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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Die ökonomische Dimension von Betrug und Missbrauch in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Bedeutung des „verhinderten Schadens“

verfasst von : Franz Benstetter, Dominik Schirmer

Erschienen in: Das Gesundheitswesen und seine volkswirtschaftliche Bedeutung

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Durch die Coronakrise deutlich verschärft steigen in den Gesundheitsmärkten die Gesundheitsausgaben stärker als das Wirtschaftswachstum. Um eine hochwertige und bezahlbare medizinische Versorgung auch zukünftig sicherstellen zu können, müssen die Kranken- und Pflegekassen in der Lage sein, auf Betrug und Missbrauch basierte Leistungen zu erkennen, ihr Ausmaß zu schätzen und weitgehend zu eliminieren oder – noch besser – zu verhindern.
Damit Kosten-Nutzen-Analysen von Maßnahmen zur Aufdeckung und Vermeidung von Betrug im Gesundheitswesen durchgeführt werden können, sind nicht nur die Höhe der gesicherten Forderungen, sondern auch die Höhe des entstandenen Schadens und des verhinderten Schadens unabdingbare Kennzahlen. Nur so kann das nach wie vor weitgehend unklare Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen aus dem Dunkelbereich genommen und sichtbar gemacht werden.
Deshalb analysiert und prüft der vorliegende Buchbeitrag anhand von Beispielen des öffentlichen Sektors in Großbritannien die organisatorischen Voraussetzungen und Übertragungspotenziale zur Berechnung des verhinderten Schadens für die Fehlverhaltensbekämpfung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland.

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Fußnoten
1
Unveröffentlichte Berechnungen von Dominik Schirmer, 2020. Zusätzlich wurden Interviews mit Expertinnen und Experten verschiedener Krankenkassen zur Erfassung und Berechnung der entstandenen Schäden geführt, um eine Einschätzung zur Homogenität/Heterogenität des Vorgehens zu erhalten. Um in diesen Interviews eine offene Einschätzung sicherzustellen, wurde den Interviewten ein Verzicht auf eine namentliche Nennung zugesichert.
 
2
Die Präventionsmaßnahmen durch das Schadensmanagement der GKV und SPV können sich nachhaltig oder z. T. nur temporär auswirken, oder können als „Kompensation“ (Target-Income Hypothese) sogar weiteres betrügerisches und verschwenderisches Verhalten von Leistungserbringern und Versicherten nach sich ziehen. Generell aber zeigt die Erfahrung im Leistungsmanagement in der gesetzlichen und privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland sowie in anderen Ländern, dass unkorrekte und betrügerische „Einkommensoptimierungsoptionen“ genutzt werden. Siehe dazu insbesondere Theorie und Empirie zur angebotsinduzierten Nachfrage (vgl. Benstetter, 2002): In der Definition der angebotsinduzierten Nachfrage weichen Leistungserbringer aufgrund einer Informationsasymmetrie zwischen ihnen und ihren Patienten von ihrer Verantwortung, als „Agent“ im Sinne des Patienten zu handeln, ab, um finanzielle Eigeninteressen zu verfolgen. In anderen Worten sind Ärzte prinzipiell in der Lage, Methode und Intensität der Behandlung zu wählen, die ein Patient nicht wählen würde, wenn er den gleichen Informationsstand wie der Arzt hätte. Aus dieser im Gesundheitswesen prinzipiellen Informationsasymmetrie zwischen Leistungserbringer und Patient sowie der Informationsasymmetrie zwischen Leistungserbringer und Versicherer bzgl. der korrekten Leistungsabrechnung leitet sich somit die Notwendigkeit von (staatlichen) Interventionen ab.
 
3
In der Kriminologie bezeichnet das Dunkelfeld die Differenz zwischen den amtlich registrierten Straftaten – dem Hellfeld – und der vermutlich begangenen Kriminalität. Die Dunkelziffer quantifiziert die Größe des Dunkelfelds. Für einen Überblick zur Dunkelfeldforschung in Deutschland siehe z. B. Haverkamp, 2019.
 
4
Dabei ist zu klären, ob die Maßnahmen zur Vermeidung von Betrug und Verschwendung die gemessene Verhaltensänderung in kausaler Weise bewirkt haben, oder ob Sektionseffekte, zeitlich bedingte Verzerrungen wie z. B. eine simultane Veränderung der Verhaltensweisen, z. B. im kriminogenen Umfeld, wesentlich dazu beigetragen haben. Adäquate Evaluierungstechniken zur Messung der Kausalität sind randomisierte Kontrollstudien oder ökonometrische Verfahren wie die Differenzen-in-Differenzen-Methode. Siehe dazu auch Entorf & Schulan, 2018 und Thompson, 2015.
 
5
Dabei muss ein für die Diskontierung adäquater Zinssatz ermittelt werden, siehe dazu auch Whitehead & Ali, 2010.
 
7
Das „Cabinet Office“ in Großbritannien ist eine zentrale Behörde der britischen Regierung, die in etwa mit dem Bundeskanzleramt in Deutschland vergleichbar ist.
 
8
Als Fehler werden dabei alle unbeabsichtigten Ereignisse, Verarbeitungsfehler oder offizielle Regierungsfehler eingestuft, hier steht keine betrügerische Absicht dahinter. Als Beispiel wäre hier die nicht beabsichtigte Abrechnung einer nicht erbrachten Leistung aufzuführen. vgl. dazu beispielsweise Cabinet Office, 2020, S. 17 oder NAO, 2016, S. 8. Eine Unterscheidung von „Betrug“ und „Fehler“ in der öffentlichen Verwaltung in Großbritannien wird auch im Cross Government Landscape Report 2017 („What is Fraud?“) anhand verschiedener Merkmale dargestellt: vgl. Cabinet Office, 2017, S. 9.
 
11
Gem. Antwort CEO der NHS Conter Fraud Authority im Rahmen eines „Public Advisory Boards“ am 18. Januar 2021.
 
12
Im Business Plan sollte ursprünglich der Schwerpunkt auf andere Bereiche gelegt werden, namentlich: „GP capitation losses“ und „procurement and commissioning in the NHS“. Diese Abweichung wird nicht näher begründet.
 
13
Allerdings wird an dieser Stelle der entsprechende Ansatz aus der Industrie nicht näher beschrieben.
 
14
Die internationalen Erfahrungen beziehen sich beispielsweise auf weiterführende statistische Methoden zur Aufdeckung von Betrug und Missbrauch im Bereich Medicare in den USA oder auf einzelne Dokumente zur Betrugsmessungs- und Betrugsaufdeckungsstrategie, die vom NHS zur Verfügung gestellt wurden.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Die ökonomische Dimension von Betrug und Missbrauch in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Bedeutung des „verhinderten Schadens“
verfasst von
Franz Benstetter
Dominik Schirmer
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36940-8_3

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