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19.10.2023 | Finanzcontrolling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Finanzvorstände verharren im Krisenmodus

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Vom aufkeimenden Optimismus vieler Finanzchefs im Frühjahr ist laut einer aktuellen CFO-Umfrage nichts geblieben. Die Zukunftsaussichten sind trübe, viele Kassen sind klamm. Mehr Investitionsförderung und Bürokratieabbau könnten der Wirtschaft wieder Auftrieb verleihen, meinen Volkswirte. 

Viele Unternehmen erwarteten im Frühjahr laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Deloitte noch steigende Umsätze für 2023 - trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Ausgangslage. Die positive Grundstimmung machte sich vor allem im Hinblick auf die Beschäftigungs- und Investitionsbereitschaft bemerkbar. Doch die Spätfolgen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die hohen Energiepreise sowie die Inflation haben den Firmen keine Verschnaufpause gelassen: Die von Deloitte im September für die Herbstausgabe des CFO-Surveys befragten 193 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen stecken noch immer im Krisenmodus fest.

Insbesondere die DAX-Konzerne klagen über die seit Sommer 2022 deutlich gestiegene Zinslast und ihre Folgen. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aktuell berichtet, haben sich die Schulden der 40 Unternehmen des deutschen Leitindex innerhalb der ersten Jahreshälfte auf insgesamt 1.392 Milliarden Euro summiert. Das entspreche knapp 58 Prozent aller Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden in Deutschland. Diese liegen bei rund 2,4 Billionen Euro.

Konjunkturelle Belebung nicht vor 2024

"Die Auswirkungen der Energiepreiskrise in Verbindung mit der weltwirtschaftlichen Schwäche belasten die deutsche Wirtschaft anhaltender als noch im Frühjahr angenommen. Das verzögert die allgemein erwartete wirtschaftliche Erholung", kommentiert das Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Zahlen ihrer aktuellen Herbstprojektion. Diese geht für das laufende Jahr von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um preisbereinigt 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. 

Aktuelle Konjunkturindikatoren wie Industrieproduktion, Auftragseingänge und Geschäftsklima deuteten auf eine zunächst noch schwache Entwicklung des BIP im dritten Quartal 2023 hin. In Berlin rechnet die Politik frühestens zum Jahreswechsel 2023/2024 mit einer spürbaren konjunkturellen Belebung.

Vorsicht bei Investitionen und Personal

Auch unter den befragten CFOs haben sich die Geschäftsaussichten im Vergleich zum Frühjahr deutlich eingetrübt, wie nachstehende Grafik zeigt: 

 

"Die stark gestiegenen Zinsen und die Inflation bremsen Konsum- und Investitionslaune. Zudem lässt die Unsicherheit in den Kernmärkten USA und China den Export und die Stimmung vor allem in der Auto-, Maschinenbau- und Chemieindustrie schwächeln", heißt es zu den Zahlen im Report. Zwar rechnen die Chief Financial Officer (CFO) in den kommenden zwölf Monaten im Durchschnitt mit leicht steigenden Umsätzen. Zugleich gehen sie aber von stark fallenden operativen Margen aus. Das führt zu einer geringeren Investitions- und Einstellungsbereitschaft der Unternehmen.

Allerdings gibt es bei den Beschäftigungsplänen branchenspezifische Unterschiede: Während in der chemischen Industrie die Hälfte der Befragten im kommenden Jahr weniger Mitarbeitende einstellen will, sind der Dienstleistungssektor und insbesondere Banken sowie Tech-Unternehmen auf der Suche nach neuen Arbeitskräften.

Fachkräfte und Lohnkosten bereiten Sorgen

Der Fachkräftemangel (64 Prozent) und steigende Lohnkosten (62 Prozent) stellen dabei für die befragten Finanzexperten die wichtigsten Risiken dar, welche die Fachleute im Blick behalten müssen. Eine geringere Nachfrage folgt auf dem dritten Rang. Bei den exportorientierten Unternehmen bleiben die geopolitischen Risiken hingegen der wichtigste Risikofaktor.

"Die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen sind im Juli saisonbereinigt wieder zurückgegangen. Auch die Einfuhren sind gesunken. Die Frühindikatoren deuten auf eine zunächst weiter schwache Exportentwicklung hin", schreibt das BMWK im Bericht "Schlaglichter der Wirtschaftspolitik" von Oktober 2023. 

