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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Herrschaftslegitimation durch Gesundheitswesen und Bildungsinstitutionen

verfasst von : Stefan Lüder

Erschienen in: Staatsbildung und Legitimation im Himalaya

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde in der Forschung zu europäischen Zivilisierungsmissionen herausgearbeitet, dass die Schaffung eines Gesundheitswesens, medizinische Wissens- und Methodenkanons sowie Bildungsinstitutionen und -inhalte in der Hochphase der europäischen Hegemonie im 19. Jahrhundert oft als Merkmal für den Grad der Zivilisiertheit von Gesellschaften verstanden wurden. Im Folgenden Kapitel geht es um die Frage, welche Rolle die selektive Aneignung von Wissen und Institutionen in der Entstehung eines Bildungssystems und Gesundheitswesens im Gorkhā-Staat spielte und inwieweit diese zur Herrschaftslegitimation von den herrschenden Eliten instrumentalisiert worden sind.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde in der Forschung zu europäischen Zivilisierungsmissionen herausgearbeitet, dass die Schaffung eines Gesundheitswesens, medizinische Wissens- und Methodenkanons sowie Bildungsinstitutionen und -inhalte in der Hochphase der europäischen Hegemonie im 19. Jahrhundert oft als Merkmal für den Grad der Zivilisiertheit von Gesellschaften verstanden wurden. Und selbstverständlich galten Wissen, Methoden und Institutionen aus Europa als das Maß aller Dinge. Im Allgemeinen ist die Forschungsliteratur zur Entstehung von Bildungs- und Gesundheitswesen im Kontext Südasiens recht umfangreich und befasst sich mit verschiedenen Teilregionen des Subkontinents, der Zeit vor dem Eintreffen der Europäer, dem Einfluss der britischen Kolonialherrschaft, der Reaktion der nationalistischen Bewegungen, historischen Verflechtungen und zahlreichen anderen Aspekten. Auch die Verknüpfung von Gesundheitswesen und Bildungsinstitutionen mit der Thematik Herrschaftslegitimation wurden ausführlich analysiert und debattiert.1
Im Unterschied dazu handelt es sich bei historische Forschungsliteratur zum Bildungs- und Gesundheitswesen im Gorkhā-Staat und später Nepal hauptsächlich um chronologische Ereigniserzählungen ohne analytischen Ansatz, die meist im methodologischem Nationalismus verhaftet und auf die Zeit kurz vor und nach 1950 begrenzt bleiben. Die wenigen vorhandenen Interpretationen beschränkt sich meist auf die binäre Denkweise und Kategorisierungen von Modernisierungs- und Entwicklungsdiskursen mit kolonialen Ursprüngen.2 In den allermeisten Fällen geht es in den wenigen vorhandenen Analysen darum festzustellen, inwiefern bestimmte Handlungen von Herrschenden zur „Entwicklung der Nation“ beigetragen haben und wie diese in implizit vorausgesetzte Prozesse von der „Tradition hin zur Moderne“ einzuordnen sind.3
Über die Geschichte des Gesundheitswesens im Gorkhā-Staat ist grundsätzlich wenig bekannt. Es sind bislang nur wenige Quellenmaterialien erschlossen worden und vermutlich ist der Themenkomplex auch deshalb heute kaum Gegenstand historischer Forschungen. Es gibt nur einige wenige deskriptive Artikel und Beiträge in Sammelbänden, die sich aber sich fast ausschließlich mit Fragen der Entwicklung und Modernisierung ab den 1950er Jahren befassen. Gehaltvolle Analysen sucht man zumindest bislang vergebens. Vereinzelte Versuche den historischen Austausch von medizinischem Wissen und Methoden, beispielsweise zwischen den Malla-Königen des Kathmandu-Tals und den Kapuzinern und Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert oder zwischen den Rāṇās und den Ärzten der britischen Residenz im 19. Jahrhundert, bleiben oberflächlich und reichen meist nicht über die chronologische Narration von Ereignissen hinaus.4
Etwas umfangreicher und vielfältiger ist dahingegen die Forschungsliteratur zur Bildungsgeschichte des Gorkhā-Staates und Nepals. Bereits kurz nach dem Ende der Rāṇā-Herrschaft wurde die Nepal National Education Planning Commission ins Leben gerufen, die in ihrem Bericht (1956) einleitend auch die bereits ergriffenen Maßnahmen und vorhanden Institutionen beschreibt.5 Eine besonders einflussreiche Rolle spielte dabei der amerikanische Professor Hugh B. Wood, dessen deutlich vom angloamerikanischen Entwicklungs- und Modernisierungsdiskursen geprägte Ideen den weiteren Verlauf der Bildungsgeschichte des Landes nachhaltig prägten.6 In den 1970er Jahren setzte sich dieser Trend fort, aber es gab zusätzlich erste Bemühungen, die Geschichte der Bildungsinstitutionen aus der Rāṇā-Zeit und deren Bedeutung für die Entstehung des heutigen Nationalstaat Nepal zu untersuchen.7 Beide Ansätze wurden nach dem Ende des Panchayat-Systems 1990 in Artikeln, Buchkapiteln, Sammelbandbeiträgen und Dissertationen weitergedacht, die aber tendenziell beschreibend und wenig analytisch angelegt sind.8
Parallel zu diesen Entwicklungen wurde in den 1990er Jahren wurde die Herausbildung der Bildungsinstitutionen, produziertes Wissensinhalte und deren Dissemination zunehmend kritisch reflektiert. Es wurde aufgezeigt, dass Wissensproduktion und -vermittlung während des Panchayat-Systems in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark durch die nationalistische Agenda der wieder an die Macht gelangten Śāha-Dynastie beeinflusst waren. Und dieser war eben sehr daran gelegen, ein für sie legitimierendes Narrativ zu etablieren und zu verbreiten.9 Dieser Erzählweise zufolge war Bildung bis zum Ende der Rāṇā-Herrschaft ein Privileg einer sehr kleinen Elite. Während die 1950er und 1960er Jahre zu einer Zeit des radikalen Umbruchs von „traditionellen“ hinzu „modernen“ Formen der Bildung stilisiert werden. Infolge der kritischen Reflexion des Forschungsstandes sind auch vereinzelt Diskussionsbeiträge erschienen, die sich differenzierter und weniger voreingenommen mit den ersten Bildungsexperimenten der Rāṇās auseinandersetzen.10 Doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird die dichotome Denkweise von Entwicklungs- und Modernisierungsdiskursen immer noch regelmäßig aufgriffen. Zwar sind die Beiträge eigentlich als Kritik an der entwicklungspolitischen Herangehensweise gedacht, aber sie reproduzieren dennoch häufig eine sehr vereinfachte Darstellung von einem isolierten Land, das erst nach 1950 dank der „westlichen Intervention“ und die Hilfe „internationaler Experten“ in die Lage versetzt wurde ein „modernes Bildungssystem“ zustande zu bringen:
In Nepal, the sudden arrival of ‘modernity’ through ‘development’ can be traced to a very specific historical moment. Free of the traumas, prejudices and preferences of colonialism, the Country opened its borders, at first tentatively, to a small band of international ‘experts’ who offered in an instant the fruits of a century of technical progress.
(Stephen Carney and Jeremy Rappleye 2011:1)
Allerdings gibt es aufgrund der weiterhin eingeschränkten Perspektiven von Historiografie und historischer Forschung und ihrer impliziten Verhaftung des Denkens im Referenzrahmen des Nationalstaates bis heute keine substanzielle Debatten darüber, welche Rolle die selektive Aneignung von Wissen und Institutionen in der Entstehung eines Bildungssystems und Gesundheitswesens im Gorkhā-Staat spielte, geschweige denn ob diese zur Herrschaftslegitimation instrumentalisiert worden sind. Um die Aufarbeitung dieses Forschungsdesiderates anzustoßen, wird sich im Folgenden mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Internalisierung und Aneignung von Wissen, Methoden und Institutionen in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Eliten des Gorkhā-Staates auch der Herrschaftslegitimation dienten und daher als Ausdruck der körperlichen und geistigen Selbstzivilisierung verstanden werden können.

6.1 Das Gesundheitswesen als Instrument zur Herrschaftslegitimation

Die frühesten historischen Quellen, die auf die Existenz einer Gesundheitsversorgung im Kathmandu-Tal hindeuten, sind Licchavi-Inschriften aus dem 7. Jahrhundert. Darin taucht mehrfach der Begriff ārogyaśālā auf, mit dem eine Institution zur Versorgung von Kranken bezeichnet wurde. Weitere Quellen aus der Zeit der Malla-Könige weisen darauf hin, dass während der Herrschaft Pratāpa Mallas Mitte des 17. Jahrhunderts am Palast ein vaidyakhānā („Haus der Ärzte“) für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung eingerichtet wurde.11 Die Tatsache, dass diese Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung in den Quellen explizit erwähnt werden, deutet bereits darauf hin, dass diese schon in der damaligen Zeit als eine Tugend der Herrschenden verstanden wurden und diese sich durch Inschriften vermutlich auch die gebührende Anerkennung sichern wollten. Denn durch die Bereitstellung der Versorgung für ihre Untertanen konnten sich die Herrschenden der Licchavi- und Malla-Dynastien als wohlwollend und fürsorglich darstellen. Ob damit auch die Legitimität der Herrschenden erhöht werden konnte, bleibt auf Grundlage der Quellen aber reine Spekulation.
Zum ersten Kontakt mit medizinischem Wissen und Methoden aus Europa kam es mit dem Eintreffen der Kapuzinermönche Johannes Grueber und Albert d‘Orville, die um 1662 von ihrer Mission aus China zurückkehrten und auch im Kathmandu-Tal Halt machten. In seinen Briefen berichtet Grueber schockiert über seine Beobachtungen im Umgang mit Kranken, die sein Gefühl der eigenen zivilisatorischen Überlegenheit offenbaren:
Es gibt noch eine andere furchterregende Sitte in diesen Reichen. Danach werden die Kranken, die schon dem Tode nahe sind und keine Aussicht mehr auf Gesundung haben, außerhalb des Hauses zwischen Feldern in Gräben geworfen, die voll von Aas sind, und den Unbilden des Wetters ausgesetzt. Ohne jede Ehrfurcht und jegliches Erbarmen lässt man die Kranken dort zugrunde gehen. Nach ihrem Tode werden sie den Raubvögeln, den Wölfen, Hunden und ähnlichen Tieren zum Verschlingen überlassen.
(Johannes Grueber 1662, zitiert in Übersetzung in Braumann 1985: 167)
Der damalige König Pratāpa Malla brachte den Schilderung Gruebers zufolge den Mönchen ein unerwartetes Wohlwollen entgegen, nachdem sie ihn scheinbar mit einem Fernrohr und anderen technischen Geräten, die sie bei sich führten, beeindruckt hatten. Er hieß sie als Gäste willkommen und gestatte ihnen eine Missionsstation im Tal zu gründen. Kurz darauf setzten Grueber und d’Orville ihre Reise fort, aber die ihnen nachfolgenden Missionare sollen in den Jahren danach in der Missionsstation auch eine rudimentäre Gesundheitsversorgung anboten haben.12
Der Bericht von Giuseppe da Rovato bestätigt, dass die Kapuzinermönche noch bis zu ihrer Verbannung aus dem Kathmandu-Tal 1770, in die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung involviert waren. Dem Bericht zufolge half der Mönch Michael Angelo während der Eroberung des Tals nicht nur einem Bruder Pṛthvīnārāyaṇas bei der Versorgung seiner Wunden, sondern kümmerte sich darüber hinaus um die Bewohnern der Stadt Kirtipur, denen die Gorkhālī als Vergeltung für ihren Widerstand die Nasen und Lippen abgeschnitten haben sollen.13 Ansonsten sind bislang keine weiteren Quellen erschlossen worden, die Aufschluss über die Existenz eines Gesundheitswesens vor der Expansion der Gorkhālī geben könnten. Anthropologische Forschungen legen aber die Vermutung nahe, dass sich in erster Linie lokale Heilkundige mit Hilfe von medizinisch wirksamen Pflanzen und Ritualpraktiken um die gesundheitliche Versorgung der Menschen kümmerten. Allerdings ist dies nur durch mündliche Erzählungen überliefert und nicht schriftlich dokumentiert.14
Mit dem Eintreffen der britischen Militärs und Kolonialbeamten lebten die Austauschbeziehungen mit Europa Ende des 18. und im Verlauf des 19. Jahrhunderts allmählich wieder auf. In den Berichten von Kirkpatrick und Buchanan-Hamilton finden sich keine Informationen über eine Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Aber es gibt einige Beschreibungen von Krankheiten, die beide häufig mit den klimatischen Bedingungen in Verbindung bringen. Wiederholt erwähnt Kirkpatrick eine Fiebererkrankung, die den Menschen in der Region zufolge „Owl“ genannt wurde. Sie trat hauptsächlich in den tieferliegenden Tälern des Hügellandes und in den tropischen Wäldern des Tarai während der warmen und regenreichen Sommermonaten auf. Daher vermutete Kirkpatrick, es handelte sich dabei um eine Form von Malaria.15 Außerdem findet er Hinweise auf die Existenz der Pocken und Kehlkopftumore.16
Ebenso berichtet der medizinisch ausgebildete Buchanan-Hamilton über Fieber- und Atemwegserkrankungen, Kehlkopfschwellungen und Lepra.17 Er zeigte ein sehr reges Interesse am Wissen der ortsansässigen Bevölkerung über Heilpflanzen im zentralen Himalaya und experimentiert auch mit einigen.18 Doch schon in seiner Beschreibung über die Behandlung von Pocken und den fehlenden Impfschutz deutet sich eine gewisse Herabwürdigung der Betroffenen an:
They have not yet introduced the custom of inoculation for the small-pox, and those who are seized are put into a separate hut, to which the friends daily convey water and food, but do not enter; and the sick is allowed to take his chance. They are all very slovenly and dirty.
(Francis Buchanan-Hamilton 1819: 25)
Noch deutlicher kommt Buchanan-Hamiltons innere Haltung und die implizite Auffassung, medizinisches Wissen und der Umgang mit Krankheiten auch als Merkmale von Zivilisiertheit einer Gesellschaft zu verstehen, in seinem Kommentar zur Verbreitung der Syphilis zum Ausdruck:
I have seen no country where the venereal disease is so common as in Nepal, nor so generally diffused among all classes of the people, who are indeed very dissolute. During my stay I had application for medical assistance from all ranks labouring under the venereal disease; and I observed that the men did not consider it as extraordinary or shameful, when they found their wives afflicted with this malady.
(Ibid.: 71)
Im Unterschied dazu finden keine vergleichbar wertenden Aussagen in den zahlreichen Schriften des Residenten Brian H. Hodgson. Wenn überhaupt, dann thematisiert er Aspekte der Gesundheitsversorgung, den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten nur äußerst selten.19 Seiner Ansicht nach seien vor allem die günstigen klimatischen Bedingungen die Ursache für die Seltenheit von Epidemien und Endemien im Hügelland des zentralen Himalayas:
The fearful epidemics of the plains seldom penetrate the Himalayas, which, moreover, seem to have a positive exemption from endemic diseases, or those proper to any given country. For forty years, cholera has ravaged the plains continually almost. But in all that period Népál has been visited only twice […].
(Brian H. Hodgson 1857: 3)

