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Erschienen in: e+i Elektrotechnik und Informationstechnik 6/2023

Open Access 06.10.2023 | Originalarbeit

Roboterbasierter 3D-Druck mit neuen Dimensionen

verfasst von: Mathias Brandstötter, Sandra Petersmann, Julian Bosch

Erschienen in: e+i Elektrotechnik und Informationstechnik | Ausgabe 6/2023

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Zusammenfassung

Der roboterbasierte 3D-Druck ermöglicht neue Dimensionen der additiven Fertigung. Im Gegensatz zu herkömmlichen 3D-Druckern, die in der Regel auf einem festen Druckbett arbeiten, wird ein Roboterarm als Bewegungsplattform verwendet. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in Bezug auf Designfreiheit, Material- und Prozessvielfalt. Da Roboterarme komplexe Bewegungen ausführen können, sind sie in der Lage, 3D-Objekte mit sehr komplexen Strukturen und Geometrien zu drucken, die Notwendigkeit von Stützmaterial zu reduzieren oder zu eliminieren sowie eine Vielzahl von Materialien zu verarbeiten, darunter auch solche mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, wie Elastomere, Metalle oder Verbundwerkstoffe. Das Druckverfahren kann je nach Material und Anforderungen angepasst werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, ein breites Spektrum von Anwendungen zu optimieren, insbesondere im Hinblick auf Design, Funktionsintegrität und Prozessoptimierung.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Materialien und Methoden

Im Vergleich zum konventionellen 3D-Druck liegen die Hauptvorteile des robotergestützten 3D-Drucks in der Skalierbarkeit und Flexibilität, auch wenn dies häufig mit einem Verlust an Genauigkeit und Präzision sowie mit einem höheren Programmieraufwand einhergeht. Bei der robotergestützten additiven Fertigung kann je nach Anwendung und Anforderungen eine breite Palette unterschiedlicher Materialien und Verfahren eingesetzt werden. Zu den verarbeitbaren Werkstoffen gehören u.a. Polymere, Metalle, Keramiken sowie Verbundwerkstoffe und biobasierte Materialien. In Bezug auf Polymere können Thermoplaste wie Polylactid (PLA), Poly(acrylnitril-co-butadien-co-styrol) (ABS) oder thermoplastisches Polyurethan (TPU), aber auch Hydrogele wie Poly(ethylenglykol)diacrylat (PEGDA) eingesetzt werden [1].
Bei den Metallen werden vorwiegend Edelstahl, Titan, Aluminium oder Kupfer verwendet, bei den Keramiken Aluminiumoxid oder Zirkoniumdioxid. Durch den europäischen Green Deal gewinnt aber vor allem die Verarbeitung von biobasierten Materialien immer mehr an Bedeutung. Dies ist auch mit robotergestütztem 3D-Druck möglich, und es können biobasierte Materialien wie Zellulose oder Chitosan verarbeitet werden. Elise Elsacker et al. [2] haben beispielsweise die roboterbasierte additive Fertigung mit lebendem Myzelmaterial von Pilzen untersucht und einen Extruderkopf dafür entwickelt. Während der Studie wurden Parameter wie die Konzentration der Inhaltsstoffe, der Einfluss des Autoklavierens und der Zeit auf die Viskosität, der Extrusionsdruck, die Geometrie der Werkzeugbahn, die Düsengröße, die Druckgeschwindigkeit und das Myzelwachstum im Detail untersucht, um einen Leitfaden für dessen Verarbeitung zu erstellen. Darüber hinaus wird auch der robotergestützte 3D-Druck von Verbundwerkstoffen wie kohlenstofffaserverstärkten (CFK) oder glasfaserverstärkten Polymeren (GFK) in der Literatur ausführlich diskutiert. Hetal Parmar et al. [3] stellten fest, dass es bereits eine Vielzahl von Übersichtsarbeiten zu diesem Thema gibt, die sich mit den verschiedenen Arten von Automatisierungsprozessen, Kooperationssystemen, Aerostrukturen, Bahnplanung, prozessbedingten Fehlern, Materialhandhabung und Online-Überwachungssystemen befassen.
Da es eine riesige Vielfalt an Materialien gibt, die verarbeitet werden können, ist es klar, dass auch viele verschiedene Verarbeitungsmethoden eingesetzt werden. Je nach Material kommen unterschiedliche Drucktechnologien und demnach Druckköpfe zum Einsatz (Abb. 1). Bei Polymeren wird meist die additive Fertigung durch Materialextrusion (MEX) eingesetzt. Dabei wird der thermoplastische Kunststoff (meist in Form von Filamenten aber auch immer häufiger als Pellets/Granulat) aufgeschmolzen und Schicht für Schicht durch eine Düse auf eine Plattform extrudiert. Andere Polymersysteme können beispielsweise durch den Tintenstrahldruck verarbeitet werden. Hierbei wird das Material im flüssigen Zustand schichtweise in Form von Tröpfchen auf eine Plattform aufgetragen. Dabei unterscheidet man weiteres zwischen den Methoden Drop-on-Demand (DoD), bei dem Tintentropfen gezielt auf die Bauplattform fallen, und Continuous Inkjet (CIJ), bei dem die Tinte in einem kontinuierlichen Strahl auf die Bauplattform gesprüht wird. Verwendet man Polymere in Pulverform, kommt das Selektive Lasersintern (SLS) ins Spiel. Hier wird ein Laserstrahl verwendet, um das Material schichtweise aufzuschmelzen. Keramiken werden hauptsächlich im Pulverbettverfahren (Powder Bed Fusion, PBF) verarbeitet, welches ähnlich ist zum SLS Verfahren für Kunststoffe. Bei Metallen kommen hauptsächlich das Selektive Laserschmelzen (Selective Laser Melting, SLM), das Elektronenstrahlschmelzen (Electron Beam Melting, EBM) oder die gerichtete Energieabscheidung (Directed Energy Deposition, DED) zur Anwendung. Bei den ersten beiden Methoden wird das Metallpulver entweder per Laser oder per Elektronenstrahl Schicht für Schicht aufgeschmolzen und verfestigt. Bei der gerichteten Energieabscheidung wird das Metall meist in Form eines Drahts verarbeitet. Laser Metal Deposition (LMD) und Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) sind zwei gängige DED-Methoden [4]. Diese Liste soll einen Überblick geben und ist nicht vollständig, da der roboterbasierte 3D-Druck heutzutage ein breites Forschungsthema ist und fast täglich neue Materialien oder Technologien dafür entwickelt oder getestet werden.

