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2023 | Buch

Multinationale Unternehmen aus Schwellenländern und Europa

Herausforderungen und Strategien

herausgegeben von: Andreas Breinbauer, Louis Brennan, Johannes Jäger, Andreas G. M. Nachbagauer, Andreas Nölke

Verlag: Springer International Publishing

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Über dieses Buch

In letzter Zeit hat die Öffentlichkeit Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern geäußert. Die Expansion chinesischer multinationaler Unternehmen nach Europa und die Belt and Road Initiative ist ein prominentes Beispiel, das Hoffnung geweckt hat, aber auch das Bewusstsein für die langfristigen Auswirkungen geschärft hat. Auf der Grundlage einer systematischen Analyse von Internationalisierungstheorien, der Rolle ausländischer Direktinvestitionen und multinationaler Unternehmen in Verbindung mit eingehender empirischer Forschung anhand von Fallstudien in der Türkei, Russland, Lateinamerika, Asien und Europa befasst sich dieser aktuelle Sammelband mit den Chancen und Bedenken im Zusammenhang mit diesem neuen Trend. Darüber hinaus liefert er neue Erkenntnisse, die für Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, regionale Wirtschaftsagenturen und Studenten sowie für die breite Öffentlichkeit von großer Bedeutung sind. Durch die Konzentration auf die (potenziellen) Auswirkungen der Expansion multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern auf Europa und die Einbeziehung einer langfristigen Perspektive bietet das Buch eine neue Sichtweise auf ein äußerst kontroverses Thema.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung und Überblick
Zusammenfassung
In letzter Zeit wurden öffentlich Bedenken über die Auswirkungen multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern geäußert. Die Expansion chinesischer multinationaler Unternehmen nach Europa und die Belt and Road Initiative wurden in einigen Kreisen positiv aufgenommen, haben aber auch zu einem wachsenden Bewusstsein für die möglichen langfristigen Auswirkungen geführt. Dieses Kapitel dient als Einführung in den Sammelband und befasst sich mit den Chancen und Bedenken im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen. Während es bereits viel Literatur über ausländische Direktinvestitionen in Schwellenländern und multinationale Unternehmen aus Schwellenländern an sich gibt, konzentriert sich dieses Buch auf das vernachlässigte Thema der (potenziellen) Auswirkungen der Expansion multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern nach Europa. Durch die Einbeziehung langfristiger und interdisziplinärer Erkenntnisse eröffnet es eine neue Perspektive auf ein höchst kontroverses Thema. Ausgehend von der Forderung nach einem neuen theoretischen Verständnis, das auf einer (wirtschaftlichen) Mehrebenensicht beruht, Politik und Macht einbezieht und Fragen der Nachhaltigkeit ernst nimmt, werden in diesem Kapitel zentrale Ideen und Erkenntnisse vorgestellt. Der Brückenschlag zwischen den Ideen, die in verschiedenen Bereichen entwickelt wurden, trägt zu einem besseren Verständnis des Wesens und der Rolle multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern (EMNCs) in Europa bei. Sie sollen die Entwicklung von Kriterien für nachhaltige Strategien im Umgang mit multinationalen Unternehmen aus Schwellenländern in Europa erleichtern.
Andreas Breinbauer, Johannes Jäger, Andreas G. M. Nachbagauer

