Ausgehend von den oben eingeführten Definitionen und Einschränkungen werden im Folgenden der Status quo in Bezug auf soziale bzw. räumliche Ungleichheiten und deren Einfluss auf klima(un)freundliches Verhalten sowie die Verteilungseffekte klimaschützender Maßnahmen erörtert.
17.2.1 Soziale Ungleichheiten und die Klimakrise
Ergebnisse internationaler empirischer Untersuchungen liefern Belege für einen positiven Zusammenhang zwischen Reichtum, Einkommen, Konsum und daraus resultierenden klimaschädigenden Emissionen (Chancel,
2022; Gore,
2020,
2021; Kartha et al.,
2020). Quantitative Studien bestätigen, dass Konsum den mit Abstand größten Einfluss auf diverse Umweltindikatoren (CO
2-Emissionen, Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung, Biodiversität, Stickstoffemissionen, Wasser- und Energieverbrauch) ausübt und den Einfluss anderer sozioökonomischer und demographischer Faktoren wie Alter, Haushaltsgröße, Bildung oder Baustruktur klein aussehen lässt (Chang et al.,
2019; Mardani et al.,
2019; Stern et al.,
2017; Wiedenhofer et al.,
2013). Es herrscht außerdem Konsens darüber, dass die reichsten Haushalte für einen Großteil der globalen CO
2-Emissionen der letzten 30 Jahre verantwortlich sind (Wiedmann et al.,
2020) und Konsumnormen antreiben, die durch Statuswettbewerb und einhergehenden positionellen Konsum erklärt werden (Clark,
2018; Kallis,
2015; Oswald et al.,
2020; Otto et al.,
2019). Zwischen 1990 und 2015 verursachten die reichsten 10 Prozent 52 Prozent der globalen Gesamtemissionen, das reichste Prozent 15 Prozent (Gore,
2020). Zu beobachten ist zudem, dass das Konsumniveau und der damit verbundene Ressourcenverbrauch der wohlhabendsten Haushalte kontinuierlich steigen. Zwischen 1990 und 2019 waren das reichste Prozent für 21 Prozent und das reichste 0,1 Prozent für 10 Prozent des Emissionszuwachses verantwortlich (Chancel,
2022). Sommer & Kratena (
2017) identifizieren zwar eine relative Entkopplung in höheren Einkommensquintilen, diese reicht jedoch nicht aus, um das deutlich höhere Konsumniveau auszugleichen. Gleichzeitig stagniert der wirtschaftliche Aufstieg der Ärmeren im selben Zeitraum auf gleichbleibend niedrigem Niveau, während die zu tragenden Kosten der Umweltverschmutzung weiter zunehmen (Kartha et al.,
2020).
Während die globale Ungleichheit in CO
2-Emissionen 1990 noch zu zwei Dritteln durch Unterschiede in den durchschnittlichen Emissionen von Staaten erklärt werden konnte („Between-country-Komponente“), sind diese Ungleichheiten heute zu 63 Prozent auf Unterschiede innerhalb der Staaten („Within-country-Komponente“) zurückzuführen (Chancel,
2022).
In diesen globalen und europäischen Vergleichen wird Österreich aufgrund des restriktiveren Zugangs zu relevanten Daten und seiner geringen Größe oft nicht inkludiert. Auch gibt es kaum spezifische Analysen zu Einkommen und Emissionen in Österreich. Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie zur ungleichen Verteilung von CO
2-Ausstoß nach Einkommensschichten in Österreich zeigt, dass die reichsten 10 Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO
2 wie die ärmsten 10 Prozent der Haushalte und mehr als doppelt so viel CO
2 wie der Medianhaushalt in Österreich verursachen.
1 Die meisten konsumbedingten CO
2-Emissionen eines Durchschnitthaushalts wurden dabei im Bereich Wohnen und Energie (22 Prozent), Verkehr (20 Prozent) und für Lebensmittel und Getränke (16 Prozent) verbraucht (Frascati,
2020)
2. Laut der World Income Inequality Database (World Inequality Database,
2021) emittieren die reichsten 10 Prozent der Östereicher_innen durchschnittlich 42 Tonnen CO
2-Äquvalent
3 im Jahr 2019
4.
