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26.09.2023 | Energieeffizienz | Interview | Online-Artikel

"Echtzeitdaten, Kosten und Energieintensität hängen eng zusammen"

verfasst von: Thomas Siebel

6:30 Min. Lesedauer

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Mit modernen Steuerungssysteme, Optimierungssoftware und IIoT-Plattformen erhöhen Unternehmen ihre Energieeffizienz. Auch für KMUs lohnen sich die Investitionen, wie Sebastian Schatt von Honeywell im Interview erläutert.

Laut Daten des Statistischen Bundesamts verharrt der Energieverbrauch der Industrie seit 2012 auf nahezu konstantem Niveau. Tut sich die Industrie mit dem Energiesparen schwer?

Verschiedene Faktoren beeinflussen den Energieverbrauch im Industriesektor. Dazu gehören der technologische Fortschritt und Prozessoptimierungen, aber auch wirtschaftliche und politische wie auch geopolitische Bedingungen. Bei all dem muss man aber auch sagen, dass die Industrie Energie immer effizienter nutzt und manchmal auch einspart. In den absoluten Verbrauchszahlen schlägt sich das aber nicht nieder, da die Wirtschaft bis 2022 wuchs und der Verbrauch entsprechend anstieg. 

Obwohl der Energieverbrauch eine wichtige Messgröße ist, die es zu überwachen gilt, müssen wir darüber hinaus aber auch Dinge wie die Emissionen betrachten, um uns ein Bild von der industriellen Energienutzung und ihren Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit zu machen. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sanken bis 2022 um 1,9 % gegenüber dem Vorjahr und um 40,4 % gegenüber dem internationalen Referenzjahr 1990. Natürlich können wir uns auf diesen Tatsachen aber nicht ausruhen

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Es besteht nicht nur Bedarf am Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern auch an intelligenten Energiemanagement- und -speichersystemen, Lösungen für das Emissionsmanagement und an energiesparenden Technologien, Gebäuden und Maschinen. Es gibt keinen einzelnen Bereich oder eine einzelne Technologie, der oder die diese Herausforderung allein lösen kann.
Honeywell bietet dieses gesamte Spektrum an Lösungen an. In Öl- und Gasanlagen zum Beispiel ist die Kontrolle der Methanemissionen von großer Bedeutung, nicht nur für die Sicherheit des Personals, sondern auch, um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. Schließlich erwärmt Methan die Atmosphäre über einen Zeitraum von 20 Jahren 80-mal stärker als Kohlendioxid. 

Wie lassen sich diese Methanemissionen senken?

Digitale Lösungen wie zum Beispiel künstliche Intelligenz können hier einen erheblichen Mehrwert schaffen. Durch die Kombination seines Portfolios an stationären, tragbaren und persönlichen Gasdetektionslösungen mit Gaswolkenkameras bietet Honeywell eine klare Visualisierung geplanter Emissionen und eine frühzeitige Erkennung flüchtiger Emissionen, einschließlich einer genauen Leckortung und der damit verbundenen Datenanalyse und Trends. Mit diesen Daten können Anwender schnell handeln, um Lecks und andere erkannte Risiken zu beseitigen, Produktionsverluste zu minimieren und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten.

Lassen Sie uns dennoch auf den Energieverbrauch zurückkommen. Der Maschinenbau gibt im Branchenvergleich ein gutes Bild ab: In den Jahren 2012 bis 2021 ist der Energieverbrauch um 11,5 % gesunken – parallel zum Aufkommen der Industrie 4.0. Sehen Sie hier einen Zusammenhang?

Industrie-4.0-Technologien wie Automatisierung und Big-Data-Analytik haben das Potenzial, den Energieverbrauch im Maschinenbau deutlich zu senken, beispielsweise mittels Echtzeitüberwachung und -steuerung, vorausschauender Wartung oder Prozessoptimierung. Die Industrie 4.0 hat es den Unternehmen ermöglicht, versteckte Ineffizienzen aufzudecken, Daten und Dinge wie künstliche Intelligenz zu nutzen, um Wege zur Optimierung dieser Ineffizienzen zu finden und dann, was ganz entscheidend ist, über diese Einsparungen zu berichten. Dieser Berichterstattungsprozess ist von grundlegender Bedeutung für den Erfolg jeder Initiative, die darauf abzielt, die Energieintensität des Betriebs zu verringern.

Was treibt die Nachfrage nach Energieeffizienztechnologien? 

Die Nachfrage wird durch eine Kombination von Faktoren beeinflusst, darunter staatliche Vorschriften, Umweltbelange, Energiepreise und der Wunsch nach Wettbewerbsvorteilen. Auch Gesetze zur Förderung der Energieeffizienz, schwankende Energiepreise und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen treiben die Nachfrage. 

Welche Technologien sind dabei besonders gefragt?