Empirischer Überblick und theoretische Perspektiven

Frontmatter
Globalisierung nach der Finanzkrise: Struktureller Wandel und multinationale Unternehmen in Schwellenländern
Zusammenfassung
In der Zeit der „great moderation“ vor der globalen Finanzkrise wurde die Globalisierung in politischen und akademischen Kreisen weithin als ein unaufhaltsamer Prozess und als ein im Großen und Ganzen gutartiger Prozess angesehen. Bei entsprechender Politik stellte die Globalisierung ein höheres Wachstum und globale Konvergenz in Aussicht. Veränderungen innerhalb der Volkswirtschaften ließen sich durch geeignete angebotsseitige Maßnahmen bewältigen; der Widerstand gegen Veränderungen durch die Globalisierung würde nur zu Wohlfahrtsverlusten führen. Die Triebkräfte der Globalisierungsprozesse waren in diesen Darstellungen nicht immer klar erkennbar; technologische Veränderungen ermöglichten größere internationale Ströme, aber auch politische Veränderungen untermauerten das Wachstum der globalen Märkte.
Jonathan Perraton
Warum sind multinationale Unternehmen aus Schwellenländern anders? Herausforderungen einer neuen Version des Staatskapitalismus
Zusammenfassung
Dieses Kapitel basiert auf der Annahme, dass ein wesentliches Merkmal multinationaler Unternehmen in Schwellenländern ihre engen Beziehungen zu ihren Heimatstaaten zu sein scheint. Zwar pflegen auch viele westliche multinationale Unternehmen (MNCs) enge Beziehungen zu ihren Heimatstaaten (wie z. B. jüngst im Fall der Rettungsaktionen für den Finanzsektor), doch untersucht dieses Kapitel die besondere Qualität der Beziehung zwischen dem Staat und Großunternehmen aus Ländern außerhalb des bisherigen Zentrums der Weltwirtschaft sowie die Frage, wie sich diese besondere Qualität auf die grenzüberschreitenden Aktivitäten dieser Unternehmen auswirkt. Um diese Aufgabe zu bewältigen, entscheidet sich die Studie für eine Integration von Ansätzen, die aufgrund der konventionellen disziplinären Trennung zwischen internationaler Wirtschaft und politischer Ökonomie traditionell getrennt gehalten wurden. Diese Integration zeigt, dass die Expansion der multinationalen Unternehmen in den Schwellenländern eine neue Welle des Staatskapitalismus einläutet.
Andreas Nölke
Multinationale Unternehmen aus Schwellenländern und die wirtschaftliche Entwicklung in Europa
Zusammenfassung
Die globalen Investitions- und Wachstumsmuster haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Multinationale Unternehmen aus Schwellenländern haben erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies hat in jüngster Zeit einige Besorgnis ausgelöst, aber auch die Hoffnung geweckt, dass multinationale Unternehmen aus Schwellenländern zum Wirtschaftswachstum in Europa beitragen können. Im ersten Teil dieses Kapitels wird ein kurzer historischer Überblick über die weltweiten Direktinvestitionsströme gegeben. Im zweiten Teil werden Mainstream-Ansätze mit alternativen Ansichten kontrastiert. Insbesondere werden Erkenntnisse aus der kritischen politischen Ökonomie und postkeynesianische Perspektiven vorgestellt. Auf diese Weise werden die Besonderheiten der multinationalen Unternehmen in den Schwellenländern und die aktuellen Entwicklungen in eine breitere Perspektive gestellt. Es wird festgestellt, dass die Auswirkungen von multinationalen Unternehmen und ausländischen Direktinvestitionen in Schwellenländern von den Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie, den wirtschaftlichen Entwicklungsmodellen und dem institutionellen Kontext abhängen. Daher erfordert die Bewertung der Auswirkungen multinationaler Schwellenländer in Europa eine detaillierte mehrdimensionale Analyse.
Johannes Jäger, Elisabeth Springler