2 Neue Dimensionen durch hohe Designfreiheit

Der Einsatz von Robotern im 3D-Druck eröffnet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, die über die herkömmlichen Verfahren hinausgehen [5]. Insbesondere die Erweiterung der Freiheitsgrade durch ein Robotersystem mit mehr als 3 Achsen ermöglicht es, komplexe Strukturen mit hoher Präzision zu fertigen. Im Fokus dieses Abschnitts steht hier die roboterbasierte Materialextrusion, bei der das geschmolzene Polymer direkt durch die Düse aufgetragen wird. Im Folgenden wird darauf eingegangen, welche neuen Druckstrategien durch die Erweiterung an Freiheitsgraden im roboterbasierten 3D-Druck ermöglicht werden.
Planarer Druck (Abb. 2a)
Der konventionelle Prozess des 3D-Drucks kann als 2,5D-Druckverfahren bezeichnet werden, da er auf dem schichtweisen Ablegen von Material basiert. Dieser Ansatz führt zu einer stufenartigen Struktur, die als „Treppeneffekt“ bekannt ist [6]. Die Auswirkungen des Treppeneffekts auf die Oberflächenbeschaffenheit sind nachteilig, insbesondere in flachen oder konkaven Bereichen, wo die Unregelmäßigkeiten besonders deutlich sichtbar sind. Darüber hinaus erfordert das Vorhandensein von Überhängen mit einem Winkel von mehr als 45° zusätzliches Stützmaterial, da sich das Material sonst in der Luft absetzen und aufgrund der Schwerkraft nach unten fließen würde.
Nicht-planarer Druck (Abb. 2b)
Beim nicht-planaren Druck kann durch die Integration von mindestens fünf Freiheitsgraden in ein Drucksystem eine präzise Ausrichtung der Düse im optimalen Winkel von rund 90° zum Bauteil erreicht werden [7]. Dies ermöglicht spezielle Druckstrategien, um den Treppeneffekt und den Bedarf an Stützmaterial zu reduzieren oder sogar zu vermeiden. Mit Hilfe von nicht-planaren Druckstrategien, die zusätzlich zu den beiden Rotationsachsen auch eine variable Schichthöhe erfordern, können Bauteile mit Überhängen oder Hinterschneidungen ohne den Einsatz von Stützmaterialien hergestellt werden. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Strategie ist die Produktion von gebogenen Rohren. Eine weitere Methode, um Überhänge ohne Stützmaterial zu drucken, ist die Anwendung des 45°-Winkeldrucks, bei dem der Stufeneffekt im Vergleich zum konventionellen 3D-Druck um 45° gedreht ist [8].
Eine weitere Möglichkeit Bauteilen mit nicht-planaren Oberflächen ohne Auftreten des Treppeneffekts zu erzeugen, wird durch die Variation der Schichthöhe und die schrittweise Anpassung der Endkontur erreicht, um eine glatte Oberfläche zu erzeugen [9].
Eine sogenannte „multi-planare“ Strategie stellt der Rotationsdruck dar. Dabei werden Konturen oder Ummantelungen unter Einbeziehung einer zusätzlichen Rotationsachse gedruckt. Diese Strategie erweist sich als äußerst interessant, beispielsweise zur Faserummantelung komplexer Geometrien oder zur Herstellung von röhrenförmigen medizinischen Gerüsten mit maßgeschneiderten mechanischen Eigenschaften [10].
Insgesamt ergibt sich aus der aktuellen Technologieentwicklung, dass der roboterbasierte 3D-Druck eine vielversprechende Weiterentwicklung der konventionellen Druckverfahren darstellt, welche durch eine erhöhte Anzahl an Freiheitsgraden eine höhere Komplexität der hergestellten Bauteile ermöglicht. Allerdings sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere im Bereich der Pfadplanung, wie exemplarisch die Arbeit von Yamin Li et al. [11] zeigt.

