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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

10. Umbrüche II: Polyphoner Widerstand

Lernen von den Künsten

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Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag untersucht den Begriff digitaler Widerstand im Kontext künstlerischer Praktiken. Dabei zeigt sich, dass zeitgenössische künstlerische Ansätze mit kommunikativen Überraschungen arbeiten. Sie setzen auf eine Polyphonie von Stimmen und Positionen. Statt bloßem Protest werden Wahrnehmungsangebote formuliert, die erst durch den Dialog mit Rezipient:innen ihre Wirkungskraft entfalten. Dieser polyphone Widerstandsansatz wird als Prinzip in Internet-Communities und Peer-to-Peer-Kommunikationen wiederentdeckt und als übertragbares Prinzip beschrieben.

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Fußnoten
1
Kommunikative Überraschung wird hier also definiert als eine Form einer Aufmerksamkeit stimulierenden Kommunikation, die sich nicht auf Prozesse der Konsensaushandlung konzentriert, sondern auf das Formulieren von Positionen, die zu aktiver Modifikation, Kommentierung oder Widerspruch reizen. Dabei können Elemente wie Unterhaltung, Vergnügen oder Erkenntniserweiterung ein wichtiger Bestandteil sein.
 
2
Aktionen wie der Bau der Ecofavela durch das Künstlerkollektiv Baltic Raw auf Kampnagel in Hamburg weisen in diese spannende Richtung. Hier wurden die Ideen, Bedürfnisse, Positionen der Flüchtlinge miteinbezogen; es ging um die Schaffung einer ‚Community‘, in der Widerstand als Form von Aktivierung und Ermächtigung funktioniert. Auf Kampnagel hieß das konkret: das Bauen einer Unterkunft, gemeinsam konzipiert und durchgeführt mit Flüchtlingen, die als Wohn- und Kreativraum dient (Kampnagel 2014). Ungeachtet der bestehenden Rechtsvorschriften bezüglich der Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge, agierte Kampnagel mit einem Überraschungseffekt, der wohl kalkuliert die gängigen Integrationsrhetoriken auf den Kopf stellte. Die gemeinsame Arbeit, das symbolische Darstellen eines kooperativen Ansatzes sowie die ungewöhnliche Form der künstlerischen Intervention, zeigten eine wirkungsvolle und zugleich spielerische Form von Widerstand.
 
3
Der Berliner Verein Board of Participation – Verein für kulturelle Partizipation und Bildung e. V. (BoP) organisierte beispielsweise Kultur- und Bildungsangebote für Flüchtlinge, bei denen es um ein „Empowerment“ der Betroffenen ging, d. h., Flüchtlinge wurden dialogisch dazu aufgefordert, ihre eigenen Positionen so zu beschreiben, dass sie sichtbar in den Gesellschaften ihrer Herkunftsländer werden (BoP o. J.).
 
4
Beispielhaft für Griechenland kann hier das Athener Medea Electronique Center angeführt werden, eine Künstler-Kooperation, die mit einer engen kollaborativen Abstimmung immer wieder innovative Projekte auf den Weg bringt. “Comprising of a wide range of individual artists working collectively under the Medea Electronique name, we share a predisposition for innovation in the performing arts. Working in fields like music, video, design, painting, multimedia, robotics, interactive technology and media production, we allow the integration of our distinctive areas of research and practice to define a unique style in the realisation of our collective projects – these range from multimedia theatrical plays to experimental audiovisual shows, and from improvised noise music through to field recording and electroacoustic composition.“ (Medea Electronique 2015).
 
5
Dabei wird gerade in der deutschen Pressegeschichte deutlich, etwa in der Revolutionszeit in den Jahren rund um 1848, als Zeitschriften wie Freikugel, Fliegende Blätter oder Kladderadatsch mit ihren Karikaturen, Zeichnungen, Bildern und Ironisierungen ein sehr viel größeres Publikum erreichten als die gängigen Revolutionsschriften, jedoch eben mit den Mitteln einer spezifisch humorvollen Kommunikation (Engehausen 2007).
 
6
Vgl. hier auch die Arbeiten von Michael Bachtin und der widerständigen Kraft des Lachens (Bachtin 1990).
 
7
Die hier vorliegende Form von Kooperation unterscheidet sich auch deutlich von jenen Rhetoriken der Solidarität, die Richard Sennett als ein Problem des 20. Jahrhunderts definiert hat. Solidarität ist seiner Auffassung nach immer auch ein ideologischer Zwang (Sennett 2015). Im Feld von Kooperationen darf es aber auch um den persönlichen Nutzen gehen. Im Bereich solcher Meme wäre das unter anderem die Anerkennung, die kreative Meme-Erfinder in der Netz-Community genießen, gerade weil sie kooperativ ihr Material zur Verfügung stellen und Wirkung entfalten.
 
8
Vgl. Dokumentation des Bhopal Projektes in: The Yes Men Fix the World (2012).
 
9
Ebd.
 
10
Vgl. Tom Galle Online (o. J.)
 
11
Ich beziehe mich hier auf die Sichtweise von Mark Terkessidis, der den Begriff Kollaboration in Abgrenzung zum Begriff Kooperation sieht. Für ihn stellt Kollaboration einen Prozess dar, bei dem sich alle Beteiligten nicht nur zu einer Zusammenarbeit zusammenfinden (Kooperation), sondern sich auch verändern (Terkessidis 2015).
 
Metadaten
Titel
Umbrüche II: Polyphoner Widerstand
verfasst von
Ayad Al-Ani
Gernot Wolfram
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37947-6_10

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