Dürre und Sturmschäden. Das Spektrum der möglichen Baumartenkombinationen wird durch Verbiss von Schalenwild beträchtlich verkleinert [hohe Konfidenz]. In Regionen, in welchen die heimischen Baumarten mit den erwarteten künftigen Standortsbedingungen nicht zu Rande kommen, ist neben standortsgerechter Provenienzwahl auch der Einsatz von im Forstgesetz genannten nichtheimischen Baumarten eine Option [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​3.​1; 4.​3.​2}
C3.2
Die Anpassungsmaßnahmen verringern unter gegenwärtigen Rahmenbedingungen die betriebliche Wirtschaftlichkeit der Waldwirtschaft. Als Folge von unterlassenen Anpassungsmaßnahmen sind ungeplante Nutzungen von nicht hiebsreifen Beständen zu erwarten. Dies und der Verkauf von Schadholz sowie der verstärkte Schadholzanfall führen zu geringeren Preisen. Kurzfristige Destabilisierungen der Waldbestände nach Durchforstungen können durch häufigere Eingriffe geringeren Ausmaßes, die mit höheren Kosten verbunden sind, minimiert werden [hohe Konfidenz]. Für Szenarien einer starken Erwärmung liefert das forstliche Versuchswesen noch keine belastbaren Lösungsvorschläge. {Abschn.​ 4.​3.​2; 5.​1.​2}
C3.3
Die österreichische Holzwirtschaft hat sich als globaler Technologieentwickler mit hoher ökonomischer Relevanz etabliert. Die erwartete Veränderung des Holzaufkommens (Baumarten, Holzqualität) führt zu Veränderungen, welche die Holzwirtschaft proaktiv begleitet. Für die Holzwirtschaft besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um die künftige Nachfrage nach Holzprodukten mit den dann verfügbaren Holzmengen zu bedecken [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1}

C.4 Siedlungen

Zu den unmittelbar spürbaren Konsequenzen des Klimawandels in dicht bebauten Siedlungsstrukturen zählen u. a. die gesundheitlichen Belastungen vor allem vulnerabler Personengruppen während Hitzeperioden sowie Gebäudeschäden durch häufigere Extremwetterereignisse [hohe Konfidenz]. Dies trifft sowohl auf städtische als auch ländliche Siedlungsräume zu, wenngleich sich diese hinsichtlich der Verteilung und Häufigkeit der extremwetterspezifischen Betroffenheit unterscheiden. Klimaanpassungsmaßnahmen, wie die Renaturierung von Fluss- und Bachläufen, Begrünungen von Gebäuden und öffentlichen Räumen, Entsiegelungen, ein effizientes Wassermanagement, die Erhaltung und Schaffung von Frischluftschneisen sowie bauliche Anpassungsmaßnahmen (Gebäudeausrichtung, Beschattung, Wärmedämmung), gelten als effektive Instrumente zur Abmilderung der Auswirkungen des Klimawandels [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​4.​1; 3.​4.​3; 4.​4}
C4.1
Klimaanpassungsmaßnahmen im Gebäudebereich können die durch den Klimawandel wachsende gesundheitliche Beeinträchtigung durch Hitze, städtische Hitzeinseleffekte wie auch das Überschwemmungsrisiko mindern. Die Umsetzung derartiger Maßnahmen nimmt unterschiedliche Zeiträume in Anspruch. Die Änderung der Gebäudeausrichtung oder der Einbau konstruktiver Beschattungselemente bedingen Neu- bzw. Umbau, was kostenintensiver ist und längere Planungs- und Umsetzungshorizonte nach sich zieht, die vorab oft Änderungen in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen erfordern. Das Wissen zur Anpassung von Gebäudestrukturen und -ausrichtung sowie Materialien ist vorhanden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​4}
C4.2
Die Erhöhung des Anteils von Grünflächen (inkl. Dachterrassen, Hof- und Fassadenbegrünung) und die Öffnung von versiegelten Flächen können die wachsende Zahl an Hitzetagen und Tropennächten in dicht verbauten Siedlungsgebieten abmildern [hohe Konfidenz]. Auch Aufforstungen in Stadtrandbereichen oder entlang von Flüssen können die Funktion der Städte als Treibhausgassenke entwickeln. Begrünungsmaßnahmen schaffen ein ausgewogenes Verhältnis von versiegelten zu offenen, grünen Flächen und werden daher als Schlüsselelement der Klimawandelanpassung in Städten betrachtet [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​4}
C4.3
Die Wasserversorgung des städtischen Grüns während Hitzewellen und Trockenheit ist eine zentrale Anpassungsmaßnahme. Ein integriertes, nachhaltiges Wassermanagement, inklusive einer Implementierung von Retentionsmaßnahmen (z. B. „Schwammstadtprinzip“) und die Vergrößerung bzw. Öffnung von Wasserflächen können zudem den städtischen Hitzeinseleffekt mindern, Überflutungen reduzieren, Regenwasser in trockeneren Perioden verfügbar halten und die Wasserkörper vor Schadstoffimissionen schützen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​4}
C4.4
Eine Verdichtung durch das Ausnutzen der maximal zulässigen Gebäudehöhen kann sich, abhängig von der Breite der Straße, durch die stärkere Beschattung der Straßen und Plätze tagsüber positiv auf die lokale Temperaturentwicklung auswirken und bewirkt einen geringeren Baulandbedarf [hohe Konfidenz]. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass eine nicht maßvolle Nachverdichtung kontraproduktiv sein kann. {Abschn.​ 4.​4}
C4.5
Eine entsprechende Ausrichtung von Gebäuden und Straßenzügen sowie Platzierung von linearen Grünelementen zwischen Stadtrand (Gebieten mit nächtlichem Kaltluftbildungspotenzial) und Stadtzentrum in Hauptwindrichtung kann Frischluftschneisen und Kaltluftströme begünstigen und so lokale, bodennahe Zirkulationssysteme fördern [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​4}

C.5 Naturschutz

Der Erhalt bzw. die Erhöhung der Biodiversität ist ein zentrales Ziel, aber auch Mittel der Klimawandelanpassung. Es ist fraglich, ob bestehende Schutzgebiete unter dem Einfluss des Klimawandels ihre Schutzgüter (Zielarten) erhalten können [mittlere Konfidenz]. Der Verlust der Biodiversität kann mit Landnutzungsmaßnahmen, wie z. B. einer Anpassung der Schutzgebietsgrenzen, Renaturierungen oder dynamischen Schutzkonzepten, effizient aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden; bestenfalls kann die Biodiversität sogar gesteigert werden, auch in einem sich ändernden Klima [mittlere Konfidenz]. Anpassungsmaßnahmen, welche die Biodiversität fördern, sind gut beschrieben und können unmittelbar eingesetzt werden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​1.​2; 4.​3.​4}
C5.1
Eine ausreichende Flächengröße und -konnektivität der Schutzgebiete sowie die rechtzeitige Identifizierung von Gebieten mit zukünftig idealen Lebensräumen für die Zielarten und von Möglichkeiten zur Renaturierung sind essenziell für erfolgreiche Anpassungsmaßnahmen [hohe Konfidenz]. Besondere Bedeutung kommt der Konnektivität von Schutzgebieten untereinander und mit anderen natürlichen und naturnahen Lebensräumen zu. Verbundene Schutzgebiete fördern die Erhöhung der Habitatqualität, gewährleisten einen genetischen Austausch zwischen Populationen und erlauben die klimabedingte Migration von Arten, die deren Überleben sichert [hohe Konfidenz]. Dies steigert die Anpassungsfähigkeit von Arten an sich verändernde Umweltbedingungen und reduziert somit Biodiversitätsverluste [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​3.​4}
C5.2
Durch die Erweiterung des hoheitlichen Naturschutzes, der sich vor allem um die Bewahrung wertvoller Lebensräume und den Schutz von Arten kümmert, um einen dynamischen integrativen Biodiversitätsschutz, der aktiv Lebensraumqualitäten verbessert und flexibel auf klimatische Veränderungen reagiert, ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten. Angesicht des Klimawandels und der daraus resultierenden Verschiebung von Lebensräumen ist ein Fokus auf den Schutz der Lebensräume außerhalb von Schutzgebieten sowie auf die nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen zielführend [hohe Konfidenz]. Eine biodiversitätsfördernde Anpassungsmaßnahme in Agrar- und Waldökosystemen ist die Erhöhung der Habitatqualitäten außerhalb von Schutzgebieten durch standortangepasste Reduktion der Bewirtschaftungsintensität (z. B. Reduktion der Schnitte im Grünland, der Düngemenge oder der Pestizidgaben) und durch Diversifizierung der Nutzung, wodurch zusätzlich Lebensräume für viele Zielarten geschaffen werden [hohe Konfidenz]. Allerdings kann extensive oder ausbleibende Pflege landwirtschaftlicher Flächen (z. B. in Steillagen oder auf Almen) mittelfristig zur Wiederbewaldung und damit zum Verlust von Agrarökosystemen führen. Beheimaten solche Agrarökosysteme eine hohe Biodiversität, besonders gefährdete Arten oder sind sie wichtig für das Landschaftsbild oder den Schutz wertvoller Biotope, so wirken sich diese Entwicklungen negativ auf den Biodiversitätserhalt einer Region aus. Es kommt zu einem Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Biodiversitätsschutz [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​1; 3.​2; 6.​3.​3}
C5.3
Ein wichtiger Beitrag zum Naturschutz ist der Erhalt der Agrodiversität. Der Anbau von alten Kulturarten und -sorten sowie die Züchtung von gefährdeten einheimischen Nutztierrassen stellen dabei nicht nur einen naturschutzfachlichen und kulturhistorischen Mehrwert dar, sondern dieser Genpool kann auch zur Entwicklung neuer, angepasster Kultursorten und Nutztierrassen in laufenden Zuchtprogrammen verwendet werden [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​1}
C5.4
Eine wesentliche Ursache für den Verlust von Biodiversität in Österreich ist die Fragmentierung von Lebensräumen [hohe Konfidenz]. Diese resultiert vor allem aus den bisherigen Siedlungsentwicklungen (Zersiedelung der offenen Kulturlandschaft, Suburbanisierung, der signifikante Ausbau von Verkehrsinfrastruktur), welchen durch Maßnahmen wie Nachverdichtung, Innenentwicklung und Entsiegelung sowie Rückbau entgegengewirkt werden kann. Bei an landwirtschaftlichen Flächen angrenzenden Schutzgebieten ist die Einrichtung von Pufferzonen eine Schlüsselmaßnahme, sie kann beispielsweise eine Verbreitung von Agrochemikalien in Schutzgebiete unterbinden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​4.​2; 3.​5.​4; 4.​1.​2; 4.​3.​3; 4.​3.​4}
C5.5
Waldbauliche Maßnahmen zur Vermeidung von Habitatfragmentierung beinhalten die Erhaltung bzw. Förderung von Totholzinseln, Habitatbäumen und die Einrichtung von Trittsteinbiotopen [hohe Konfidenz]. Da frühe und sehr späte sukzessionale Entwicklungsstadien im Wald die höchste Biodiversität aufweisen [hohe Konfidenz], solche Flächen im Wald aber nur in geringem Ausmaß vorhanden sind, kann eine deutliche Erhöhung des Anteils von Wäldern, in denen keine Nutzungen und keine Aufarbeitung von Störungsflächen durchgeführt werden, die Biodiversität im Wald allgemein und besonders von seltenen Arten erhöhen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 3.​5.​2; 3.​5.​4; 4.​3.​2; 4.​3.​3; 8.​4}
C5.6
Ein dynamisch-integratives Schutzgebietsmanagement, welches nach Schutzgebietskategorien und den jeweiligen Erhaltungszielen variiert, kann dazu beitragen, die Herausforderungen fortschreitender Klimaveränderungen, von Umweltverschmutzungen und steigenden Besucherfrequenzen zu meistern [hohe Konfidenz]. Dies beinhaltet beispielsweise ein aktives und kontinuierliches Monitoring von invasiven nichtheimischen Arten sowie deren Zurückdrängung, oder die Erhaltung der Lebensräume von gefährdeten regionalen (besonders endemischen) Pflanzenarten. {Abschn.​ 4.​3.​4}
C5.7
Gegen Maßnahmen zur Minderung der Biodiversitätskrise insgesamt, besonders gegen die Einrichtung von Ökoflächen, formiert sich unter anderem auch in Europa zunehmend Widerstand von politisch vernetzten und finanziell gut ausgestatteten Gruppen [hohe Konfidenz]. Für Österreich wurde dies noch nicht wissenschaftlich analysiert. {Abschn.​ 8.​5}