Politik und Macht in multinationalen Unternehmen in Schwellenländern

Frontmatter
Strukturen und Entscheidungen in multinationalen Schwellenländerkonzernen
Zusammenfassung
Regionale Headquarters stehen in einem ausgeprägten Spannungsverhältnis zwischen dem Mutterunternehmen, den eigenen Interessen und den Tochtergesellschaften, da sie eine intermediäre Rolle spielen. Im Gegensatz zur internationalen Wirtschaftstheorie, die regionale Einheiten traditionell als bloße Übertragungsmechanismen zur Steuerung komplexer Organisationen betrachtet, vertritt die organisationswissenschaftliche Forschung die Auffassung, dass Politik in Organisationen weder vermeidbar noch ausschließlich negativ ist. Darüber hinaus hängen die Chancen, nachhaltig zu handeln und langfristig zu bestehen, von der Verteilung der internen Kontrolle und der Verantwortlichkeiten ab. In diesem Artikel wird argumentiert, dass regionale Einheiten nicht nur einen allgemeinen strategischen Plan ausführen, sondern selbst einflussreich sein können, abhängig von Gründungsformen, organisatorischem Aufbau, regionaler Einbettung und insbesondere von der (Macht der) jeweiligen Manager:innen und Einheiten. Verhandlungsprozesse in strategischen, übertragenden und operativen Machtspielen tragen potenziell zu langfristigen, die Autonomie fördernden regionalen Ansiedlungen bei, wie zwei Fälle von regionalen Zentralen lateinamerikanischer multinationaler Unternehmen in Österreich zeigen. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass die Erwartungen an die Autonomie in Unterabteilungen multinationaler Schwellenländerunternehmen, die normalerweise als isolierte Hierarchien beschrieben werden, gering sind.
Andreas G. M. Nachbagauer
Wie regional sind regionale Zentralen? Die „Latinisierung“ der Kontrolle in europäischen Strukturen eines brasilianischen MNC
Zusammenfassung
Die Regionalisierung der Geschäftstätigkeit ist ein Trend bei multinationalen Unternehmen. Regionale Strukturen überbrücken die Distanz zwischen der Unternehmenszentrale und den lokalen Tochtergesellschaften und Märkten, indem sie als integrale Vermittler fungieren. Immer mehr multinationale Unternehmen aus Schwellenländern errichten ihre regionalen Zentralen in Europa, doch ist wenig über die Rolle regionaler Strukturen in aufstrebenden multinationalen Unternehmen bekannt. Eine der Schlüsselfragen lautet: Wie viel Autonomie und Einfluss hat die regionale Zentrale bei der Führung der regionalen Geschäfte? Um die Beziehung zwischen Hauptsitz und regionalem Hauptsitz zu untersuchen, nehmen wir die mikropolitische Perspektive ein. Anhand einer Fallstudie über die Aktivitäten eines brasilianischen multinationalen Unternehmens in der Schweiz leistet diese Studie einen Beitrag zur Literatur über die Rolle der regionalen Zentralen bei der Internationalisierung von Multilatinas. Sie erklärt auch, wie die Konzernzentrale durch den Einsatz verschiedener Machtmittel, vor allem der Macht über Prozesse und der Macht über Sinngebung, eine Dominanz über die europäische Zentrale erreicht hat.
Roberta Aguzzoli, Ilona Hunek
Multinationale Unternehmen aus Schwellenländern und ihre grenzüberschreitenden Akquisitionen: Globale und regionale Herausforderungen
Zusammenfassung
Ziel dieses Kapitels ist es, eine Bestandsaufnahme des Wissens über grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen (M&A) durch Unternehmen aus Schwellenländern vorzunehmen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf deren M&A-Aktivitäten in wirtschaftlich fortgeschrittenen Märkten liegt. Der jüngste Anstieg der grenzüberschreitenden Übernahmen hat in den Medien viel Aufmerksamkeit erregt, da Übernahmen nicht nur die bevorzugte Form der globalen Expansion von Unternehmen aus Schwellenländern sind, sondern derzeit auch als Instrument zur Erlangung einer globalen und regionalen Vormachtstellung angesehen werden. Die Forschung zu diesem Phänomen steckt noch in den Kinderschuhen und enthält uneinheitliche und manchmal widersprüchliche Erklärungen und Ergebnisse. Darüber hinaus sehen sich multinationale Unternehmen aus Schwellenländern, die in wirtschaftlich fortgeschrittene Märkte expandieren, mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, wobei ihr Herkunftsland, lokaler Widerstand und allgemeines Misstrauen zu Belastungen werden. Die meisten Forschungsarbeiten haben jedoch den Standpunkt der Empfänger der Investitionen multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern eingenommen und sich kaum mit den Herausforderungen multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern befasst. Ziel dieser Literaturübersicht ist es, die bisherige Forschung zu grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen von multinationalen Unternehmen aus Schwellenländern zusammenzufassen und die dabei aufgetretenen Herausforderungen näher zu beleuchten, um das Image der multinationalen Unternehmen aus Schwellenländern bei globalen Investoren zu verbessern und ihre Chancen auf eine erfolgreiche internationale Expansion durch grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen zu erhöhen. Wir befürworten die Anwendung der Signaling-Theorie als theoretisches Instrument, um ein detaillierteres Verständnis des Investitionsverhaltens multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern zu gewinnen.
Ute Heinrichs, Desislava Dikova