Diese Zahlen müssen im Kontext relativ geringer Einkommensungleichheit gesehen werden. Einkommensanteile (vor Steuer und Transferzahlungen) der Top 10 Prozent machen in Österreich ungefähr 33 Prozent vom BIP aus, während der Einkommensanteil der unteren 50 Prozent ungefähr 23 Prozent des BIP ausmacht. Diese Verteilung ist ähnlich wie jene Frankreichs, aber um einiges gleicher als diejenige der USA (Jestl & List,
2020). Vermögen ist in Österreich jedoch sehr ungleich verteilt (Ferschli et al.,
2018; Hofmann et al.,
2020; Schürz,
2019). Das reichste Prozent besitzt knapp 40 Prozent des österreichischen Privatvermögens (Heck et al.,
2020). Theine & Taschwer (
2021) argumentieren, dass diese ungleiche Verteilung von Betriebs-, Finanz-, Grund- und Immobilien-, Stiftungs- und sonstigen Vermögen Ausdruck eines strukturellen Überreichtums sind, welcher eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft verhindert – im Interesse einer kleinen Gruppe vermögender Menschen, die einen extrem klimaschädlichen Lebensstil beibehalten können. Am unteren Ende der Vermögensleiter bildet Mangel an Reichtum (z. B. Geldrücklagen, Ersparnisse etc.) eine Barriere, um klimafreundliche Innovationen (z. B. Heizsysteme, Isolierung etc.) einzuführen (Allinger et al.,
2021).
17.2.2 Räumliche Ungleichheiten und die Klimakrise
Während Einkommen bzw. Ausgaben in der Literatur als der bestimmende sozioökonomische Faktor für Unterschiede im Niveau der Treibhausgasemissionen von Haushalten behandelt wird (Lenzen et al.,
2006), wird seit geraumer Zeit auch dem räumlich ungleich verteilten Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb eines Staatsgebietes Aufmerksamkeit geschenkt. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf einem etwaigen Stadt-Land-Gefälle (Ribeiro et al.,
2019; Wiedenhofer et al.,
2017), aber auch andere sozioökonomische Faktoren wie die Komposition und Größe von Haushalten (Ivanova et al.,
2017; Ivanova & Wood,
2020; Ottelin et al.,
2019) spielen eine Rolle. Hinzu kommen außerdem räumliche wie auch technologische Faktoren (Jones & Kammen,
2014). Ein großer Teil der internationalen Forschung in diesem Bereich untersucht Nicht-EU-Länder (Herendeen et al.,
1981; Jones & Kammen,
2014; Lenzen & Murray,
2001; Wang & Chen,
2020; Wiedenhofer et al.,
2013). Zuletzt wurde jedoch auch europäischen Ländern verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt (Ala-Mantila et al.,
2014; Baiocchi et al.,
2015; Gill & Moeller,
2018; Millward-Hopkins et al.,
2017; Ottelin et al.,
2019; Wier et al.,
2001). Methodisch eint den Großteil dieser Studien, dass sie sich in ihrer Datenanalyse Extended-Environmental-Input-Output-Tabellen bedienen, um den Effekt einzelner Konsumkategorien auf das Niveau der Emissionen von Haushalten zu ermitteln. Zwei Dinge sind hier entscheidend: Es werden sowohl direkte (z. B. Energieverbrauch durch Heizen, Mobilität) als auch indirekte („embodied“) Emissionen (z. B. Emissionen, die bei der Produktion, Transport, Verkauf von Konsumartikeln produziert und damit im Produkt enthalten sind) und keine produktionsbasierten, also territorial eingegrenzten Werte herangezogen (Baynes et al.,
2011). Dementsprechend fokussieren sie auf konsumbasierte („consumption-based“) Emissionen (Wiedenhofer et al.,
2017; Wier et al.,
2001).