D. Klimaschutz

D.1 Potenziale

Eine Vielzahl von landbasierten Klimaschutzmaßnahmen existiert, sie umfassen (a) Maßnahmen der Substitution Treibhausgasemissions-intensiver Produkte und Dienstleistungen, (b) effizienzsteigernde Maßnahmen durch z. B. eine Reduktion des Ressourceneinsatzes pro Produkt oder Dienstleistung, (c) Suffizienzmaßnahmen, z. B. die Reduktion oder Veränderung der Nachfrage nach landbasierten Produkten und Dienstleistungen, und (d) die Bewahrung oder Erhöhung von langlebigen Kohlenstoffbeständen in Biomasse, Boden und der Gesellschaft (Senken). Potenziale finden sich in allen Landökosystemen, werden in Österreich bisher jedoch nur teilweise ausgeschöpft, da die einzelnen Maßnahmen oft mit Ziel- und Interessenskonflikten verbunden sind [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1}
D1.1
Das gemeinsame Potenzial landbasierter Emissionsminderung ist im Verhältnis zu den gesamten Treibhausgasemissionen klein, insbesondere auch wegen der vielfältigen negativen ökologischen Auswirkungen und negativen Wechselwirkungen mit anderen Dienstleistungen (z. B. Landnutzungskonkurrenz mit Ernährungssicherheit oder Biodiversität) bei einer großskaligen Implementierung [hohe Konfidenz]. Sie kann aber – einen umsichtigen Einsatz vorausgesetzt – einen wichtigen Beitrag in der Transformationsphase zu einem C-emissionsfreien Produktions- und Energiesystem leisten [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1; 5.​3; 9.​3}
D1.2
Das Mitigationspotenzial der Landnutzung ist abhängig von Standortfaktoren (ökologische Funktionen wie Nährstoffzyklus oder Biodiversität) und von der gegenwärtigen und vergangenen Inanspruchnahme von Ökosystemleistungen (z. B. Differenz zwischen aktuellem und potenziellem Kohlenstoffbestand in Boden und Biomasse) durch die Gesellschaft. Die Umsetzung von Mitigationsmaßnahmen stellt für die agrarische und forstliche Praxis – wegen der Notwendigkeit von Änderungen etablierter Prozesse und möglicher Interessenskonflikte – häufig große Herausforderungen dar [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1; 9.​3}
D1.3
Die Effekte von Mitigationsmaßnahmen in Land- und Forstwirtschaft können durch räumliche bzw. sektorale Verlagerung von Treibhausgasemissionen („carbon leakage“, „Spill-over“-Effekte) oder indirekte Landnutzungsänderungen reduziert werden, verloren gehen oder zu Netto-Emissionen führen [hohe Konfidenz]. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Märkte für agrarische und forstliche Produkte weitgehend globalisiert sind und Österreichs Wirtschaft auf die Veredelung von Biomasseprodukten (Import von Rohstoffen, Export von Fertigwaren) spezialisiert ist [hohe Konfidenz]. Diese Verlagerungen erschweren die Erstellung von robusten Emissionsbilanzen und die Überprüfbarkeit von lokalen Maßnahmen hinsichtlich ihrer globalen Wirksamkeit [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 2.​7; 5.​3}

D.2 Landwirtschaft

In der agrarischen Landnutzung kommt dem Boden eine große Bedeutung für die Vermeidung und Bindung von Treibhausgasemissionen zu [hohe Konfidenz]. Mitigationsmaßnahmen bedürfen einer systemischen Optimierung, die die Intensität der Landnutzung, die Gestaltung von Anbausystemen, die Fruchtfolge, das Düngemanagement und die Nutztierhaltung umfasst [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1.​1.​1; 5.​1.​1.​2}
D2.1
Ackerböden sind infolge des Ernteentzugs und der wiederkehrenden Bearbeitung ärmer an Kohlenstoff als Grünland- und Waldböden [hohe Konfidenz]. Bewirtschaftungspraktiken, wie z. B. optimiertes Düngemanagement, standortangepasste Fruchtfolge oder Precision Farming, tragen sowohl zur Mitigation als auch zur Anpassung an den Klimawandel bei. Durch die Förderung humusaufbauender Maßnahmen, wie vielfältige Fruchtfolge und Zwischenfruchtanbau, organische Düngung oder reduzierte Bodenbearbeitung, werden der Kohlenstoffvorrat konserviert oder erhöht und gleichzeitig die Bodengesundheit gefördert [hohe Konfidenz]. An Standorten, an denen entsprechende Maßnahmen bereits langjährig umgesetzt wurden, ist das zusätzliche Kohlenstoff-Speicherpotenzial insbesondere für Ackerböden begrenzt [mittlere Konfidenz]. Parallel zur Kohlenstoffspeicherung können jedoch erhöhte Emissionen v. a. an Stickstoffoxiden und Methan entstehen [hohe Konfidenz]. Im Grünland sind die Anpassung der Bewirtschaftung an die Standortbedingungen und die Vermeidung von Bodenverdichtung die relevantesten Mitigationsmaßnahmen, wobei das Mitigationspotenzial aufgrund des hohen Kohlenstoffvorrats in Grünlandböden relativ gering ist [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1; 5.​1.​1.​2}
D2.2
Eine bodenschonende Bewirtschaftung trägt erheblich zum Mitigationspotenzial in der agrarischen Landnutzung bei. Eine besondere Bedeutung hat die sorgfältig geplante Anhebung des Humusgehalts in landwirtschaftlich genutzten Böden bis nahe an das standortspezifische Optimum [hohe Konfidenz]. Folgende Maßnahmen sind hierfür zuträglich: standortangepasste Fruchtfolge, reduzierte Bodenbearbeitung, optimiertes Düngemanagement. Zu anderen Ökosystemleistungen bestehen Synergieeffekte. {Abschn.​ 5.​1.​1.​1; 5.​1.​1.​2}
D2.3
Die Effekte von Maßnahmen, die auf eine Anreicherung von Kohlenstoff im Boden durch externe Kohlenstoffquellen wie Biokohle, Kompost oder Wirtschaftsdünger abzielen, stellen teilweise nur einen Transfer von Kohlenstoff zwischen Systemen dar. Insofern besteht in manchen Fällen kein direkter Bezug zur Reduktion des CO2 in der Atmosphäre [mittlere Konfidenz]. Maßgeblich für den Emissionsminderungseffekt ist u. a. der Ursprung der Biomasse: kaskadische Nutzung oder die Nutzung von Restströmen zeigen positive Emissionsminderungseffekte [hohe Konfidenz], wogegen die Nutzung von Primärbiomasse nicht eindeutige Emissionsminderungseffekte aufweist. In jedem Fall wird jedoch eine Bodenverbesserung (z. B. Bodenstruktur, Wasserspeichervermögen) erreicht [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 2.​5.​1.​5; 2.​2.​4.​2; 5.​2.​2.​2}
D2.4
In der Futtermittelproduktion ist aus pflanzenbaulicher Perspektive die Erhöhung der Anteile von Leguminosen (z. B. legumes Feldfutter) bei gleichzeitiger Reduktion des Silomaisanteils in der Fruchtfolge die effizienteste Maßnahme zur Reduktion des mineralischen Stickstoffeinsatzes und den damit verbundenen Emissionen [hohe Konfidenz]. Eine bedarfsgerechte Düngung zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Form verringert zusätzlich die Emission von Treibhausgasen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1; 5.​1.​1}
D2.5
Die Verringerung von Nutztierpopulationen bietet bei entsprechender Koordination mit Maßnahmen zur Beeinflussung der Nachfrage nach tierischen Produkten ein erhebliches Minderungspotenzial [hohe Konfidenz]. Damit entstehen aber kurz- bis mittelfristig Interessenskonflikte v. a. zur Wirtschaftlichkeit, der Überlebensfähigkeit tierhaltender Betriebe, v. a. in ökonomisch benachteiligten Gebieten [mittlere Konfidenz]. Wegen der im internationalen Vergleich relativ günstigen Treibhausgasbilanz österreichischer Milch- und Rindfleischerzeugungssysteme ist bei einer Reduktion der Produktion sicherzustellen, dass keine Substitution durch importierte Milch- und Rindfleischprodukte erfolgt. Sozio-ökonomischen Nachteilen für die Produzent_innen kann durch eine Gewährleistung der längerfristigen Planbarkeit und die Sicherung einer Transformation zu Produktionsalternativen entgegengewirkt werden. Innerhalb der Nutztierhaltung können eine aus Mitigationssicht optimierte Zucht, Haltung und Fütterung der Nutztiere sowie ein optimiertes (Wirtschaftsdünger-)Management ein mittleres Einsparungspotenzial erzielen [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1.​1.​2; 5.​3}
D2.6
Die Weidehaltung von Rindern, Schafen und Ziegen stellt aus Sicht der Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Stallhaltung ein günstigeres System dar und trägt auch mehr zum Tierwohl bei. Bei einer hohen Weideintensität (d. h. viele Tiere je ha Weidefläche), v. a. mit schweren Tieren und auf feuchten Böden, besteht allerdings das Risiko verminderter Bodenkohlenstoffgehalte und erhöhter N2O-Emissionen [hohe Konfidenz]. Hier sind in der Regel, auch in Hinblick auf die Biodiversität, eine mittlere Nutzungsintensität und ein nachhaltiges Weidemanagement unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit des Grünlands anzustreben. {Abschn.​ 5.​1.​1.​2}
D2.7
Agroforstsysteme und die Integration von Bäumen, Sträuchern und Hecken in landwirtschaftliche Flächen tragen über die Bindung von relevanten Mengen an Kohlenstoff in der pflanzlichen Biomasse zur Kohlenstoffspeicherung bei [hohe Konfidenz]. Das Mitigationspotenzial unterschiedlichster Agroforstsysteme ist höher als bei konventioneller Ackerlandbewirtschaftung [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​1}