6.1.1 Die Entstehung medizinischen Pidgin-Wissens im Gorkhā-Staat

Nach der Machtübernahme Jaṅga Bahādura Rāṇās lässt sich eine Veränderung in der Wahrnehmung der britischen Kolonialbeamten feststellen. Henry A. Oldfield äußert sich in seinen Memoiren fast schon bewundernd über Jaṅga Bahāduras Interesse an der europäischen Chirurgie und seine chirurgische Fähigkeiten:
Jang has great faith in European surgical skill, and is, indeed, very fond of surgery, at which he often does a little himself. I remember his excising a small fatty tumor from a man's neck very successfully; and in any cases of slight injuries among his followers he generally doctors them himself.
(Henry A. Oldfield 1880, Vol. I: 252)
Während seines Aufenthalts in Europa hatte Jaṅga Bahādura auch das Royal College of Surgeons an der University of Edinburgh besucht und vermutlich dort ein paar chirurgische Instrumente erworben, wie sich aus diesem Kommentar Oldfields schließen lässt: “I have often found it exceedingly convenient to be able to borrow some of his instruments when our hospital was deficient in them.” (Ibid.: 253). Jaṅga Bahādura schien sich außerdem für die Herstellung von Medikamenten zu begeistern und Oldfield vermutete sogar, dass er diese gewinnbringend verkaufte:
He has a sort of laboratory in his garden where he prepares constantly a large quantity of a particular sort of medicine, in which he has great faith. Its composition is a profound secret; he says it contains the precious metals, even diamonds and pearls. He considers it very valuable, and I suspect, drives a profitable trade by selling it in small quantities to his brethren and family and others when sick. As a compliment to him, and to please him, they will willingly take it, and pay well for it too, whatever faith they may have in its real efficacy.
(Ibid.: 252)
Jaṅga Bahādura interessierte sich zwar für die europäische Medizin, aber bevorzugte auch nach seiner Rückkehr aus Europa weiterhin das heilkundlichen Wissens der lokalen vaidya („Arzt“) gegenüber der Allopathie der britischen Kolonialmediziner. Die Errichtung eines neuen vaidyakhānā auf dem Gelände des Thāpāthalī Darbār, dem neu errichteten Herrschaftssitz der Rāṇās am Ufer des Bagmati-Flusses kann als Ausdruck dieses Vertrauens verstanden werden. Denn es handelt sich dabei um die erste von der Rāṇā-Administration geschaffene öffentliche Institution zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Dienste und Medikamente der vaidya wurden für alle kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Mitglieder der Rāṇā-Familie und der übrigen Eliten wurden allerdings zur Kasse gebeten, um die Einrichtung zu finanzieren.20 Wenn auch nur in einer Fußnote angemerkt, so ist sich Oldfield selbst darüber im Klaren, dass Jaṅga Bahādura das heilkundliche Wissen der lokalen vaidya grundsätzlich für überlegen hielt und nur im Falle von chirurgischen Eingriffen auf die Fähigkeiten des britischen Residenzarzt zurückgriff: „In medical cases, Jang says his own country doctors understand their treatment better than Europeans do. When he himself is indisposed he never consults me medically, but does invariably in everything surgical.“ (Ibid.: 252).
Oldfield schildert mehrere Vorfälle während seiner Dienstzeit, bei denen er zur medizinischen Versorgung von Patienten hinzugezogen worden war, wenn die Behandlungsmöglichkeiten der vaidya ausgeschöpft waren. Hieran wird die koloniale Denkweise des britischen Mediziners deutlich, der bemüht ist zwischen der lokalen ayurvedischen und der kolonialen allopathischen Medizin zu unterscheiden. Wie allerdings Harald Fischer-Tiné (2013) darlegt, ist diese dichotome Differenzierung im Kontext Südasiens nicht aufrechtzuerhalten. Denn beide Wissens- und Methodensysteme sind aus einer Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse und gegenseitiger Wechselwirkungen hervorgegangen. Fischer-Tiné zufolge sei das in der postkolonialen Theorie weit verbreitete Hybriditätskonzept aber unzureichend, um der Komplexität der historischen Entstehungsprozesse und Verflechtungen von britischer Kolonialmedizin und den vielen unterschiedlichen Formen heilkundlichen Wissens in Südasien gerecht werden zu können. Stattdessen sei dafür die Verwendung des aus der Linguistik entlehnten Begriffs»Pidgin-Wissen« zu bevorzugen.21 Die Prozesse der gleichzeitigen Aneignung verschiedener medizinischer und heilkundlicher Wissens- und Methodensysteme seitens der Gorkhālī, die zur Entstehung und Verbreitung eines eigenen medizinischen Pidgin-Wissens im Gorkhā-Staat beitragen, lassen sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder beobachten.
Oldfield erwähnt beispielsweise, dass Jaṅga Bahādura und Teile der Eliten der Vakzination zur Pockenprophylaxe schon frühzeitig Vertrauen entgegenbrachten:
Jang has great faith in vaccination, and has had all his children, most of his brothers', and those of the royal family vaccinated. I received five hundred rupees for vaccinating his eldest boy in 1850, when he was in England.
(Ibid.: 253).
Das ist insofern interessant, da es noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert heftige Debatten zwischen südasiatischen und britischen Ärzten gegeben hatte, ob Variolation oder doch Vakzination die bessere Impfmethodik sei. Für die der Variolation wurden Pockenviren von infizierten Menschen verwendet, während für die Vakzination Pockenviren aus dem Lymphgewebe infizierter Kühe extrahiert wurden. Die Variolation wurde insbesondere von orthodoxen Hindus bevorzugt, weil sie die Verwendung der Kuh-Lymphe in der Vakzin-Herstellung aus religiösen Gründen kritisch gegenüberstanden. Sie war allerdings die medizinisch riskantere Methode, da sie mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Infektion und zum Ausbruch der Pocken führen konnte. Deshalb bevorzugten die britische Kolonialmediziner die Vakzination als Methode.22 Angesichts der Tatsache, dass die Eliten der Gorkhālī sich selbst als orthodox hinduistisch verstanden, ist Jaṅga Bahāduras Bevorzugung der Vakzination unerwartet. Aber ob diese Entscheidung auf medizinischen Wissen oder eher dem Wunsch basierte, von den britischen Medizinern als zivilisiert wahrgenommen zu werden, lässt sich aufgrund mangelnder Quellen nur mutmaßen. Oldfields Erwähnung der Tatsache deutet allerdings darauf hin, dass der Residenzarzt Jaṅga Bahāduras Vertrauen in die Vakzination auch als Anerkennung der postulierten Überlegenheit der britischen Kolonialmedizin wertete und in dem Premierminister einen dem medizinischen Fortschritt grundsätzlich zugewandten Herrscher erkannte.
Auf der anderen Seite bemerkte Oldfield auch kritisch Missstände an und monierte, dass die medizinische Behandlungen als Privileg den Eliten vorbehalten war. Die große Masse der Menschen hätten weiterhin an Tuberkulose, Pocken, Malaria, Lepra, Geschlechtskrankheiten, geringer Lebenserwartung und hoher Kindersterblichkeit zu leiden. Er beanstandet vor allem das Fehlen einer geeigneten Abwasserentsorgung in den Städten, was zu einer Minderung der Wasserqualität und im Zusammenwirken mit einer stetig steigenden Bevölkerungsdichte immer häufiger zum Ausbrechen von Cholera und anderen Seuchen führe.
There is an utter absence in all the cities of any system of drainage; nearly stagnant gutters on each side of the street, running immediately below the house-fronts, do the duty of sewers, and into them most of the filth and refuse of the adjacent buildings find their way.
(Ibid.: 99)
Ebenso beschrieb der Oldfield nachfolgende Residenzarzt Daniel Wright, dass die wohlhabenden Familien zwar die Dienste der lokalen vaidya in Anspruch nahmen, aber keine Einrichtungen für eine allgemeine Gesundheitsversorgung der einfachen Bevölkerung existierten:
Baids, or medical men, are also numerous in Nepal, and all families of any pretension have at last one permanently attached to their service. There are, however, no public hospitals or dispensaries, nor any means provided for the relief of indigent sick people.
(Daniel Wright 1877: 44)
Daran wird einerseits deutlich, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Ausbau der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung von der Rāṇā-Administration vorangetrieben wurde und dass die britischen Residenzärzte diese Bemühungen auch wahrnahmen. Andererseits ist aber die Geringschätzung der lokalen vaidya und ihres heilkundlichen Wissens klar erkennbar. Es ist nicht klar, ob Wright von der Existenz des vaidyakhānā wusste und sich entschied, dieses nicht als öffentliche Einrichtung zur Gesundheitsversorgung anzuerkennen oder ob er nur unzureichend informiert war. Unabhängig davon verdeutlichen aber die Kommentare von Oldfield und Wright, dass die britischen Kolonialmediziner medizinisches Wissen, Methoden und Institutionen zur Gesundheitsversorgung als Merkmal von Zivilisiertheit und ihr eigener Wissens- und Methodenkanon der Allopathie sowie die eigenen Institutionsformen grundsätzlich als überlegen verstanden.
Weitere verfügbare Quellen deuten darauf hin, dass die Eliten der Gorkhālī diese Denkweise der britischen Kolonialverwaltung durchschaut haben. So gab es beispielsweise schon frühzeitig Bemühungen seitens der Rāṇā-Administration einen gesetzlichen Rahmen für die medizinische Behandlung im Rahmen des Ain (§ 54) festzulegen. Dieser schuf für Kranke und Ärzte ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und fördert die Etablierung und Sicherstellung eines allgemeingültigen Qualitätsstandard in der Gesundheitsversorgung. Beispielsweise drohte bei falscher Anschuldigung eines Arztes den Tod eines Verwandten durch Fahrlässigkeit und Unfähigkeit verursacht zu haben, dem Anschuldigenden die Enteignung (§ 54.1). Auf der anderen Seite musste ein Arzt, der durch eine falsche Zubereitung potenziell giftiger Heilpflanzen einem Patienten ein Medikament verabreicht, die zum dessen Tod führten, das gleiche Medikament in der identischen Dosis zu sich nehmen. Wenn der Arzt ebenfalls daran starb, war eine Tötungsabsicht hinreichend bewiesen und die Tat bereits bestraft. Sollte der Arzt aber überleben, war damit belegt, dass der Kranke eines natürlichen Todes gestorben war und dem Arzt drohte keine weitere Strafe. Wenn der Arzt aber ein Brahmane war, sollte nicht ihm das potenziell tödliche Medikament, sondern einer Ziege oder einem Hund verabreicht werden. Starb das Tier, wurde die damit bewiesene Tötungsabsicht des Brahmanen mit dāmala bestraft (§ 54.2). Sollte eine Tötungsabsicht des Arztes bereits widerlegt sein und Verwandte beschuldigen den Arzt dennoch den Tod eines Kranken verursacht zu haben, droht den Verwandten wegen falscher Anschuldigung eine Geldstrafe (§ 54.3). Und sollten im Falle schwerer körperlicher Verletzungen drastische operative Eingriffe oder sogar Amputationen notwendig sein und ein Familienmitglied hat sich mit der Maßnahme einverstanden erklärt, kann der Arzt bei Nichtgelingen der Operation oder Amputation nicht im Nachhinein für den Tod des Verstorbenen verantwortlich gemacht werden (§ 54.4).
Ein weiteres Indiz, dass Jaṅga Bahādura und die Rāṇā-Administration verstanden, dass ein Gesundheitssystem als Instrument der Herrschaftslegitimation dienlich sein konnte, ist die Aneignung von Gesundheitsinstitutionen nach europäischem Vorbild. Vermutlich wussten die Verantwortlichen der Rāṇā-Administration, dass die Briten bestimmte Maßnahmen zur Eindämmung der Lepra auch zur Legitimation ihrer Kolonialherrschaft in Südasien einsetzten. Und so wurde 1857, auf dem vorläufigen Höhepunkt der Annäherung zwischen der neuen Rāṇā-Administration und der EIC während der „großen Rebellion“, die erste Isolationseinrichtung für Leprakranke, das Khokhana Leprosy Asylum einige Kilometer südlich von Kathmandu fertiggestellt und eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren aber weder die eigentliche Ursache der Erkrankung noch mögliche Behandlungsmethoden bekannt. Daher beschränkte sich die Funktion der Institution auf die Isolierung der Erkrankten, in der Hoffnung so einer weiteren Verbreitung der Krankheit entgegenwirken zu können. Abgesehen von einigen wenigen Erwähnungen in der ereignischronologischen Forschungsliteratur ist aber bis heute aber kaum etwas über diese medizinische Einrichtung bekannt und eine Einordnung in größere historische Zusammenhänge hat bislang ebenfalls noch nicht stattgefunden.23
Die Eröffnung des Asylums Ende der 1850er Jahre ist nicht nur deshalb interessant, weil es die erste Gesundheitsinstitution nach europäischem Vorbild im Gorkhā-Staat war, sondern weil Lepra erst ab den 1860er Jahren weltweit ein steigendes Maß an Aufmerksamkeit erfuhr. Erst nachdem Südasien größtenteils zur britischen Kronkolonie geworden war, interessierten sich auch die Verantwortlichen in der Verwaltung des British Raj ernsthaft für die Krankheit. Es wurden erstmals umfangreiche Studien über die Verbreitung auf dem Subkontinent durchgeführt und die Ergebnisse 1867 im Bericht des Royal College of Physicians veröffentlicht.24 Auf der Grundlagenforschung der zwei norwegischen Wissenschaftler Danielssen und Boeck (1848) aufbauend wurde in diesem Bericht die These vertreten, es handele sich bei Lepra um eine Erbkrankheit. Deshalb wurde eine Isolierung der Betroffenen in speziellen Einrichtungen für nicht sinnvoll und notwendig erachtet. Diese Annahme wurde allerdings vor dem Hintergrund der aufkommenden Keimtheorie zunehmend kritisch hinterfragt und schließlich 1873 endgültig widerlegt, als Armauer Hansen das Micobacterium leprae im Gewebe von Lepraerkrankten als Ursache der Krankheit identifizieren konnte.25
Inwieweit Jaṅga Bahādura und die Rāṇā-Administration über diese Debatten diese medizinischen Kontroversen informiert waren und welche Rolle diese bei der Entscheidungsfindung zur Schaffung einer eigenen Quarantäneeinrichtung eine Rolle spielten, lässt sich auf Basis des bislang erschlossenen Quellenmaterials nicht ermessen. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass die Rāṇā-Administration mit der frühzeitigen Gründung einer eigenen medizinischen Institution nicht nur die Verbreitung der Krankheit eindämmen wollte. Implizit konnte man sich auf diese Weise als wohlwollende und progressive Regierung darstellen, für die der Schutz und das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung einen hohen Stellenwert hatte und die eigenständig in Lage war, schnell und gezielt auch geeignete und zeitgemäße Maßnahmen zu ergreifen. Ob sich die Rāṇā-Regierung für die Strategie der Isolierung entschied, weil sie die These der Vererbbarkeit von Lepra anzweifelte, die Argumente der Keimtheorie für schlüssiger erachtete oder ohne ein tiefergehendes Verständnis der Thematik einfach intuitiv handelte bleibt aber reine Spekulation und sollte Gegenstand zukünftiger Forschungsvorhaben sein. Doch ungeachtet dessen, konnte Jaṅga Bahādura und die Rāṇā-Administration letztlich ihre Legitimität gegenüber der eigenen Bevölkerung, konkurrierenden Fraktionen der Elite und der britischen Kolonialverwaltung erhöhen.

