Skip to main content
Erschienen in:
Buchtitelbild

Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Einleitung

verfasst von : Dr. jur. Fabian Landscheidt

Erschienen in: Der patentrechtliche Schutz von Daten und seine Grenzen

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Daten sind digitale Güter. Der rechtliche Schutz von Daten ist jedoch bisher weder in der deutschen noch in der europäischen Rechtsordnung einheitlich geregelt. Die rechtliche Teilabdeckung des Schutzes von Daten ist insbesondere im Patentrecht mit einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit verbunden. Ziel der vorliegenden Arbeit soll es daher sein, die Grundsätze der Patentierbarkeit zur Erfindung nach § 1 PatG / Art. 52 EPÜ und zur erfinderischen Tätigkeit nach § 4 PatG / Art. 56 EPÜ auf Daten und Informationen anzuwenden. Anhand eines patentrechtlichen Datenbegriffes sollen insbesondere die Konzepte der Technizität von Erfindungen sowie der Körperlichkeit von Verfahrens- und Sacherzeugnissen kritisch durchleuchtet werden. Das Ergebnis der Arbeit sollen praxistaugliche und verfassungskonforme Fallgruppen zur Datenpatentierbarkeit darstellen, die mit der aktuellen Entscheidungspraxis der deutschen und europäischen Spruchkörper in Einklang stehen.

1.1 Problemaufriss

Der internationale Wirtschaftsverkehr wird zunehmend von der Digitalisierung geprägt.1 Darunter ist nicht mehr nur die Umwandlung analoger Informationen wie Buchstaben, Wörter, Klänge oder Bilder in binäre Schritte (engl. binary digits, bits) nach einem festgelegten Schema zu verstehen.2 Vielmehr beschreibt Digitalisierung die Gesamtheit der evolutionären Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik,3 die zumindest in den westlichen Industrienationen spätestens seit Beginn der 1990er so rasant und umfassend vorangeschritten sind, dass sie Vergleiche mit denen der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts rechtfertigen.4 Während die industrielle Revolution vor allem zu einer zunehmenden Automatisierung von überwiegend körperlicher Arbeit geführt hat, lassen sich im Rahmen der momentanen digitalen Revolution vermehrt intellektuelle Aufgaben wie z. B. das Übersetzen einer Fremdsprache5 automatisieren, die zuvor ausschließlich vom Menschen ausgeführt werden mussten.6 Für die Beschreibung der hiermit verbundenen Verlagerung der Produktions- und Kommunikationsprozesse zwischen Mensch und Maschine von der realen in die virtuelle Welt haben sich mit Multimedia7, künstliche Intelligenz8, Internet der Dinge9, Industrie 4.010 oder Big Data11 im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine Vielzahl unterschiedlicher Begrifflichkeiten herausgebildet, die inhaltlich nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind und durch ihre allgegenwärtige Verwendung in der Wissenschaft und in den Medien häufig zu einem Schlagwort verkommen.12 Doch für nahezu alle hieraus entstandenen Geschäftsmodelle wie etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke und den Internet-Versandhandel ist der möglichst effiziente Umgang mit Daten von zentraler Bedeutung.13