D.3 Forstwirtschaft

Der Wald kann zur Festlegung von Treibhausgasen und damit zur Minderung des Klimawandels auf vier Arten beitragen, durch (a) Maßnahmen der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, (b) durch Nutzungseinschränkungen und Außer-Nutzung-Stellung, (c) durch die Produktion von langlebigen Holzprodukten und (d) durch die Substitution von Materialien mit einem höheren Treibhausgasintensität pro Serviceeinheit. {Abschn.​ 5.​1.​2}
D3.1
Die Zunahme des Kohlenstoffbestandes im österreichischen Wald und in den Holzproduktepools hat seit 1990 jährlich zwischen 26 % (1999) und 3,5 % (2020) der österreichischen Gesamtemissionen kompensiert. Wald und Holzprodukte vermögen über einen begrenzten Zeitraum einen Beitrag zur Minderung zu leisten, können aber die Klimakrise nicht lösen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​2.​4; 2.​2.​3}
D3.2
Emissionsminderungsmaßnahmen der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, wie z. B. Erhöhung der Anteile von Mischbeständen, Durchforstungen, der Einsatz von Naturverjüngung und Wildstandsreduktion, sind weitgehend deckungsgleich mit den Anpassungsmaßnahmen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1.​2.​4}
D3.3
Die Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre durch den weiteren Aufbau des Holzvorrates im Wald wird vorgeschlagen. Nutzungseinschränkungen und Außer-Nutzung-Stellung erhöhen die Kohlenstoffvorräte in der Biomasse, im Totholz und in Waldböden stärker als Nutzung [hohe Konfidenz]. Der Vorratsaufbau, der durch eine Verringerung der Holznutzung erreicht wird, verringert den Kohlenstoffvorrat in Holzprodukten und dessen Substitutionswirkung [hohe Konfidenz]. Der Netto-Emissionsminderungseffekt hängt von den Waldökosystemen, den Störungsregimen, dem Zuwachs, der Nutzungsrate, der Verwendung des genutzten Holzes, der Lebensdauer der Holzprodukte sowie den durch Holzprodukte vermiedenen Emissionen ab. Außer-Nutzung-Stellung erfüllt wesentliche Leistungen für den Schutz der Biodiversität [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1.​2.​3; Box 1.​1}
D3.4
Die Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten (Schnittholz, Platte, Papier) kann erhöht werden, wenn die Nutzung der Wälder im Rahmen der Nachhaltigkeitskriterien erhöht, die Lebensdauer der Holzprodukte und die kaskadische Nutzung des Rohstoffs verlängert oder mehr Holz für langlebige Holzprodukte herangezogen werden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​2}
D3.5
Als CO2-bindendes Material dient Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft dem Klimaschutz als Substitutionsmaterial für Treibhausgas-intensivere Materialien. Durch die Entnahme von Holz akkumuliert zwar weniger Kohlenstoff im Wald, allerdings kann je nach Holzverwendung durch den Substitutionseffekt eine erhebliche Menge an Treibhausgasemissionen vermieden werden [hohe Konfidenz]. Bei nachhaltiger Waldwirtschaft ist die Substitution (Ersatz fossiler Rohstoffe durch Holzprodukte und die damit vermiedenen Emissionen) ein großer Hebel des waldbasierten Sektors für den Klimaschutz, dessen Bedeutung mit zunehmender Dekarbonisierung des Energiesystems abnimmt [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​2; Box 1.​1}
D3.6
Große Unsicherheiten bestehen bei der durchschnittlichen Verweildauer von Kohlenstoff in Produkten, in Waldboden und in Totholz, sowie bei den Auswirkungen veränderter Störungsregimes auf den Kohlenstoffbestand im Wald. Diese Unsicherheiten stellen wesentliche Forschungslücken dar, deren Schließung Voraussetzung ist zur verlässlichen Quantifikation und Abwägung von waldbasierten Klimaschutzmaßnahmen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​3.​3; 2.​5.​1; 5.​1.​2.​2}
D3.7
Kein Konsens herrscht in der wissenschaftlichen Gemeinschaft über den Beitrag der stofflichen und energetischen Nutzung von Waldbiomasse zur Mitigation des Klimawandels. Im Wesentlichen können zwei gegensätzliche Standpunkte unterschieden werden, die sich hinsichtlich der Definition der Referenzlinie, die zur Beurteilung der CO2-Neutralität von Holz herangezogen wird, unterscheiden: Im einen Fall wird als Referenzlinie die Balance von C-Aufbau und -Abbau im Wald betrachtet, im anderen Fall stellt die Referenzlinie die hypothetische Entwicklung der C-Bestände im Wald ohne die zu betrachtende Maßnahme oder ohne jegliche Bewirtschaftungseingriffe dar. Weitere Unterschiede beziehen sich auf die Einschätzung der relevanten Zeitskala oder die Bewertung der Substitution von z. B. fossilen Energieträgern durch Waldbiomasse. Gemeinsamkeiten liegen in der Favorisierung der stofflichen vor der energetischen Nutzung von Holzbiomasse sowie der energetischen Nutzung von Reststoffen, die bei der Produktion von wichtigen Holzdienstleistungen oder -produkten anfallen und nicht weiterhin für solche nutzbar sind, oder von unrezyklierbaren Holzprodukten am Ende der Lebensdauer. Diese Maßnahmen werden in beiden Standpunkten als Beiträge zum Klimaschutz angesehen und können daher als Grundlage von Entscheidungen herangezogen werden. {Box 1.​1}

D.4 Naturschutz

Naturschutzflächen, Feuchtgebiete, ungenutzte Flächen und aquatische Ökosysteme bergen ein noch nicht ausreichend genutztes Treibhausgasminderungspotenzial [hohe Konfidenz]. Aufgrund der hohen gespeicherten Kohlenstoffmenge in den Böden kommt dabei kühlen, sauren oder feuchten Standorten eine besondere Bedeutung zu, also z. B. Mooren, Feuchtgebieten und alpinen Rasen [hohe Konfidenz]. Der Schutz dieser kohlenstoffreichen Ökosysteme bringt zwar aufgrund der geringen Biomassezuwächse nur ein geringes Minderungs- und Senkenpotenzial mit sich, sorgt aber dafür, dass nicht noch zusätzliche Treibhausgasemissionen erfolgen. {Abschn.​ 2.​4; 5.​1.​3; 5.​1.​3.​1; 5.​1.​3.​2; 5.​1.​3.​3; 5.​2.​2.​4}
D4.1
Moore können – wenn sie wie in Österreich zum Großteil drainiert sind – hohe Mengen an Treibhausgasen freisetzen [hohe Konfidenz]. Daher stellen z. B. die Extensivierung der Nutzung, die Konservierung von Moorböden, der Verzicht auf Abtorfung und die Renaturierung von Mooren wichtige Mitigationsmaßnahmen dar [hohe Konfidenz]. Eine Anhebung des Wasserspiegels im Moor, z. B. durch Verringerung der Tiefe von Drainagegräben oder Schließung von Gräben, ist grundsätzlich mit landwirtschaftlicher Produktion, allerdings in modifizierter Form (z. B. Paludikulturen, d. h. die landwirtschaftliche Nutzung nasser Standorte), vereinbar [hohe Konfidenz] und führt zu einer Abschwächung der Treibhausgasfreisetzung [hohe Konfidenz]. Eine solche Maßnahme bedingt eine Umorientierung der Produktionsziele und fördert in der Regel die Biodiversität [hohe Konfidenz]. Die Effektivität und die Emissionsminderungspotenziale der Moorrenaturierung sind aufgrund der existierenden Wissenslücken in Österreich, insbesondere zu Ausmaß, Status und Bewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Moorböden, nur mit großer Unsicherheit zu bewerten. {Abschn.​ 2.​4.​1; 5.​1.​3.​3; 5.​2.​2.​4}
D4.2
Eine Reduktion der Nährstofffracht (Stickstoff und Phosphor) in Gewässern, aber auch eine Verhinderung des Auftauens von Permafrostböden, führt zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen (v. a. Methan) [hohe Konfidenz]. Dasselbe gilt auch für die Reduktion der Fließgeschwindigkeit und die Unterbrechung von freien Fließstrecken durch Dämme und Stauhaltung bei Fließgewässern. Sie führen zu einer gesteigerten Treibhausgasproduktion und -emission [hohe Konfidenz]. Diese Maßnahmen sorgen zudem gleichzeitig für eine Steigerung der Wasserqualität [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 2.​4.​2; 2.​4.​3; 5.​1.​3; 5.​1.​3.​2; 5.​1.​3.​3}
D4.3
Biotopschutzmaßnahmen für Feuchtbiotope sind als Minderungs- und Anpassungsstrategie von Bedeutung. Sie unterstützen den Bodenschutz und die Nährstoffverfügbarkeit, und Gehölzstrukturen regulieren das lokale Klima [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1.​3.​3}