Basierend auf den Einsichten der „new urban economics (NUE)“ und „new geographical economics (NGE)“ (Brakman et al.,
2019; Glaeser,
2011; Glaeser et al.,
2001; Storper,
2018) versuchen länderübergreifende vergleichende Studien (Ivanova et al.,
2017; Ivanova & Wood,
2020; Ottelin et al.,
2019; Sommer & Kratena,
2017) zu prüfen, ob ein mit Urbanisierung zusammenhängender Anstieg in der Bevölkerungsdichte durch Effizienzgewinne zu Nettoeinsparungen bei Treibhausgasemissionen pro Kopf führt und wir deshalb nur „mit einem urbanen Leben die Erde retten“ (Wagner,
2021). Die Begründung dieser These ist laut Wiedenhofer et al. (
2013), dass Unterschiede im Energiebedarf des städtischen und ländlichen Lebens vor allem auf unterschiedliche Ausgabenmuster und ungleiche Einkommen zurückzuführen sind. Suburbanes und ländliches Leben ist ungefähr 10 Prozent energieintensiver als urbanes Leben (Herendeen et al.,
1981; Shammin et al.,
2010). Die Einsparungen kommen hierbei größtenteils aus den Bereichen Wohnen und Mobilität und werden auch als Agglomerationseffekte („urban economies of scale“) beschrieben (Fremstad et al.,
2018).
Für die USA untersuchen Jones & Kammen (
2014) konsumbasierte Durchschnittswerte von CO
2-Fußabdrücken von Haushalten und verbinden diese mit Daten zur Bevölkerungsdichte auf Nachbarschaftslevel. Ihre Ergebnisse zeigen ein bestimmtes geographisches Muster: Ringe von sehr hohen CO
2-Fußabdrücken in den Vororten, die sich um urbane Zentren mit relativ niedrigen CO
2-Fußabdrücken ziehen. Ein hohes Einkommen führt in dieser Studie zu größeren Konsumausgaben und ist auch der wirkmächtigste Faktor, allerdings dicht gefolgt von privatem Verkehr. Die Form der Urbanität ist entscheidend für räumliche Unterschiede in Emissionsmustern (Wiedenhofer et al.,
2013). Suburbane Räume sind die klimaunfreundlichste Kombination von relativem Reichtum und relativ dünner Besiedelung (Wagner,
2021). Auch für Deutschland wird ein signifikanter „density-effect“ festgestellt – die Emissionen pro Haushalt sind signifikant geringer in dichter besiedelten Räumen (Gill & Moeller,
2018). Die wichtigsten Einflussfaktoren sind auch hier privater Verkehr und privater Energieverbrauch, welche beide in ländlichen Gegenden deutlich höher sind. Nichtsdestotrotz zeigen ihre Ergebnisse ebenfalls, dass dies zum Teil durch höhere Konsumausgaben aufgrund von höherem verfügbarem Einkommen in urbanen Zentren aufgewogen wird. Außerdem ist der Konsum in Städten nicht nur aufgrund höherer indirekter Emissionen (z. B. in der Gastronomie) kohlenstoffintensiver (Ala-Mantila et al.,
2014). Zusätzlich werden Einsparungen von Emissionen durch die Nutzung von öffentlichen Nahverkehrssystemen durch erhöhtes Flugverhalten umgekehrt (Czepkiewicz et al.,
2018).
Für Österreich und basierend auf der „Konsumerhebung 2004/05“ zeigt sich, dass die direkten Pro-Kopf-Emissionen in Städten am geringsten und in suburbanen Räumen am höchsten sind. Erklärt wird dies durch (1) höhere Bevölkerungs-, Beschäftigungs-, Wohnungs- und Einzelhandelsdichte, (2) Konnektivität (z. B. effizienteres Straßendesign), (3) „accessibility“ (z. B. kürzere Arbeitswege; Bereitstellung alternativer gering emittierender Verkehrsmittel) und (4) Bodennutzung (Integration von Wohn-, kommerziellen und Erholungsräumen, z. B. „Stadt der kurzen Wege“). Diese direkten Ersparnisse sind vor allem auf unterschiedliche Formen des Verkehrs, Heizens und Kochens mit unterschiedlichen Energieinputs zurückzuführen. Ersparnisse von direkten Emissionen werden durch höhere indirekte Emissionen in Form von höherem Konsum (höheres städtisches Durchschnittseinkommen) abgeschwächt, jedoch in einem zu geringen Ausmaß, als dass der Trend umgedreht würde (Muñoz et al.,
2020, S. 8). Während die relativ geringeren Emissionen in zentralen Städten aus den meisten Studien klar hervorgehen, wird die Frage nach dem größten Einsparungspotenzial unseres Wissens nicht behandelt. Diese Studien wären aber wichtig, da Investitionen in Regionstypen mit dem höchsten Einsparungspotenzial schneller Wirkung zeigen würden.