1.1.1 Daten als digitale Güter

Eine Schwierigkeit der effizienten Datennutzung stellt insbesondere die zunehmende Menge der Daten dar,14 die etwa im Maschinenbetrieb erzeugt, durch Sensoren erfasst oder im Rahmen von Internetdiensten erhoben werden.15 Das liegt zum einen daran, dass ab einem gewissen Datenvolumen auch die leistungsstärksten Speicher- und Verarbeitungsanlagen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.16 Zum anderen ist vor Erhebung der Daten nicht immer klar, ob sich eine Auswertung und Speicherung überhaupt lohnt.17 Denn ohne Zuordnung von inhaltlichen Aussagen und Wirkprozessen, und damit ohne Kenntnis über Art und Umfang des möglichen Informationspotentials, verfügen Daten auf den ersten Blick über keinen nennenswerten abstrakten Wert.18 Wirtschaftlich nutzbare Muster und Zusammenhänge aus größeren Datenbeständen lassen sich meist erst mithilfe von unterschiedlichen Methoden der Datenanalyse ermitteln, die allgemein unter dem Begriff Data Mining zusammengefasst werden.19 Anknüpfend an das Bild des Abbauens, Förderns oder Grabens werden Daten in unbearbeiteter Form daher häufig mit Rohstoffen20 verglichen. Gegen diesen Vergleich wird teilweise eingewendet, dass sich Daten – anders als etwa Erdöl21 oder Gold22 – keineswegs durch ihre Knappheit auf dem Markt auszeichnen.23 Außerdem gebe es den „Markt für Daten“ ebenso wenig, wie es den „Markt für Rohstoffe“ gibt.24 Dem Bild ist jedoch zuzugeben, dass Daten ebenso wie Rohstoffe jedenfalls in strukturierter, rationalisierter und operationalisierter Form als Handelsgegenstand verwendet werden können.25 So können etwa im Rahmen des sog. targeted advertising Werbeanzeigen an das Such- und Klickverhalten des Nutzers angepasst werden.26 Anhand der im Rahmen des vernetzten Kraftfahrzeugs erhobenen Mess- oder Prüfwerte (wie z. B. die Geschwindigkeit, Verbrauchswerte sowie Innenraum- und Motortemperatur) kann wiederum die Fahrdynamik des Modells optimiert werden.27 Aufgrund der damit verbundenen Tausch- und Handelbarkeit lassen sich Daten einer Kategorie wirtschaftlicher Güter unterordnen, die auch als digitale Güter bezeichnet werden.28 Solche digitalen Güter – zu denen auch Software gehört – zeichnen sich typischerweise dadurch aus, dass sie einen immateriellen Informationsgehalt in digitaler Form darstellen.29 Man kann daher auch von Stoffen sprechen, „aus denen das geistige Produkt Information besteht.“30 Im Vergleich zur industriellen Güterproduktion weisen digitale Güter die folgenden negativen Wesensmerkmale auf:
(1)
Digitale Güter sind nicht-materiell, d. h. nicht-verkörpert, im Gegensatz etwa zum körperlichen Träger, auf dem sie gespeichert werden können.31
 
(2)
Mangels Körperlichkeit sind sie nicht-abnutzbar, d. h. eine reguläre Nutzung wie etwa das Abspielen, Versenden oder Kopieren führt nicht zu Verschleißerscheinungen oder Qualitätseinbußen.
 
(3)
Digitale Güter sind nicht-rival, d. h. sie können gleichzeitig von mehr als einer Person genutzt werden, ohne dass die jeweils andere Person dadurch in ihrer Nutzung beeinträchtigt wird.
 
(4)
Zuletzt sind digitale Güter nicht-exklusiv, da es nach dem Inverkehrbringen faktisch kaum möglich ist, Personen von ihrer Nutzung auszuschließen.32
 
Gerade letztere Eigenschaft hat in jüngster Zeit Diskussionen um die Frage ausgelöst, ob und inwieweit Daten überhaupt rechtlich geschützt sind.