Nachhaltigkeit und multinationale Unternehmen in Schwellenländern

Frontmatter
Definition von Nachhaltigkeitskriterien für multinationale Unternehmen in Schwellenländern
Zusammenfassung
In der Literatur und Praxis des interregionalen Wettbewerbs um die Ansiedlung neuer Unternehmen wird in der Regel die Frage vernachlässigt, ob diese Organisationen nachhaltig agieren und ob die Bemühungen um ihre Ansiedlung im Sinne einer langfristigen Existenz nachhaltig sind. Es ist daher notwendig, nicht nur die langfristige Bindung eines Unternehmens an einen bestimmten Standort zu berücksichtigen, sondern auch allgemeine Kriterien für nachhaltige Organisationen, wie ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Darüber hinaus müssen die (regionalen) Zentralen für ihre Tochtergesellschaften und Partner entlang der Wertschöpfungskette verantwortlich gemacht werden. Während klassische Standortanreize kurzfristig neue regionale Zentralen anlocken können, argumentieren wir, dass klassische Nachhaltigkeitskriterien wie Transparenz und Stakeholder:innen-Orientierung Investitionen mit langfristiger Ausrichtung nahelegen. Dies in Verbindung mit Überlegungen zu unternehmensinternen Prozessen führt die Autor:innen zu dem Schluss, dass weiche Standortfaktoren für die Ansiedlung nachhaltig agierender Unternehmen wichtiger sind als harte Standortfaktoren. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen für die Regionalpolitik lauten: die Geschichte des Unternehmens verstehen und sorgfältig auswählen, wen man anspricht; auf langfristige Beziehungen setzen und mit immer neuen Angeboten attraktiv bleiben; Sunk Costs durch Förderung von Investitionen, Vertrauen und Image erhöhen.
Andreas G. M. Nachbagauer, Barbara Waldhauser
Nachhaltige Standortentwicklung: Wie gehen Investitionsförderungsagenturen vor, um nachhaltige ausländische Direktinvestitionen anzuziehen?
Zusammenfassung
Sowohl Schwellenländer als auch OECD-Märkte sind ständig bemüht, ausländische Direktinvestitionen (ADI) anzuziehen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Investitionsförderung immer weiter professionalisiert. In diesem Kapitel werden Best Practices von Investitionsförderungsagenturen identifiziert, die Nachhaltigkeit am effektivsten in ihre ADI-Förderungspolitik integrieren. Das Umfeld der Investitionsförderungsagenturen (IPA) ist derzeit einem raschen Wandel unterworfen, der neue Geschäftsmodelle und -praktiken hervorbringt. Die jüngste Generation von IPAs ist derzeit nur sporadisch in der Welt zu finden: Diese IPAs der vierten Phase berücksichtigen bei ihren Investitionsförderungsaktivitäten mehr oder weniger explizit Nachhaltigkeitskriterien. Solche Nachhaltigkeitskriterien beziehen sich auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Faktoren.
Andreas Breinbauer, Johannes Leitner, Katharina Becker
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung als Leitlinie für multinationale Unternehmen
Zusammenfassung
Es gibt eine zunehmende Anzahl von verschiedenen Rahmenwerken und Richtlinien, um die Nachhaltigkeit multinationaler Unternehmen zu bewerten. Dazu gehören auch die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Seit Januar 2016 sind alle öffentlichen und privaten Organisationen, einschließlich multinationaler Unternehmen, aufgefordert, gemeinsam an der Erreichung von 17 globalen Zielen zu arbeiten, einschließlich gemeinsamer Anstrengungen zur Messung und Berichterstattung über ihre Fortschritte. In diesem Artikel wird untersucht, inwieweit multinationale Unternehmen dieser Aufforderung nachgekommen sind, wie sie die SDGs als Richtschnur nutzen und ob diese Nutzung eine zuverlässige Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit multinationaler Unternehmen bieten kann. Der erste Teil des Papiers beschreibt die Einbettung der SDGs in den Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements, insbesondere in die Berichterstattung, und wie sich dieser Rahmen in den letzten Jahren verändert hat. Der zweite Teil fasst die wichtigsten Ergebnisse aktueller Umfragen und Studien über die Nutzung der SDGs durch multinationale Unternehmen zusammen. Im dritten Teil werden die Ergebnisse der eigenen Studie des Autors über die SDG-Berichterstattung der 100 größten globalen Unternehmen vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob und wie multinationale Unternehmen ein modernes Nachhaltigkeitsmanagement betreiben und ob ihre Berichterstattung einen strategischen Ansatz zu den SDGs widerspiegelt.
Leo Hauska