Moderne Steuerungssysteme, Optimierungssoftware und IIoT-Plattformen, die der Industrie helfen, ihren Energieverbrauch zu verwalten und zu reduzieren. Nachhaltigkeit ist von zentraler Bedeutung für den industriellen Betrieb und ein entscheidendes Element einer erfolgreichen Geschäftsstrategie. Industrietaugliche SaaS- und On-Premise-Anwendungen können beispielsweise Echtzeitdaten von Anlagen, Standorten, Menschen und Prozessen in einer 360-Grad-Ansicht verknüpfen, um intelligente Abläufe mithilfe von KI und ML zu verändern und voranzutreiben. Erkannte Ineffizienzen können auch direkt genutzt werden, um die Ausfallzeiten von Anlagen zu reduzieren und den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken.

Und um welche Systeme geht es dabei speziell in der Prozessleittechnik?

Zum Beispiel um Prozesssteuerungs- und Optimierungssoftware wie unsere Control Performance Analytics, die mangelhafte Advanced Process Control (APC)-Leistung identifiziert und Tools für die Lebenszykluswartung und Echtzeit-Leistungsüberwachung bereitstellt. Diese Daten können genutzt werden, um die Produktion zu steigern und Energie zu sparen. Dieser Ansatz hat beispielsweise der Slovnaft-Raffinerie in der Slowakei geholfen, verpasste wirtschaftliche Chancen in Höhe von 3.000 US-Dollar pro Tag zu erkennen, die auf eine Änderung der Produktionsstrategie zurückzuführen sind.

In dem Maße, wie die Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigt, wächst auch die Nachfrage nach Netzsystemen, die den Anstieg der erneuerbaren Energien im Gesamtmix unterstützen können. Ein Beispiel ist unser Batteriespeichersystem, das die Speicherung von intermittierender erneuerbarer Energie wie Solar- und Windenergie ermöglicht und plötzliche Stromausfälle oder Versorgungsspitzen in den Unternehmen reduziert. Die Batteriespeicherlösung ist für gewerbliche und industrielle Kunden sowie für unabhängige Stromerzeuger gedacht, die ihre erneuerbaren Energieressourcen maximieren, Reservestrom speichern und ihren CO2-Fußabdruck reduzieren wollen, um ihre unternehmerischen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Lohnen sich die aufwendige Nachrüstung von Anlagen mit entsprechenden Mess- und Analysesystemen auch für kleine Unternehmen?

Ja, es kann für kleine Unternehmen sehr vorteilhaft sein, in Nachrüstungen zu investieren. Diese Systeme können Einblicke in die Energieverbrauchsmuster geben und Möglichkeiten zur Optimierung bieten. Die Möglichkeit der Visualisierung, Analyse und Steuerung ist der erste Schritt in Richtung Energieeffizienz.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen erhöhter Prozesstransparenz durch Echtzeitdaten, geringerer Energieintensität und Kosteneffizienz. Hochgradig skalierbare cloudbasierte Datenanalyseplattformen können daher Industrieunternehmen jeder Größe schnelle Gewinne bescheren.

Die Benutzer profitieren auch von einer verbesserten Sicherheit und einer geringeren Fehlerquote, da sie Daten auf der Endpunktebene erfassen können, um die mit manuellen Inspektionsrunden verbundenen Probleme zu verringern. Zentralisierte Softwarelösungen können Arbeitsabläufe koordinieren und vereinfachen, indem sie Daten von Messquellen aggregieren und Emissionsinformationen nahezu in Echtzeit berechnen. Dies führt zu Transparenz über den Status quo im Unternehmen und dient als Grundlage für die Bestimmung, welche Bereiche wie verbessert werden können.

Welche Einsparungen kann die verarbeitende Industrie realistischerweise noch erreichen?

Das Potenzial für Energieeinsparungen wird weithin unterschätzt. Es variiert jedoch je nach Branche, spezifischen Verfahren und Technologien. Nicht nur durch Nachrüstung, sondern auch durch den Einsatz modernster Anlagen und Technologien, Prozessoptimierung und kontinuierliche Überwachung und Verbesserung der Energieleistung. 

Als Reaktion auf steigende Energiepreise, Versorgungsengpässe bei Brennstoffen und den öffentlichen Druck für mehr Nachhaltigkeit haben die Bemühungen um Energieeffizienz weltweit zugenommen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch die Nachfrage nach Energie nicht nachlässt – sie wird in den kommenden Jahren sogar noch weiter steigen. Deshalb ist es unerlässlich, dass die Prozessindustrie viele verschiedene Technologien einsetzt, die den gesamten Betrieb und die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, um die Energieeinsparungen und den nachhaltigen Wandel zu erreichen, die zur Erreichung der Klimaziele notwendig sind.

Investiert die Industrie denn genug?

Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Laut dem IEA-Bericht Energy Efficiency 2022 stiegen die weltweiten Investitionen in die Energieeffizienz im Jahr 2022 um 16 % gegenüber dem Vorjahr. Außerdem wurde die Energie um 2 % effizienter genutzt als 2021, eine Verbesserungsrate, die fast doppelt so hoch ist wie in den letzten fünf Jahren. Aber wir müssen jetzt die Anstrengungen in der gesamten Branche beschleunigen und die richtigen Investitionen tätigen, die die Klimaziele unterstützen können. Innovationen und alternative Energiequellen werden eine entscheidende Rolle bei der Senkung des Energieverbrauchs auf das niedrigste Niveau spielen.

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