1.1.2 Keine einheitliche Schutzkategorie

Der rechtliche Schutz von Daten ist bisher weder in der deutschen noch in der europäischen Rechtsordnung einheitlich geregelt. Die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung, DSGVO) gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO nur für „personenbezogene Daten“, worunter nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 2 DSGVO „alle Informationen [fallen], die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person […] beziehen.“33 Nicht-personenbezogen sind demnach beispielsweise Daten über Wetterbedingungen, Daten über den Wartungsbedarf industrieller Maschinen, Hochfrequenzhandelsdaten im Finanzsektor oder Daten zur Präzisionslandwirtschaft. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist im sachlichen Anwendungsbereich auf „amtliche“ Informationen beschränkt vgl. § 2 Nr. 1 IFG.34
Nach dem StGB stehen einzelne Verhaltensweisen wie das unbefugte Ausspähen (§ 202a StGB) oder die rechtswidrige Veränderung (303a StGB) von Daten unter Strafe.35 Ein einheitlicher Datenbegriff liegt dem StGB jedoch nicht zugrunde.36
Im Rahmen der Vorschriften zu „außerhalb von Geschäftsräumen“ geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen regelt § 312f Abs. 3 BGB bestimmte Informations- und Dokumentationspflichten in Bezug auf Verträge über „digitale Inhalte“.37 Gemäß § 327 Abs. 2 S. 1 BGB sind digitale Inhalte „Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden“. Digitale Inhalte, wie z. B. Computerprogramme, Apps, Spiele, Musik, Videos, Texte oder die virtuelle Währung im Rahmen eines Videospiels,38 sind demnach unkörperliche Vertragsgegenstände.39 Damit bilden sie neben Waren (vgl. § 241 Abs. 1 BGB) und Dienstleistungen (wie z. B. den Finanzdienstleistungen i.S.v. § 312 Abs. 5 BGB) eine eigenständige Kategorie von Vertragsgegenständen.40 Eine Sachqualität digitaler Inhalte kann aus dem Vertragsrecht jedoch nicht abgeleitet werden.41 Daten sind insbesondere nicht als „Sachen“ i.S.d. § 90 BGB zu werten.42 Unter diesen Begriff fallen nur körperliche Gegenstände, die nicht zwingend aber typischerweise den Aggregatzuständen fest, flüssig oder gasförmig zuzuordnen sind.43 Daten bestehen jedoch – anders als etwa der körperliche Datenträger, auf dem sie gespeichert werden – lediglich aus elektronischen Spannungen.44 Damit kann ihnen ohne Verkörperung auf einem Datenträger weder ein besitz- (§ 854 Abs. 1 BGB)45 noch eigentumsrechtlicher (§ 903 BGB)46 Schutz zugesprochen werden. Teilweise wird dafür plädiert, ein „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB an den eigenen Daten bzw. am eigenen Datenbestand anzuerkennen.47 Neben der inhaltlichen Ausgestaltung ist momentan jedoch offen, welchem Rechtssubjekt ein solches Recht überhaupt zugeordnet werden soll.48
Bisher existiert zudem kein sondergesetzlich verbürgter Immaterialgüterrechtsschutz von Daten.49 Ein markenrechtlicher Schutz für die Begrifflichkeiten „Daten“ oder „Informationen“ kommt zwar grundsätzlich in Betracht. Einer Eintragung als Wortmarke in Alleinstellung würde jedoch zumindest für die Produktklassen 9 (u. a. Software), 38 (u. a. Telekommunikationsdienste) und 42 (IT-Dienstleistungen) ein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs 1 Nr. 2 MarkenG / Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 2017/1001 (Unionsmarkenverordnung, UMVO) entgegenstehen. Für die Annahme eines lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG wird es einzelnen Daten häufig an der wettbewerblichen Eigenart fehlen,50 da die in Betracht kommende Eigenschaft von Daten – etwa ihre inhaltliche Qualität und Marktrelevanz –51 nicht als betrieblicher Herkunftshinweis oder Besonderheit für Dritte wahrgenommen werden kann. Ungeachtet der Tatsache, dass Dateiformate nicht bereits aufgrund ihrer technischen Funktionalität als „Ausdrucksformen eines Computerprogramms“ i.S.d. § 69a Abs. 2 UrhG zu werten sind,52 verfügen Daten, deren eigenschöpferischer Wert sich auf die Kodierung in einer Computersprache beschränkt, in der Regel nicht über die nach § 2 Abs. 2 des UrhG notwendige Schöpfungshöhe.53 Aus urheberrechtlicher Sicht bleibt damit lediglich die Möglichkeit eines aggregierten Schutzes in Form eines Sammelwerkes (§ 4 Abs. 1 UrhG) oder einer Datenbank (§ 87a Abs. 1 UrhG),54 wobei der bloße Investitionsaufwand zur Datenerzeugung nicht ausreicht, um den zuletzt genannten sui generis Schutz zu begründen.55
Vom Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz (GeschGehG) sind „Informationen“ wiederum nur geschützt, wenn sich ihre Werthaltigkeit nach außen – insbesondere durch die Vorhaltung entsprechender Geheimhaltungsmaßnahmen – objektiv manifestiert, vgl. § 2 Nr. 1 GeschGehG.
Aus dieser nicht abschließenden Übersicht geht hervor, dass Daten bisher vor allem als verkörperte Träger von Information für den Rechtsverkehr von Interesse sind,56 deren Schutz sich in der Regel aus einer Kombination von Sacheigentum, vertraglichen Abreden und technischen Sicherheitsmaßnahmen zusammensetzt.57

