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04.04.2024 | MaRisk | Infografik | Online-Artikel

ESG-Risiken beeinflussen Kreditprozesse bislang kaum

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Immer mehr Banken ermitteln ökologische, soziale und Governance-Risiken (ESG) im Rahmen ihres Risikomanagements. Doch für das Pricing und in der Vergabepraxis von Krediten spielen diese laut aktueller Daten häufig kaum eine Rolle - noch.

"Aufgrund der Bedeutung der Nachhaltigkeit für die Gesellschaft und die Unternehmen, verwundert es nicht, dass zahlreiche unternehmensexterne wie interne Stakeholder Einfluss auf die Nachhaltigkeitsstandards der Firmenkundenfinanzierung der Banken nehmen", heißt es im Buch "Nachhaltigkeitsstandards in der Kreditvergabe im Firmenkundengeschäft". 

Zu diesen bedeutenden Stakeholdern zählen nicht nur Anteilseigner, Investoren und die Politik, sondern auch die Finanzaufsicht. Letztere sieht in ihren Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) seit der siebten Novelle verbindlich vor, dass Banken und Sparkassen ESG-Risiken bei Kreditentscheidungen im Firmenkundengeschäft einbeziehen müssen.

Fortschritte bei der Implementierung von ESG-Maßnahmen

Das von der Finanzaufsichtsbehörde Bafin 2019 herausgegebene und im Januar 2020 geänderte Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken soll den von ihr beaufsichtigten Instituten als Orientierungshilfe im Umgang mit ESG-Gefahren dienen. Die dort enthaltenen Verhaltensweisen umreißen die Umsetzung gesetzlicher Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie angemessene Risikomanagementsysteme und sind als Ergänzung zur MaRisk gedacht. 

Doch obwohl viele Banken und Sparkassen bereits "erhebliche Fortschritte bei der Auswahl und Implementierung notwendiger Methoden erzielt haben", hat das Ergebnis häufig kaum "Einfluss auf die Bepreisung oder Ablehnung einer Finanzierung". Zu diesem Ergebnis kommen das Beratungshaus PPI und die FH Münster in einer im März veröffentlichten gemeinsamen Studie. Für diese standen insgesamt 55 Kreditinstitute Rede und Antwort zur "Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Kreditprozess für Firmenkunden". Zehn der befragten Unternehmen gehören zum Kreis der Significant Institutions, die direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt werden.

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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

Transformation des Kreditgeschäftes – Einbeziehung von ESG-Faktoren in den Dialog mit Kreditnehmern und das Risikomanagement

Mit der Einführung von ESG-Risikotreibern in das europäische und nationale aufsichtliche Regelwerk für Risikomanagement und Kreditgeschäft ist der Startpunkt für Institute gesetzt, sich den Hausforderungen der Transformation ihrer Kreditorganisation zu stellen. In Deutschland wird die ESG-Transformation im Risikomanagement durch die Einführung der 7. MaRisk-Novelle forciert. Dies fügt sich in die Arbeiten der EBA ein, die nach und nach Fortschritte in der Anpassung von Eigenmittelvorschriften, Stresstests, Offenlegung sowie bei den Initiativen etwa zur Eingrenzung von Greenwashing oder zur fairen Ausgestaltung von grünen Labels erzielt. 

Der Erhebung zufolge haben bei 71 Prozent der teilnehmenden Banken und Sparkassen die ergriffenen ESG-Maßnahmen faktisch keinen Einfluss auf das Kredit-Pricing. Aktuell berücksichtigen nur 62 Prozent der Institute Nachhaltigkeitskriterien bei der Entscheidung, ob sie einen Kredit vergeben wollen. Lediglich zwei Prozent der Geldhäuser berichten über eine "spürbare Verschärfung der Vergaberichtlinien mit vermehrt negativen Kreditentscheidungen", heißt es in dem Report.

Das "E" ist Banken wichtiger als "S" und "G"

"Es ist zu früh für eine endgültige Beurteilung des Verhältnisses von Nutzen und Aufwand. Soziale und Governance-Risiken wurden mitunter bereits in der Vergangenheit im Rahmen der Bonitätsprüfung berücksichtigt", sagt Christian Tallau, Professor an der FH Münster und Mitautor der Studie. Ihre Wichtigkeit wird mit 63 Prozent beziehungsweise 60 Prozent eingestuft. Es sind vor allem langfristige Umwelrisiken, denen die Banken jedoch die Größte Relevanz beimessen (98 Prozent).

"Inwiefern die Aufsicht die Nichtberücksichtigung als Verstoß gegen die MaRisk beanstanden wird, bleibt abzuwarten", sagt Thomas Paulat, Manager bei der PPI und Mitautor der Studie. Allerdings planen fast alle befragten Institute, den Status Quo zu ändern. Bei der Kreditüberwachung haben 29 Prozent bereits Maßnahmen ergriffen, um ESG-Kriterien zu berücksichtigen. Weitere 64 Prozent haben das zumindest vor.

Nachhaltigkeits-Check des finanzierten Objekts

87 Prozent der Banken und Sparkassen beurteilen im Rahmen der Kreditentscheidung auch das zu finanzierende Objekt unter ESG-Aspekten. Insgesamt bleibe das Kreditgeschäft aber ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren des Engagements, das etwa Kreditnehmer, Kapitaldienst und Finanzierungsobjekt beurteilt. Bei 73 Prozent der Banken und Sparkassen zieht ein positiver ESG-Score allein aber keine Verbesserung der Kreditwürdigkeit des Antragstellers nach sich. "Eine Strategie, die darauf abzielt, durch grüne Projekte die eigene Kreditwürdigkeit zu verbessern, zahlt sich demnach selten aus", so Tallau.

Die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gehen in ihrem "Blickpunkt" von Ende März allerdings davon aus, dass der Einfluss der ESG-Risiken insbesondere auf das Pricing in Zukunft zunimmt. "Auch wenn ESG-Aspekte beim Risikomanagement immer nur ein Baustein von vielen sind, wird angesichts des Klimawandels deren Bedeutung steigen", heißt es in dem Papier. "Kommt es beispielsweise in Zukunft vermehr zu Missernten, sollte sich aus unserer Sicht dieses Risiko in der Bepreisung des Kredits an einen landwirtschaftlichen Betrieb wiederspiegeln", so die LBBW-Experten. 

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