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11.05.2023 | Energiewende | Interview | Online-Artikel

Neues EnWG schiebt die Stromwende auf

verfasst von: Frank Urbansky

4:30 Min. Lesedauer

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Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz soll eigentlich ein weiterer Meilenstein hin zu einer grünen Stromversorgung sein. Dirk Kaisers von Eaton sieht jedoch eher einen Aufschub.

Die neue Fassung des § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), das mit Beginn des Jahres 2023 in Kraft trat, sieht eine Reduzierung der Netzentgelte für Verbraucher vor, die mit dem Netzbetreiber eine Vereinbarung über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen oder von Netzanschlüssen mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen abgeschlossen haben.

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Doch die Novelle ist eher dafür geeignet, Reformen auf Verteilnetzebene weiter aufzuschieben. Warum das so ist, erklärt Dirk Kaisers, Segment Leader Distributed Energy Management EMEA bei Eaton.

springerprofessional.de: Warum ist der §14a EnWG ein zentraler Bestandteil der Energiewende und welche Auswirkungen hat er?

Dirk Kaisers: §14a EnWG zielt auf flexible Lasten und Assets ab und ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Die neue Bundesregierung hat dies erkannt und es elegant an die BNetzA organisiert. Der Entwurf würde jedoch Verteilnetzbetreibern Zeit geben, um die Netzinfrastruktur auszubauen, anstatt aktiv an der Energiewende teilzunehmen, und das Thema von Netzvariablen, Netzentgelten und Tarifen auf 2029 schieben, ohne Druck auf Verteilnetzbetreiber auszuüben. Der Entwurf unterscheidet auch zwischen großen Anlagen wie Windparks und Solaranlagen, die in Hochspannungsnetzen betrieben werden, und Anlagen in Mittelspannungsnetzen, die sich auf die meisten PV-Anlagen beziehen.

Ihrer Meinung nach sind die hier in der Verantwortung stehenden Verteilnetzbetreiber nicht auf die Energiewende vorbereitet…

Verteilnetzbetreiber haben historisch gesehen hauptsächlich dafür gesorgt, dass Strom vom Hochspannungsnetz in das Mittelspannungsnetz und schließlich zum Endverbraucher gelangt. Sie haben jedoch keine Erfahrung im Umgang mit erneuerbaren Energiequellen und der Integration von dezentralen Energieerzeugern und -verbrauchern. Das hat dazu geführt, dass sie nicht ausreichend auf die Energiewende vorbereitet sind.

Wie kann Bidirektionalität, die ja Teil der neuen Stromwelt sein soll, zur Netzstabilisierung beitragen?

Bidirektionalität bedeutet, dass Energie in beide Richtungen fließen kann, also nicht nur vom Netz zum Verbraucher, sondern auch umgekehrt. Dies ermöglicht es zum Beispiel, dass Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Solaranlagen ins Netz eingespeist werden kann. Bidirektionalität kann zur Netzstabilisierung beitragen, indem sie es den Netzbetreibern ermöglicht, die Energieversorgung besser zu steuern und auf Angebot und Nachfrage zu reagieren. Hier treffen zwei grundlegende Lobbygruppen aufeinander: die Verteilnetzbetreiber, die sich auf die Elektrifizierung und Bidirektionalität konzentrieren, und die Automobilindustrie, die derzeit nur Feldversuche durchführt. Netzbetreiber setzen Bidirektionalität nicht immer um, weil sie noch keine Erfahrung damit haben und auch die technischen Voraussetzungen für eine vollständige Umsetzung noch nicht gegeben sind. Zudem gibt es auch noch regulatorische Hürden, die überwunden werden müssen, damit Bidirektionalität vollständig implementiert werden kann.

Welche Vorteile hätten denn Verteilnetzbetreiber bei der Umsetzung von §14a EnWG?

Durch die Umsetzung von §14a EnWG können Verteilnetzbetreiber die Flexibilität in ihrem Netzwerk erhöhen und somit das Stromnetz stabiler machen. Damit können sie ihr Netzwerk besser auslasten und somit Kosten senken.

Wie könnte eine gerechtere Regelung aussehen?

Eine Möglichkeit wäre die Eröffnung eines lokalen Marktes für Flexibilität, der freie Teilnahme ermöglicht und auf den Verteilnetzbetreiber zurückgreifen können, um das Netz zur Verfügung zu stellen. Die Vergütung könnte attraktiv sein, insbesondere auf lokaler Ebene, um Energiegemeinschaften zu fördern.

Was sind konkrete Zielvorgaben für die Digitalisierung der Energiewende und wie können Energiegemeinschaften auf lokaler Ebene zur Stabilisierung des Netzes beitragen?

Die Digitalisierung der Energiewende hat als Zielvorgabe, ab 2025 eine verpflichtende Einführung des Smart Meter Gateways und eine Messung des Energieverbrauchs auf digitalem und elegantem Wege zu gewährleisten. Energiegemeinschaften auf lokaler Ebene könnten dazu beitragen, das Netz zu stabilisieren, indem sie verschiedene vorhandene Assets wie Speicher, Wärmepumpen und Ladesäulen nutzen und sich freiwillig organisieren.

Eine mögliche Lösung wäre die Organisation auf lokaler Ebene und die Schaffung attraktiver Anreize für die freiwillige Teilnahme. Der Regelenergiemarkt wird als sinnlos angesehen. Energiegemeinschaften hingegen wurden etwa in Spanien bereits erfolgreich eingeführt. Es wird jedoch diskutiert, wie Verteilnetzbetreiber vergütet werden sollten, insbesondere wenn sie nur noch als Backup fungieren, und welche anderen Funktionen sie übernehmen könnten.

Doch es gibt hier noch mehr Baustellen. Das Eichrecht und die Einführung des Smart Meter Gateways wurden in der Vergangenheit als Overengineering betrachtet. Die Idee, die Messung des Energieverbrauchs auf eine digitale und elegante Art und Weise zu lösen, wurde dennoch weiterverfolgt und parallel zum Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende umgesetzt. Es gibt jedoch immer noch Bedenken hinsichtlich der Bürokratisierung und der Flexibilität, die bei der Umsetzung berücksichtigt werden müssen.

Wer könnte aus Ihrer Sicht derzeit Einfluss auf den Entwurf nehmen?

Die Automobilindustrie – sicher. Aber es gibt auch Rückmeldungen von der Bundesnetzagentur und eine Diskussion darüber, wie neue Rahmenbedingungen für die Energiewende geschaffen werden können, um mit der schnellen technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Und: Bei der BNetzA gab es 5.600 Rückmeldungen zum Gesetz. Es gibt also einiges an Konfliktpotenzial.

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