17.2.3 Verteilungseffekte von klimaschützenden Maßnahmen
Obwohl es eine Reihe von implementierbaren klimaschützenden (markt- und nichtmarktbasierten) Maßnahmen gibt, bezieht sich die Literatur fast ausschließlich auf Verteilungseffekte von marktbasierten Maßnahmen und hier vor allem auf jene, die bei der Einführung einer CO2-Steuer und/oder des Emissionshandels erwartet werden.
Köppl & Schratzenstaller (
2021) bieten eine Übersicht über die wichtigsten Umweltpolitikinstrumente, die in der theoretischen und empirischen Literatur diskutiert werden, und evaluieren die Auswirkungen von Umweltsteuern unter anderem auch unter verteilungspolitischen Aspekten. Größtenteils werden hier, wie auch in diesem Kapitel, Verteilungseffekte für den Haushaltssektor und nicht für den Produktionssektor angesprochen, da davon ausgegangen wird, dass Kosten am Ende auf Konsument_innen abgewälzt werden können (in Abhängigkeit der Preiselastizität in den unterschiedlichen Produktionssektoren). Basierend auf ihrer Literaturanalyse kommen Köppl & Schratzenstaller (
2021) zu folgenden Schlüssen: Ohne kompensierende Maßnahmen wäre die Einführung einer CO
2-Steuer regressiv, da Haushalte mit geringeren Einkommen einen höheren Anteil ihrer Konsumausgaben für energieintensive Produkte ausgeben (siehe auch (Chancel,
2022; Humer et al.,
2021; Theine et al.,
2022)).
Wenn man von einem Subsistenzniveau von kohlenstoffintensiven Produkten zur Befriedigung von Grundbedürfnissen (Wohnen, Essen, Heizen, soziale Teilnahme etc.) ausgeht, würde eine CO
2-Steuer Haushalte mit niedrigen Einkommen relativ stärker belasten (Köppl & Schratzenstaller,
2021). Es herrscht jedoch kein eindeutiger Konsens. Mayer et al. (
2021) zeigen, dass eine CO
2-Steuer aufgrund stark sinkender Kapitaleinkommen (die eher reichere Haushalte betreffen) eine progressive Wirkung entfalten könnte. Außerdem sind die Verteilungseffekte einer CO
2-Steuer auch von Haushaltscharakteristika wie Wohnort, Haushalttyp, demographischer Komposition etc. sowie räumlichen Faktoren abhängig. Die theoretische Literatur wird dabei von einer Vielzahl von empirischen Studien unterstützt. Deren Resultate hängen stark von den besteuerten Energiequellen und den verwendeten Indikatoren zur Messung von Verteilungseffekten ab (Kirchner et al.,
2019). Einkommensbasierte Indikatoren reflektieren die Verteilung von Steuerbelastungen über Einkommensgruppen. Ausgabenbasierte Indikatoren messen die Last relativ zu Ausgaben. Empirische Studien basieren auf Haushaltskonsumausgaben oder Mikrosimulationen, statischen Input-Output Modellen mit Haushaltsdaten oder Mikrosimulationen oder Studien, die sich auf die Simulation von makroökonomischem Feedback in Form von General Equilibrium Models oder makroökonomischen Input-Output-Modellen stützen.
Es scheint relativer Konsens darüber zu herrschen, dass Benzinsteuern eine schwach regressive oder sogar progressive Verteilungswirkung haben (Köppl & Schratzenstaller,
2021; siehe allerdings Bernhofer & Brait [
2011] für alternative Berechnungen für Österreich). Das liegt daran, dass der Anteil der Transportausgaben mit dem Einkommen ansteigt, während der Anteil von Haushaltsenergiekonsum (Strom und Heizen) mit steigendem Einkommen abnimmt. In Österreich geben die reichsten 20 Prozent fünfmal mehr für Verkehr aus als die ärmsten 20 Prozent – da Privatautobesitz in den unteren Dezilen stark unterrepräsentiert ist, hätte eine Benzinsteuer eine progressive Wirkung. Zusätzlich wirken sich Steuern unterschiedlich auf unterschiedliche Haushaltstypen und Regionen aus (siehe auch unten).