6.1.2 Die Institutionalisierung eines staatlichen Gesundheitswesens

Infolge ihrer Machtergreifung wurde diese Legitimationsstrategie von der Regierung unter den Śamśera Rāṇās zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgegriffen und der Aufbau eines Gesundheitswesens, das europäische Institutionsformen mit lokalen medizinischen Wissens- und Methodenkanons kombinierte, weiter vorangetrieben. Diese Bemühungen zur Institutionalisierung eines staatlichen Gesundheitsversorgung und das damit einhergehende Verschmelzen von zahlreichen Einflüsse in Form eines eigenen medizinischen Pidgin-Wissens erreichten 1889 einen neuen Höhepunkt mit der Fertigstellung und Eröffnung des ersten öffentlichen Krankenhauses des Landes am nördlichen Rand des Paradeplatzes Ṭũḍikhel im Zentrum von Kathmandu, das heute als Bir Hospital bekannt ist (s. Abb. 6.1 und Abb. 6.2).
Anfänglich standen insgesamt 30 Krankenhausbetten zur Versorgung in zwei voneinander getrennten Gebäudeteilen für weibliche Patientinnen und männliche Patienten bereit. Das medizinische Personal wurde hauptsächlich aus Bengalen rekrutiert, die entweder in lokaler ayurvedischer und allopathischer Kolonialmedizin ausgebildet worden waren. Bei der Aus- und Weiterbildung eigenen Personals griff man häufig auf Mitarbeiter des Indian Medical Service (IMS) zurück, die regelmäßig nach Kathmandu eingeladen wurden. In den darauffolgenden Jahren wurde das Krankenhaus schrittweise erweitert und Abteilungen zur Bekämpfung von Cholera, Lepra und anderen Infektionskrankheiten hinzugefügt. In den 1890er Jahren wurden außerdem kleinere Krankenhäuser für die spezielle Behandlung von Cholera und Lepra gebaut. In dieser Zeit wurden erstmals auch außerhalb des Kathmandu-Tals von der Rāṇā-Regierung kleinere Krankenhäuser, Krankenstationen und Apotheken, beispielsweise in Hanuman Nagar, Taulihawa, Nepalganj, Birganj und Jaleshwar etabliert.26
Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde versucht, die gesetzlichen Regulierungen im Ain durch allgemeingültige organisatorische Strukturen und Verantwortlichkeiten für das medizinisches Personal im entstehenden Gesundheitswesen zu ergänzen, wie anhand eines Dokuments von 1899 deutlich wird. Darin werden insgesamt fünfzehn Pflichten für das Krankenhauspersonal festgelegt. Beispielsweise sollten alle Mitarbeitenden zwar innerhalb von drei Jahren rund um die Uhr präsent sein, aber ihnen stand in diesem Zeitraum auch insgesamt eine Art Urlaub von zwei bis drei Monaten zu. Die ḍākṭara („Arzt“) waren die höchsten medizinischen und administrativen Autoritäten in der Organisationsstruktur, denen alles Personal untergeordnet war und deren Anweisungen unbedingt Folge geleistet werden musste. Das Gehalt für das Personal wurde von staatlicher Seite festgelegt und monatlich ausgezahlt. Es lag in der Verantwortung der Ärzte, die Bestände von benötigten medizinischen Materialien und Medikamenten zu verwalten und zu importierende Artikel rechtzeitig nachzubestellen.27
Abgesehen von der Gründung medizinischer Einrichtungen zur Behandlung sowie der Schaffung von gesetzlichen und organisatorischen Regularien, wurden zusätzlich auch Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung von Krankheiten ergriffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die medizinische Forschung weiter vorangeschritten und es konnte ausreichend belegt werden, dass viele Krankheiten durch Mikroorganismen verursacht und insbesondere durch verunreinigtes Wasser übertragen werden können. Ein nachvollziehbar zentrales Anliegen der Rāṇā-Administration war es daher die Versorgung der Bevölkerung mit sauberen Trinkwasser sicherzustellen. Und auch wenn die wissenschaftliche Begründung für die ergriffenen Maßnahmen neu war, so knüpfte die Rāṇā-Administration mit ihren nachfolgenden Infrastrukturprojekten zur Wasserversorgung an eine lange Geschichte der Wasserarchitektur vorangegangener Herrschaftsdynastien im Kathmandu-Tal an.
Beispielsweise gehörte es zu einer der wichtigsten Aufgaben der Licchavi-Administration Kanäle zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und Bevölkerung anzulegen und zu unterhalten. Und auch heute noch sind Fragmente von Stufenbrunnen und Wasserspeiern aus der Zeit der Licchavi-Dynastie erhalten.28 Auch der Malla-Dynastie war die Bedeutung einer funktionierenden Wasserversorgung bewusst und ein Großteil der heute noch erhaltenen, mitunter sehr kunstvoll gestalteten Wasserarchitektur im Kathmandu-Tal stammt aus dem 17. Jahrhundert.29 Und selbst für die Gorkhālī hatte Wasser bereits in der formativen Phase der Staatsbildung als überlebenswichtige Ressource eine herausgehobene Bedeutung. Auch sie unterhielten zur Versorgung Bewässerungskanäle für die Landwirtschaft und die Bevölkerung, legten Wasserstellen an, gruben Brunnen und regulierten den Zugang sowie Schutz dieser Anlagen, wie das 6., 8. und 14. Edikt von Rāma Śāha verdeutlichen.30
Doch Ende des 19. Jahrhunderts konnten die vorhandenen Kapazitäten zur Wasserversorgung in den urbanen Zentren, insbesondere im Kathmandu-Tal, aufgrund des Bevölkerungswachstums den Bedarf bei weitem nicht mehr decken. Außerdem kam es immer häufiger zu Ausbrüchen von Cholera mit hohen Todesraten. Daher wurde Ende der 1880er Jahre mit dem Bau eines neuen Wasserversorgungssystems mit Rohrleitungen für Kathmandu begonnen, das 1891 in Betrieb genommen wurde. Der Erfolg der Maßnahme veranlasste die Rāṇā-Administration den Bau solcher Systeme auch in den anderen Städten des Tals und Landesteilen voranzutreiben. Dass diesen Infrastrukturprojekten nicht nur altruistische Motive zugrunde lagen, sondern auch eine implizit legitimatorische Funktion erfüllten, lässt ein genauerer Blick auf die Rede von Vīra Śamśera erkennen, die der Premierminister zur Einweihung des Wasserversorgungssystems in Bhaktapur 1895 hielt.31
Zur Einleitung verweist er auf das zehnjährige Jubiläum seiner Amtszeit und beschreibt kurz die grundlegende Herangehensweise seiner Regierungsarbeit mit einer nautischen Metapher mit ihm als Kapitän, der das „Schiff des Staates“ versucht durch die unzähligen Gefahren der damaligen Gegenwart zu manövrieren. Sich der Rhetorik des Zivilisierungsdiskurses der europäischen Kolonialmächte bedienend will er eine gewisse Bescheidenheit und Demut angesichts der Größe seiner Verantwortung zum Ausdruck zu bringen. Ihm sei bewusst „[…] that my efforts for the bettering of my countrymen have fallen short of my wishes“ (Vīra Śamśera Rāṇā 1895: 5). Zur Erläuterung dieser Diskrepanz zwischen dem was er sich erhofft hatte während seiner Regierungszeit umzusetzen und was ihm tatsächlich gelungen war, greift der Premierminister auf einen Vergleich mit anderen Ländern zurück. Seiner Ansicht nach sei es nämlich überall in der Welt üblich, dass Reformvorhaben aller Art grundsätzlich von der Bevölkerung ausgingen, welche dann durch die Unterstützung der Regierung mit deren Expertise und Erfahrung umgesetzt werden konnten. Doch in seinem Land stelle sich die Situation anders dar:
[…] any improvement, however urgent and far reaching in its effect for good, may remain dormant for years before being carried out, and when taken up by any well-intentioned person it is rendered a doubly difficult task owing to the ignorance and apathy of the mass of the people, steeped as they are in prejudices centuries old.
(Ibid.: 6)
Es sei also nicht nur der fehlende Reformwille der Bevölkerung, sondern zusätzlich auch noch die Ignoranz, Gleichgültigkeit und tiefverwurzelten Vorurteile der einfachen Menschen, gegen die sich ein „fortschrittlicher Herrscher“, wie Vīra Śamśera sich hier selbst hier inszeniert, durchsetzen muss, um das Leben eben jener Menschen verbessern zu können. Angesichts dieser erschwerten Bedingungen sei es demnach eine umso größere Leistung gewesen, das Wasserversorgungssystem in Bhaktapur bauen und in Betrieb nehmen zu können. Doch das durch Cholera verursachte Leid der Menschen und der allgemeine Mangel an sauberen Trinkwasser hätten ihn letztlich dazu bewegt, sich dieser großen Herausforderung zu stellen. Und der Erfolg des Projektes habe schließlich alle Erwartungen übertroffen. Seither seien Cholera und andere, durch Wasser übertragene Infektionskrankheiten in Kathmandu nicht mehr ausgebrochen, während es im nur wenige Kilometer südlich gelegenen Patan im gleichen Zeitraum zu mehreren Ausbrüchen von Seuchen gekommen sei, bei denen viele Menschen ihr Leben verloren.
Im nächsten Schritt seiner Argumentation stellte Vīra Śamśera dann einen Zusammenhang zwischen einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung und ökonomischen Wohlstand her und bricht diese auf die Aussage herunter: „In a poor country like ours health means money; […].“ (Ibid.: 8). Es obliege daher der Regierung die Vorteile neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu nutzen, die menschliches Leid mindern und den materiellen Wohlstand mehren können. Motiviert vom Erfolg des Wasserversorgungssystems in Kathmandu und erschüttert angesichts des durch Krankheiten verursachten Leides, habe sich seine Ehefrau dazu entschlossen, die notwendige Infrastruktur für Bhaktapur mit ihren privaten monetären Ressourcen zu finanzieren. Vīra Śamśera hoffe, dass diese großzügige und selbstlose Geste seiner Ehefrau als solche wertgeschätzt werde und den Menschen in Bhaktapur Gesundheit und Glück bescheren möge.
Zum Ende seiner Rede informiert Vīra Śamśera die geladenen Gäste zudem über den aktuellen Stand der Arbeiten eines weiteren Infrastrukturprojektes, das die Ausbreitung von Krankheiten mindern, die Gesundheitsversorgung verbessern und zur allgemeinen Steigerung der Lebensqualität beitragen soll:
I refer to the Kathmandu Drainage Work. The scheme for the erection of private and public latrines and the disposal of the nightsoil of the city in a manner satisfactory to all parties is also receiving the earnest attention of the government – a few public latrines have already been opened and the rest will be ready in a few months.
(Ibid.: 10)
Die Rede wurde vom damaligen britischen Residenten Colonel H. Wylie transkribiert und in Übersetzung an seine Vorgesetzten in der britischen Kolonialverwaltung weitergeleitet. Diese Tatsache allein spricht bereits dafür, dass die Maßnahme auch von den impliziten Adressaten wahrgenommen wurde. Und selbst bei den anderen europäischen Reisenden im Land blieben diese Infrastrukturprojekte nicht unbemerkt, die als klares Zeichen für die fortschreitende Selbstzivilisierung der Gorkhālī gedeutet wurden. So berichtete beispielsweise der von den Bauarbeiten an den Rohrleitungen des Wasserversorgungssystem im Kathmandu-Tal völlig überraschte und sogar etwas desillusioniert klingende Otto Ehlers:
[...] ich überholte einen schier endlos langen Zug von Ochsenkarren, auf denen schwere, gusseiserne Röhren verschiedenen Kalibers landeinwärts befördert wurden. Ich erfuhr, dass dieselben zu einer Wasserleitung in Kathmandu bestimmt, und dass bereits mehrere hundert solcher Röhren dorthin geschafft worden seien. Das klang ja alles unheimlich zivilisiert, und ich wäre am liebsten gleich wieder umgekehrt.
(Otto Ehlers 1894: 288)
Nach dem Tod Vīra Śamśeras und der Absetzung Deva Śamśera wurde die Bemühungen der Rāṇā-Regierung zum Aufbau eines landesweiten Gesundheitssystems unter Candra Śamśera weiter fortgeführt. 1903 wurde das zweite große Krankenhaus, das Chandra Lok Hospital in Bhaktapur eröffnet. Die Kapazitäten des Khokhana Leprosy Asylum wurden schrittweise erweitert und es wurden weitere kleinere Krankenhäuser, Krankenstationen und Apotheken außerhalb des Kathmandu-Tals, beispielsweise in Ilam und Doti, in Palpa und Palhi (Parasi) sowie in Jhapa (Bhadrapur), Sarlahi, Rangeli, Bardia und Dhankuta errichtet (s. Abb. 6.3).
Allerdings fehlte es noch immer an eigenen medizinischen Ausbildungsinstitutionen. Deshalb wurde auch in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhundert das Personal weiterhin hauptsächlich in Bengalen ausgebildet oder rekrutiert und Mitarbeiter des IMS eingeladen, die beim Aufbau des staatlichen Gesundheitswesens in verschiedenen Funktionen assistierten. Um 1917 wurden dem Bir Hospital eine Reihe von Laboreinheiten, eine bakteriologische, eine pathologische, eine radiologische Abteilung sowie eine neue Apotheke angegliedert. Zudem wurde die Pockenschutzimpfung überall kostenfrei angeboten. Als Ergänzung zu den tendenziell eher an europäischen Vorbildern orientierten Institutionen, wurde aber auch die Institutionalisierung des lokalen heilkundlichen Wissens und die Verschmelzung der unterschiedlichen medizinischen Wissens- und Methodensysteme weiter vorangetrieben. 1918 wurde beispielsweise das Naradevi Ayurvedic Hospital als erste größere Einrichtung mit einem Schwerpunkt in ayurvedischer Medizin in Kathmandu eröffnet. In den 1920er Jahren folgten die Eröffnung eines weiteren großen Krankenhauses in Patan sowie die Gründung eines Tuberkulose Sanatoriums in Tokha.
Ein weiterer bedeutender Meilenstein im Aufbau eines eigenen staatlichen Gesundheitssystems markierte die Eröffnung des Tribhuvana-Chandra Military Hospital am 9. September 1926. Das Militärkrankenhaus war nicht nur auf dem damals neuesten Stand der Technik und Wissenschaft, sondern diente gleichzeitig als erstes Kriegsdenkmal für die Gefallenen Soldaten des Gorkhā-Staates im Ersten Weltkrieg (s. Abb. 6.4). Anhand der Reden des leitenden Ingenieurs Kiśore Narasiṃha Rāṇā, Premierminister Candra Śamśeras und des britischen Residenten Hugh Wilkinson, die während der Eröffnungsfeierlichkeiten gehalten worden, wird einerseits deutlich, wie die Rāṇā-Administration die neue Institution zur Verknüpfung von Gesundheits- und Erinnerungspolitik zu nutzen wusste. Andererseits zeigt sich wieder die legitimatorische Dimension einer solcher Einrichtung.32
Gleich zu Beginn seiner Rede zur Eröffnung des Militärkrankenhauses beschreibt der leitende Ingenieur Kiśore Narasiṃha veranschaulichend und fast schon überschwänglich, inwieweit die Rāṇā-Regierung durch das Militärkrankenhaus ihre Fürsorge und ihr Bewusstsein für die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zum Ausdruck brächte, insbesondere gegenüber den Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gedient hatten:
It is impossible not to see that it must be a comfort to a soldier to know that there is an institution, provided by the Government, where he, when ill, has only to present himself to ensure that the doors will be immediately thrown open to him and that he will be tended and cared for in the most admirable manner, without any charge. And there will also be further satisfaction to him to know that the Hospital will afford help to such members of his family as may be in need of it while living in, or on a visit to Kathmandu.
(Rede von Kiśore Narasiṃha Rāṇā 1926: 5)33
Direkt im Anschluss stellt er den Bezug zur damaligen Unterscheidung zwischen lokalem heilkundlichen Wissen und der aus Europa kommenden allopathischen Medizin her. Wie schon Jaṅga Bahādura, betont Kiśore Narasiṃha dabei die Wertschätzung und das Vertrauen in die lokalen Heilkunde, während er aber gleichzeitig die Fortschrittlichkeit der westlichen Chirurgie anerkennt:
I am sure we all highly value and believe in our own ancient systems of healing. But appreciation of the more modern methods of medical treatment for certain diseases, especially in the field of surgery, which has made really marvelous progress in its operations, has spread widely even in this secluded country.
(Ibid.: 5)
Er begründet darauffolgend den spezifischen Bedarf eines Militärkrankenhauses damit, dass die existierenden medizinischen Einrichtungen nicht ausreichen würden, um die steigende Anzahl von Patienten versorgen zu können. Besonders für die Soldaten, die von den Schlachtfeldern Europas zurückkehrt waren und weiterhin betreut werden müssten, würden die Kapazitäten des bestehenden Gesundheitssystems nicht ausreichen.
Nach seiner ausführlichen Beschreibung aller technischen Details des Baus, der Ausstattung auf dem neuesten Stand von Technik und Wissenschaft, der Statue eines Soldaten auf dem Dach des Gebäudes sowie seiner Erläuterung der Bau- und Unterhaltskosten, kommt er auch darauf zu sprechen, inwieweit das Militärkrankenhaus, aber auch andere neue Einrichtungen des Gesundheitssystem als Symbol und Ausdruck der Güte und besonderen Befähigung der Rāṇā-Regierung verstanden werden sollten. Trotz unzähliger Widrigkeiten vermochte diese es, die Errungenschaften zivilisatorischen Fortschritts auch den einfachen Menschen in weit entlegenen Regionen der Welt wie dem Himalaya zugutekommen zu lassen:
Though it is not possible for us in this out-of-the-way-corner of the world to reap the full benefit of the great scientific discoveries which characterize the modern era when not a year passes by without the announcement of a notable discovery tending to ameliorate human life and enhance the progress of civilization, yet we have, due to the philanthropic benevolence of Your Highness, in a small way no doubt as marks the beginning, the most up-to-date methods of scientific treatment of diseases as represented by such institutions as the Pathological Laboratory, the Electrical Annexe to the existing civil Hospital, and this new Hospital for soldiers.
(Ibid.: 8)
Kiśore Narasiṃha fährt fort nicht nur die Wohltaten der Rāṇā-Regierung hinsichtlich der europäischen Kolonialmedizin in den höchsten Tönen zu loben, sondern zusätzlich auch dafür, die Ausweitung der lokalen Heilkunde selbst in die entlegensten Landesteile vorangetrieben, damit der Verbreitung von Quacksalberei entgegengewirkt und maßgeblich zum Aufbau des modernen Gesundheitssystems beigetragen zu haben. Er beendet seine Lobrede mit einer Bemerkung zu den Idealen der Regierungsarbeit und dem Selbstverständnis der Rāṇā-Administration, in der nochmal der legitimatorische Charakter und die implizierte Selbstzivilisierung all dieser augenscheinlich dem Allgemeinwohl dienenden Maßnahmen in den zwei vorangegangenen Jahrzehnten unter der Herrschaft Candra Śamśeras kommuniziert und die Rhetorik europäischer Zivilisierungsmission deutlich zum Tragen kommt:
By consistently and steadfastly following and acting up to the high ideal of Government annunciated some twenty-two years ago on the occasion of the opening of the Bhatgaon Hospital that the first dare of the State should be the preservation of health and alleviation of the sufferings and distresses of its subjects, and no less by the efforts to secure every advantage tending towards the general well-being of the people and uplift and progress of the country.
(Ibid.: 9)
Candra Śamśera selbst beginnt seine daran anschließende Rede mit einer Anmerkung zu seiner persönlichen Wahrnehmung, mit der Eröffnung des Militärkrankenhauses in Verbindung gebracht zu werden und verknüpft diese geschickt mit Themen der Erinnerungs- und Außenpolitik. Für ihn stünde die neue Institution als Denkmal für den Mut, Patriotismus und die Hingabe der Gefallenen, die für hehre Ideale wie Recht und Gerechtigkeit bereit waren ihr Leben zu lassen, und gleichzeitig als Symbol für das freundschaftliche Verhältnis zur britischen Regierung. Angesichts des erbrachten Opfers sollten alle Bewohner des Landes die Erinnerung an die Heldentaten der gefallen Soldaten in ihren Herzen tragen. Aber die zahllosen Ablenkungen, die Schnelllebigkeit und Herausforderungen des alltäglichen Lebens führe Candra Śamśera zufolge meist dazu, dass diese Opfer oft viel zu schnell vergessen werden:
It is therefore, to honor them and no less to keep before us a beacon which will call us towards those principles for which they laid down their lives that we decided in favour of a concrete memorial which will remain a visible and speaking, and I hope, a lasting monument to those brave sons of Nepal. I thought therefore, of a building devoted to a philanthropic object to which newcomers to this city, its inhabitants both natives and foreigners, will turn to pay silent homage to the gallant and noble souls whom the statue at the top of this structure truly visualizes.
(Rede von Candra Śamśera Rāṇā 1926: 11)34
Nachdem er dem medizinischen Personal seine besten Wünsche ausgesprochen und die Leistung des leitenden Ingenieurs gewürdigt hatte, bedient er sich gekonnt der Rhetorik der europäischen Zivilisierungsmission und versichert allen Anwesenden, dass die Pflichterfüllung stets sein wichtigstes Leitprinzip gewesen sei. Er fährt fort: „It would be the proudest achievement of my administration if posterity credits me with having done my level best for the uplift of the country and the removal of the sufferings and miseries of the people.“ (Ibid.: 12). Wie schon sein älterer Bruder Vīra Śamśera, ist sich auch Candra Śamśera der Gelegenheit des Momentums seiner Rede bewusst und weiß diese zu nutzen, um das entworfene Selbstbild als wohlwollender und fürsorglicher Herrscher zu untermauern und verkündet zum Abschluss:
Gentlemen, I believe this is a fitting occasion to make the happy announcement that a sum of seven lakh rupees has been set apart to combat the lamentable mortality from that fell disease – tuberculosis – which takes it heavy toll of life in this country. God willing, I hope that before long a Sanatorium in a modest way on up-to-date lines will be counted amongst our other charitable institutions to remove the despair of those require but cannot afford to avail of such medical help outside the country.
(Ibid.: 12)
Candra Śamśeras Rede verfehlte die intendierte Wirkung bei einem wichtigen Adressaten, der britischen Kolonialverwaltung, nicht. Das zeigt sich in der Ansprache des britischen Residenten Hugh Wilkinson, der die Maßnahmen zur Selbstzivilisierung der Rāṇā-Regierung selbst auch in größere Zusammenhänge einzuordnen weiß:
These achievements form two important links in the long chain of benefits conferred on Nepal by Your Highness’s strong and humane rule. They follow closely on that great scheme of the emancipation of the slaves, which has recently been brought to a successful conclusion. I am fortunate in having this opportunity of conveying publicly to Your Highness the congratulations of His Excellency the Viceroy and the Government of India on this great achievement, in which Lord Irwin has taken special interest. […]. There can be no doubt that these humanitarian acts will keep Your Highness’s name ever fresh in the memory and gratitude of succeeding generations.
(Rede von Hugh Wilkinson 1926: 13–14)35
Aus den Notizen in den Archivalien des Residenten geht außerdem hervor, dass dieser sich um eine möglichst zeitnahe Transkription und Übersetzung der Reden von Candra Śamśera und Kiśore Narasiṃha bemühte, um diese an seine Vorgesetzten in der britischen Kolonialverwaltung weiterzuleiten. Außerdem kümmerte er sich umgehend auch um eine vorteilhafte Berichterstattung in den englischsprachigen Printmedien im British Raj. Nur wenige Tage nach der Eröffnung des Militärkrankenhauses erschien im The Statesman am 16. September ein Artikel mit der Überschrift „Social Work in Nepal – Hospital Opened“ und am 17. September ein weiterer Artikel im The Pioneer mit dem Titel „A Nepal Memorial – New Military Hospital, Opening Ceremony at Kathmandu and the Maharaja’s Eloquent Tribute“. In beiden Artikeln wurden die wichtigsten Eckdaten zu den Baukosten und zur technischen Ausstattung, den geladenen Ehrengästen und den wichtigsten Passagen aus den Reden zusammengefasst. Dabei wurden insbesondere die oben zitierten Redeauszüge wiedergegeben, in denen die Redner sich der wichtigsten Schlagworte der Zivilisierungsrhetorik der Briten bedient hatten.36
Die Anerkennung der europäischen Zeitgenossen für diese Selbstzivilisierungsleistung findet darüber hinaus auch Ausdruck in Perceval Landons historiografischen Beitrag. Ihm zufolge habe es Vīra Śamśera zwar vermocht, das erste Krankenhaus in Kathmandu zu etablieren, während aber der Rest des Landes ohne eine grundlegende medizinische Versorgung geblieben war. Unter Premierminister Candra Śamśera sei es der Rāṇā-Regierung schließlich gelungen, sich gegen alle Widerstände, die der Reform des Gesundheitswesens Gorkhā-Staates entgegenstanden, durchzusetzen und den Aufbau eines allgemeinen Gesundheitswesens entscheidend voranzubringen, indem gleichermaßen die Wissens- und Methodensysteme der lokalen ayurvedischen Heilkunde und der europäischen Allopathie als sich gegenseitig ergänzend verstanden und entsprechend gefördert wurden.37
Nach dem Tod Candra Śamśeras 1929 setzten dessen Nachfolger die staatlichen Bemühungen zum Aufbau eines landesweiten Gesundheitssystems weiter fort. Während der Regierungszeiten von Bhīma Śamśeras und Juddha Śamśera wurden sowohl bestehende Einrichtungen erweitert als auch neue Krankenhäuser und Apotheken, unter anderem in Bhairahawa, Butwal, Bahadurganj, Dharan, Bhimphedi, Bardiya und Kailali, sowie kleinere Krankenstationen in ländlicheren Landesteilen in Betrieb genommen. Zudem wurden Anfang der 1930er Jahre mit der Rājakīya Āyurveda Vidyālaya und der Civil Medical School die ersten staatlichen Institutionen zur Ausbildung medizinischen Personals gegründet. Um dem steigenden Verwaltungsbedarf des wachsenden Gesundheitssystems beizukommen und vorhandene Ressourcen effizienter verteilen und Kapazitäten organisieren zu können, wurde in dieser Zeit auch ein Gesundheitsministerium geschaffen, das Svāsthya Sevā Vibhāg.38
Doch die Wiederaufbaumaßnahmen nach dem schweren Erdbeben von 1934 und die Beteiligung der Gorkhālī am Zweiten Weltkrieg verbrauchten einen Großteil der zur Verfügung stehenden staatlichen Ressourcen. Durch das Erdbeben zerstörte und beschädigte Gebäude mussten erst wieder aufgebaut und konnten nur noch in Einzelfällen erweitert werden. Zusätzlich war die Rāṇā-Administration durch die Zunahme oppositioneller Aktivitäten im British Raj und im eigenen Land, durch die Intensivierung der internen Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen der Rāṇā-Familie und die Kooperation von Teilen der politischen, administrativen und militärischen Elite mit den regierungskritischen Gruppierungen nicht länger in der Lage, die Strategie der vorangegangenen Premierminister weiterzuverfolgen. So kam der der Ausbau der Gesundheitsversorgung in den 1940er Jahren fast gänzlich zum Erliegen. Infolgedessen wurden die gesundheitspolitischen Maßnahmen der Rāṇā-Administration in der zeitgenössischen Berichterstattung der englischsprachigen Printmedien und historiografischen Beiträgen kaum noch beachtet. Im Allgemeinen schien das Gesundheitswesen als Instrument der Herrschaftslegitimation ab Mitte der 1930er Jahre recht rasant an Bedeutung zu verlieren und verschwand in den letzten Jahren der Rāṇā-Zeit schlussendlich in der Bedeutungslosigkeit.