D.5 Substitution, Bioenergie und Bioenergie mit CO2-Abscheidung (BECCS)

Die Substitution von treibhausgasintensiven Produkten durch Biomasse umfasst insbesondere die Bereitstellung von Bioenergie und von langlebigen Holzprodukten, etwa im Bausektor. Der Substitutionseffekt ist direkt vom Dekarbonisierungsgrad des Energiesystems abhängig [hohe Konfidenz]. Da für eine Ausweitung der Substitution mehr Holz benötigt wird im Vergleich zur aktuellen Situation, kann sie in Konflikt mit Aufbau und Erhalt von ökosystemaren Kohlenstoffbeständen stehen und kann zu negativen Wechselwirkungen mit Ernährungssicherheit und Biodiversität führen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​3.​2; 5.​2.​1.​1; Box 1.​1}
D5.1
Die tatsächliche Treibhausgasbilanz von Bioenergie ist wesentlich von einer Reihe von Faktoren abhängig: angefangen von den Emissionen bei der Produktion und der Umwandlungstechnologie über die Emissionen der Lieferkette bis hin zum tatsächlichen Substitutionsgrad von Fossilenergie, dem Dekarbonisierungsgrad des Energiesystems und den Kohlenstoff-Opportunitätskosten (z. B. verhinderte C-Senke) der Biomasseernte [hohe Konfidenz]. Geringe Übereinstimmung herrscht bei der Gewichtung der einzelnen Faktoren und der Ziehung von Systemgrenzen, sodass ein realistisches Emissionsminderungspotenzial von Bioenergie nicht mit ausreichender Konfidenz angegeben werden kann. {Abschn.​ 1.​3.​2; 5.​2.​1.​1; Box 1.​1}
D5.2
Die Transition im Energiesystem ist verbunden mit dem vermehrten Einsatz von fluktuierenden Energieträgern, wie Photovoltaik- und Windenergie. Bioenergie kann zum Ausgleich solcher Energieangebotsschwankungen genutzt werden und einen Beitrag zur Stabilität des Energiesystems leisten [hohe Konfidenz]. Bei der Nutzung von erneuerbarer Energie ist dabei eine Abstimmung mit Fragen der Biodiversitätserhaltung und Ernährungssicherheit erforderlich [hohe Konfidenz]. Biogene, nachwachsende Ressourcen sind begrenzt. Eine kaskadische Nutzung von Biomasse – am Anfang stofflich und erst am Ende des Produktlebenszyklus und der Recyclingmöglichkeiten energetisch – ermöglicht eine effiziente Ressourcennutzung. Relevant für die Bioenergiebereitstellung ist somit insbesondere der Einsatz von organische Reststoffen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​2; 8.​4.​4}
D5.3
Eine großflächige Ausweitung der Nutzung von Primärbiomasse für Bioenergie kann mit negativen Wechselwirkungen, etwa betreffend Ernährungssicherheit oder Biodiversität, verbunden sein [hohe Konfidenz]. Die Landwirtschaft ist dabei durch Flächenkonkurrenz gekennzeichnet, die Forstwirtschaft durch eine biodiversitätsgefährdende Erhöhung der Holzernte. Da bereits 89 % des Waldzuwachses in Österreich geerntet wird, sind einer Steigerung damit Grenzen gesetzt und diese geht nur dann ohne Bestandsverlust einher, wenn gleichzeitig der Zuwachs gesteigert wird. Höchstmögliche Effizienz in der Energieumwandlung, durch z. B. Kraft-Wärme-Kopplung in Bioenergiekraftwerken oder eine Weiterentwicklung biomassebasierter Treibstoffe, stellen einen Beitrag zur Verminderung dieser negativen Wechselwirkungen dar [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​1; 5.​2.​1.​2}
D5.4
Österreich nutzt bereits große Teile der Reststoffe in kaskadischer Nutzung bzw. für die energetische Verwertung. In der Holzverarbeitungskette fallen kaum ungenutzte Reststoffe an, die Nutzung von Erntenebenprodukten (z. B. Stroh) steht in Konflikt zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, dem Aufbau von Bodenkohlenstoff und der Nutzung als Einstreu. Der Ausbau der energetischen Nutzung von Wirtschaftsdünger zeigt ein Ausbaupotenzial [mittlere Konfidenz], ist aber durch logistische Herausforderungen limitiert und steht in Konflikt mit der C-Rücklieferung v. a. auf Ackerflächen, um dort den Humusgehalt zu stützen. {Abschn.​ 5.​1.​1; 5.​1.​2; 5.​2.​1.​1; 5.​2.​1.​2}
D5.5
Aus Treibhausgas-Minderungsperspektive sind die stoffliche Nutzung von Holzbiomasse in möglichst langlebigen Produkten, die Ausnützung der Möglichkeiten der Koppel- und Mehrfachnutzung sowie des Recyclings der Rohstoffe und die energetische Nutzung nach Ausschöpfen dieser Möglichkeiten bzw. am Ende der Produktlebensdauer deutlich vorteilhafter als die sofortige energetische Nutzung [hohe Konfidenz]. Speziell der Holzbau und verschiedene Anwendungen im Bereich der lignozellulosebasierten Bioraffinerie stellen gute Minderungsmaßnahmen dar [hohe Konfidenz]. Allerdings gibt es auch Holzsortimente bzw. Koppelprodukte der stofflichen Holznutzung, die derzeit aufgrund von ökonomischen Bedingungen und technologischen Grenzen nur energetisch verwertet werden. Der Einsatz dieser Sorten in langlebigen Produkten ist durchaus möglich, benötigt aber technische und logistische Transformationen in den holzverarbeitenden Gewerben [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​2.​1.​2}
D5.6
Das Emissionsminderungspotenzial von Holzprodukten fußt auf zwei Beiträgen: einerseits als Kohlenstoffbestand in der Gesellschaft (Produktepools), andererseits in der Substitution von emissionsintensiven Materialien, wie beispielsweise Beton und Stahl. Dabei überwiegt der Substitutionseffekt [hohe Konfidenz]. Bei einer hypothetisch vollständigen Dekarbonisierung des Energiesystems ist kein Substitutionseffekt mehr vorhanden. Holzprodukte wie Wald-C-Bestände halten Kohlenstoff von der Atmosphäre fern. Wenn Bestände zunehmen, entspricht dies einer bilanzmäßigen Kohlenstoffsenke, bei Abnahme einer -quelle. Für die Beurteilung des Gesamteffekts von Holzprodukten muss die Treibhausgasbilanz der Bewirtschaftung des Waldes mit Berücksichtigung aller wesentlichen Parameter (langfristige Veränderung der Kohlenstoffvorräte im Wald und in den Holzproduktepools und vermiedene Emission durch die Holzprodukte bzw. Treibhausgaseffekte einer notwendigen Ersatzdienstleistung für die entfallenden Holzprodukte) mit der Treibhausgasbilanz eines Szenarios einer Nicht-Bewirtschaftung bzw. -Nutzung, auch unter Betrachtung ihrer Unsicherheiten (D3.6), verglichen werden. {Abschn.​ 5.​2.​1.​1; 5.​2.​1.​2; 8.​4.​4; Box 1.​1}
D5.7
Gegenwärtig werden verschiedene landnutzungsbasierte Konzepte und Technologien zur dauerhaften Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre („negative Emissionen“) durch Aufforstung, Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (engl. Abkürzung BECCS) oder „Direct Air Carbon Capture and Storage“ (DACCS) diskutiert und getestet. Sie weisen ein umstrittenes, potenziell durchaus hohes, aber stark kontextabhängiges Mitigationspotenzial auf [hohe Konfidenz]. Zudem sind Trade-offs, wie z. B. Flächenkonkurrenz und Biodiversitätsverluste, möglich. Bei Aufforstung besteht – wie bei allen vorratsaufbauenden Minderungstechnologien – die Gefahr des Bestandsverlusts durch klimawandelbedingte Störungen [hohe Konfidenz], dessen Ausmaß aber derzeit nur schwer vorhergesagt werden kann (B3.4.). {Abschn.​ 5.​2.​2; 5.​2.​2.​5; 5.​2.​2.​6}