1.1.3 Rechtsunsicherheit im Patentrecht

Die rechtliche Teilabdeckung des Schutzes von Daten ist mit einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit verbunden.58 Denn gerade bei der Entwicklung, Herstellung und Verwendung komplexer Produkte und Systeme ist das Risiko, von Dritten aus einer Reihe von etwaig bestehenden Schutzrechten angegriffen zu werden, kaum kalkulierbar.59 Dass ein solches Risiko insbesondere für den Bereich des Patentrechts besteht, wird unter anderem daran deutlich, dass sich die Rechtsprechung zunehmend mit Patentanmeldungen beschäftigt, die datenverarbeitungsbezogene Lehren betreffen.60 Dabei stellt insbesondere die Abgrenzung zwischen technischen und nicht-technischen Merkmalen computerprogrammbezogener Lehren nach wie vor eine schwierige Frage der Praxis dar.61 Mit der zunehmenden Digitalisierung tauchen neben diesen bereits bekannten Problemfeldern jedoch auch neue Fragestellungen auf, für die das geltende Recht derzeit noch keine befriedigende Antwort bietet.62 Zum einen stellt sich beispielsweise anhand sog. graphischer Benutzerschnittstellen (engl. graphical user interfaces, GUI) die Frage, ob menschliche Wahrnehmungs- und Bewertungsphänomene einen technischen Beitrag liefern oder systematisch als Aspekte der Informationswiedergabe oder als gedankliche Tätigkeit vom Patentschutz ausgeschlossen werden müssen.63 Zum anderen laufen zahlreiche Prozesse, die früher entscheidend durch die Ausübung menschlicher Verstandestätigkeit geprägt waren, zunehmend automatisiert und computerimplementiert ab, wie etwa durch den Einsatz computergestützter Entwurfs- (Computer-aided design and manufacturing, CAD/CAM) und Simulationsverfahren.64 Auch ist mit fortschreitender Entwicklung der sog. künstlichen Intelligenz zu klären, ob die zugrundeliegenden Trainings- oder Rohdaten selbst patentrechtlich geschützt sind oder geschützt werden sollten.65 Dabei scheinen die Grenzen zwischen Computerprogrammen und Daten mehr und mehr zu verschwimmen.66 Dahinter steht letztlich die Frage, wie die Kommunikation und Interaktion zwischen dem Menschen und der Maschine auf der Grundlage von Daten und Informationen patentrechtlich zu beurteilen ist. Zu diesem Randbereich des Technikbegriffes existieren in der Rechtsprechung bisher keine allgemein akzeptierten Abgrenzungskriterien67 und auch in der Literatur ist die genaue Grenzlinie zwischen der „Welt der Technik“ und der „Welt des Geistes“ strittig.68

1.2 Erkenntnisziel

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es daher sein, die Grundsätze der Patentierbarkeit zur Erfindung nach § 1 PatG / Art. 52 EPÜ und zur erfinderischen Tätigkeit nach § 4 PatG / Art. 56 EPÜ auf Daten und Informationen anzuwenden. Als Anknüpfungspunkt für die Betrachtung soll zunächst eine patentrechtliche Definition des Datenbegriffs entwickelt werden, die auf der einen Seite abstrakt genug ist, um möglichst eine Vielzahl verschiedenster Sachverhaltskonstellationen aus der Informatik darunter fassen zu können, und gleichzeitig konkret genug, um einen hinreichend bestimmbaren Umgang in der Rechtspraxis damit gewährleisten zu können. Anhand dieses patentrechtlichen Datenbegriffes sollen insbesondere die Konzepte der Technizität von Erfindungen sowie der Körperlichkeit von Verfahrens- und Sacherzeugnissen kritisch durchleuchtet werden. Das Ergebnis der Arbeit sollen praxistaugliche und verfassungskonforme Fallgruppen zur Datenpatentierbarkeit darstellen, die mit der aktuellen Entscheidungspraxis der deutschen und europäischen Spruchkörper in Einklang stehen und diese gleichzeitig konsolidieren.