6.2 Das Bildungssystem zur Herrschaftslegitimation

Wie in der einleitenden kritischen Reflexion des aktuellen Forschungsstandes bereits zusammengefasst, dominieren in der bildungshistorischen Forschungsliteratur noch immer dichotomen Denkweisen kolonialen Ursprungs von Entwicklung und Modernisierung, die Verhaftung im nationalstaatlichen Referenzrahmen und die Annahme, dass erst die „plötzliche Öffnung“ des lange Zeit isolierten Landes und die daraufhin folgende Intervention nordamerikanischer und europäischer Experten, den Beginn der Entstehung eines modernen Bildungssystems markiere. Nur wenige Arbeiten haben sich hingegen mit der Bildungsgeschichte des 19. Jahrhunderts beschäftigt und diese beginnen meist mit dem immer gleichen Zitat Daniel Wrights von 1877: „The subject of schools and colleges in Nepal may be treated as briefly as that of snakes in Ireland. There are none.“ (Wright 1877: 31). Doch nur wenige Autoren schenken auch den darauffolgenden Sätzen ausreichend Aufmerksamkeit, aus denen hervorgeht, dass es schon lange vor dem Kontakt mit den Europäern Bildungssysteme und -institutionen im zentralen Himalaya gab:
Sir Jung Bahadur and some of the wealthier class have tutors, either Europeans or Bengali Babus, to teach their children English; but there is no public provision for education of any sort. Every man teaches his own children or employs the family priest or Pandit for the purpose. The lower classes are simply without education of any kind whatever.
(Ibid.: 31)
Jaṅga Bahādura und die oberste Schichten der neuen Machthabenden hatten also schon Mitte des 19. Jahrhunderts damit begonnen, sich am Vorbild der britischen Kolonialbeamten orientierend, Lehrer aus Europa und Bengalen an ihren Hof zu holen. Indem die herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates durch Bildung dazu befähigt wurden mit den Beamten der britischen Kolonialmacht in deren Sprache zu kommunizieren, konnten sie sich und vor allem ihren Nachkommen einen Vorteil gegenüber der übrigen Bevölkerung verschaffen.
Genauso aufschlussreich ist auch der nachfolgende Satz, der auf die bereits bestehende Strukturen zur Wissensvermittlung hinweist. Wie Axel Michaels (2018) erläutert, gab es in Südasien schon lange vor dem beginnenden Austausch mit Europa verschiedene Formen von Bildung. Eine davon war die von Wright erwähnte private Ausbildung durch das Engagieren von Priestern oder Gelehrten, der den Kindern des jeweiligen Haushalts Wissen vermittelte. Die anderen beiden waren das Gurukul-System und die monastische Ausbildung, die von Wright vernachlässigt wurden. In beiden Systemen bewohnten Schüler bereits in jungen Jahren entweder das Haus des Lehrers (Gurukul) oder das Kloster und lernten dort neben Lesen und Schreiben auch Grundlegendes über Grammatik, Astronomie, Literatur und Rituale. Die Ausbildung war aber meist Männern vorbehalten und nur in höheren gesellschaftlichen Milieus üblich. Aufgrund ihrer Qualifikationen waren Priester, Mönche und Gelehrte für die Verwaltungen der Kleinkönigtümer in der Region seit jeher grundsätzlich gefragt. Und zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert genossen einige Bildungseinrichtungen im Kathmandu-Tal, aber auch anderen Städten im zentralen Himalaya auf ihrem Höhepunkt einen Ruf als herausragende Zentren der Gelehrsamkeit.39 Im 19. Jahrhundert war dieser Ruf zwar weitestgehend verblasst, aber die damit verbundenen Formen von Bildung waren über die Jahrhunderte hinweg dennoch erhalten geblieben. Sie unterschieden sich aber grundsätzlich vom Bildungsverständnis der britischen Kolonialbeamten und wurden von diesen daher auch nicht als vergleichbar wahrgenommen.
Bisher wird in der bildungshistorischen Forschungsliteratur davon ausgegangen, dass Bhīmasena Thāpā als erster Herrscher des entstehenden Gorkhā-Staates zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Wert einer den europäischen Mächten zugewandten Bildung erkannte und begann Lehrer aus Bengalen zur Ausbildung seiner Familie zu engagieren und auch englischsprachige Zeitungen zu abonnieren. Gleichzeitig wurde aber auch mit der staatlichen Institutionalisierung bereits existierender Bildungsformen begonnen. Beispielsweise wurde bereits 1825 die erste staatliche pāṭhaśālā, eine Sanskritschule, im Kathmandu-Tal eröffnet, in der neben Sanskrit auch vedische Literatur, Grammatik, Astrologie und Dichtung gelehrt wurde. In Anlehnung an das Gurukul-System wurden Schüler in den Räumen der pāṭhaśālā nicht nur unterrichtet, sondern lebten dort auch.40