D.6 Konsum und Prozesskette

Strategien und Maßnahmen, die auf eine Veränderung der Nachfrage, beispielsweise bei Lebensmitteln, abzielen, wird aufgrund ihrer Effekte auf Prozessketten (Lagerung, Verarbeitung, Verpackung, Transport, Handel) und v. a. auch auf die Primärproduktion (Landwirtschaft und Forstwirtschaft, inkl. von Vorleistungen, z. B. Düngemittel, Energieeinsatz, Futtermittel) eine große Bedeutung in der Emissionsminderung zugesprochen [hohe Konfidenz]. Diesen Suffizienzstrategien (Reduktion des Ressourcenverbrauchs bei gleichzeitigem Erhalt des Wohlstandes) kommt eine größere Bedeutung zu, als es die derzeitige öffentliche und politische Debatte widerspiegelt [mittlere Konfidenz]. Diese größere Bedeutung begründet sich unter anderem in den vermiedenen Rebound-Effekten und einer reduzierten Flächenkonkurrenz, was zu Synergien mit KIimawandelanpassung und Biodiversitätsschutz führt [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​3; 5.​3.​1; 5.​3.​2; 5.​3.​3}
D6.1
Suffizienzstrategien können in Bereichen der Produktion (Angebot) und der Nachfrage, inklusive des Lebens- und insbesondere Ernährungsstils, angesiedelt sein. Sie umfassen beispielsweise die Umstellung auf eine gesunde Ernährung (weniger und weniger fleischlastig), die Reduktion des Bedarfs an Gebäuden und Infrastrukturen wie Straßen (z. B. durch mehr aktive Mobilität statt autozentrierten Personen- und straßenzentrierten Gütertransports), die Reduktion des Papierverbrauchs z. B. bei Werbematerial. Ordnungspolitische Instrumente und Anreize zur Verminderung des Ressourcenverbrauchs können vielfältig sein, wie z. B. spezifische Steuern und andere Anreizsysteme, Bildungsmaßnahmen, Maßnahmen der öffentlichen Beschaffung oder Informations-, Zertifizierungs- und Förderinstrumente (z. B. im Lebensmittelhandel, bei privaten Großküchen, Catering). Deren Emissionsminderungspotenziale sind kontextabhängig und, je nach Maßnahme, gering bis hoch. {Abschn.​ 5.​3; 5.​3.​1; 5.​3.​2; 5.​3.​3}
D6.2
Auf Ebene der Verteilerketten (Handel), der Gastronomie (inkl. Großküchen und Gemeinschaftsverpflegung) und in den Haushalten (individueller Konsum) können die Reduktion und Vermeidung von Lebensmittelabfällen und stark industriell verarbeiteten Produkten maßgeblich zur Reduktion von konsumbasierten Treibhausgasemissionen beitragen. Die Verminderung von vermeidbaren Lebensmittelabfällen um 50 % (von der Produktion bis zum Konsum) ist möglich [mittlere Konfidenz] und spielt daher eine große Rolle in einem klimafreundlichen und nachhaltigen Ernährungssystem. {Abschn.​ 6.​4; 5.​3.​2; 5.​3.​2.​3}
D6.3
Die Änderung der Ernährungsgewohnheiten – weg von dem auch aus gesundheitlichen Gründen deutlich zu hohen Fleischkonsum hin zu einer vorwiegend auf pflanzlichen, biologisch erzeugten, weitgehend saisonal und regional bezogenen Produkten beruhenden Ernährung – reduziert deutlich die Flächenkonkurrenz, weist hohe Synergien mit dem Biodiversitätsschutz und der menschlichen Gesundheit auf und hätte erhebliche Treibhausgaseinsparungen zur Folge [hohe Konfidenz]. Beispielsweise kann die Umstellung auf eine primär pflanzliche Ernährung den erhöhten Flächenbedarf von Biolandbau leicht kompensieren [hohe Konfidenz]. Wird die Abstockung der Tierbestände begleitet von einer Optimierung der Haltungsverfahren für die verbleibenden Tiere, kommt dies außerdem dem Tierwohl zugute. {Abschn.​ 6.​4; 5.​3.​1; 5.​3.​2; 5.​3.​2.​1}
D6.4
Eine Reduktion der Transportentfernungen für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel (z. B. über den Konsum regionaler Lebensmittel) und der Emissionen der Lebensmittelverarbeitung (bei Nicht-Convenience-Produkten) weist ein deutlich geringeres Mitigationspotenzial auf als die Umstellung auf stärker pflanzliche Lebensmittel [hohe Konfidenz]. Werden regionaler und saisonaler Lebensmittelkonsum kombiniert, erhöht sich das Mitigationspotenzial leicht. Die notwendige Transformation zur Erreichung der Klimaziele benötigt eine Treibhausgas-Emissionsreduktion auf allen Ebenen, unabhängig, ob die Beiträge kleiner oder größer sind, weshalb auch die Umsetzung dieser Maßnahmen relevant ist. {Abschn.​ 5.​3.​1; 5.​3.​2}
D6.5
Emissionsminderungspotenziale sind auch bei Suffizienzstrategien im Holzbereich vorhanden, bis dato jedoch kaum erforscht bzw. quantifiziert. Eine Reduktion der Nachfrage, beispielsweise nach Baumaterialien (Beton, Ziegel, Gipskartonplatten, Holz), die Reduktion des Raumwärmeeinsatzes durch beispielsweise effiziente Wärmedämmung, oder die Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit von Holzprodukten (etwa durch eine Reduktion des Anteils von kurzlebigen Produkten) können ein wesentliches, unmittelbar verfügbares Mitigationspotenzial in sich bergen. {Abschn.​ 5.​3.​1}
D6.6
Gebäude nehmen im Kontext des Energiesystems eine zentrale Funktion ein, da sie derzeit einer der Hauptverbraucher von Energie sind. In den letzten drei Jahrzehnten konnten die gesamten Treibhausgasemissionen aus der Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung trotz der Zunahme des Gebäudebestandes leicht reduziert werden. Die Veränderung von Gebäuden von reinen Verbrauchern hin zu Energieproduzenten (z. B. durch Photovoltaik auf Dächern) und Energiespeichern ist relevant für eine Senkung des Energieverbrauchs und ein wesentlicher Eckpfeiler der Transition und Dekarbonisierung des Energiesystems [hohe Konfidenz]. Mit flexiblen und bidirektionalen Smart-Grid-Netzen kann durch die Interaktion der Gebäude mit dem (dezentralisierten) Energiesystem die Integration erneuerbarer Energien auf lokaler Ebene erleichtert werden [mittlere Konfidenz]. Die funktionale Mischung von Gebäudeblöcken, Quartieren und – in größerem Maßstab – ganzen Städten oder Regionen beeinflusst wesentlich, wie die Potenziale von Gebäuden zur Erzeugung und Speicherung verstärkt genutzt werden können [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 7.​1.​4}

E. Synergien und Trade-offs von Maßnahmen

Maßnahmen weisen unterschiedlich ausgeprägte Profile in Bezug auf Synergien und Zielkonflikte sowie die Umsetzbarkeit auf [hohe Konfidenz]. Viele Maßnahmen, besonders im Bereich der Nachfragereduktion und der Prozessketten, zeichnen sich durch eine Vielzahl von Synergien und wenige Trade-offs in den Bereichen Anpassung, langfristiges Emissionsminderungspotenzial, kurzfristiges Emissionsminderungspotenzial, Biodiversität, Wasserhaushalt aus. Wenn Trade-offs auftreten, dann häufig in Zusammenhang mit Biodiversität. Die meisten Maßnahmen sind durch erhebliche Barrieren in mindestens einem der drei Bereiche – Konfliktpotenzial, technische Umsetzbarkeit und Kosten – charakterisiert. Besonders der Bereich „Andere Ökosysteme und Schutzgebiete (ohne Schutzwald)“ weist starke Barrieren auf. {Abschn.​ 9.​3; 9.​4; 9.​5.​1}
E.1.1
Einige Maßnahmen bergen kaum Risiken und zeigen hohe Synergien, und das bei wenig Umsetzungsbarrieren (Tab. ZfE.2). Diese erhöhen die Resilienz der Ökosysteme und schaffen so neue Handlungsspielräume für die Emissionsminderung [hohe Konfidenz]. Diese Maßnahmen finden sich hauptsächlich im Bereich Ackerland, während die Grünlandwirtschaft wie auch der Konsum- und Prozesskettenbereich mit deutlich weniger Maßnahmen vertreten ist. Bei der Forstwirtschaft und im Siedlungsbereich findet sich hier nur jeweils eine Maßnahme. {Abschn.​ 9.​5.​1.​2}
E.1.2
Einige Maßnahmen bringen viele Trade-offs mit sich, besonders bezüglich Biodiversitätserhalt und Wasserhaushalt. Negative Auswirkungen auf diese beiden Bereiche mindern auch die Resilienz der Ökosysteme und schränken in der Folge die Handlungsoptionen ein [hohe Konfidenz]. Zu diesen Maßnahmen, die nur ein sehr geringes Synergiepotenzial aufweisen und die zusätzlich auch von erheblichen Barrieren, insbesondere im Bereich Konfliktpotenzial, gekennzeichnet sind, zählen (1) Bioenergiebereitstellung aus Primärbiomasse, (2) Intensivierungsmaßnahmen, wie verstärkter Pestizideinsatz oder verstärkte Stallhaltung bei erhöhten Tierbeständen, (3) waldbauliche Maßnahmen wie die Außer-Nutzung-Stellung nicht angepasster Bestände und die Verkürzung der Umtriebszeit. Auch die Wiederbewaldung/Aufforstung von arten- und strukturreichen Agrarflächen findet sich in diesem Bereich. {Abschn.​ 9.​5.​1.​3}
E1.3
Verspätet eingeführte Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen verkleinern den Spielraum der möglichen Handlungsoptionen [hohe Konfidenz]. Unzureichende Emissionsminderungen in den Sektoren Energie, Verkehr und Industrie, aber auch innerhalb der Landnutzung, führen zu einem erhöhten Bedarf an Treibhausgassenken. Verspätetes Handeln verengt das Spektrum der Reaktionsoptionen und erhöht die betrieblichen und volkswirtschaftlichen Kosten des Einsatzes. Es besteht hohe Übereinstimmung, dass die landbasierten Emissionsminderungen nur einen begrenzten Teil der Gesamtemissionen ausgleichen können. {Abschn.​ 9.​8}
Tab. ZfE.2
Synergien, Trade-offs und Barrieren einzelner Maßnahmen. Synergien und Trade-offs beziehen sich auf die Beiträge der Maßnahmen zu Klimawandelanpassung, kurzfristiger Emissionsminderung, langfristiger Emissionsminderung sowie auf die Auswirkungen auf Wasserverfügbarkeit und -qualität und auf Biodiversität. Barrieren beziehen sich auf (i) das Konfliktpotenzial, also die gesellschaftliche Akzeptanz bzw. Umstrittenheit von Maßnahmen, (ii) die technische Umsetzbarkeit sowie (iii) die Kosten, also wirtschaftliche Barrieren der Umsetzung
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1 Die Effekte einer Bewässerung hängen von den Standortfaktoren ab. Der kritische Aspekt der Wasserquelle ist zu beachten, sowie die Konkurrenz mit anderen Wassernutzungen. Eine effiziente Nutzung mindert den Verbrauch. Bei Übernutzung sind die Auswirkungen auf Wasser und Biodiversität schlecht. Sollte nur als Überbrückung oder Anpassung und nicht zur Ertragsmaximierung dienen.
2 Die Lachgas-Emissionen der Leguminosen sind hier zu beachten.
3 Durch Grobporen im Boden kann es zur Verlagerung von Nähr- und Schadstoffen und somit zu einer Reduzierung der Filterfunktion des Bodens kommen. Bei Untersaat: Wasser- und Nährstoffkonkurrenz und potenzielle Ertragsverluste (bis zu 10 % der Hauptfrucht).
4 Eine Überdüngung kann negative Auswirkungen auf die Wasserqualität haben.
5 In der Praxis gehen pfluglose Varianten oft mit dem Einsatz von Herbiziden einher.
6 Für oligotrophe Gewässer besonders wichtig.
7 Diese Arten (Geflügel, Schwein, Fische, …) stehen allerdings in direkter Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen.
8 Benötigt proteinhaltigeres Futter, was wiederum emissionsintensiver ist und somit zu Rebound-Effekten führen kann.

