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19.10.2022 | Automobilwirtschaft | Interview | Online-Artikel

"Scope 3 ist ein vorübergehendes Mittel zum Zweck"

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Engie Impact begleitet die Automobilbranche auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Wie die Unterstützung genau aussieht, erläutert Nachhaltigkeitsspezialist Mathias Löser im Interview. 

Engie Impact wurde 2019 aus dem Zusammenschluss der Unternehmen Engie Insight, Ecova UK, RED Engineering sowie der Beratungs- und Advanced-Analytics-Division von Tractebel ins Leben gerufen. Welche Motivation stand hinter der Gründung von Engie Impact?

Engie Impact wurde 2019 als Reaktion auf den Bedarf des Marktes gegründet, Unternehmen zu unterstützen, die sich Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsziele gesetzt hatten, aber nicht in der Lage waren, diese erfolgreich umzusetzen. Wir haben festgestellt, dass von allen Unternehmen, die sich nach dem Pariser Abkommen 2015 Klimaziele gesetzt haben, weniger als 25 % einen realistischen Weg entwickelt haben, diese auch zu erreichen. 

Im Zuge der Gründung von Engie Impact fusionierte die Engie-Gruppe vier bestehende Unternehmen: Engie Insight (ein Unternehmen für Ressourcenmanagement aus USA), RED Engineering (technisches und nachhaltiges Engineering für Rechenzentren und andere komplexe Gebäude), Ecova UK (ein Energiebeschaffungsunternehmen aus Großbritannien) und die Advanced-Analytics-Abteilung von Tractebel (technische Beratung und digitale Werkzeuge für Dekarbonisierungsthemen). Durch das kombinierte Fachwissen dieser vier Unternehmen in Verbindung mit der darauf aufbauenden globalen Beratung war Engie Impact in der Lage, dem Markt ein durchgängiges Dekarbonisierungsmanagement und strategische Unterstützung von der Beratung bis zur Umsetzung zu bieten. Engie Impact ist dabei ein unabhängig operierendes Unternehmen innerhalb der Engie-Group. 

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Scopes 1, 2, and 3 Industry Emissions and Future Pathways

The Scope 1, 2, and 3 emissions analysed in the OECM are defined and are presented for the 12 sectors analysed: (1) energy, (2) power and gas utilities, (3) transport, (4) steel industry, (5) cement industry, (6) farming, (7) agriculture and forestry, (8) chemical industry, (9) aluminium industry, (10) construction and buildings, (11) water utilities, and (12) textiles and leather industry. The interconnections between all energy-related CO2 emissions are summarized with a Sankey graph.

Wie können Sie die Automobilbranche konkret auf dem Weg zur Klimaneutralität und zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen?

Wir unterstützen die Automobilbranche auf dem Weg zur Klimaneutralität, indem wir alle Aspekte der Dekarbonisierung abdecken. Das startet mit einer Strategieentwicklung und geht über die technische Beratung von Standorten und Standortportfolios bis hin zur gemeinsamen Umsetzung der festgelegten Ziele. Nicht nur im eigentlichen Herstellungsprozess, sondern auch im Scope 3, der diesem vor- und nachgelagert ist und typischerweise circa 70 bis 90 % der Gesamtemissionen darstellt. 

Eines unserer Alleinstellungsmerkmale liegt dabei in der Fähigkeit, strategische Dekarbonisierungsmaßnahmen auch in die Realität umzusetzen. Zusätzlich können wir die dazugehörigen Investitionen anbieten und können so das Erreichen der entwickelten Ziele garantieren. Somit können sich die Unternehmen selbst auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Durch hochentwickelte Modellierungswerkzeuge können wir tief in die Fabriken und Produktionsprozesse eintauchen und so beispielsweise ihre Energieströme optimieren. Unser Net-Zero-Factory (NZF)-Ansatz beruht dabei auf fünf konkreten Schritten: 

  1. Der gemeinsamen Definition von Zielen und Grenzen, sowohl in Hinsicht auf CO2 als auch auf Capex, Opex etc. 
  2. Einer Analyse der Ausgangssituation und den daraus resultierenden Optimierungsmöglichkeiten und die Entwicklung einer Baseline sowie eines Business As Usual (BAU)-Szenarios
  3. Der gemeinsamen Definition von realistischen Dekarbonisierungstechnologien, um das BAU-Szenario zu dekarbonisieren und der iterativen Entwicklung von entsprechenden Dekarbonisierungsszenarien
  4. Der Analyse von möglichen Finanz- und Betriebsmodellen, um die Umsetzung der gewählten Veränderungen zu ermöglichen 
  5. Der Erstellung eines umsetzbaren, realistischen und zukunftsorientierten Investmentplans für den finalen Dekarbonisierungspfad 

Wie weit sind die Unternehmen der Automobilindustrie bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien? 