6.2.1 Anfänge und Ausbau des staatlichen Schulsystems im Gorkhā-Staat

Doch auch in der Bildungsgeschichte des Gorkhā-Staates markiert Jaṅga Bahāduras Machtübernahme und Reise nach Europa einen historischen Wendepunkt. Während seines Aufenthalts in England und Frankreich besuchte er eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen und erkannte frühzeitig deren legitimatorisches Potenzial. Es gibt Hinweise darauf, dass er von Anfang an bemüht war, dieses für sich zu nutzen und sogar eigene Defizite aufarbeitete. Wie anhand des Berichts von Orfeur Cavenagh deutlich wird, assoziierten die britischen Kolonialbeamten schon zu dieser Zeit einen gewissen Bildungsstand als Zeichen von Zivilisiertheit und deshalb erhielt Jaṅga Bahādura für seine Mühen eigenständig lesen und schreiben gelernt zu haben, deren Bewunderung und Anerkennung:
When he first obtained his office, he was extremely illiterate, and, owing to willfulness when a child, could neither read nor write. Finding that without these acquirements he was liable to be misled by those around him, and consequently to act unjustly, he devoted all his leisure hours to study, and at the expiration of a year had obtained such proficiency as to be able to carry on a correspondence with perfect facility, and all orders of importance are written with his own hand.
(Orfeur Cavenagh 1851: 258)
Direkt nach seiner Rückkehr aus Europa begann Jaṅga Bahādura mit der Rekrutierung europäischer und bengalischer Lehrer, die er zur Ausbildung seiner Kinder und Familienmitglieder nach Kathmandu kommen ließ. Ab 1853 wurden diese in eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten der neuen Palastanlage des Thāpāthalī Darbār in Englisch, Hindi, Bengali, Sanskrit, Persisch, Geschichte, Geografie, Mathematik und śāstra-Literatur unterrichtet. Damit wurde die erste Schule des Landes nach europäischem Vorbild, die Thāpāthalī Darbār School, ins Leben gerufen. Nachdem anfänglich nur Jaṅga Bahāduras eigene Familie am Unterricht teilnehmen durften, wurden auch kurz darauf die Nachkommen der entmachteten Śāhas sowie einige ausgewählte bhāradāra-Familien zugelassen.41
Gut informiert über die britische Bildungspolitik in Südasien unter Federführung des Präsidenten des Board of Control der EIC, Charles Wood, entschloss sich Jaṅga Bahādura primär die englischsprachige Ausbildung exklusiv für die herrschenden Eliten zu fördern.42 Dafür wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Für Lehrende aus dem Ausland wurden eigens Einreisedokumente ausgestellt, Grenzbeamte wurden angewiesen einreisenden Lehrer bevorzugt zu behandeln, zur Erleichterung der Reise wurden Elefanten entsandt und für einen möglichst angenehmen Aufenthalt großzügige Residenzen im direkten Umfeld der Palastschule zur Verfügung gestellt. Verwaltungsdokumente zeigen zudem, dass sie um ein Vielfaches besser entlohnt wurden als die einheimischen Lehrkräfte. Mit dem Ziel, die Verbindung mit dem kolonialen Bildungssystem der Briten noch zu vertiefen und die Möglichkeit Schulabschlüsse der Absolventen auch außerhalb des Gorkhā-Staates anerkennen zu lassen, wurde die Thāpāthalī Darbār School an die 1857 gegründete University of Calcutta angegliedert und Abschlussprüfungen mussten fortan dort abgelegt werden. Ab den 1860er Jahren schickten immer mehr Mitglieder der Rāṇā-Familie ihre Kinder auch für weiterführende Bildungsabschlüsse an die University of Calcutta und die Studierenden erhielten zur Finanzierung ihres Aufenthaltes sogar Regierungsstipendien. Zu den ersten erfolgreichen Absolventen aus dem Gorkhā-Staat gehörte Candra Śamśera, der 1884 sein Studium erfolgreich abschloss. Dieser Fokus auf den Ausbau des englischsprachigen Bildungssystems im Kathmandu-Tal und der damit einhergehenden Ressourcenverschiebung bedeutete aber gleichzeitig auch die zunehmende Vernachlässigung bereits bestehender Bildungsstrukturen von pāṭhaśālā, Privatunterricht, Gurukul und Klöstern. Außerhalb des Kathmandu-Tals änderte sich daher wenig und Bildung blieb auch im übrigen Land weiterhin ein Privileg gut situierter Familien.43
Die Bildungspolitik der frühen Rāṇā-Administration unter Jaṅga Bahādura lässt sich daher auf zwei Grundsätze herunterbrechen: Im Rahmen der zunehmenden Kooperationsbereitschaft mit der expandierenden britischen Kolonialmacht verfolgte die Rāṇā-Regierung auch im Hinblick auf Bildung eine Politik der sukzessiven Annäherung. Diese diente offensichtlich der allgemeinen Verbesserung des Verhältnisses, welches im Nachgang des Anglo-Gorkha-Krieges noch primär durch wechselseitiges Misstrauen geprägt war. Zugleich scheinen die Rāṇās auch versucht zu haben, durch die am britischen Vorbild orientierten und sehr exklusiven Ausbildung einen weiteren Differenzmarker zwischen sich selbst beziehungsweise ihren Nachkommen und der eigenen Bevölkerung zu etablieren, um damit ihren Überlegenheitsanspruch zu stärken, der wiederum die Legitimität ihrer Herrschaft stützen sollte.44
Diese Bildungspolitik wurde auch Jaṅga Bahāduras Tod von Raṇoddīpa Siṃha weiter fortgesetzt. Ende der 1870er Jahre wurde die Thāpāthalī Darbār School erweitert, in Darbār High School umbenannt und nach und nach für immer mehr Mitglieder der Rāṇā-, Śāha- und bhāradāra-Familien geöffnet. Außerdem wurde das Lehrangebot erweitert und zur Ausbildung von diplomatischen Verwaltungsbeamten auch Tibetisch und Persisch unterrichtet. Diese Maßnahmen führten in den folgenden Jahren zu einer rasanten Zunahme der Schülerzahlen.45 Nach der Ermordung ihres Onkels und der gewaltsamen Machtübernahme der Śamśera Rāṇās 1885, waren diese anfänglich als Usurpatoren mit einem zusätzlichen Legitimationsdefizit konfrontiert. Doch Vīra Śamśera und seine Brüder waren bereits selbst in den Bildungseinrichtungen des britischen Kolonialstaates ausgebildet worden und wussten genau, wie sie das legitimatorische Potenzial ihrer Bildungspolitik zu ihrem Vorteil nutzen konnten.
Im Vertrauen darauf, die britische Kolonialmacht fungiere als externe Legitimationsquelle, konzentrierten sich die Śamśera Rāṇās zum Ende des 19. Jahrhundert auf die Intensivierung der Kooperation mit den Briten auf unterschiedlichsten Ebene und bauten in diesem Zusammenhang auch das englischsprachige Schulsystem weiter aus. Nachdem die Anzahl der Schüler der Darbār High School bereits im Verlauf der 1880er Jahre stark angestiegen war und sich gleichzeitig auch der Bedarf der staatlichen Verwaltung an qualifiziertem Personal erhöht hatte, initiierte Vīra Śamśera Anfang der 1890er Jahre den Neubau eines größeren Schulgebäudes am westlichen Rand des Rānī Pokharī, einem zentralen Ort in Kathmandu. Dabei orientierte man sich immer deutlicher, nicht nur architektonisch, sondern auch institutionell am Vorbild des englischen Bildungssystems im kolonialen Südasien (s. Abb. 6.5).
Doch ähnlich wie im Falle der Aneignung der unterschiedlichen medizinischen Wissens- und Methodensysteme, wollte die Rāṇā-Administration auch nicht ihre Legitimation gegenüber den orthodox-hinduistischen Teilen der Eliten durch eine zu sehr fokussierte Ausrichtung am britischen Bildungssystem gefährden. Daher bemühte man sich ebenso darum auch die althergebrachten Bildungsformen in die neue Bildungspolitik zu integrieren. Deshalb wurde im unteren Stockwerk der Darbār High School eine pāṭhaśālā eingerichtet. Allerdings lässt sich beispielsweise anhand der Diskrepanzen in der Bezahlung der Lehrkräfte die deutliche Bevorzugung des englischsprachigen Bildungssystems der Rāṇā-Administration Ende des 19. Jahrhunderts ablesen.46
Abgesehen davon gab es, trotz der ausgeprägten Orientierung am Beispiel des Bildungssystems des British Raj, einen entscheidenden Unterschied zwischen der Bildungspolitik der Rāṇā-Administration und dessen Vorbild. Während die britische Kolonialverwaltung ab den 1880er Jahren, den Empfehlungen des Berichts der Indian Education Commission unter der Leitung von William W. Hunter folgend, den Ausbau der Grundschulausbildung für größere und insbesondere bislang benachteiligte Teile der Bevölkerung förderte, die auch in der jeweiligen Muttersprache angeboten werden sollte, behielt die Rāṇā-Administration ihre restriktive Zugangspolitik bei.47 Sie ließ Englisch zur einzigen Unterrichtssprache erklären und setzte sogar vereinzelte Verbote bestimmter Lerninhalte über Geografie und Geschichte des eigenen Landes durch. Es liegt die Vermutung nahe, die Rāṇās waren nicht nur über die koloniale Bildungspolitik der Briten gut informiert, sondern schienen sich ebenfalls über die unbeabsichtigte Konsequenzen im Klaren. Sie beobachteten die Formierung der Unabhängigkeitsbewegungen im British Raj zum Ende des 19. Jahrhunderts mit Sorge und befürchteten möglicherweise, dass eine zu liberale Bildungspolitik das Potenzial habe auch ihre eigene Herrschaft zu gefährden. Allerdings ist bislang kein Quellenmaterial erschlossen worden, dass diese Annahme zweifelsfrei belegt.

6.2.2 Ein kurzes Intermezzo bildungspolitischer Experimente

Mit dem Tod Vīra Śamśera 1901 und der Machtübernahme seines Bruders Deva Śamśeras setzte eine kurze experimentelle Phase vergleichsweise liberaler Reformvorhaben ein. Im Gorkhāpatra, der neu gegründeten, ersten vom Staat herausgegebenen Zeitung des Landes, umreißt der neue Premierminister seine Pläne. Wie schon sein Bruder vor ihm, bediente sich Deva Śamśera dabei gekonnt der Zivilisierungsrhetorik der britischen Kolonialmacht. Mittels einer Kombination von Maßnahmen, die er wiederholt unter dem Schlagwort „unnati“ („Fortschritt“) zusammenfasst, solle „hāmrā Gorkhā“ („unser Gorkhā“) den Zustand der „sabhyatā“ („Zivilisation“) erreichen, also ein „sabhya deś“ („zivilisiertes Land“) werden.48 Sich zunehmend am Beispiel Japans orientierend, spielte dabei der Aufbau eines allgemeinen und landesweiten Bildungssystem eine zentrale Rolle. Deva Śamśera ließ zu diesem Zweck ein Beratungsgremium einsetzen, welches unter der Leitung des jungen Rājās der Provinz Bajhang und Schwiegersohns Candra Śamśeras, Jayapṛthvībahādura Siṃha, einen umfangreichen Plan zur Umsetzung dieses Vorhabens ausarbeitete.49 Diese Plan sah vor, dass Dorfgemeinschaften im gesamten Land sogenannte bhāṣā pāṭhaśālā („Sprachschule“) gründen durften, wenn sie mehr als fünfzig Schülerinnen und Schüler finden konnten. Die jeweiligen lokalen Provinzverwaltungen wurden instruiert diesen neu gegründeten Schulen mindestens einen Lehrer zur Verfügung zu stellen, dessen Gehalt von der Zentralverwaltung in Kathmandu übernommen werden sollte. Konnten Dorfgemeinschaften mehr als zweiundfünfzig Lernwillige zusammenbringen, erhielten sie zusätzlich auch kostenfrei Lehrbücher und weitere benötigte Materialien. Die Lehrpläne sahen vor, in diesen Schulen Grundlagen im Lesen, Schreiben, in Mathematik, Geografie und Geschichte zu vermitteln.50
Abgesehen von der allgemeinen Öffnung des Bildungssystems für die gesamte Bevölkerung des Gorkhā-Staates, zeichneten diese neuen bhāṣā pāṭhaśālā eine weitere Besonderheit aus. Während Englisch die Sprache der herrschenden Eliten und Sanskrit die Sprache der Priester und Gelehrten war, galt die allgemeine Umgangssprache, die heute als Nepālī bezeichnet wird, zu Beginn des 20. Jahrhundert als „minderwertig“, „unzureichend“ und wurde abwertend häufig als „Sprache der Sklaven“ bezeichnet (Neupane 1954 [2011 V.S.]: 4).51 Und obwohl sie seit dem 18. Jahrhundert zumindest im Hügelland des zentralen Himalaya als Lingua Franca des expandierenden Gorkhā Rājya bzw. Gorkhā Rāj etabliert war, hatte sie zu dieser Zeit noch keinen einheitlichen Namen und wurde unter anderem als khas kurā, gorkhālī, parvatīya bhāṣā, prākṛt oder manchmal auch einfach nur als bhāṣā bezeichnet. Und im Gegensatz zum Englischen oder zum Sanskrit galt diese Umgangssprache als Medium literarischer Schöpfung oder zur Wissensvermittlung zur damaligen Zeit als völlig ungeeignet.52 Deshalb ist es vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerter, dass die Verantwortlichen der Bildungsinitiative sich ganz bewusst für eine allgemeine Grundschulausbildung der gesamten Bevölkerung mittels eben jener Umgangssprache entschieden. Retrospektiv kann diese Maßnahme nicht nur als Wendepunkt in der Bildungspolitik, sondern durchaus auch als bedeutende Grundlage für das entstehende, übergreifende Projekt der Rāṇā-Regierung zur Nationenbildung interpretiert werden.
Um diese neue Bildungspolitik auch umsetzen zu können, musste zunächst ein zentrales Problem der Reformen angegangen werden: der Mangel an Lehrbüchern in der umgangssprachlichen bhāṣā. Zu diesem Zweck wurde das Gorkhā Bhāṣā Prakāśinī Samiti, das Komitee zur Verbreitung der gorkhā bhāṣā gegründet und Jayapṛthvībahādura Siṃha hatte bereits im Vorfeld der öffentlichen Verlautbarung der Bildungsinitiative mit dem Verfassen einiger Schulbücher begonnen. So konnten bereits 1901 die vier Schulbücher Akṣarāṅka Śikṣā, Bālbodh, Gyānmālā und Śrestādarpaṇa veröffentlicht werden.53 Die beiden Bücher Akṣarāṅka Śikṣā und Bālbodh dienten der Vermittlung alphanumerischen Grundlagenwissens, damit die Schülerinnen und Schüler mit dem Devanagari-Skript, dem numerischen System und elementaren algebraischen Funktionen vertraut gemacht werden konnten. Anschließend führte Gyānmālā sie in die Literatur und Philosophie Südasiens ein und mit Hilfe von Śrestādarpaṇa konnten sie sich Kenntnisse und Fähigkeiten zur Buchhaltung aneignen. Die bildungspolitische Initiative des neuen Premierministers war von Beginn an ein Erfolg. Innerhalb nur eines Monats nach der Verkündung des Vorhabens im Gorkhāpatra wurden etwa fünfzig bhāṣā pāṭhaśālā im ganzen Land gegründet, wovon aber der überwiegende Teil im Kathmandu-Tal angesiedelt war.54