F. Umsetzung der Strategien und Maßnahmen zum Klimaschutz und der Klimawandelanpassung

F.1 Landnutzungsentscheidungen

Jegliche Entscheidungen, wie Land genutzt werden soll, sind klimarelevant und haben langfristige Auswirkungen auf den Klimaschutz (Minderung), die Biodiversität und die Resilienz (Anpassung) der unterschiedlichen Sektoren (u. a. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Naturschutz, Siedlungen, Verkehrswege, Tourismus) [hohe Konfidenz]. Entscheidungen zwischen verschiedenen Landnutzungsarten und -weisen sind erforderlich aufgrund der planetar begrenzten Bodenfläche und der damit verbundenen Verfügbarkeit von Ökosystemleistungen [hohe Konfidenz]. Allerdings können manche Entscheidungen zu Pfadabhängigkeiten führen und, bedingt durch die Vielzahl an beteiligten Akteur_innen, von Ziel- und Interessenskonflikten begleitet werden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​1; 6.​2}
F1.1
Landnutzungsentscheidungen zeigen eine langfristige Strukturwirkung und Trägheit in Hinblick auf Änderungen im Sinne der Emissionsminderung und Klimawandelanpassung, welche sich insbesondere aus Pfadabhängigkeiten ergeben (Lock-in-Effekte). Dies ist durch die Langlebigkeit von Strukturen (z. B. Siedlungen, Verkehrs- und Energieinfrastruktur) und die hohen Anfangsinvestitionen bedingt. Eine Überwindung und Änderung bestehender Landnutzungsstrukturen wird neben den technisch-ökonomischen Lock-in-Wirkungen auch durch verhaltensbezogene und institutionelle Pfadabhängigkeiten sowie allgemein einem Markt- und Institutionenversagen erschwert. Auch Strukturentscheidungen in der Land- und Forstwirtschaft sind langlebig und mit entsprechenden Lock-in-Effekten verbunden [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​2; 6.​6}
F1.2
Um soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele zu erreichen, sind systemische, sektorübergreifende Ansätze zielführend. Szenarioanalysen und vor allem Analysen, die sozio-ökonomische Szenarien berücksichtigen, gibt es im Landnutzungssektor nicht. Dabei wären sie für die Entwicklung einer Klimaschutzstrategie im Bereich der Landnutzung Österreichs und für die Analyse möglicher Landnutzungskonflikte zwischen den Sektoren und deren vorausschauende Vermeidung von großer Bedeutung. {Abschn.​ 6.​7}
F1.3
Zahlreiche Maßnahmen, die kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden, können mittel- bis längerfristig Konflikte verursachen [hohe Konfidenz]: beispielsweise ist die Baumpflanzung kurzfristig zu realisieren, aber der mögliche Konflikt mit dem Naturschutz ein langfristiger. {Abschn.​ 6.​2}
F1.4
Der größte Teil der nicht bereitstellenden Ökosystemleistungen (z. B. ästhetische Werte oder regulierende und unterstützende Funktionen) wird bei politischen oder privaten Planungs- und Investitionsentscheidungen bisher nicht angemessen berücksichtigt, weder monetär noch qualitativ [hohe Konfidenz]. Dies führt dazu, dass naturbasierte und potenziell kosteneffiziente Lösungen, etwa im Bereich der Anpassung, zu wenig Beachtung finden. {Box 1.​2; Abschn.​ 6.​4.​2.​2}
F1.5
Sensibilisierungs- und Prüfinstrumente, wie z. B. das Climate Proofing, können Raumplanungsentscheidungen unterstützen [hohe Konfidenz]. Ein umfassendes Climate Proofing, d. i. die transparente Beweisführung über die Klimawirksamkeit von Instrumenten, fehlt derzeit in Österreich [hohe Konfidenz]. Zum Climate Proofing besteht erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere um Ansätze zu entwickeln, die zeigen können, welche Fortschritte bei der Emissionsminderung und Anpassung an den Klimawandel durch die vorhandenen Raumplanungsinstrumente bereits gemacht wurden – oder künftig gemacht werden könnten [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 7.​2.​3}

F.2 Barrieren und Möglichkeiten der Umsetzung

Die Umsetzung von Strategien, Instrumenten und Maßnahmen zur klimafreundlichen Landnutzung in die Praxis ist oft mangelhaft [hohe Konfidenz]. Die zur Verfügung stehenden umweltpolitischen Instrumente (Abb. ZfE.5) werden nicht ausreichend eingesetzt, um eine klimaschonende Landnutzung zu gewährleisten. Es gibt Umsetzungsdefizite beispielsweise durch unzweckmäßige Kompetenzverteilung, Planungsversagen und fehlende, unwirksame oder umweltkontraproduktive Anreize. Die Umsetzung empirisch gut abgesicherter Maßnahmen(bündel) stellt für die agrarische und forstliche Praxis – wegen der Notwendigkeit grundlegender Änderungen etablierter Prozesse und möglicher Interessenskonflikte – häufig eine große Herausforderung dar [hohe Konfidenz]. Die auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Produktions- und Konsumweisen hemmen die Umsetzung von Maßnahmen und sind deshalb ein wichtiger Treiber der nicht-nachhaltigen Flächennutzung [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 5.​1; 6.​8}
F2.1
In Österreich findet sich eine zersplitterte Kompetenzverteilung, in der die drei Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden z. T. widersprüchliche Ziele verfolgen [hohe Konfidenz]. Der Austausch zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen ist hier von zentraler Bedeutung für die Beachtung und den Ausgleich von Konfliktfeldern. Konflikte werden oft zuerst auf der lokalen Ebene erkannt, eine Vermeidung oder Minderung würde aber Entscheidungen auf der übergeordneten Ebene erfordern. Ein hohes Potenzial zur Überwindung dieser Barriere kommt der konsequenten Umsetzung des Berücksichtigungsprinzips zu [hohe Konfidenz]. Dieses verpflichtet die Gebietskörperschaften zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Entwicklung von künftigen, klimarelevanten Strategien. {Abschn.​ 6.​2; 6.​4; 6.​8}
F2.2
Im Bereich der Landnutzung sind unzählige umwelt- und wirtschaftsrechtliche Regelungen, wie sie beispielsweise im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G), Wasserrechtsgesetz (WRG), Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), in der Gewerbeordnung (GewO), im Forstgesetz (ForstG), in den Raum- und Bauordnungen, aber auch in den Naturschutzgesetzen sowie in etlichen konkretisierenden Verordnungen statuiert sind, einschlägig. Ist demnach ein bestimmtes klimaschädliches Verhalten nicht gewollt, kann dem mit entsprechenden (sanktionsbewehrten) Verboten begegnet werden. Ist hingegen klimafreundliches Verhalten erwünscht, kann auf dieser Ebene mit Geboten reagiert werden. In der Regel sieht die Rechtsordnung dabei zwangsbewehrte Mechanismen zur Durchsetzung dieser rechtlichen Vorgaben vor. Namhafte strategische Planungen gibt es vor allem im Forstrecht (Waldentwicklungsplan) und Wasserrecht (u. a. wasserwirtschaftliche Rahmenpläne und Rahmenverfügungen), während z. B. das gesamte Energie- oder Verkehrsrecht keine verbindliche, hoheitliche, strategische Planung vorsieht [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​3.​3; 7.​2.​1; 7.​4; 7.​5}
F2.3
Ökonomische Instrumente zielen darauf ab, wirtschaftliche Anreize für umweltfreundliches Verhalten zu setzen. Hierbei geht es vor allem um eine Annäherung an die sogenannte „Internalisierung“ von Umweltkosten (externe Kosten) zur Behebung von Marktversagen und negativen externen Effekten. Im Bereich der Marktkräfte sollen die Preise die vollen Kosten widerspiegeln, die der Gesellschaft durch Produktion und Verbrauch entstehen, einschließlich der Umweltkosten. Demnach kann der Staat – innerhalb eines umweltpolitischen Instrumentenmixes – Steuern vorschreiben, die Betroffene durch drohende Mehrkosten zu alternativen, umweltfreundlichen Handlungsweisen animieren sollen. Über diesen Weg kann er auch zu als positiv erachteten Handlungen anreizen, wenn er etwa das gewünschte Verhalten mit steuerlichen Begünstigungen versieht. Daneben steht dem Staat das förderpolitische Instrument der Subvention zur Verfügung. Hierbei verpflichtet sich der Subventionsempfänger in der Regel zu einem entsprechenden (ökologischen bzw. klimafreundlichen) Verhalten und erhält dafür eine meist geldwerte Gegenleistung vom Staat (z. B. Umweltförderungsgesetz, ÖPUL). {Abschn.​ 1.​6.​1; 6.​4.​2.​2}
F2.4
Es gibt nach wie vor Subventionen, die gegen eine klimaschonende Landnutzung wirken [hohe Konfidenz], wie z. B. niedrigere Steuersätze oder Steuerbefreiungen und -ermäßigungen für bestimmte Nutzergruppen (z. B. Verwendung von Dieselkraftstoff in der Landwirtschaft oder der Fischerei) und bestimmte Produktgruppen wie Fleisch- oder Milcherzeugnisse (stickstoffintensive landwirtschaftliche Erzeugnisse). Insbesondere die Subventionen für fossile Brennstoffe führen zu wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Problemen. Für Österreich wurde ein durchschnittliches jährliches umweltkontraproduktives Fördervolumen von 3,25 Mrd. Euro berechnet [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​4; 6.​4.​2.​2; 7.​1.​2}
F2.5
Die bestehenden finanziellen Anreizsysteme wie die Wohnbauförderung oder Pendlerpauschale sind derzeit nicht in einer Form gestaltet, dass sie effizient für den Klimaschutz und für die Klimawandelanpassung wirken würden [hohe Konfidenz]. Eine Reform dieser Steuerungsmaßnahmen hat ein hohes Potenzial, die Belastung für die Umwelt durch Verkehrsaufkommen sowie die Bodenversiegelung durch den Siedlungs- und Straßenbau wesentlich zu reduzieren. Maßgeblich ist zudem auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, um eine Förderung des motorisierten Individualverkehrs zu verhindern. {Abschn.​ 6.​4; 6.​6; 8.​5.​3}
F2.6
Agrarumweltzahlungen haben großen Einfluss auf Landnutzungsentscheidungen und sind daher wichtige Hebel der Transformation. Ein Beispiel für eine Abgabe, die direkt die Art des Landmanagements im Agrarbereich beeinflussen kann, ist die Düngemittel- oder Stickstoffsteuer. Eine Düngemittelsteuer erhöht den Preis des Stickstoffeinsatzes und soll dadurch den übermäßigen Einsatz dieses Inputs sowie die diffusen Stickstoffemissionen in die Umwelt verringern. {Abschn.​ 3.​2.​3; Box 6.​6}
F2.7
CO2-Steuern (CO2-Bepreisungen) werden zunehmend in vielen Ländern zur Erreichung klimapolitischer Ziele eingesetzt, weil sie ein wirksames Instrument zur Emissionsreduktion darstellen [hohe Konfidenz]. Durch die Einführung einer CO2-Steuer erhöhen sich die Kosten für die Nutzung fossiler Rohstoffe, was einen Anreiz zur Verminderung der Emissionen darstellt. Eine höhere Besteuerung von Treibstoffen kann auch zu einer Eindämmung der Zersiedelung beitragen, indem durch die höheren Kosten ein Anreiz gegen lange Wegstrecken gesetzt wird [mittlere Konfidenz]. Insofern gehen von der CO2-Bepreisung auch Effekte auf die Landnutzung aus. Zu den Effekten der 2022 in Österreich eingeführten CO2-Bepreisung liegen noch keine umfassenden Analysen vor. Aufgrund des niedrigen Preisniveaus ist von relativ geringen Lenkungseffekten auszugehen. {Abschn.​ 1.​6.​1.​1; 6.​4}
F2.8
Informationskampagnen sind ein populäres, aber meist wenig wirksames Instrument (im Vergleich zu staatlichen strukturellen Eingriffen), um Verhaltensänderungen unter Konsument_innen herbeizuführen [hohe Konfidenz]. Wesentlich für eine erhöhte Wirksamkeit ist die Bereitstellung von zielgruppenspezifischen Informationen, die an die Werte oder Ziele der Empfängergruppe angepasst sind. Partizipative Ansätze sind herkömmlichen linearen Modellen der „Informationsweitergabe“ dabei weit überlegen [hohe Konfidenz]. Gütesiegel spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Informationsvermittlung, aber die Anzahl und Bandbreite dieser Gütesiegel ist derzeit für Konsument_innen verwirrend [hohe Konfidenz]. Maßnahmen in diesem Bereich werden kaum auf ihre Wirksamkeit hin getestet. {Abschn.​ 6.​4.​2}

