Skip to main content

31.10.2022 | Krisenmanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Unternehmen in Skandale schlittern

verfasst von: Andrea Amerland

3 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Ob Dieselbetrug von Volkswagen, Steuertricksereien bei Cum-Ex-Geschäften oder der Fall Wirecard: Die Liste der deutschen Unternehmensskandale kann sich sehen lassen. Jetzt gibt eine Studie Auskunft, was die wesentlichen Einflussfaktoren für solche Wirtschaftsaffären sind.

Unternehmensskandale gibt es weltweit zuhauf. Doch welche Mechaniken führen zu Korruption, Umweltdebakeln oder massiven Kundentäuschungen? Dieser Frage ist der Lehrstuhl für Finanzierung der Universität Regensburg in einer Studie nachgegangen, die im Journal of Economic Behavior and Organization unter dem Titel "To sin in secret is no sin at all" veröffentlicht wurde.

Empfehlung der Redaktion

2022 | Buch

Skandalfall Wirecard: Eine wissenschaftlich-fundierte interdisziplinäre Analyse

Problemaufriss – Rechtsrahmen – Lehren für die Zukunft

Die Insolvenz des Zahlungsdienstleisters Wirecard hat den Finanzplatz Deutschland erschüttert. In diesem in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bislang beispiellosen Skandalfall kommen alle Facetten von Bilanzbetrug, Lobbyismus sowie unternehmerischem und aufsichtsrechtlichen Versagen in einem Stoff zum Vorschein.

Die Wissenschaftler Gregor Dorfleitner, Christian Kreuzer und Christian Sparrer haben dafür die Daten von rund 5.700 börsennotierten Unternehmen eines ESG-Controversies-Ratings analysiert. Die untersuchten Firmen stammten dabei aus 44 Ländern, der Untersuchungszeitraum umfasst fast 16 Jahre (2002 bis 2017). Basis war eine Rangliste, die dokumentiert, wie oft Konzerne in dieser Zeit in Skandale verwickelt waren. Auf ihrer Grundlage konnten politische, kulturelle, gesellschaftliche und unternehmensspezifische Faktoren ermittelt werden, die Skandale begünstigen.   

Was Unternehmensskandale befördert

Die Wissenschaftler fassen die zentralen Ergebnisse ihrer Untersuchung in drei Punkten zusammen: 

  • Gibt es in Ländern ein stabiles politisches und rechtliches System, geraten Unternehmen seltener in ethisch oder rechtlich bedenkliche Verwicklungen. 
  • Kulturelle Faktoren können Wirtschaftsaffären befördern. In Ländern mit einer stark individualistisch geprägten Kultur sind Betrugsfälle oder Missbrauch im Firmenkontext wahrscheinlicher.
  • Größere Unternehmen und Unternehmen mit hohen ESG-Ratings (Environmental Social Governance) sorgen für mehr Aufreger als kleinere und solche, die nur niedrigere ESG-Scores aufweisen.

Große Konzerne eher in Affären verwickelt

Letztere Erkenntnis bezeichnen die Forscher als Janus-Phänomen und finden dafür folgende Erklärungen: Regelverstöße in großen Unternehmen haben einen höheren Nachrichtenwert und werden daher von der Presse häufiger in der Berichterstattung aufgegriffen. Zudem stehen Konzerne unter größerer öffentlicher Beobachtung, so dass Verfehlungen eher aufgedeckt und skandalisiert werden. Als Beispiel dafür nennen die Regensburger Wissenschaftler den Fall VW rund um die Dieselmanipulationen.

Aber auch Greenwashing ziehen Dorfleitner, Kreuzer und Sparrer in Betracht, also die Möglichkeit, dass die positiven ESG-Werte geschönt oder gar gefälscht sind. Daneben steige die Wahrscheinlichkeit, in eine Affäre verwickelt zu sein, alleine schon dadurch, dass große Unternehmen auf vielen Sektoren aktiv sind. 

Managerfehler und Medien

In der Regel sind es die Verfehlungen der Spitzenmanager, die in den medialen Fokus rücken und der Unternehmensreputation schaden, schreibt Uwe Peter Kanning im Buchkapitel "Worum es geht?". So musste nur vier Wochen, nachdem der Dieselskandal bei VW publik wurde, der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn seinen Hut nehmen. Weitere Manager aus dem Hause Volkswagen wurde unter anderem vorgeworfen, "sie hätten seinerzeit die Anleger über das wahre Ausmaß und die finanziellen Risiken des Dieselskandals getäuscht." (Seite 9). 

Genau für dieses Problem könnten die Studienergebnisse aus Regensburg von praktischem Nutzen sein, schlussfolgern deren Autoren. Denn mithilfe ihrer Erkenntnisse könne die Wahrscheinlichkeit von Unternehmensskandalen besser prognostiziert werden, so das Anleger und andere Stakeholder ihr finanzielles Risiko besser einschätzen könnten. 

Managerversagen – ein alltägliches Phänomen

Wie wichtig diese Fähigkeit ist, ergibt sich aus einer Einordnung von Springer-Autor Uwe Peter Kanning. Denn beim Dieselskandal handele es sich um ein besonders prominentes Beispiel für ein Managerversagen, das in der Öffentlichkeit sehr viel Aufmerksamkeit gefunden habe. Dies täusche allerdings ein wenig darüber hinweg, dass Managementfehler ein ganz alltägliches Phänomen sind, erklärt Kanning. Schätzungen gehen seinen Angaben nach davon aus, dass die Fehlerrate bei Entscheidungen über alle Managementebenen hinweg zwischen 33 und 67 Prozent liege. Im Mittelwert wären dies also fast 50 Prozent.

Auch hier will die Regensburger Studie Abhilfe leisten. Die Autoren betonen in der Zusammenfassung, dass ihre Ergebnisse auch für ethisch motivierte Manager von Nutzen sind, da sie Auswirkungen auf deren Bewertungs- und Entscheidungsprozesse haben könnten.

Allerdings stehe eine nähere Untersuchung zum Einfluss verschiedener Branchen auf das Auftreten von Unternehmensskandalen noch aus, räumen die Wissenschaftler ein.

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

13.04.2017 | Compliance | Schwerpunkt | Online-Artikel

Manager ohne Skrupel?

06.05.2022 | Compliance | Gastbeitrag | Online-Artikel

Compliance Management wird zunehmend komplexer

27.09.2022 | Compliance | Schwerpunkt | Online-Artikel

Firmen sollten Korruptionsrisiko nicht unterschätzen

Premium Partner