1.3 Gang der Darstellung

Nach einer kurzen Übersicht über die informationstheoretische Entwicklung eines vom Informationsbegriff abgrenzbaren Datenbegriffs wird ein hierzu bereits entwickeltes Daten-Modell auf seine Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des BGH, des BPatG sowie der Technischen Beschwerdekammern (Beschwerdekammern) des EPA hin überprüft, um daran einen eigenen Ansatz zur patentrechtlichen Begriffsbestimmung zu entwickeln. Im Rahmen der Darstellung der vom BGH entwickelten Grundsätze zum Schutz von datenbezogenen Verfahrenserzeugnissen wird inzident betrachtet, ob und inwieweit sich die Herangehensweise der deutschen und europäischen Rechtsprechung zur Feststellung der Technizität von datenbezogenen Erfindungen in Einklang bringen lässt, wobei der Schwerpunkt auf der Auswertung von Gemeinsamkeiten zwischen Entscheidungen betreffend computerimplementierte Erfindungen sowie den Patentierungsausschlussgrund der Wiedergabe von Informationen liegt. Um etwaige Bedenken bezüglich der Gefahr der Wissensmonopolisierung zu zerstreuen, schließt dieser Teil mit einem Vorschlag zur normativen Korrektur des Patentierungsansatzes unter Zuhilfenahme eines Substitutionstestes. Unter Rückgriff auf die Voraussetzungen der sog. product-by-process-Ansprüche werden schließlich die für den Verfahrenserzeugnisschutz gesammelten Erkenntnisse auf den Sacherzeugnisschutz übertragen. Dabei werden zwei Ansätze aus der Literatur herangezogen und weiterentwickelt, nach denen das Körperlichkeitskriterium des Erzeugnisschutzes möglicherweise austauschbar oder zumindest substituierbar sein könnte. Zuletzt wird überprüft, welche potentiellen Folgeprobleme der eigene Ansatz für die Bereiche der rechtsverletzenden Patentbenutzung, insbesondere für die Erschöpfung, aufwerfen könnte.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Fußnoten
1
Drexl/Hilty/Desaunettes, GRUR-Int 2016, 914, 914.
 
2
Schardt, GRUR 1996, 827, 827. Das zugrunde liegende binäre Zahlensystem wurde 1703 vom Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelt, Hössle, in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG Vor §§ 1–25 Rn. 30.
 
3
Beyer, GRUR 1994, 541, 548; Zech, GRUR 2015, 1151, 1511 (Fn. 2).
 
4
Sieber, NJW 1989, 2569, 2570.
 
5
Wie z. B. durch den Online-Übersetzungsdienst „DeepL“ der DeepL-GmbH mit Sitz in Köln. Zum sog. „deep learning“ s. Söbbing, K&R 2019, 164.
 
6
EPA, 4IR 2017, S. 14.
 
7
Ockenfeld/Wetzerl, CR 1993, 385, 385: „Vor allem ist Multimedia […] ein Anwendungskonzept, das die Interaktion zwischen Menschen und Maschine, in der Regel einem Computer, neu definiert.“
 
8
Der Begriff wurde 1956 vom US-Amerikanischen Informatiker John McCarthy geprägt, Herberger, NJW 2018, 2025, 2026. McCarthy selbst verstand hierunter „the science and engineering of making intelligent machines“, also die Wissenschaft über „intelligente“ Maschinen, die er wiederum als „the computational part of the ability to achieve goals in the world“ bezeichnete, mithin schlicht als die rechnerische Fähigkeit zur Zielerreichung, Interview v. 11.12.2007 zum Thema „What is Artificial Intelligence“, http://​www-formal.​stanford.​edu/​jmc/​whatisai/​whatisai.​html – zuletzt abgerufen am 01.06.2020. Für Anwendungsbeispiele s. Küchler, in: Bräutigam, IT-Outsourcing, Kap. A Rn. 30a.
 