Für Österreich gibt es mehrere Modellrechnungen. Kernergebnisse dieser Studien zeigen, dass die Einführung einer CO
2-Steuer ohne entsprechende Rück- bzw. Umverteilungsmaßnahmen der generierten Einnahmen („Recycling“) eine regressive Wirkung hätte (Humer et al.,
2021; Kirchner et al.,
2019; Mayer et al.,
2019). Konkret zeigten Kirchner et al. (
2019), dass die Einführung einer CO
2-Steuer (120 Euro/Tonne CO
2) ohne Recycling der Einnahmen regressiv ist, wenn die Steuerbelastung relativ zum Einkommen oder Veränderungen in den realen Ausgaben berechnet wird. Mittlere Einkommenshaushalte wären dabei am stärksten belastet. Basierend auf dem Mikrosimulationsmodell TAXSIM kann gezeigt werden, dass sowohl bei einem niedrigeren (50 Euro/Tonne CO
2) bzw. einem höheren (150 Euro/Tonne CO
2) CO
2-Preis eine steigende absolute Belastung für österreichische Haushalte entlang der Einkommensverteilung beobachtet werden kann (bei einem angenommenen Preis von 50 Euro/Tonne kann eine Steuerlast von 200 Millionen Euro im untersten und 260 Millionen im obersten Einkommensviertel berechnet werden). Die relative Last der CO
2-Steuer sinkt aber mit steigendem Einkommen (2,4 Prozent im untersten und 0,3 Prozent im obersten Einkommensviertel), da Emissionen gleicher verteilt sind als das verfügbare Haushaltseinkommen (Humer et al.,
2021).
Kompensationsstrategien, wie Steuersenkungen oder Rückzahlungen, beeinflussen sowohl die Lenkungswirkung der CO
2-Steuer als auch deren potenzielle regressive Wirkung (Eisner et al.,
2021; Humer et al.,
2021; Kirchner et al.,
2019; Mayer et al.,
2019; Rengs et al.,
2020; Tölgyes,
2021). So zeigen Mayer et al. (
2019), dass ein Ökobonus in Kombination mit einer Umsatzsteuersenkung sowohl progressive Verteilungseffekte als auch eine etwas höhere CO
2-Reduktion bewirken könnte. Tölgyes (
2021) hebt hervor, dass eine soziale Staffelung der Rückzahlung sowie eine Rücksichtnahme auf die Wohn- und Heizsituation dabei treffsicherer als eine allgemeine Steuersenkung oder ein pauschaler Ökobonus wäre und somit ein Trade-Off zwischen der Lenkungs- und der sozialen Ausgleichswirkung einer CO
2-Steuer verhindert werden könnte.
Während eine CO
2-Steuer, die mit einer progressiven Rückverteilung der Einnahmen (z. B. in Form eines (pauschalen) Ökobonus) durchaus mit CO
2-Emissionseinsparungen bei gleichzeitig progressiven oder neutralen Verteilungseffekten auf nationaler Ebene vereinbar wären, scheint die CO
2-Reduktion trotzdem unzureichend zu sein, um die Pariser Klimaziele zu erreichen (Mayer et al.,
2019). Eine CO
2-Steuer muss daher durch andere, nicht marktbasierte, strukturelle Maßnahmen (Raumplanung, öffentliches Verkehrsangebot, Ausbau erneuerbarer Energiequellen etc.) unterstützt werden. Während die Mehrzahl der Studien die Verteilungswirkungen von CO
2-Steuern an Hand von historischen oder gegenwärtigen Konsummustern berechnen und komplexere Feedback- und Rebound-Effekt üblicherweise vernachlässigen, werden diese in der integrierten, modellbasierten Szenarioanalyse von Großmann et al. (
2019) berücksichtigt, um die Auswirkungen einer Vielzahl notwendiger klimaschützender Maßnahmen für die Einhaltung der 1,5 Grad Celsius Zieles auf die SDGs zu evaluieren. Neben der Einführung der CO
2-Steuer wird vor allem die Notwendigkeit von Investitionen (bis zu 10 Milliarden Euro im Jahr) im Energie- und Transportsektor [vgl.