Globale Arbeitsbedingungen im Wandel

Frontmatter
Auswirkungen chinesischer multinationaler Unternehmen auf globale Arbeitsbedingungen und europäische Strategien
Zusammenfassung
Die arbeitsintensive Produktion war in den letzten Jahren die Hauptantriebskraft für Chinas wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig wurden die Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken genau beobachtet, da eine zunehmende Anzahl von Verstößen gemeldet wurde. Zu den Verstößen gehören lange Arbeitszeiten, unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit und Kinderarbeit. Diese Probleme führten auch zu einer steigenden Zahl von Streiks und einer hohen Zahl von Selbstmorden (siehe u. a. Chan und Pun Asia Pac J 8(37):2–10, 2010; China Labor Watch, The other side of fairy tales – an investigation of labour conditions at five Chinese toy factories, 2015).
Während ausländische Direktinvestitionen (FDI) aus Industrieländern früher die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft gefördert haben, hat China in den letzten Jahren stark in andere Volkswirtschaften investiert. Es stellt sich daher die Frage, ob chinesische FDI auch zu einem „Export“ schlechter Arbeitsbedingungen geführt haben. Mögliche Auswirkungen auf Europa stehen im Mittelpunkt der Diskussion, da die europäischen Volkswirtschaften seit dem globalen Finanzeinbruch 2008/2009 um FDI-Zuflüsse bemüht sind.
Ausgehend von der theoretischen Unterscheidung zwischen Varianten des Kapitalismus, die in diesem Beitrag auf Schwellenländer angewandt wird, und den Merkmalen chinesischer multinationaler Unternehmen werden die Rolle des Staates und die Merkmale des institutionellen Umfelds, z. B. die chinesische Lohnverhandlungsstruktur, erläutert. Außerdem werden die Erfahrungen aus früheren Expansionsphasen chinesischer Unternehmen mit der Situation in Europa verglichen.
Nathalie Homlong, Elisabeth Springler
Chinesische Investitionen in Deutschland: Fluch oder Segen?
Zusammenfassung
China kauft Deutschland auf, „Chinas Firmenkäufe in Deutschland laufen heiß“. Nicht nur wegen solcher Schlagzeilen machen chinesische Investoren in Deutschland in letzter Zeit von sich reden. Einerseits gibt es Rekordgeschäfte – das Tempo der Übernahmen hat sich so beschleunigt, dass im Durchschnitt jede Woche ein deutsches Unternehmen in chinesischen Besitz übergeht. Andererseits gab es Anfang 2018 Arbeitsplatzverluste bei Firmen wie der LEDVANCE GmbH (ehemals OSRAM GmbH) und KUKA. Insider sprechen von einer Übernahmewut chinesischer Investoren in Deutschland und erwarten weitere Zukäufe. In der deutschen Wirtschaft und Politik (wie auch in der Europäischen Union) gibt die Übernahmewelle Anlass zur Sorge. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen: Was sind die Gründe für Übernahmen in Deutschland? Ändert sich das Verhalten der chinesischen Investor:innen? Ist das Bild chinesischer Investor:innen in Deutschland durch die Fälle LEDVANCE oder KUKA massiv getrübt? Zur Beantwortung dieser Fragen fasst dieser Beitrag zum einen neuere Analysen chinesischer Investitionen in Deutschland zusammen und stützt sich zum anderen auf die Erfahrungen von Betriebsrät:innen und Expert:innen der Mitbestimmung in Deutschland, die von diesen Übernahmen direkt betroffen sind.
Oliver Emons