9
Mit Internet der Dinge ist häufig die Vernetzung von Alltagsgenständen mit dem Internet gemeint, EFI, Gutachten 2018, S. 132. Der Begriff geht auf den Technologen Devin Ashton zurück, der sich Ende der 1990er Jahre mit der Container-Logistik beschäftigte und dabei das Machine2Machine-Grundkonzept beschrieb, Wurzer/Neidlein/Fischer, MittPat 2018, 160, 160. M2M wiederum bezeichnet den Datenaustausch zwischen Maschinen ohne unmittelbare Einwirkung durch den Menschen, Grünwlad/Nüßing, MMR 2015, 378, 379. Das gängige Kommunikationsprotokoll heißt OPC Unified Architecture, Forschungsunion, Umsetzungsempfehlungen Industrie 4.0, S. 104.
 
10
Der Begriff Industrie 4.0 und das damit verbundene Konzept wurden von der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft, einem Beratungsgremium der damaligen Bundesregierung, entwickelt und erstmals auf der Hannover-Messe 2011 öffentlich vorgestellt, s, Wurzer/Neidlein/Fischer, MittPat 2018, 160, 160; Forschungsunion, Umsetzungsempfehlungen Industrie 4.0, S. 81.
 
11
„Massendatenverarbeitung“, Zech, GRUR 2015, 1151, 1151.
 
12
Schmitz/Rammos, InTeR 2016, 4, 5 (Fn. 4); Brunner, MittPat 2017, 444, 447.
 
13
Wurzer/Neidlein/Fischer, MittPat 2018, 160, 162.
 
14
Nach Schätzungen des US-Amerikanischen Telekommunikationsanbieters CISCO Systems Inc. wird der globale Datenverkehr im Internet im Jahr 2021 doppelt so hoch sein wird wie im Jahr 2018 und 2022 fast 400 Exabyte/Monat (1 EB entspricht 1018 Bytes) betragen, OECD, Digital Transformation 2019, S. 43.
 
15
Peitz/Schweitzer, NJW 2018, 275, 275; Czychowski/Siesmayer, in: Kilian/Heussen, Computerrechts-Hdb., EL. 34 Mai 2018, Kap. 20.5 Rn. 8.
 
16
Drexl, JIPITEC 2017, 257, 264.
 
17
Wiebe, CR 2014, 1, 1; Pombriant, CRi 2013, 97, 99.
 
18
Börding/Jülicher/Schönfeld, CR 2017, 134, 134; Zech, in: Metzger/Wimmers, DGRI 2014, Daten als Wirtschaftsgut S. 9.
 
19
BitKom, Big Data Leitfaden 2014, 62 Als Industriestandard gilt noch heute das 1997 entwickelte Modell „Cross-industry standard process for data mining“ (CRISP-DM), Fraunhofer, KI in Deutschland 2018, S. 24.
 
20
Schoch, Schoch, IFG, § 1 Rn. 4; Ménière/Pihlajama/Heli, GRUR 2019, 332, 332; Stender-Vorwachs/Steege, NJOZ 2018, 1361, 1361; Schmidt/Zech, CR 2017, 417, 417; Peters, CR 2017, 480, 486; Keßler, MMR 2017, 589, 584; Nitsche, DSRITB 2017, 703, 706; Grützmacher, CR 2016, 485, 485; Härting, CR 2016, 646, 647; Zech, in: Metzger/Wimmers, DGRI 2014, Daten als Wirtschaftsgut Rn. 8.
 