Kap. 2, Innovationsperspektive] insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energiequellen, Investitionen in Strom- und Gasnetzinfrastruktur sowie Lagerung und Speicherung, hervorgehoben. Maßnahmen im Transportsektor betreffen die Reduktion von fossilen Antrieben, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes sowie von Rad- und Fußwegen, eine Reduktion von Ticketpreisen der öffentlichen Verkehrsmittel, die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene (Hochgeschwindigkeits- und Nachtzüge), eine Raumordnung (z. B. „Stadt der kurzen Wege“), die den Verzicht auf den eigenen Pkw ermöglicht, die Verlagerung des Güterverkehrs von Straße auf Schiene, die Erhöhung der Besteuerung von Diesel sowie striktere Emissionsnormen für Neuzulassungen und ein flächendeckendes Road Pricing. Zusätzlich werden die thermische Sanierung des Gebäudebestands [siehe unten und
Kap. 4 Wohnen], Transformation der Heizungssysteme und die Verdichtung von Siedlungsflächen sowie Mehrgeschoßbau für Mehrfamiliengebäude im Bereich des Wohnungssektors angesprochen [siehe
Kap. 19 Raumplanung]. Laut Modellberechnungen würde sich aufgrund diskutierter Maßnahmen die Armutsgefährdungsquote von 14 Prozent auf 14,6 Prozent erhöhen. Welche konkreten Auswirkungen die Maßnahmen auf das Einkommen unterschiedlicher Haushaltgruppen haben, kommt dabei auf das Design der eingesetzten Fördermittel (z. B. Unterstützung zur Einführung von Solarpanels oder energieeffizienter Ausbau des sozialen Wohnbaus etc.) an (Großmann et al.,
2019).
Während der
Fokus der Literatur auf den Verteilungseffekten einer Emissionssteuer liegt, greift eine Reduktion von Klimapolitik auf Steuerpolitik zu kurz. Zusätzlich zu steuerlichen Maßnahmen wird daher die Schaffung alternativer Wohn-, Mobilitäts- und sozialer Leistungen gefordert, die es Menschen erlaubt, ihre Grundbedürfnisse durch klimafreundliche Alternativen zu befriedigen (Brand-Correa et al.,
2020; Gough,
2017). Für Österreich zeigen Rocha-Akis et al. (
2019), Dabrowski et al. (
2020) und Jestl und List (
2020), dass öffentlich bereitgestellte Sachleistungen (z. B. öffentlicher Verkehr, staatlicher Wohnbau, Parks, Fahrradwege, Gesundheits- und Bildungsleistungen etc.) eine stark progressive Wirkung auf die Einkommensverteilung haben [siehe dazu
Kap. 2, Bereitstellungsperspektive]. Eine Vernachlässigung von Verteilungseffekten klimapolitischer Maßnahmen würde die Einführung notwendiger Maßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele dabei erheblich erschweren (Köppl & Schratzenstaller,
2021; Chancel,
2022).
Ausgehend von den hier diskutierten Problemstellungen lassen sich abschließend drei wesentliche Zusammenhänge zwischen klima(un)freundlichem Verhalten und sozialen und räumlichen Ungleichheiten zusammenfassen:
(a)
Einkommen und Wohnort (und Relation zum Arbeitsort) beeinflussen die Höhe und Struktur des Konsums und strukturieren auf diese Weise klima(un)freundliches Verhalten (Boyce,
2007; Brocchi,
2019; Laurent,
2014).
(b)
Der karbonintensive Konsum einkommens- und vermögensstarker Gruppen stellt ein zunehmendes Problem bei der Bewältigung der Klimakrise dar (Rehm,
2021; Wiedmann et al.,
2020).
(c)
Einkommensgruppen sind finanziell unterschiedlich von klimaschützenden Maßnahmen betroffen. Belastungen werden je nach Wohnort verstärkt oder gemildert (Chancel,
2020; Laurent,
2014).
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