6.2.3 Das Bildungssystem zur Nationen- und Staatsbildung

Allerdings sahen Deva Śamśeras tendenziell eher konservativen Brüder ihre Machtbasis durch die progressiven Reformen zusehends bedroht. Anders als in der bildungshistorischen Fachliteratur oft behauptet, wurden die bildungspolitischen Reformen Deva Śamśeras nach dem unblutigen Coup d’État seiner Brüder nicht sofort wieder rückgängig gemacht und die gegründeten bhāṣā pāṭhaśālā nicht umgehend wieder geschlossen oder verboten. Allerdings wurden sie nicht länger von lokalen Provinzverwaltungen, sondern direkt der Zentralverwaltung in Kathmandu kontrolliert und ihr Fortbestehen sowie ihre Finanzierung an die Bedingungen geknüpft, dass sie vornehmlich den Interessen der Rāṇā-Regierung, also denen der Rāṇā-Familie dienten. Infolgedessen wurden einige Schulen wieder geschlossen und andere wiederum in pāṭhaśālā umgewandelt.
Die vollständige Rücknahme der bildungspolitischen Reformen aber war nicht im Interesse der Rāṇā-Regierung. Denn einerseits wurden aufgrund der immer neuen Aufgaben, derer sich die expandierende staatliche Verwaltung annahm und der zunehmenden Komplexität der Verwaltungsvorschriften, eben auch immer mehr qualifizierte Beamte benötigt. Um diesen Bedarf beizukommen, und entsprechende Verwaltungsangestellte und Justizpersonal ausbilden zu können, die Steuern eintreiben und Recht sprechen konnten und dadurch allgemein den Aufbau des Staatsapparat weiter vorantrieben und effektivierten, wurden ab 1905 damit begonnen spezielle Verwaltungsschulen, sogenannte śreṣṭā pāṭhaśālā zu gründen. Auf der anderen Seite florierte seit der Machtergreifung der Śamśera Rāṇās und deren Annäherung an die britische Kolonialmacht auch die Rekrutierung von jungen Männern aus dem Hügelland des zentralen Himalaya für die British Indian Army, die als „diplomatische Währung“ im Austausch für Luxusgüter und Waffen aus Europa gehandelt wurden. Und die britische Kolonialverwaltung legte zunehmend Wert auf die Verfügbarkeit von Rekruten, die lesen und schreiben konnten.55
Im Nachgang der Machtübernahme Candra Śamśeras wurde unter anderem die Loyalität einiger hoher Beamter und einflussreicher Berater aufgrund ihrer Nähe zum abgesetzten Vorgänger infrage gestellt. Da der neue Herrscher aber gleichzeitig vermeiden wollte das eigene Legitimationsdefizit gegenüber der politisch-administrativen Elite noch weiter zu erhöhen und um auch die Funktionsweise der Administration nicht zu gefährden, wurden diese Beamten und Berater innerhalb der Verwaltung versetzt. So erging es auch dem Schwiegersohn von Candra Śamśera, Jayapṛthvībahādura Siṃha, der 1902 als vakila, als Repräsentant der Rāṇā-Regierung nach Kolkatta (Calcutta) abgeordnet wurde.56 Erst nachdem die politischen Konflikte in seiner Heimat abgeklungen, er seine Loyalität zum neuen Machthaber ausreichend unter Beweis gestellt hatte und Candra Śamśeras Herrschaft fest etabliert war, durfte Jayapṛthvībahādura nach Kathmandu zurückkehren und seine Karriere in den hohen Ämtern der Rāṇā-Administration fortsetzen.
Schon während seine Dienstzeit im British Raj hatte Jayapṛthvībahādura sich unter anderem dem Verfassen weiterer Schulbücher gewidmet. Und nach seiner Rückkehr veröffentlichte er zwischen 1905 und 1907 ein dreiteiliges Werk mit dem Titel Śikṣādarpaṇa, was sich mit sinngemäß mit „Bildungsreihe“ oder „Serie zur Bildung“ übersetzen lässt. Ein genauerer Blick auf die darin vermittelten Unterrichtsinhalte ermöglicht nicht nur ein allgemein besseres Verständnis für die Bildungspolitik der Rāṇā-Administration aus deren Perspektive, sondern auch für die Rolle und Funktionen der staatlichen Bildungsinstitutionen in den übergreifenden Projekten von Nation- und Staatsbildung, aber auch hinsichtlich Selbstzivilisierung und Herrschaftslegitimation.
Der erste Teil von Śikṣādarpaṇa beginnt mit einer Art Prolog, in dem versucht wird im Allgemeinen zu definieren, was ein tugendhaftes Leben ausmacht und so einen allgemeingültigen Moralkodex zu entwerfen. Im Anschluss daran wird versucht in Kurzgeschichten, Anekdoten und Fabeln die Anwendung des zuvor abstrakt beschriebenen Ethos versinnbildlichend darzustellen und den Lesenden zu vermitteln. Darauf folgt eine Einführung in die Biografien ausgewählter und historisch bedeutsamer Persönlichkeiten. Es wird von den Reisen Christopher Columbus, den wissenschaftlichen Erkenntnissen Isaac Newtons und von der Vereinigung der angelsächsischen Kleinkönigtümer unter der Hegemonie von Wessex durch König Alfred berichtet. Den Auszügen aus der europäischen Geschichte folgt eine Zusammenfassung der Lebensgeschichte des persischen Königs Kay Khosrow im Epos Shahnameh. Die historiografische Perspektive wird anschließend weiter Richtung Südasien verschoben und die Episode des verhängnisvollen Würfelspiels aus dem Mahābhārata nacherzählt. Zum Ende des ersten Buches geht es dann schließlich um die Geschichte des Gorkhā-Staates. Allerdings beschränkt sich diese Betrachtung auf eine simplifizierende und heroisierende Beschreibung der Expansionskampagne der Śāha-Dynastie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die wichtigsten militärischen Ereignisse des Anglo-Gorkha-Krieges zu Beginn des 19. Jahrhunderts.57
Im Gegensatz zu dieser äußerst reduzierten Erzählung der eigenen Geschichte, beschäftigt sich der zweite Teil von Śikṣādarpaṇa umfassend mit der regionalen Geschichte Südasiens. Das zweite Buch beginnt die Erzählung mit der Theorie der „Migration der Arier“ aus den Gebirgsregionen Zentralasiens ins Indus-Tal, gefolgt von einer Chronologie der legendären Sūryavaṃśī und Somavaṃśī-Dynastien Rājputānās. Anschließend wird von der Entstehung und Verbreitung von Buddhismus und Hinduismus in den Reichen der Maurya-, Gupta- und Rājput-Herrschern berichtet. In den darauffolgenden Kapitel geht es ausführlich um die verschiedenen Phasen der muslimischen Expansion in Südasien, um das Sultanat von Delhi und das Reich der Gurkaniya. Anschließend wird vom heldenhaften Widerstand von Marathen und Sikhs gegen die muslimische Herrschaft erzählt. Zum Ende der historiografischen Erzählung wird erläutert, dass diese Auseinandersetzung mit der Geschichte der Region dem Lesenden den „Niedergang der Hindu Zivilisation“, den „Zerfall des Mogulreiches“ und die erfolgreiche Expansion der Briten in Südasien zu erklären versucht.58
Im Aufgreifen des fundamentalen Antagonismus zwischen Muslimen und Hindus, welcher seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Kanon der britischen Historiografie über Südasien propagiert wurde, wird vor allem der Einfluss der britisch geprägten Ausbildung des Autors deutlich.59 Es fällt zudem auf, dass die britische Kolonialherrschaft im Vergleich fast durchgehend positiv dargestellt und der britische Beitrag zur Zivilisierung des Subkontinents besonders hervorgehoben wird, während kritische Aspekte in der Erzählung bewusst ausgelassen werden. Zugleich lassen sich beispielsweise in der Glorifizierung der Rājput-Dynastien, der denunziatorischen Rhetorik in Bezug auf die muslimischen Herrscher und der Verherrlichung der Marathen und Sikhs auch Elemente der sich nationalisierenden Historiografie Südasiens aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiedererkennen.60
Der letzte Band von Śikṣādarpaṇa komplettiert das eurasische Geschichtspanorama und beschäftigt sich eingehend mit der politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Geschichte Japans. Im letzten Satz begründet Jayapṛthvībahādura auch die Auswahl seines gewählten Beispiels:
Um die Gründe für den Fortschritt (unnati) eines Landes besser verstehen zu können, wurde diese kurze Geschichte Japans geschrieben – ein Land, das in nur wenigen Jahren große Fortschritte gemacht hat und vor kurzem sogar Russland, das größte Land der Welt, besiegt hat.
(Jayapṛthvībahādura Siṃha 1907b: 7)61
Hieran wird der Einfluss des damals weltweit verbreiteten Zivilisierungsgedankens erkennbar. Aber interessanterweise greift Jayapṛthvībahādura hier explizit nicht auf den europäischen Zivilisierungsdiskurs zurück, sondern orientiert sich bewusst am Beispiel Japans. Die von ihm dafür angeführte Begründung sich auch dem japanischen Modell der Selbstzivilisierung zuzuwenden und die damit einhergehende perspektivische Erweiterung des eigenen Zivilisierungsdenkens kann im Sinne Pankaj Mishras (2012) als Teil eines pan-asiatischen Umdenkens und als Ausdruck der Revolte der asiatischen Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden werden, welche den Wiederaufstieg Asiens und das Ende der globalen Hegemonie Europas einleitete. Wie viele andere Intellektuelle Asiens scheint auch Jayapṛthvībahādura den militärischen Sieg der japanischen Flotte über die des russischen Zarenreiches in der Seeschlacht bei Tsushima von 1905 als Schlüsselmoment und historische Zäsur erlebt zu haben. Wie Pankaj Mishra die Bedeutung des japanischen Sieges auf den Punkt bringt:
For the first time since the Middle Ages, a non-European country had vanquished a European power in a major war; and the news careened around a world that Western imperialists […] had closely knit together.
(Pankaj Mishra 2012: 1)
Abgesehen von der Begründung des gewählten Beispiels sind auch die eigentliche Inhalte des Buches für das Erkenntnissinteresse dieser Forschung relevant. Im ersten Kapitel geht es zunächst um die Einführung der Lesenden in die Geschichte der Staatsbildung Japans. Darum werden zuerst die wichtigsten politischen Ereignisse und Entwicklungen beginnend mit dem ersten Tennō („Himmlischer Herrscher“) im 7. Jahrhundert v. Chr., über die Anfänge der Shōgun im 8. Jahrhundert, die Entstehung und Funktionsweise des Shōgunats zwischen dem 12. und 19. Jahrhundert sowie die Erneuerung der Herrschaft des Tennō im Zuge der sogenannte Meiji-Restauration ab 1868 thematisiert.62 Um den Erfolg Japans aber wirklich verstehen zu können, argumentiert Jayapṛthvībahādura, sei es essenziell für Lesende die jāpāniko man („die japanische Seele“) zu verstehen. Dazu werden Nitobe Inazōs Werk Bushido (1900) und den Veröffentlichungen des schottischen Ingenieurs und lange Zeit in Japan wirkenden Henry Dyer herangezogen, wodurch auch die Quellen des Autors implizit offenlegt werden.63 Das erste Kapitel endet mit einer Ereignischronologie der Zeit zwischen 1868 und dem militärischen Sieg über das russische Zarenreich 1905.64
Daran anschließend folgen Kapitel über die Geschichte des Bildungssystems, über das Militär und den Schiffsbau, Infrastruktur und Kommunikationstechnologien, die Industrialisierung, Handel, Landwirtschaft, Finanzen und eine Beschreibung der Funktionsweise des damaligen politischen Systems.65 Das Buch schließt mit drei Kapitel ab, in denen die im ersten Band definierten Moral- und Wertvorstellungen wieder aufgegriffen und durch die selektive Aneignung bestimmter Aspekte des in Bushido umrissenen Ethos ergänzt werden. Genau wie Nitobe Inazō versucht Jayapṛthvībahādura aus der Betrachtung der eurasischen Geschichte einen mānyatā („moralischer Standard“), also einen eigenen normativen Moralkodex abzuleiten. Und dabei identifiziert er namratā („Demut“), ājādi („Integrität“) und pakkāpan („Vertrauenswürdigkeit“) als die Grundpfeiler und notwendige Voraussetzung der gesellschaftlichen Ordnung des Gorkhā-Staates, damit diese ihr Potenzial für einen mit Japan vergleichbar erfolgreichen Fortschritt (unnati) entfalten könne.66
Anhand dieser Betrachtung der Schulbuchserie Śikṣādarpaṇa wird einerseits deutlich, dass das von Jayapṛthvībahādura akkumulierte und den Lesenden kommunizierte Wissen den gesamten eurasischen Kontinent durch eine transkulturelle Linse in den Blick nimmt und damit die diskursiven Grenzen zwischen Asien und Europa transzendiert. Die Serie beginnt in Europa, wendet sich dann Südasien zu und endet in Japan. Andererseits betont Jayapṛthvībahādura im letzten Band beständig die japanische Strategie der selektiven Aneignung europäischer Ideen und Institutionen und deren kontextspezifisch angepasste Anwendung. Oder in Anlehnung an Sebastian Conrad (2005) formuliert, arbeitete Jayapṛthvībahādura in diesem Buch die grundlegende Strategie zur Selbstzivilisierung als Schlüssel für den Erfolg Japans heraus. Und obwohl es im Text selbst nicht weiter explizit geschrieben steht, kann diese Erkenntnis durchaus als Appell an die Lesenden verstanden werden, dem Beispiel Japans zu folgen. Während die Premierminister der Śamśera Rāṇās also mit der Darbār High School, den bhāṣā pāṭhaśālā und śreṣṭā pāṭhaśālā die institutionellen Grundlagen für die übergreifenden Projekte von Staats- und Nationenbildung aufbauen, liefert Jayapṛthvībahādura mit Śikṣādarpaṇa einen wichtigen Bestandteil der intellektuellen und moralischen Basis für die Schaffung einer eigenen „imaginierten Gemeinschaft“, einer Nation des Gorkhā-Staates.67
Interessanterweise ging der Beschäftigung Jayapṛthvībahāduras mit Japan in seiner Schulbuchserie schon eine wichtige und nachhaltige Verbindung zwischen den beiden asiatischen Ländern voraus. Denn wie bereits zuvor kurz erwähnt, sollten im Zusammenhang der bildungspolitischen Reforminitiative von Deva Śamśera auch einige Studenten aus dem Gorkhā-Staat zum Studium nach Japan entsandt werden und dieses Vorhaben wurde trotz des Machtwechsels von der Rāṇā-Administration umgesetzt. Im April 1902 reisten insgesamt acht junge Männer von Kathmandu nach Tokyo und studierten für drei Jahre Ingenieurwesen für Waffentechnologie, Maschinenbautechnik, Bergbau, Landwirtschaft, Chemie, Keramikherstellung und Seidenraupenzucht an der Kaiserlichen Universität Tokyo (Teikoku Daigaku), am Institut für Technologie Tokyo (Kuramae Koto Kogyo Gakko) und der Landwirtschaftlichen Universität (Noka Daigaku). Nach ihrer Rückkehr dienten sie alle als Lehrende in verschiedenen Institutionen des Gorkhā-Staates und vermittelten selbst ihre Kenntnisse und Fähigkeiten an neue Generationen von Auszubildenden.68
Die Nähe der Rāṇā-Administration zur britischen Kolonialverwaltung ließe eigentlich vermuten, dass nach dem erfolgreichem Experiment mit Japan auch junge Männer zum Studium nach Europa entsandt werden sollten. Jedoch lehnten die Mitglieder der bhārādāri sabhā, diesen Vorschlag 1905 ab. Bislang sind noch keine Quellen erschlossen worden, die Aufschluss über die Gründe dieser Entscheidung geben. Eine Anekdote über den Gelehrten Mādhavarāja Jośī lässt aber vermuten, dass die Rāṇā-Regierung und die Mitglieder der bhārādāri sabhā den Einfluss der Bildungsinstitutionen im British Raj und Europa als potenzielle Gefahr für ihren Machterhalt wahrnahmen. Der junge Mādhavarāja war während einer Reise nach Benares Ende des 19. Jahrhunderts ein begeisterter Anhänger der Ārya Samāj geworden. Am Ende seines Studium im British Raj wollte er in einer öffentlichen Disputation in Kathmandu vor Brahmanen und Schriftgelehrten im Juli 1905 und im Beisein des König und des Premierminister die Ideen der Reformbewegung verteidigen. Doch als die versammelten Eliten durch die kritische Haltung Mādhavarājas ihren Anspruch auf die Deutungshoheit der śāstrā-Literatur und damit scheinbar auch ihre Herrschaft infrage gestellt sahen, wurde dem Disputanten unterstellt, er hätte sich frevelhaft über die Gottheiten des Landes geäußert. Daraufhin wurde er geschlagen, durch die Stadt gejagt und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Infolge des Ereignisses wurden sowohl die Möglichkeiten für Reisen ins Ausland erschwert und die Bedingungen für eine Ausbildung im British Raj verschärft.69 Anstatt Studierende nach Europa zu entsenden, entschieden die Rāṇā-Regierung und die bhārādāri sabhā regelmäßig Gelehrte aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan einzuladen, um vor Ort archäologische, literarische, linguistische und historische Forschungen zu betreiben.70 Auf diese Weise erhoffte sich die Rāṇā-Administration von den immer neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren und gleichzeitig die maximal mögliche Kontrolle darüber ausüben zu können, welches Wissen an die eigene Bevölkerung weitergegeben wurde.
Eine Hochschule, in der wissenschaftlicher Nachwuchs ausgebildet werden konnte, der imstande war, eigene Forschungsvorhaben zu konzipieren und durchzuführen gab es aber lange Zeit nicht im Gorkhā-Staat. Deshalb machte sich die Rāṇā-Regierung im Laufe der Zeit immer abhängiger von der Expertise der aus dem Ausland eingeladenen Intellektuellen und Gelehrten. Und um den stetig steigenden Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften decken zu können, war die Rāṇā-Regierung unter Candra Śamśera durch das Fehlen von eigenen weiterbildenden Einrichtungen gezwungen, Schulabsolventen an die Colleges und Universitäten ins British Raj zu entsenden. Dies brachte aber wiederum die potenzielle Gefahr mit sich, dass die Studierenden dort mit Wissen in Kontakt kamen, welches sie zum Hinterfragen der Herrschaftsverhältnisse in ihrer Heimat anregte. Es scheint daher naheliegend, dass dieses duale Dilemma sowie die Möglichkeit das eigene Ansehen und damit einhergehend auch die Legitimität der eigenen Herrschaft zu erhöhen, die Rāṇā-Regierung letztlich dazu bewog, eine eigene höhere Bildungseinrichtung zu gründen.71 Ende 1916 begann sich Candra Śamśera mit dem britischen Residenten und den Verantwortlichen der Universitätsverwaltung an der University of Calcutta über die notwendigen Voraussetzungen für eine Angliederung eines eigenen Colleges in Kathmandu an die Institutionen im British Raj auszutauschen. Nach einigen Diskussionen einigte man sich auf eine Affiliation mit der University of Allahabad, da diese bereits die gorkhā bhāṣā als Unterrichts- und Examenssprache anbot.72
Trotz andauernder Widerstände innerhalb der eigenen Regierung wurde am 28. August 1918 schließlich das Tribhuvana-Chandra College eröffnet (siehe Abb. 6.6). Die dort zugelassenen Studierenden konnten sowohl geistes- als auch naturwissenschaftliche Fächer bis zum sogenannten Intermediate Level studieren und wurden bei erfolgreichem Abschluss zur Aufnahmeprüfung für ein weiterführendes Studium an der University of Allahabad zugelassen. Aufgrund der staatlichen Finanzierung des Colleges mussten sie selbst keine Studiengebühren zahlen. In seiner Eröffnungsrede legt Candra Śamśera auch seine langfristige bildungspolitische Strategie offen, in einer entscheidenden Lebensphase junger Menschen möglichst lange und nachhaltig Einfluss auf die Bildungsinhalte und damit auf ihren persönlichen Werdegang ausüben zu können. Dabei kommuniziert er implizit auch seine Befürchtung, durch fehlende Kontrollmechanismen könne eine solche Bildungsinstitution durchaus zur Bedrohung für bestehenden Machtverhältnisse im Gorkhā-Staat werden:
At a critical age when the [students] learn whatever you want them to learn and be shaped to whatever you want them to be, their future is dependent on the kind of path you show to them. I am happy that my long awaited desire to start a college at home where students can be trained under the guidance of their parents has been finally realised.
(Rede von Candra Śamśera 1918; zitiert in Übersetzung von Rizal 1987: 102)
Die von der Rāṇā-Regierung ergriffenen Maßnahmen erreichten auch wieder beim impliziten Adressaten, der britischen Kolonialverwaltung, den intendierten Effekt. Ausdruck findet diese unter anderem in der fast schon überschwänglichen Anerkennung der Leistungen des Premierminister im historiografischen Beitrag von Perceval Landon, der Bildung als „cardinal need of civilization“ (Landon 1928, Vol. II: 179) bezeichnete. Die Bildungsinitiative Deva Śamśeras verurteilt Landon noch als unverantwortliches Unterfangen, das ohne Plan und notwenige Ressourcen von Vornherein zum Scheitern verurteilt war. Ohne über die genauen Umstände im Bilde zu sein, fällte Landon sein Urteil: „By a stroke of the pen his thistledown wit inaugurated thirty primary schools in the country. A third of these died out within a few months.“ (Ibid.: 81). Dahingegen hätte Candra Śamśera die notwendige Weisheit, Geduld und Weitsicht besessen, die im traditionellen Obskurantismus und religiösen Vorurteilen verhaftete Bevölkerung und oppositionellen Kräfte innerhalb der Eliten als „[…] torchbearer upon the path of progress“ (Orwell 1934: 55) in kleinen Schritten aus ihrer Unwissenheit zu leiten.73
[…] no one realizes the folly of too rapid an advance more than he [Candra Śamśera]. There is no more ardent advocate of education in Asia than the Prime Minister of Nepal. He sees that it is a vital aid to any progress, individual as well as national, […]
(Perceval Landon 1928, Vol. II: 179–180)
Im ersten Jahrzehnt nach der Eröffnung des Colleges gab es zunächst keine weiteren Bemühungen seitens der Regierung den Aufbau des Bildungssystems weiter voranzutreiben. Wahrscheinlich sollten zunächst die Ergebnisse der ergriffenen Maßnahmen abgewartet werden. Mit Sorge verfolgte man währenddessen die Entwicklungen im British Raj und fürchtete zunehmend die Destabilisierung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse im eigenen Land aufgrund einer zu liberalen Bildungspolitik. Deshalb wurde der Fokus in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre immer stärker auf naturwissenschaftliche, technische und landwirtschaftliche Bildungsangebote verschoben. Doch als die Quote der bestandenen Examen weit hinter den Erwartungen zurückblieb, entschloss sich die Rāṇā-Regierung Anfang 1929 zur Gründung des Vidyā Pariṣad. Dieses Beratungsgremiums wurde mit Erarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung der existierenden Ausbildungsstrukturen beauftragt. Die Mitglieder gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass existierende Institutionen ihre Ressourcen noch intensiver auf die Vermittlung von technischen, mechanischen und landwirtschaftlichen Kenntnissen und Fähigkeiten fokussieren sollten. Außerdem sollten alle Bildungseinrichtungen des Landes noch engmaschiger durch eine zentralisierte Verwaltung kontrolliert werden. Nach dem Tod Candra Śamśeras im November 1929, wurde die Empfehlungen des Gremiums schließlich von dessen Nachfolger Bhīma Śamśera als offizielle Bildungspolitik adaptiert.74