3 Potentiale des roboterbasierten 3D-Drucks

Der robotergestützte 3D-Druck bietet neue Dimensionen, wenn es um Gestaltungsfreiheit, Flexibilität, Nachhaltigkeit, Geschwindigkeit und Materialvielfalt geht. Allerdings ist die Schnittstelle zwischen der Robotersteuerung und der Druckprozesssteuerung noch herausfordernd. Zurzeit gibt es mehrere aktive Forschungsarbeiten, welche das Ziel verfolgen, neue Druckstrategien zu entwickeln und die Effizienz sowie Genauigkeit der Pfadplanung zu verbessern, um den 3D-Druckprozess weiter zu optimieren und das Anwendungsspektrum zu verbreitern.
Ein aktuell hervorstechendes Thema ist der 3D-Druck im Bau, der sich durch seine enormen Arbeitsraumanforderungen von anderen Anwendungsgebieten deutlich absetzt. Hierbei wird versucht, das Druckverfahren nicht nur als eigenständige Lösung zu nutzen, sondern in einem integrativen Prozess mit konventionellen Verfahren zu verbinden. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für effizienteres und nachhaltigeres Bauen, indem der 3D-Druck als ergänzende Technologie fungiert [12, 13]. Mobile Robotersysteme ermöglichen die Produktion von Bauteilen direkt vor Ort. Das bedeutet, dass weniger vorgefertigte Bauteile über weite Strecken transportiert werden müssen, was die CO2-Emissionen durch den Transport reduziert. Darüber hinaus kann der Bauprozess durch den Ersatz einiger manueller Schritte beschleunigt werden, und die größere Gestaltungsfreiheit ermöglicht eine optimierte Gebäudeplanung [14].
Beim roboterbasierten 3D-Druck kann das Material direkt auf eine Oberfläche aufgetragen werden, was die Möglichkeit eröffnet, mit einer breiteren Palette von Materialien zu arbeiten. Dieses Potenzial wird genutzt um bspw. Tinte oder Leiterbahnen direkt und präzise auf Freiformflächen aufzutragen [15]. Die Herstellung von funktionalen Oberflächen, z. B. auf Kleidung [16], wird dadurch realisierbar.
Wird ein Robotersystem als Mehrzweckmaschine gedacht, dann lassen sich neben dem Druckprozess weitere Schritte bei der Bauteilherstellung vereinen. Die Handhabung, die Kombination von additiver und subtraktiver Fertigung, die automatisierte Entfernung von Stützstrukturen und die Oberflächennachbarbeitung seien exemplarisch genannt. Das Potential des roboterbasierten 3D-Drucks liegt also in der Erweiterung der Möglichkeiten für die Herstellung großer, komplexer Objekte, der Kostenersparnis, der Automatisierung, der Anpassungsfähigkeit und der Vielseitigkeit in verschiedenen Branchen.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
Metadaten
Titel
Roboterbasierter 3D-Druck mit neuen Dimensionen
verfasst von
Mathias Brandstötter
Sandra Petersmann
Julian Bosch
Publikationsdatum
06.10.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
e+i Elektrotechnik und Informationstechnik / Ausgabe 6/2023
Print ISSN: 0932-383X
Elektronische ISSN: 1613-7620
DOI
https://doi.org/10.1007/s00502-023-01163-z

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