F.3 Raum- und Verkehrsplanung

Der Raum- und der Verkehrsplanung kommen Schlüsselrollen sowohl bei der Klimawandelanpassung als auch beim Klimaschutz zu [hohe Konfidenz], zum einen aufgrund der Klimarelevanz der hohen Material- und Energieströme, die durch Erweiterungen und Nutzung des Siedlungsraumes und des Straßennetzes ausgelöst werden, und zum anderen durch die gleichzeitige Verringerung der Treibhausgas-Absorptionspotenziale durch die Versiegelung des Bodens. Das (Steuerungs-)Potenzial der Raumplanungsinstrumente wird in der Planungspraxis allerdings nicht voll ausgeschöpft [hohe Konfidenz]. Zudem schränken die Zersiedelung und Zerschneidung der offenen Landschaft durch Gebäude und Straßen die Interventionsmöglichkeiten der Raum- und Verkehrsplanung aufgrund von Lock-in-Effekten zusehends ein. {Abschn.​ 6.​6}
F3.1
Die hohe Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke (Abb. ZfE.6) hat eine Reihe von u. a. sozio-ökonomischen sowie rechtlich-institutionellen Ursachen. Diese liegen unter anderem in der nicht ausreichenden Effektivität der bestehenden Instrumente und deren inhaltlicher Ausgestaltung und Anwendung [hohe Konfidenz]. Darüber hinaus sind fehlende Anreize, die vorhandene Kompetenzzersplitterung sowie die politische Ökonomie der kommunalen Flächenwidmung nicht förderlich für eine flächensparende Landnutzung [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​4.​1; 6.​6.​2; 7.​4}
F3.2
Die zunehmende Zersiedelung steht auch einer Reduktion des Verkehrsaufkommens inklusive Reduktion von Energieverbrauch und Emissionen entgegen [hohe Konfidenz]. Eine auf Verkehrsreduktion ausgerichtete Raumorganisation (z. B. die „Stadt der kurzen Wege“) wird als wirksames Mittel gesehen, die Wege im motorisierten Individualverkehr (MIV) mit Fuß- und Radverkehr bzw. durch die Nutzung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) zu ersetzen [mittlere Konfidenz]. Auch der gezielte Einsatz finanzieller Mittel für Infrastrukturbauten des öffentlichen Nahverkehrs kann Verhaltensänderung in Richtung verstärkte ÖV-Nutzung steuern. {Abschn.​ 6.​6}
F3.3
Energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen, die sich durch Funktionsmischung, maßvolle Dichte und Kompaktheit auszeichnen, können nicht nur Energieeinsparungen, sondern auch eine effizientere Energieversorgung mit einem zunehmenden Versorgungsanteil erneuerbarer und/oder dekarbonisierter Energieträger ermöglichen [hohe Konfidenz]. Die Ausschöpfung des Nachverdichtungspotenzials leistet dafür einen wesentlichen Beitrag [hohe Konfidenz]. Der Bereich der Energieraumplanung, der darauf abzielt, Aspekte des Klima- und Bodenschutzes in die Raumplanung zu integrieren, hat hier ein großes Potenzial [hohe Konfidenz]. {Tab.​ 6.​1; Abschn.​ 6.​6; 7.​2; 7.​2.​2; 7.​3}
F3.4
Das Potenzial, im Wege der Raum- und Verkehrsplanung zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung beizutragen, ist derzeit nicht ausgeschöpft, obwohl entsprechende Instrumente vorhanden sind [hohe Konfidenz]. Dieses „Umsetzungsversagen“ ist mit dafür verantwortlich, dass sich klimaschädigende Verhaltensweisen perpetuieren [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​6; 7.​2}

F.4 Akteur_innen und Interessenskonflikte

Eine flächendeckende erfolgreiche Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsstrategien in der Landnutzung ist möglich, bedingt aber die Auseinandersetzung mit Ziel- und Interessenskonflikten sowie die breite Einbeziehung verschiedener Akteur_innen. Landnutzer_innen und Konsument_innen orientieren sich nicht nur an finanziellen Anreizen und Preisen. Daher ist ein Mix an Politiken, Handlungs- und Unternehmensstrategien, die diverse Werte und Framings ansprechen, vielversprechend. {Abschn.​ 6.​8; 8.​5.​2}
F4.1
Der Großteil der landnutzungsbezogenen Anpassungsentscheidungen auf lokaler bzw. betrieblicher Ebene wird von Land- und Forstwirt_innen getroffen. Private Unternehmen (entlang der gesamten Wertschöpfungskette) spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Mitigations- und Anpassungsmaßnahmen [hohe Konfidenz]. Die Berücksichtigung zugrunde liegender sozialer Prozesse (Wissen, Eigenverantwortung, Akzeptanz der erhöhten Kosten) erlaubt eine erfolgreiche Implementierung [hohe Konfidenz]. So zeigen Informationsstrategien, die explizit regionale und betriebstypspezifische Bedürfnisse und Herausforderungen benennen, ein hohes Erfolgspotenzial. Qualitätssicherung und eine gute Kommunikation, die den in der Regel höheren Preis nachvollziehbar macht, sowie Fairness entlang der gesamten Wertschöpfungskette (u. a., indem auch Landwirt_innen ein höherer Preis geboten wird) sind zusätzliche wichtige Erfolgskriterien [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 4.​2.​1; 6.​5}
F4.2
In Österreich herrscht derzeit eine hohe Konzentration von Marktmacht bei den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Unternehmen vor sowie bei den Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel [hohe Konfidenz]. Der mangelnde Zugang anderer Akteur_innen zu Risikokapital, Boden, Wissen und Netzwerken stellt eine Barriere zur Etablierung von innovativen Landnutzungssystemen dar [hohe Konfidenz]. Das Potenzial, über selbständige Initiative von Landwirt_innen, Unternehmer_innen und Bürger_innen zum Klimaschutz beizutragen, ist sehr hoch [hohe Konfidenz]. Die Sicherung ausreichender Freiräume seitens der rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützt diese Initiativen. Ein Beispiel ist das Alternativfinanzierungsgesetz, das die Finanzierung von Initiativen durch Crowdfunding ermöglicht. Öffentliche Fördertöpfe, die kleine Beträge als „Risikokapital“ für neue Initiativen und Vernetzungsprojekte zur Verfügung stellen, können innovative Projekte zusätzlich fördern. {Abschn.​ 6.​4.​2.​2; 8.​5.​3}
F4.3
Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette, die für die Umsetzung von Maßnahmen wesentlich sind, entstehen auch zwischen Landwirt_innen und Konsument_innen. Dadurch entstehen unterschiedliche alternative Produktions- und Vermarktungsinitiativen, wie z. B. die „solidarische Landwirtschaft“, Food-Coops, Nachbarschafts- und Gemeinschaftsgärten oder auch Selbsterntefelder. Diese zivilgesellschaftlichen Initiativen sind häufig klein und agieren vorwiegend lokal, tragen aber zur Schaffung eines Problembewusstseins bei und erarbeiten Lösungsansätze, die zu einer Transformation des Lebensmittelsystems beitragen können [hohe Konfidenz]. Indem sie mit alternativen Organisationsformen und Kooperationsmodellen sowie mit umwelt- und klimafreundlichen Produktions- und Vermarktungsalternativen experimentieren, stellen sie Erfahrungswerte bereit, auf die, im Sinne eines Upscalings, zurückgegriffen werden kann [hohe Konfidenz], auch wenn es für solche Nischen dennoch schwer bleibt, den etablierten Mainstream zu verändern [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 6.​5}