21
Podszun/Kersting, NJOZ 2019, 321, 321; Dorner, CR 2014, 617, 617.
 
22
Zypries, ZRP 2019, 33, 33.
 
23
Drexl, NZKart 2017, 415, 416.
 
24
Körber, NZKart 2016, 303, 304.
 
25
Wiebe, GRUR 1994, 233, 233.
 
26
Wandtke, MMR 2017, 6, 7.
 
27
Metzger, GRUR 2019, 129, 131; Thalhofer, GRUR-Prax 2017, 225, 225; Weichert, NZV 2017, 507, 507: „Es wird mit einem weltweiten Umsatzwachstum im Bereich des vernetzten Autos von 31 Mrd. € im Jahr 2015 auf 113 Mrd. € im Jahr 2020 gerechnet.“.
 
28
Steinrötter, MMR 2017, 731, 731; Zech, in: Metzger/Wimmers, DGRI 2014, Daten als Wirtschaftsgut Rn. 9; Redeker, CR 2011, 634, 638. Letztere spricht von „informationellen Gütern“.
 
29
Obergfell, ZGE 2016, 304, 305; Zech, ZGE 2013, 368, 369; Hauck, ZGE 2017, 47, 51.
 
30
Zimmermann, GRUR 1975, 171, 187.
 
31
Hoppen, CR 2015, 802, 803.
 
32
Zech, in: Metzger/Wimmers, DGRI 2014, Daten als Wirtschaftsgut Rn. 10 f.; JuMiKo, Digitaler Neustart 2017, S. 30.
 
33
Karg, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DatenschutzR, DSGVO Art. 4 Rn. 25 f.; EuGH, Urteil vom 19.10.2016, C-582/14, NJW 2016, 3579, Rn. 32 – Breyer/Deutschland.
 
34
Zu den Charakteristika des Informationsbegriffes Schoch, Schoch, IFG, § 1 Rn. 15.
 
35
Weiter Daten-bezogene Straftatbestände sind die §§ 202b, 202c, 202d; § 263a; §§ 268, 269; § 274; §, 303b und § 355 StGB.
 
36
Hampel, Der Datenbegriff im Strafgesetzbuch, S. 112 ff.. Hilgendorf/Valerius, Hilgendof/Valerius, ComputerStR, 823 hält daher eine grundsätzliche Klärung der Begriff „Daten“ und „Informationen“ für erforderlich.
 
37
Wendehorst, in: MüKo-BGB, BGB § 312f Rn. 2, 21.
 
38
LG Karlsruhe, Urteil vom 25.5.2016, 18 O 7/16, MMR 2017, 51, Rn. 42 – Widerrufsrecht im Online-Shop.
 
39
OLG München, Urteil vom 30.06.2016, 6 U 732/16, NJOZ 2016, 1828, Rn. 20.
 
40
Stieper, in: Staudinger, BGB § 90 Rn. 17.
 
41
Hauck, ZGE 2017, 47, 51, der den Begriff mit dem der „digitalen Güter“ gleichsetzen will.
 
42
BGH, Beschluss vom 21.09.2017, I ZB 8/17, BeckRS 2017, 135745, Rn. 50; Schmidt, in: Erman, § 90 Rn. 3; Stresemann, in: MüKo-BGB, BGB § 90 Rn. 25.
 
43
Stieper, in: Staudinger, BGB § 90 Rn. 3; Schmidt, in: Erman, § 90 Rn. 1.
 
44
OLG Dresden, Beschluss vom 05.09.2012, 4 W 961/12, ZD 2013, 232, 233 (= NJW-RR 2013, 27); LG Konstanz, Urteil vom 10.05.1996, 1 S 292/95, NJW 1996, 2662, 2662. Zustimmend BMVI, Eigentumsordnung für Mobilitätsdaten 2017, S. 59. Ebenso EPA, Entscheidung vom 25.01.2007, T 0121/06, BeckRS 2007, 31946, Rn. 11 – Garbage-Collection/TAO GROUP, in der ein Datenstrom als „elektrisches Signal“ beschrieben wurde. Vgl. bereits Zipse, GRUR-Int 1973, 182, 188: „Bekanntlich lässt sich die Binärentscheidung durch Impulsfolgen realisieren, wobei der Stromstoß eine und die Strompause eine andere Binärentscheidung bedeutet.“ Kritisch Meier/Wehlau, NJW 1998, 1585, 1588, die darauf hinweisen, dass die Einordnung als „elektrische Spannungen“ nur bei elektronischen Datenspeichern wie z. B. den Arbeitsspeichern (Random Access Memory, RAM), nicht dagegen bei Magnetspeichern wie z. B. der Festplatte (Hard Disk) zutreffend sei. Allerdings sind Daten auch in magnetisierter Form nach der Verkehrsauffassung nicht als körperlich anzusehen. In diesem Sinne auch LG Hamburg, Beschluss vom 02.09.2013, 629 Qs 34/13, NJW 2013, 3458, 3460 – Fall Mollath: „magnetische Polungszustände“.
 