Die meisten Hersteller (OEMs) haben sich ambitionierte Ziele gesetzt, die auch Scope 3 beinhalten. Die gewählte Strategie besteht dabei häufig aus einer Mischung aus grüner Energiebeschaffung und lokalen Energieeffizienzprogrammen, aber nicht aus tiefgreifenden Prozessänderungen und der Optimierung der Versorgungsinfrastruktur. Um mittelfristig ehrgeizige Ziele zu erreichen, die von allen Seiten gefordert werden, reicht dies nicht mehr aus. Die meisten nationalen Ziele sind auf 2030 ausgerichtet und das ist nicht mehr lange hin. 

Es wird immer noch sehr stark von einem standort- und projektbezogenen Ansatz ausgegangen und nicht von einer echten ganzheitlichen Analyse dessen, was das Unternehmen ändern muss, um die eigenen Ziele zu erreichen. Das Ausmaß der erforderlichen Veränderungen und Investitionen sowie die Komplexität neuer Technologien und Prozesse wird dadurch tendenziell unterschätzt. 

Die Reduzierung von Scope-3-Emissionen ist ein einfacher Weg, um einen großen Teil der Emissionen eines Produkts anzugehen, aber die Festlegung von Scope-3-Zielen führt nicht per se zu einer Dekarbonisierung der Lieferketten – es ist mehr Unterstützung und Aufsicht erforderlich, um sicherzustellen, dass die Lieferketten sich aktiv engagieren und bereit sind, die Dekarbonisierung voranzutreiben.

An welchen Punkten der automobilen Wertschöpfungskette ist es überhaupt möglich, CO2-Neutralität zu erreichen? 

An jedem Punkt der Wertschöpfungskette können CO2-Einsparungen erreicht werden. Scope 3 ist ein vorübergehendes Mittel zum Zweck. Wenn jedes Unternehmen entlang der Lieferkette seine Scope-1- und Scope-2-Emissionen in Angriff nehmen würde, wäre eine Reduzierung der Scope-3-Emissionen nicht nötig.

Wir haben noch keinen Kunden gesehen, für den wir keine Lösung für einen kohlenstoffneutralen Betrieb finden konnten; aber je mehr Unternehmen sich darauf stürzen, desto mehr werden die Preise für nachhaltige Lösungen die Nachfrage regulieren. Der PPA-Markt zum Beispiel ist bereits ein Verkäufermarkt, da die Nachfrage höher als das Angebot ist. Es zahlt sich also definitiv aus, wenn man sich früher statt später darum kümmert. Dies ist angesichts der jüngsten Preisentwicklungen und Instabilitäten auf dem Energiemarkt nur umso wahrer.

Wie können die Unternehmen ökonomisch erfolgreich arbeiten und gleichzeitig ihren CO2-Fußabdruck minimieren?

Unternehmen scheuen vor disruptiven Veränderungen eher zurück. So sind zum Beispiel alte Fabrikdesigns der Energieerzeugung und -versorgung oft von Natur aus ineffizient, da sie in einer Zeit billiger Energie entwickelt wurden und eher auf Spitzen- als auf Durchschnittsverbrauch ausgelegt sind. Es sind erhebliche Investitionen erforderlich, um die derzeitige Struktur von Fabriken grundlegend zu ändern. Neuartige Betriebs- und Finanzierungsmodelle können hier helfen, einen Kapitalmangel zu überwinden und gleichzeitig wesentlich effizientere Prozesse ermöglichen, die für die Zukunft gerüstet sind. Die eigene Unternehmensstruktur zu ändern kann einen hohen Aufwand bedeuten – spart aber langfristig noch mehr.

Sehr oft ist nämlich die Dekarbonisierung (bei einer ganzheitlichen Betrachtung) im Vergleich zum Business As Usual-Szenario wirtschaftlich durchaus attraktiv. Die Abkehr von einem kurzfristigen, auf Investitionen in Einzelprojekte ausgerichteten standortbezogenen Ansatz, und die Hinwendung zu einer langfristigen, auf den Gesamtbetriebskosten basierenden Analyse zeigt daher oft, dass die Investitionskosten im Vergleich zu den Betriebskosten (insbesondere den Brennstoffkosten) nur einen Bruchteil der Gesamtkosten ausmachen. Rund zwei Drittel der von uns in den vergangenen Jahren durchgeführten Net-Zero-Factory-Projekte haben beispielsweise Dekarbonisierungspfade mit niedrigeren Gesamtkosten im Vergleich zum BAU-Szenario. Und nicht zuletzt sichert die Dekarbonisierung typischerweise auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit und schützt durch Maximierung der Eigenproduktion von erneuerbaren Energien vor Ort auch vor Marktpreisrisiken.

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