6.2.4 Die Mär von „Fortschritt durch Bildung“ und der Ādhār Śikṣā-Politik

Unter der Regierung Juddha Śamśera wurde nach außen hin eine Bildungspolitik unter dem Slogan vidyā unnati pracār garna („Fortschritt durch Bildung“) propagiert. Gleichzeitig wurden aber die Regularien zur Gründung und dem Betreiben von Bildungsinstitutionen verschärft, die Verwaltung noch stärker zentralisiert und staatliche Kontrollmechanismen ausgeweitet. So wurden in den 1930er und 1940er Jahren zwar einige neue Schulen und Colleges gegründet und bestehende auch erweitert, aber diese dienten ausschließlich den Interessen der Machthabenden und eben nicht allen Menschen im Gorkhā-Staat gleichermaßen.75 Zudem wurde die Trennung zwischen „traditionellen“, oft Sanskrit-basierten Ausbildung und „okzidentalen“, englischsprachigen Bildungsinstitutionen weiter vorangetrieben. Zumindest in der Theorie sollten alle staatlichen Bildungseinrichtungen für alle Schichten der Bevölkerung zugänglich sein. Aber in der Praxis waren es dann doch die Familien der wohlhabenden Eliten, die es sich leisten konnten auf die Arbeitskraft ihres Nachwuchses zu verzichten, um ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen. Bildung blieb also weiterhin ein Privileg der Eliten und die Diskrepanz zur allgemeinen Bevölkerung nahm stetig weiter zu. Ebenso mussten Schüler und Studierende staatlicher Bildungseinrichtungen keine Schul- oder Studiengebühren bezahlen, aber Verwaltungsdokumente aus den 1940ern zeigen, dass ein Großteil der Institutionen chronisch unterfinanziert waren. Regelmäßig wurden Anfragen zur Aufstockungen der Mittel an die Zentralverwaltung nach Kathmandu gesandt, denen aber nur sehr selten auch entsprochen wurde. Und diejenigen, die es wagten, auf der Suche nach besseren Bildungschancen für ihren Nachwuchs unerlaubt das Land zu verlassen oder selbst Initiative ergriffen und eigene Einrichtungen gründen wollten, wurden durch staatliche Behörden streng überwacht, bei Zuwiderhandlungen gegen bestehende Regularien hart sanktioniert und in einigen Fällen wurden die Verantwortlichen sogar inhaftiert.76
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die neue Regierung der Rāṇās unter Padma Śamśera bemüht, sich durch einen grundlegenden Politikwechsel die Gunst der neuen Machthabenden des unabhängigen Indiens zu sichern und gleichzeitig die immer stärker werdenden oppositionellen Kräfte im eigenen Land zu besänftigen. In seiner Rede vor der bhārādāri sabhā 1947 versuchte der neue Premierminister sein Verständnis für die Bedürfnisse der Bevölkerung auszudrücken und sagte:
You all know that in most of the countries of the world today, the subjects are being associated with the Government as far as possible. […] [I]t would be greatly helpful to the welfare of the country and the people if similar arrangements were made in this country too […]. The cooperation of all countrymen is required for successfully running such a system of government. For this purpose, it is essential that measures should be taken for propagating education among the people so that they may acquire knowledge about political matters as well as their duties. Only when this is done will the people be able to cooperate with the government and take part in the development work of the country by properly exercising the rights available to them.
(Rede von Padma Śamśera 1947; zitiert in Übersetzung in Parajuli 2012: 304–305)77
Auf die Denkweise und Rhetorik seiner Amtsvorgänger zurückgreifend argumentiert Padma Śamśera, eine allgemeine Grundausbildung, die Aneignung politischen Wissens und die Aufklärung der Bevölkerung über ihre Rechte und ihre Pflichten, seien die notwenigen Voraussetzungen, um die Menschen überhaupt zur Teilhabe an Regierungsentscheidungen zu befähigen und letztlich Fortschritt zu ermöglichen. Damit verabschiedete sich die neue Rāṇā-Regierung zumindest vorerst von ihrer bisherigen restriktiven Bildungspolitik und entsandte eine Delegation ins unabhängige Indien, um sich dort über die Bildungsvision von Mohandas K. Gandhi zu informieren, die später als Naī Tālim oder Basic Education bekannt wurde.78 Von dieser Vision beeindruckt, sollte sie in abgewandelter Form auch im eigenen Land zur Anwendung kommen und der breiten Masse eine Schulbildung in der mittlerweile als Nepālī bezeichneten Umgangssprache ermöglicht werden. Zur Umsetzung dieser neuen, als Ādhār Śikṣā (sinngemäß „Grundlegende Bildung“) bezeichneten Bildungspolitik wurde als rechtliche Grundlage eine allgemein verpflichtende Schulbildung im Entwurf der neuen Verfassung von 1948 als Grundrecht definiert. Im Artikel 4 wurde festgelegt:
Subject to the principles of public order and morality this Constitution guarantees to the citizens of Nepal freedom of person, freedom of speech, liberty of the press, freedom of assembly and discussion, freedom of worship, complete equality in the eye of the law, cheap and speedy justice, universal free compulsory elementary education, universal and equal suffrage for all adults, security of private property as defined by the laws of the State as at present existing and laws and rules to be made hereunder.
(Nepāl sarkārko vaidhānik kānūn / Government of Nepal Act 1948)79
Und im Artikel 60 wurden noch einige Details zu den Aufgaben, die dem Staat bei der Umsetzung dieses Grundrechtes obliegen sowie die damit verfolgten Ziele weiter ausgeführt:
As soon after the commencement of this Act as expedient, the Government shall provide for universal, free, compulsory, elementary education, and technical and higher education will be provided by the State to the extent necessary to prepare candidates for wide opportunities of service of the people of Nepal. In addition, the State will provide as far as possible for the liquidation of adult illiteracy. The aim of educational institutions shall be good moral training, personal and vocational efficiency and the development of the spirit of nationality, and international friendliness.
(Nepāl sarkārko vaidhānik kānūn / Government of Nepal Act 1948)
Hieran zeigt sich, die Rāṇā-Administration hatte erkannt, dass ihre bisherige restriktive Bildungspolitik ausgedient hatte. Weil man aber durch den Politikwechsel die Kontrolle über den Zugang zu Bildungsinstitutionen endgültig aufgeben musste, wollte die Regierung wenigsten die Lerninhalte kontrollieren können. Dafür wurde in Kathmandu ein Ausbildungszentrum für staatlich anerkannten Lehrende eingerichtet, die Erstellung von Lehrplänen sowie die Bereitstellung von Schulbüchern wurde von staatlichen Stellen zentralisiert organisiert.80 Und um die legitimatorische Grundlage der Ādhār Śikṣā-Politik noch zu erweitern, behauptete die Regierung in einem Editorial der Zeitschrift Nepāl Śikṣā, dem Sprachrohr des Bildungsministeriums, man habe sich bei der Entwicklung der neuen Politik nur teilweise am Vorbild Indiens orientiert und die tatsächlichen Wurzeln seien eigentlich in den reformpädagogischen Ansätzen aus Europa und Nordamerika zu finden.81
Obwohl Padma Śamśera noch vor dem Inkrafttreten der neuen Verfassung als Premierminister zum Rücktritt gezwungen wurde, wagte es auch der ihm im Amt nachfolgende Mohana Śamśera nicht, diesen Politikwandel wieder rückgängig zu machen. Und so wurde die Implementierung der neuen Bildungspolitik fortgesetzt und im ganzen Land mit der Eröffnung von Schulen begonnen. Es gab sogar ernsthafte Bestrebungen seitens der neuen Regierung unter Mohana Śamśera eine eigene Universität zu gründen, die aber letztlich aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen ohne Ergebnis blieben.82 Zugleich aber fürchtete die Regierung sich weiter vor den Konsequenzen für Machtverhältnisse im Land sollten die Menschen im Land gebildeter werden. Daher wurde sehr subtil versucht die Umsetzung der Ādhār Śikṣā-Politik durch die Einführung strengerer Reglementierungen zu verlangsamen. Ein besonders wirksames Mittel stellte dabei die Festlegung einer Mindestanzahl von Schülerinnen und Schülern dar. In der ersten Klasse mussten demnach mindestens 30 und für alle darauffolgende Klassen mindestens 25 Schülerinnen und Schüler an der Schule angemeldet sein und am Unterricht teilnehmen. Sollte die Anzahl der Teilnehmenden unter diese Mindestgrenze fallen, endete die staatliche Finanzierung umgehend und die Schule durfte sich ausschließlich durch gesammelte Spenden, keinesfalls aber durch Gebühren selbst weiter finanzieren. Lehrende, die falsche Angaben über die Anzahl der Teilnehmenden machten, mussten mit harten Strafen rechnen.83
Doch die neue Ādhār Śikṣā-Politik der Rāṇā-Administration stieß auch, unabhängig von diesen strengeren Regeln, ganz allgemein nicht auf den erhofften Zuspruch in der Bevölkerung. Die politische Opposition hegte schnell den Verdacht, es handele sich dabei eher um eine öffentlichkeitswirksame Selbstinszenierung mit wenig Substanz, die der Legitimation der bestehenden Machtverhältnisse diene und nicht dem Wohl der Menschen. Besonders viel Kritik zog auch der Fokus auf Nepālī und die Vernachlässigung des Englischen in den neuen Schulen auf sich. Die Oppositionellen vermuteten dahinter eine Strategie der Rāṇā-Familie, sich auf diese Weise weiterhin den exklusiven Zugang zu diesem Wissenskorpus sichern zu wollen und die restliche Bevölkerung davon auszuschließen, um die bislang existierende Bildungsunterschiede zwischen Herrschenden und Beherrschten aufrecht erhalten zu können. Deshalb wurde die Forderung laut, auch in den neuen Schulen Unterricht auf Englisch anzubieten. Für die Kritiker der Rāṇā-Regierung repräsentierte die englischsprachige school ein Schlüsselelement der ihnen bisher vorenthaltenen ādhunikatā („Modernisierung“) auf dem Weg zur sabya samāj („zivilisierten Gesellschaft“), um den Anschluss an die sabhya duniyā („zivilisierten Welt“) nicht zu verlieren.84 Zum Ende der 1940er Jahre wurden daher das Bildungssystem und die Bildungspolitik der Śamśera Rāṇās von der Bevölkerung und oppositionellen Kräfte zunehmend als delegitimierend wahrgenommen.