Regionale Expansionsstrategien in Europa

Frontmatter
Die chinesische Belt and Road Initiative und ihre Auswirkungen auf Europa
Zusammenfassung
Die Belt and Road Initiative (BRI) wird meist mit einem gigantischen Infrastrukturprojekt in Verbindung gebracht, das China mit Europa verbindet. Dieser Artikel zeigt, dass seit ihrer Gründung klar ist, dass sie viel mehr ist: eine Einladung Chinas an den Rest der Welt, auf verschiedenen Ebenen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu kooperieren. Chinesische Politiker:innen argumentieren, dass damit eine „Win-Win“-Situation und eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen geschaffen werden soll. Die Hauptziele sind ein langfristiges Wirtschaftswachstum durch die Umwandlung Chinas in eine innovationsgetriebene Wirtschaft, ein stärkerer Einfluss im Rahmen der globalen politisch-wirtschaftlichen Architektur, ein besserer Zugang zu Energie und Ressourcen sowie eine größere politische Stabilität, insbesondere in den Nachbarländern. Der Infrastruktursektor ist nur eine von mehreren Prioritäten der BRI, aber die sichtbarste. In diesem Zusammenhang adressiert die BRI die objektive Notwendigkeit, das Verkehrs- und Transportnetz zu verbessern, auch in Europa. Eine schnellere und kostengünstigere Infrastruktur ist eine wichtige Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand und kann indirekt zu wirtschaftlicher Stabilität in politisch instabilen Regionen führen. BRI-Investitionen könnten somit auch eine Art „Friedensdividende“ bringen. In der Zusammenschau mit anderen chinesischen Strategien und Pläne kann gezeigt werden, dass sechs Jahre nach dem Start der BRI eine Asymmetrie und eine Einseitigkeit zugunsten der chinesischen Seite besteht. Der Mangel an Reziprozität – nicht nur bei Investitionen – ist eine Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Europa. Eine konsequente und koordinierte europäische Strategie im Umgang mit der BRI und ihrer Umsetzung ist das Gebot der Stunde.
Andreas Breinbauer
Multinationale Unternehmen aus Lateinamerika: Eine Analyse ihrer Expansionsstrategien in Europa
Zusammenfassung
Zahlreiche lateinamerikanische multinationale Unternehmen haben in den letzten Jahren in Europa investiert. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Expansionsstrategien lateinamerikanischer multinationaler Unternehmen in Europa. Er befasst sich mit lateinamerikanischen multinationalen Unternehmen aus drei Ländern und bettet die Analyse ihrer Expansionsprozesse in den breiteren Kontext der nationalen Entwicklungsverläufe ein. Insbesondere werden die drei wichtigsten Herkunftsländer in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen, Brasilien, Mexiko und Chile, analysiert. Es wird festgestellt, dass die Strategien lateinamerikanischer Unternehmen aus diesen Ländern sehr unterschiedlich sind und die Gesamtdynamik der Expansion eng mit den Entwicklungsprozessen der jeweiligen Länder zusammenhängt. Darüber hinaus werden in diesem Kapitel mögliche Strategien für nationale und regionale Behörden erörtert, die an der Ansiedlung lateinamerikanischer multinationaler Unternehmen interessiert sind. Dies hat wichtige Implikationen für regionale europäische Standort- und Entwicklungsstrategien.
(Wesentliche Teile dieses Kapitels basieren auf Jäger und Bauer (2017): Transnational Investment Strategies of Latin American Multinationals: Implications and opportunities for Europe/Austria/Vienna, veröffentlicht in Wirtschaft & Management).
Johannes Jäger
Multinationale Unternehmen aus Russland und der Türkei
Zusammenfassung
Im Dezember 2018 befanden sich in Österreich 377 Headquarters oder regionale Zentralen von multinationalen Unternehmen. Der Großteil dieser Headquarters gehört zu multinationalen Unternehmen mit Sitz in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland, Italien, den USA oder Japan. Eine wachsende Zahl von Investitionen stammt jedoch von Unternehmen, die als „multinationale Schwellenländer“ bezeichnet werden. Dieses Kapitel wirft einen genaueren Blick auf die Türkei und Russland und fragt, wie Österreich als Wirtschaftsstandort von Manager:innen aus diesen beiden Ländern wahrgenommen wird. Die Ergebnisse der qualitativen Interviews zeigen, dass türkische und russische Manager:innen ein eher negatives Bild von Österreich haben.
Während türkische Investor:innen Märkte in der Umgebung Österreichs wie Deutschland, Frankreich oder die Schweiz bevorzugen, schätzen russische Manager:innen die politische Stabilität in Österreich, die traditionellen und gut etablierten Beziehungen zu Russland und Österreich als Drehscheibe für den Zugang sowohl zu Westeuropa als auch zu Mittel- und Osteuropa.
Andreas Breinbauer, Johannes Leitner