Mittelstand positiver gestimmt

Diese Entwicklung macht sich vor allem bei Großunternehmen mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz bemerkbar. Der Index fällt für diese Gruppe auf minus 44 Prozent. Gegen den Trend stemmen sich offenbar die mittelständischen Unternehmen. Ihr Indexwert beträgt minus 23 Prozent. Fast jeder fünfte Mittelständler (19 Prozent) sieht sogar eine Verbesserung der Geschäftsaussichten. 

Unter den Sektoren sind der Maschinenbau (minus 50 Prozent) und die Automobilindustrie (minus 40 Prozent) besonders betroffen. Das Schlusslicht bildet die Baubranche mit minus 62 Prozent. Positiver fällt das Ergebnis hingegen in der Konsumgüterindustrie (minus 22 Prozent) sowie im Handel (minus 16 Prozent) aus. 

Dabei treibt die anhaltende Inflation weiterhin Sorgenfalten in die Gesichter der Finanzvorstände: Im Durchschnitt erwarten diese anhaltend hohe Preissteigerungen von 4,9 Prozent in den kommenden zwölf Monaten. Damit liegen ihre Erwartungen höher als die meisten Inflationsprognosen und wesentlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB).

Konsum braucht mehr Impulse

In der schwachen Inlandsnachfrage sehen immerhin 58 Prozent der Befragten ein weiteres hohes Risiko. Allerdings werde sich die Lage mittelfristig entschärfen, wie die Volkswirte von KfW Research im KfW-ifo-Mittelstandsbarometer von Oktober 2023 schreiben. Ihnen zufolge sei bedeutender Teil der gegenwärtigen Belastungen für die Unternehmen vorübergehender Natur und die Aussichten besser, als es die aktuell noch sehr gedrückte Stimmung nahelege. Merklich steigende Löhne, eine wohl in etwa stabile Beschäftigung und die inzwischen rückläufige Inflationsrate dürften dem Konsum im Herbst und Winter neue Impulse geben", erläutert Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der Förderbank.

Auch die Experten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) sehen in ihrem "Standpunkt" von Oktober 2023 Licht am Ende des Tunnels: 

Derzeit kränkelt zwar der Standort Deutschland, aber wenn die strukturellen Herausforderungen der Demographie, der Dekarbonisierung, De-Globalisierung und der drohenden De-Industrialisierung entschieden wirtschaftspolitisch beantwortet werden, wird der Standort Deutschland zu neuer Stärke kommen", kommentiert DSGV-Chefvolkswirt Reinhold Rickes die aktuelle Lage.

Veränderungswille und Flexibilität gefragt

Um den notwendigen Strukturwandel erfolgreich voranzutreiben, müsse die Wirtschaft Veränderungswillen, Flexibilität, Kompromissbereitschaft und Eigeninitiative mitbringen. "Der Wandel selbst ist ein Generationenprojekt. Es handelt sich nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon", so der DSGV. Von der Politik fordert der Verband 

  • die Förderung neuer Ideen und Unternehmensgründungen, 
  • die Stärkung des Bildungssystems, 
  • die Schaffung freier Märkte, 
  • die Reduzierung bürokratischer Hürden, 
  • die Verbesserung der Infrastruktur und 
  • die Schaffung wettbewerbsfähiger Forschungsstrukturen mit einer evaluationsorientierten Forschungsförderung.

Gerade der Investitionsförderung komme in den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung zu. "Bezogen auf die Herausforderungen des demografischen Wandels, aber auch der Dekarbonisierung und der Digitalisierung, wird in Deutschland zu wenig in den Innovationsprozess investiert", stellt der DSGV fest. Deshalb müsse die Förderung privatwirtschaftlicher Forschungsaktivitäten ausgebaut, die öffentlichen Investitionen erhöht und der Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft verbessert werden. 

Innovationen besser fördern

Einen Überlick über Förderprogramme nach Region oder Fachgebiet liefert unter anderem die Förderdatenbank von Bund, Ländern und der Europäischen Union (EU). Hier gibt es unter anderem Informationen zu den wichtigsten Förderorganisationen in Deutschland und in der EU. 

So hat zum Beispiel im September das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP) einen neuen Förderaufruf für ökologische Innovationen gestartet. Das im August aufgelegte Programm "Regio Inno Growth" des Bundes und der KfW richtet sich zum Beispiel an Unternehmen, die in der Regel nicht im Fokus von Venture-Capital-Fonds stehen und andere Finanzierungslösungen benötigen. Dessen Ziel ist es, die Entwicklung von Zukunftstechnologien innovativer deutscher Betrieben voranzubringen.

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