45
BGH, Urteil vom 13.10.2015, VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094, Rn. 50.
 
46
Stieper, in: Staudinger, BGB § 90 Rn. 12. Ebenso bereits Deutsch, NJW 1984, 2611, 2612 bezogen auf medizinische Messergebnisse des Blutdrucks und des Cholesterolgehaltes, a.A. Hoeren, MMR 2013, 486, 491, der ein „Dateneigentum“ analog § 903 BGB für konstruierbar hält.
 
47
Wagner, in: MüKo-BGB, BGB § 823 Rn. 294 ff.; Meier/Wehlau, NJW 1998, 1585, 1589. Kritisch dagegen Mansel, in: Staudinger, BGB § 823 Rn. B60.
 
48
Faust, NJW 2016, 29, 32.
 
49
Dorner, CR 2014, 617, 622.
 
50
Zech, CR 2015, 137, 143.
 
51
Becker, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Hdb. d. WettbewerbsR, § 65 Rn. 52; Becker, GRUR 2017, 346, 347.
 
52
Vgl. EuGH, Urteil vom 02.05.2012, C-406/10, GRUR 2012, 814, Rn. 46 – SAS Institute Inc. / World Programming; Wiebe, in: Spindler/Schuster, Recht d. elektr. Medien, UrhG § 69a Rn. 19; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, UrhG § 69a Rn. 17; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG § 69a Rn. 12.
 
53
Vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 25/15, MMR 2017, 171, Rn. 34 – World of Warcraft I; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhR, UrhG § 2 S. 76. Für die Anerkennung eines „Datenstroms“ als Werkstück plädiert dagegen Redeker, CR 2011, 634, 638, ohne jedoch nähere Angaben zur etwaigen Schöpfungshöhe zu machen. Redeker, Redeker, IT-Recht, Kap. A Rn. 4.
 
54
Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG Vor §§ 87 ff Rn. 13; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG § 69a Rn. 12; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, UrhG § 69a S. 17.
 
55
EuGH, Urteil vom 09.11.2004, C-338/02, GRUR 2005, 252, Rn. 23 f. – Fixtures-Fußballspielpläne I; Becker, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Hdb. d. WettbewerbsR, § 65 Rn. 9 mwN.
 
56
Heymann, CR 2016, 650, 650.
 
57
Becker, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Hdb. d. WettbewerbsR, § 65 Rn. 11.
 
58
Markendorf, ZD 2018, 409, 411.
 
59
Osterrieth, GRUR 2018, 985, 985.
 
60
Einsele, in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG § 1 Rn. 187.
 
61
Hetmank/Lauber-Rönsberg, GRUR 2018, 574, 575.
 
62
Rektorschek, MittPat 2017, 438, 438.
 
63
Steinbrenner, in: Singer/Stauder, EPÜ, Art. 52 Rn. 53.
 
64
Moufang, GRUR-Int 2018, 1146, 1147.
 
65
Zech, GRUR-Int 2019, 1145, 1146. Vgl. auch Globocnik/Desaunettes/Richter, GRUR-Int 2019, 794.
 
66
Wiebe, GRUR 1994, 233, 239.
 
67
Steinbrenner, in: Singer/Stauder, EPÜ, Art. 52 Rn. 212.
 
68
Moufang, in: Schulte, PatG § 1 Rn. 129.
 
Metadaten
Titel
Einleitung
verfasst von
Dr. jur. Fabian Landscheidt
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43119-8_1

Premium Partner