Schlussfolgerungen

Frontmatter
„Intelligente öffentliche Standortpolitik“: Eine politische Stellungnahme zu multinationalen Unternehmen aus Schwellenländern in Europa
Zusammenfassung
Mit der Expansion multinationaler Unternehmen aus Schwellenländern nach Europa werden westliche Dominanz, offener Regionalismus und etablierte Standards der Nachhaltigkeit auf den Prüfstand gestellt. Eine intelligente öffentliche Standortpolitik kann zu einer für alle Seiten vorteilhaften und nachhaltigen Entwicklung beitragen. Wir schlagen vor, dass eine intelligente Standortpolitik mit der Identifizierung und Auswahl multinationaler Unternehmen im Einklang mit der regionalen Wirtschaftsstruktur und mit langfristigen Entwicklungszielen beginnt. Die Bewertung muss auf Makro- (z. B. Reziprozität, Rolle des Staates), Meso- (Kompatibilität mit regionalen wirtschaftspolitischen Strategien, Beitrag zur Innovation und zur ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit) und Mikroebene (Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen, spezifischer politischer und wirtschaftlicher Hintergrund) erfolgen. Darüber hinaus sollten multinationale Unternehmen bei der Anpassung an europäische Standards und der Integration in lokale Netzwerke unterstützt werden.
Andreas Breinbauer, Johannes Jäger, Andreas G. M. Nachbagauer
Metadaten
Titel
Multinationale Unternehmen aus Schwellenländern und Europa
herausgegeben von
Andreas Breinbauer
Louis Brennan
Johannes Jäger
Andreas G. M. Nachbagauer
Andreas Nölke
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-031-28348-2
Print ISBN
978-3-031-28347-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-031-28348-2

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