6.3 Die legitimatorischen Dimensionen von Gesundheitswesen und Bildungssystem

In diesem Kapitel wurde gezeigt, wie die Eliten der Gorkhālī und insbesondere die Rāṇā-Familie das Gesundheitswesen und das Bildungssystem zur Herrschaftslegitimation instrumentalisierten. Die einleitende Einbeziehung von Quellenmaterialien aus vor der Zeit der formativen und expansiven Phase der Staatsbildung im zentralen Himalaya hat verdeutlicht, inwieweit schon frühere Herrschaftsdynastien im Kathmandu-Tal Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zur Verfügung stellten oder Bildungszentren schufen. Allerdings lassen sich über die legitimatorische Dimension dieser Bemühungen nur Mutmaßungen anstellen. Die Berichte europäischer Reisender aus dem 17. Jahrhundert und noch deutlicher die Memoiren, Berichte und historiografischen Beiträge der britischen Kolonialbeamten aus dem 18. und 19. Jahrhundert belegen, wie diese die Existenz und Verbreitung bestimmter Krankheiten sowie von Gesundheits- und Bildungsinstitutionen von Anfang an als Marker zur Bestimmung des Grades von Zivilisiertheit der für sie fremden Gesellschaften werteten.
Für die Könige der Śāha-Dynastie waren Gesundheitswesen und Bildungssystem als Instrumente der Herrschaftslegitimation in den frühen Phasen der Staatsbildung weniger bedeutend als lokale und regionale Legitimationsstrategien wie die Erfindung eines Herkunftsmythos, die Aneignung des Hindu-Gottkönigtums und einer brahmanischen Gesellschaftsordnung oder die externen Legitimationsquellen von Pādshāh der Gurkaniya und dem Qing-Kaiser. Daher schenkten sie diesen entsprechend wenig Aufmerksamkeit. Aber mit dem Zerfall des bis ins 19. Jahrhundert andauernden gesamteurasische Equilibriums, der damit einhergehenden britischen Expansion in Südasien und der entstehenden globalen Hegemonie der europäischen Mächte, änderte sich auch für die herrschenden Eliten im zentralen Himalaya die Situation zusehends.
Nach der Entmachtung der Śāhas, verstand der neue Machthaber Jaṅga Bahādura Rāṇā während seiner Reise nach Europa die Bedeutung von Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen als Merkmale von Zivilisiertheit und Instrumente der Herrschaftslegitimation. Darauf deuten zumindest seine zahlreichen Handlungen hin, sich bestimmte Elemente der allopathischen Medizin oder spezifisches Wissen aus und über Europa sukzessive anzueignen. Jaṅga Bahādura erwarb chirurgisches Werkzeuge in Edinburgh und führte selbst kleinere Operationen durch, experimentierte mit der Herstellung von Medikamenten, ließ sich und seine Familie durch Vakzination gegen die Pocken immunisieren, gründete die erste medizinische Einrichtung zur Isolierung von Leprakranken und erließ sogar gesetzliche Rahmenbedingungen für die medizinische Behandlung der Bevölkerung. Darüber hinaus ließ er Lehrer aus Bengalen und Europa anwerben, damit diese in der neu geschaffenen Thāpāthalī Darbār School seine Familie sowie Teile der neuen herrschenden Elite unterrichteten und brachte sich selbst lesen und schreiben bei. Nur wenig später wurde dem Nachwuchs der privilegierten Elite durch die Assoziation der neuen Schule mit der University of Calcutta auch ein weiterführendes Studium im British Raj ermöglicht. Grundsätzlich war die Regierung unter Jaṅga Bahādura beim Aufbau eines eigenen Gesundheits- und Bildungswesens allerdings immer darauf bedacht, sich nicht ausschließlich am Vorbild Europas zu orientieren, sondern eignete sich bewusst selektiv nur bestimmte Ideen und Institutionsformen an, während sie gleichermaßen nach einer gewissen Balance zwischen Wissens- und Methodenkorpusse aus der Region und den neuen europäischen Einflüssen suchte. In der Konsequenz wurden nicht nur gänzlich neue Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen gegründet, sondern gleichzeitig auch bereits existierende Strukturen zur Gesundheitsversorgung oder Ausbildung der Bevölkerung, wie das vaidyakhānā, Gurukul, Kloster oder pāṭhaśālā, ebenfalls weiter gefördert.
Infolge dieser multiperspektivischen Herangehensweise entstanden im Laufe der Zeit eine Reihe von Pidgin-Wissens- und Methodenkorpussen, in denen zahlreiche regionale, überregionale und globale Einflüsse in einem eigenen Gesundheitswesen und Bildungssystem zusammengeführt wurden. Das ermöglichte der herrschenden Rāṇā-Dynastie die Entwicklung multidimensionaler Legitimationsstrategien. Durch die Aufrechterhaltung bestehender Strukturen zur Ausbildung und Gesundheitsversorgung konnten sie sich als Nachfolger vorangegangener Herrschaftsdynastien inszenieren und ihren Herrschaftsanspruch auf der vertikalen Ebene gegenüber der eigenen Bevölkerung und gleichermaßen auch gegenüber jenen konkurrierenden Fraktionen innerhalb der eigenen Elite legitimieren, die sich eher den bereits bekannten Institutionen und Verfahren zugetan fühlten. Gleichzeitig erhöht die Aneignung neuer europäischer Wissens- und Methodensysteme im Bereich von Gesundheit und Bildung die Legitimität ihres Herrschaftsanspruchs auch gegenüber den anderen Teilen der eigenen Elite, die den neuen Einflüssen aus Europa aufgeschlossen gegenüberstanden und sich durch den exklusiven Zugang sogar bevorzugt behandelt fühlten. Mindestens ebenso bedeutend und relevant war die selektive Aneignung von europäischem Ideen, Institutionen, Wissen und Methoden zur Stärkung der eigenen Legitimation auf horizontaler Ebene, um einer möglichen Fremdbestimmung von außen durch die neuen britische Hegemonialmacht in Südasien zuvorkommen zu können, die zumindest noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederholt die Souveränität und territoriale Integrität des Gorkhā-Staates infrage stellte.
Unter der Herrschaft der Śamśera Rāṇās ab 1885 gewann diese horizontale Dimension der Legitimationsstrategien zusätzlich an Bedeutung, da die neuen Machthabenden aufgrund ihrer usurpatorischen Machtübernahme mit zusätzlichen internen wie externen Legitimationsdefiziten konfrontiert waren. Deshalb griffen alle nachfolgenden Regierungen nicht nur die Vorgehensweise Jaṅga Bahāduras auf, sondern intensivierten insbesondere die Maßnahmen zur Institutionalisierung von Gesundheitswesen und Bildungssystem, die ihre Legitimität gegenüber der britischen Kolonialmacht erhöhte, in der Hoffnung, dass diese wiederum als externe Legitimationsquelle den Machterhalt der Śamśera Rāṇās sichern würde. Trotzdem wollten sie durch eine zu große Nähe zu den Briten auch nicht ihre Legitimität gegenüber der eigenen Bevölkerung und rivalisierenden Fraktionen innerhalb der Elite gefährden. In der Gesundheitspolitik waren sie deshalb bemüht, einerseits Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik zu schaffen, ohne lokales heilkundliches Wissen komplett zu vernachlässigen. Allerdings lässt sich eine klare politische Schwerpunktsetzung nicht von der Hand weisen. Wie unter anderem das Beispiel der Wasserversorgung demonstriert, widmeten sich die Śamśera Rāṇās nicht nur der Behandlung von Symptomen, sondern auch der Bekämpfung von Krankheitsursachen, um sich in ihren öffentlichen Reden als wohlwollende Herrschende und zivilisatorische Avantgarde zu präsentieren. Und wie die Reaktionen der Europäer zeigen, waren sie mit ihrer Strategie der Selbstzivilisierung durch Bildung und Gesundheit noch bis in die 1930er Jahre durchaus erfolgreich.
Doch während das legitimatorische Potenzial des Gesundheitswesen in den darauffolgenden Jahren stetig abnahm, kehrte sich das des Bildungssystems im Verlauf der 1940er Jahre sogar um und trug entscheidend zur Delegitimierung der Herrschaft der Śamśera Rāṇās bei. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte eine sehr restriktive Bildungspolitik die Legitimität ihres Herrschaftsanspruches auf der horizontalen Ebene gegenüber der britischen Kolonialverwaltung und Teilen der herrschenden Elite erhöht, weil sie sich durch den exklusiven Zugang zum englischsprachigen Wissenskorpus einen Vorteil verschaffen und sich durch diesen Wissensvorsprung von der übrigen Bevölkerung abgrenzen konnten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erforderten dann eine rasant wachsende Verwaltung und der Handel mit dem British Raj den Aufbau neuer Bildungsinstitutionen, um dem steigenden Bedarf an Verwaltungs- und Justizbeamten sowie lese- und schreibkundiger Rekruten für die British Indian Army gerecht zu werden. Aber im Zuge des pan-asiatischen Umdenkens asiatischer Intellektueller zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das den Wiederaufstieg Asiens und das Ende der globalen europäischen Hegemonie einleitete, orientierte sich auch die Rāṇā-Regierung neu. Neben den europäischen Zivilisationsmodellen wurde die Selbstzivilisierung Japans zum neuen Vorbild für die eigene institutionelle und moralische Selbstzivilisierung und die übergreifenden Projekte von Staats- und Nationenbildung.
Mit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft in Südasien verloren die Rāṇās allerdings eine essenzielle Legitimationsquelle und ein grundlegender Strategiewechsel wurde notwendig, um sich auch gegenüber und mit Hilfe der neuen Regierung der unabhängigen Indischen Union legitimieren zu können. Die Anverwandlung der indischen Bildungsvision in Form der Ādhār Śikṣā-Politik sind Ausdruck dieses Legitimationsstrategiewechsels. Gleichzeitig hatte die vorherige restriktive Bildungspolitik auch den Herrschaftsanspruch der Śamśera Rāṇās gegenüber der eigenen Bevölkerung und insbesondere der wachsenden politischen Opposition zunehmend delegitimiert. Viele Menschen im Gorkhā-Staat fühlten sich ausgeschlossen und benachteiligt. Die bildungspolitische Neuausrichtung der Rāṇā-Administration kann als Versuch verstanden werden, die dadurch verlorengegangene Legitimität auf der vertikalen Ebene wiederherzustellen.
Die Śamśera Rāṇās erhofften sich durch die Anpassung ihrer Legitimationsdiskurse und -praktiken nicht selbst den Umbrüchen der Zeit infolge globaler Dekolonisierungsprozesse und der Unabhängigkeit Indiens zum Opfer zu fallen und entmachtete zu werden. Sie versuchten sich deshalb dem sich ändernden Zeitgeist bestmöglich anzupassen und ihr bislang tendenziell eurozentrisches Zivilisierungsdenken zu überwinden. Doch ihr Versuch, durch eine neue Bildungspolitik das verlorene Vertrauen wiederherzustellen, scheiterte. Die Bevölkerung und oppositionellen Kräfte durchschauten die Mär der Ādhār Śikṣā-Politik und eigentliche Intention, durch den Politikwandel das Bildungssystem auch weiterhin als Instrument zur Herrschaftslegitimation zu nutzen. Sie waren überzeugt, dass sie den Wissensvorsprung der Eliten nur durch eine englischsprachige Ausbildung aufholen und selbst an den zahlreichen Verheißungen von ādhunikatā („Modernisierung“) und bikās („Entwicklung“) der sabhya duniyā („zivilisierten Welt“) teilhaben konnten, die ihnen so lange vorenthalten geblieben waren. In der Konsequenz entfaltete die Ādhār Śikṣā-Politik letzten Endes eine delegitimierende Wirkung und trug damit zum endgültigen Ende der Herrschaft der Śamśera Rāṇās bei.
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Fußnoten
1
Vgl. beispielsweise Brimnes (2004), Ramanna (2004), Fischer-Tiné (2003, 2004, 2013) und Tschurenev (2011).
 
2
Zu den Ursprüngen und Anfängen des Modernisierungsdiskurses siehe Shah, H. (2011).
 
3
Siehe beispielsweise Paudel (1994) und Graner (1998, 2006).
 
4
Die meisten Publikationen zur Thematik stammen von Dixit, H. (2002, 2009, 2014 [2005], 2015, 2016, 2017). Siehe aber auch Marasini, B. (2003; 2020), Harper (2014) und Michaels (2018: 249–254).
 
5
Siehe Bericht der Nepal National Education Planning Commission (1956), der aufgrund der führenden Rolle von Hugh B. Wood auch heute noch häufig als „Wood Report“ bezeichnet wird.
 
6
Siehe auch Wood (1959). Eine umfangreiche Analyse des Einflusses von Wood findet sich bei Rappleye (2019). Die Bildungsgeschichte im Zeitraum von 1951–1976 behandelt Shrestha, J. M. (1993).
 
7
Vgl. Acharya (1957 [2014 V.S.]), Dixit, K.M. (1957 [2014 V.S.]), Aryal (1970, 1977) und Rizal (1987).
 
8
Vgl. Sharma, G.N. (1990, 2005 [2062 V.S.]), Shaha (1990: 242–243), Shrestha (1993), Sever (1993: 224 ff.).
 
9
Vgl. Onta (1996b, 1996c), Raj (2014) und Parajuli, Uprety und Onta (2021).
 
10
Vgl. Caddell (2007), Parajuli (2012; 2019) und Parajuli, Uprety und Onta (2021).
 
11
Vgl. Dixit, H. (2014 [2005]: 2, 9), Marasini, B. (2003: 306, 2020: 65) und Michaels (2018: 249).
 
12
Vgl. Vannini (1977) und Michaels (2018: 249).
 
13
Vgl. da Rovato (1970 [1786]: 13).
 
14
Vgl. beispielsweise Blustain (1976), Wake (1976), Sharma, P. R. (1976), Stone (1976), Burghart (1988), Miller (1997).
 
15
Vgl. Kirkpatrick (1811: 82–83, 117, 173).
 
16
Ibid.: 173, 238.
 
17
Vgl. Buchanan-Hamilton (1819: 65, 72, 151).
 
18
Ibid.: 85–86, 97–100.
 
19
Vgl. beispielsweise Hodgson (1857: 62).
 
20
Vgl. Rāṇā, Purushottama Śamśera J. B. (2007), Dixit, H. (2014 [2005]: 9) und Marasini (2020: 66).
 
21
Vgl. Fischer-Tiné (2013).
 
22
Vgl. Brimnes (2004) und Mann (2015b: 64).
 
23
Vgl. Dixit, H. (2014 [2005]: 11), Marasini, B. (2003: 308; 2020: 66) Michaels (2018: 250).
 
24
Siehe Report on Leprosy by the Royal College of Physicians, Prepared for Her Majesty's Secretary of State for the Colonies (1867).
 
25
Vgl. Kakar (1996).
 
26
Vgl. Dixit, H. (2014; 2014 [2005]: 13), Marasini, B. (2003: 308; 2020: 66), Michaels (2018: 250).
 
27
Vgl. Slusser (1982: 154–157) und Michaels (2018: 251).
 
28
Vgl. Michaels (2018: 220).
 
29
Vgl. Slusser (1982: 154–157, 168) und Michaels (2018: 375–379).
 
30
Vgl. Riccardi (1977).
 
31
Siehe Foreign Department (1895): “Opening of the New Water Works at Bhatgaon in Nepal”. External-B. Signatur: Progs. Nos. 21–22. National Archives of India, S. 4–10.
 
32
Foreign and Political Department (1926): “Opening of a Military Hospital and Initiation of a Campaign Against Tuberculosis in Nepal”. Signatur: Progs. Nos. 514-X. National Archives of India.
 
33
Ibid.: 5–9.
 
34
Ibid.: 10–12.
 
35
Ibid: 13–14.
 
36
Ibid.: 17–19.
 
37
Vgl. Landon (1928, Vol II: 183–184).
 
38
Vgl. Dixit, H. (2002, 2009, 2014 [2005], 2015, 2016, 2017) und Marasini, B. (2003; 2020).
 
39
Vgl. Michaels (2018: 239).
 
40
Vgl. Rizal (1987: 46) und Michaels (2018: 240).
 
41
Vgl. Aryal (1970: 23) und Rizal (1987: 44–46).
 
42
Vgl. Wood (2019 [1854]).
 
43
Vgl. Aryal (1977) und Rizal (1987: 47).
 
44
Vgl. Rizal (1987: 54).
 
45
Ibid.: 56–58.
 
46
Während Lehrende aus dem Ausland zwischen 800 Rs. und bis zu 5000 Rs. pro Jahr erhielten, bekamen einheimische Lehrkräfte in der pāṭhaśālā nur zwischen 300 Rs. und 800 Rs. jährlich. Vgl. Rizal (1987: 68, 421) und Michaels (2018: 240).
 
47
Indian Education Commission (2019): ‘Recommendations’ of the Report of the Indian Education Commission. In: Pramod K. Nayar (Hg.): Colonial Education and India 1781–1945, Vol. II: Routledge, S. 99–131.
 
48
Siehe Gorkhāpatra vom 16. Mai 1901.
 
49
Vgl. Zum biografischen Hintergrund von Jayapṛthvībahādura Siṃha und zum aktuellen Forschungsstand zu seinen Funktionen und seinem Wirken in der Rāṇā-Administration zu Beginn des 21. Jahrhunderts siehe Lüder (2021).
 
50
Vgl. Acharya (1957 [2014 V.S.]), Upraity, T.N. (1962: 39) und Rizal (1987: 70).
 
51
Vgl. außerdem Sharma, G.N. (2005 [2062 V.S.]) und Parajuli (2009).
 
52
Vgl. Parajuli (2012: 300).
 
53
Siehe Siṃha, Jayapṛthvībahādura (1901a, 1901b, 1901c, 1901d).
 
54
Es gibt bislang keine verlässlichen Quellen bezüglich der genauen Anzahl der gegründeten bhāṣā pāṭhaśālā. Vgl. Dixit, K.M. (1957 [2014 V.S.]), Wood (1959), Aryal (1970; 1977), Rizal (1987: 70) und Sharma, G.N. (2005 [2062 V.S.]).
 
55
Vgl. Sharma, G.N. (1990: Parajuli (2012: 302–303) und Michaels (2018: 241).
 
56
Foreign Department (1903a): “Appointment of Colonel Jai Prithvi Bahadur Singh as Representative of the Govt. of Nepal at Calcutta. His interview with His Excellency the Viceroy”. Signatur: Progs., Nos 2–5. National Archives of India.
 
57
Vgl. Siṃha (1905).
 
58
Vgl. Siṃha (1907a).
 
59
Vgl. Mann (2009: 59).
 
60
Vgl. Mann (2009: 63–120).
 
61
Im Original lautet der Satz in Transkription: „Yeskāraṇ le mulukko unnati kasrī hudo rahecha, bhanne thaha hos bhannā nimitt, jun mulukle thorai varṣa bhinnamā tarakki garī, hālai mā sav bhandā thulo rus lāi jityo, so jāpān mulukko choṭkari itihās lekhincha.“ (Siṃha 1907b: 7).
 
62
Vgl. Siṃha (1907b: 8–16).
 
63
Für eine Übersicht zu den zahlreichen Publikationen von Henry Dyer siehe Dyer and Miyoshi (2006).
 
64
Vgl. Siṃha (1907b: 17–21).
 
65
Ibid.: 39–101.
 
66
Ibid.: 102–110.
 
67
Vgl. Anderson (1983).
 
68
Vgl. Barua (2002).
 
69
Vgl. Joshi und Rose (1966: 51) und Michaels (2018: 241).
 
70
Dazu gehörten beispielsweise C.R. Bendall, D.E. Boeck, Ekai Kawaguchi, Sylvain Lévi und Perceval Landon.
 
71
Vgl. Rizal (1987: 96–99).
 
72
Ibid.: 92–95.
 
73
Für eine Einordnung dieses Ausdrucks im britischen Zivilisierungsdiskurs siehe Mann (2004: 3).
 
74
Vgl. Rizal (1987: 104–109).
 
75
Vgl. Rizal (1987: 113–124).
 
76
Vgl. Wood (1956, 1959), Sharma (1990: 4–5), Parajuli (2012: 303–304) und Michaels (2018: 242).
 
77
Der Originaltext der Rede in Transkription findet sich bei Pande, B.B. (1982 [2039 V.S.]: 233–234).
 
78
Vgl. Lang-Wojtasik (2002) und Holzwarth (2015).
 
79
Dies ist die offizielle englische Übersetzung veröffentlicht von der Nepal Law Commission online: https://​www.​lawcommission.​gov.​np/​en/​wp-content/​uploads/​2018/​09/​government-of-nepal-act-2004-1948.​pdf [letzter Zugriff 11.01.2024].
 
80
Vgl. Shaha (1996 [1990]: 169) und Parajuli (2012: 308, 317).
 
81
Vgl. Nepāl Śikṣā (1948 [2005]: 134).
 
82
Vgl. Parajuli (2019).
 
83
Zu den weiteren Voraussetzungen zur Gründung und Details zu allen Regularien für das Betreiben einer Schule der Regierung unter Mohana Śamśera siehe Parajuli (2012: 310–312).
 
84
Vgl. Parajuli (2012: 320–321).
 
Metadaten
Titel
Herrschaftslegitimation durch Gesundheitswesen und Bildungsinstitutionen
verfasst von
Stefan Lüder
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44422-8_6