F.5 Nachhaltigkeitsziele und globale Dimensionen

Landnutzung in Österreich hat Anteil an der Verursachung und ist betroffen von multiplen, miteinander vernetzten Krisen (Klimakrise, Biodiversitätskrise, Wirtschaftskrisen, globale soziale und humanitäre Krisen), die sich auf globaler, nationaler und lokaler Ebene manifestieren. Systemische, sektoren- und disziplinenübergreifende Ansätze können diese Krisen adressieren und zu ihrer Bewältigung beitragen [hohe Konfidenz]. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der UN bieten dafür einen politischen Handlungsrahmen für Österreich [hohe Konfidenz]. Ohne entsprechende Maßnahmen besteht ein großes Potenzial, die Transformation hin zu einer nachhaltigen und gerechten Ökonomie zu gefährden, da beispielsweise die zunehmende Konkurrenz um Land die Nahrungsmittelpreise erhöhen und zu einer nicht nachhaltigen Intensivierung (z. B. Düngemittel- und Wassernutzung) mit negativen Auswirkungen auf die Wasser- und Luftverschmutzung und dem weiteren Verlust der Biodiversität führen könnte [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 8.​1}
F5.1
Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von 193 UN-Mitgliedsstaaten, u. a. auch Österreich, als „Agenda 2030“ verabschiedet wurden, bieten einen breit legitimierten Handlungsrahmen zur umfassenden Bewältigung der Krisen im Spannungsfeld von Landnutzung und Klimawandel, von der lokalen bis zur globalen Ebene (Abb. ZfE.7) [hohe Konfidenz]. Die stringente analytische Verknüpfung der ökologischen Dimension mit der sozialen und der ökonomischen Dimension globaler Entwicklung kann dabei zu einer neuen Qualität von nachhaltiger Entwicklung führen [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 1.​5.​1; 8.​1; 8.​2}
F5.2
Maßnahmen zur Klimawandelanpassung und Emissionsminderung in der Landnutzung und Ressourcennutzung können in Einklang mit der Agenda 2030 gesetzt werden, wenn sowohl individuelle Ansätze als auch grundlegende Änderungen in der Governance, im Wirtschafts- und Finanzwesen, im kollektiven Handeln sowie in Wissenschaft und Technik verfolgt werden [hohe Konfidenz]. Individuelles Engagement und verantwortungsvoller Konsum sind zwar wichtige Stellschrauben für eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landnutzung, jedoch alleine nicht ausreichend [hohe Konfidenz]; es braucht umfassende, vernetzte Lösungsansätze auf allen Ebenen. {Abschn.​ 8.​5.​1}
F5.3
Ein sorgsamer Umgang mit Grund und Boden – sowohl in direkter (Land- und Forstwirtschaft, Wohnen, Gewerbe, Verkehr) als auch indirekter (Tourismus, Mobilität, Arbeit, Kultur) Verantwortung – ist eine Grundbedingung für eine nachhaltige sozial-ökologische Transformation und die Generationengerechtigkeit [hohe Konfidenz]. Eine Entkopplung von Bodennutzungs- und Profitinteressen wäre hierfür förderlich. {Abschn.​ 8.​5.​1}
F5.4
Es gibt keine gesamtstaatliche kohärente Strategie der österreichischen Bundesregierung zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Defizite bei den konkreten Zielsetzungen, bei der Koordination der Maßnahmen in den einzelnen Politikbereichen und bei der Berücksichtigung der globalen Dimension der SDGs führen zu Problemen beim Monitoring sowie bei der Überprüfung der Fortschritte bzw. der Zielerreichung der SDGs [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 8.​3; 8.​3.​1}
F5.5
Österreich liegt im jährlichen SDG-Monitoring-Bericht (Eurostat) in den Bereichen „Kein Hunger“ und „Nachhaltige Landwirtschaft“ (SDG 2), „Energie“ (SDG 7), „Klima“ (SDG 13) und „Terrestrische Ökosysteme“ (SDG 15) unter dem EU-Durchschnitt, mit nur geringen Fortschritten zur Zielerreichung. Dagegen liegt Österreichs Status bei den Zielen zu „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ (SDG 11) sowie „Nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster“ (SDG 12) etwas über dem EU-Durchschnitt, mit mäßig positiven Trends [mittlere Konfidenz]. {Box 8.​1}
F5.6
Soziale Aspekte beeinflussen die erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung von landnutzungsbasierten Emissionsminderungs- oder Anpassungsmaßnahmen wesentlich [hohe Konfidenz]. „Transport Poverty“ oder „Mobility Poverty“ betreffen beispielsweise mehrfach benachteiligte Bevölkerungsgruppen (auch Kinder) mit geringem Einkommen [hohe Konfidenz]. Klimawandel- und klimapolitikbedingte Veränderungen in landwirtschaftlichen Produktionsprozessen (höherer Arbeitsbedarf, Diversifizierung, höherer Technologisierungsgrad) haben außerdem bei gleichbleibend traditionell geschlechtsspezifischen Arbeits- und Lebensbedingungen und ohne gezielte kompensierende Maßnahmen negative Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit [mittlere Konfidenz]. Im globalen wie auch österreichischen Kontext sind die Forst- und Agrarwirtschaft zudem häufig durch saisonale, zumeist prekäre Beschäftigung mit hoher Exposition gegenüber klimatologischen Faktoren (z. B. Hitzestress) gekennzeichnet [hohe Konfidenz]. Mit zunehmend steigenden Temperaturen und länger anhaltenden Hitzeperioden in Österreich wird es auch hierzulande zielgerichteter Anpassungsmaßnahmen bedürfen, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen im landwirtschaftlichen Sektor aufrecht zu erhalten [mittlere Konfidenz]. {Abschn.​ 7.​1.​3; 8.​4.​1.​3; 8.​4.​2.​18.​4.​2.​3}
F5.7
Die Konkurrenz um Land verstärkt sich durch die Zersiedelung, aber auch durch klimapolitikbedingte Landnutzungsänderungen im Rahmen von Anpassungs- und Mitigationsmaßnahmen (z. B. erhöhter Flächenbedarf für Bioenergie, Ertragsminderungen durch Ökologisierungsmaßnahmen) [hohe Konfidenz]. Bei gleichbleibender, auf tierischen Nahrungsmitteln basierender Ernährungsweise kann es zu einer zunehmenden internationalen Verlagerung landwirtschaftlicher Produktion [hohe Konfidenz], zu einer Erhöhung globaler Nahrungspreise [mittlere Konfidenz] oder zu einer nicht nachhaltigen Intensivierung der Landnutzung kommen, mit negativen Auswirkungen auf Wasser- und Luftqualität und auf die Biodiversität [mittlere Konfidenz]. Neben der nachhaltigkeitsorientierten Ausgestaltung des nationalen Steuer- und Fördersystems spielt auch die internationale Koordination eine zentrale Rolle im Umgang mit diesen Herausforderungen. Hier gilt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU als zentrale Stellschraube. {Abschn.​ 6.​3.​2.​5; 8.​4.​2.​3; 8.​5.​3}
F5.8
Neuen Arten der Wissensproduktion, die auf Transdisziplinarität, problemorientierten und partizipativen Ansätzen beruhen, wird die Kapazität zugeschrieben, vernetzte Probleme zu erfassen, zu analysieren und näher an die Umsetzung zu bringen [hohe Konfidenz]. Der reiche Wissensstand und die Kapazitäten der Natur-, Ingenieurs-, Sozial- und Geisteswissenschaften sind hier für eine effektive Verfolgung der SDGs noch nicht ausgeschöpft [hohe Konfidenz]. Land- und Forstwirt_innen stellen die wichtigsten Entscheidungsträger in Hinblick auf die Veränderungsprozesse im Kontext der Landnutzung und des Klimawandels dar, weshalb es für eine nachhaltige und gerechte wirtschaftliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist, zu verstehen, wie diese Akteur_innen als Reaktion auf den Klimawandel sowie auf klimapolitische Maßnahmen ihr Landnutzungsverhalten ändern [hohe Konfidenz]. {Abschn.​ 8.​4.​2.​1; 8.​5.​4}
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Metadaten
Titel
Zusammenfassung für Entscheidungstragende
verfasst von
Assoz. Prof. Dr. Karl-Heinz Erb
Univ.-Prof.in Dr.in Ulrike Tappeiner
Univ.-Doz.in Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Robert Jandl
Dr. Andreas Baumgarten
Univ.Ass. Dipl.-Ing. Dr. Hartmut Dumke
Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Tatjana Fischer
Assoc. Prof. Dr. Herbert Formayer
Mag.a Dr.in Veronika Gaube
Univ.-Prof. DDr. Michael Getzner
Assoc. Prof.in Dr.in Simone Gingrich
Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Georg Gratzer
Dipl.-Ing. Dr. Willi Haas
Dr. Friedrich Hinterberger
Dr.in Jill Jäger
Mag.a Charlotte Kottusch
Dipl.-Ing. Dr. Florian Kraxner
DI.in Dr.in Katharina Lapin
Dipl.-Vw.in Dr.in Ina Meyer
Dr. Thomas Schinko
Univ.-Prof.in Kyoko Shinozaki
Mag.Dr. Stefan Schneider
Dr. Silvio Schüler
Univ.Prof. Dr. Gernot Stöglehner
PD Dr Mag Erich Tasser
MMag. Ph.D. Thomas Thaler
Dr. Peter Weiss
Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Walter Wenzel
Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Werner Zollitsch
Copyright-Jahr
2024
Verlag
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DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-67864-0_1