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2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Eine Welt zu verändern: Schlussfolgerungen und weiterführende Gedanken

verfasst von : Björn Allmendinger

Erschienen in: Demokratie von unten?

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die Forderung nach einer grundlegenden Demokratisierung des weltweiten Handelssystems sowie die Kritik an der als undemokratisch empfundenen Gestalt zahlreicher internationaler Organisationen, wie z. B. der WTO, des IWF, der Weltbank oder der G7 bzw. G8, waren und sind ein wesentlicher Kernbestandteil des globalisierungskritischen Selbstverständnisses. Dies fand in der Vergangenheit auch in unterschiedlichen Aktionsformen oder Kampagnen der Bewegung seinen Ausdruck: Neben dem bekannten Transparent des RAN anlässlich der WTO-Konferenz in Seattle 1999, dass zwei entgegengesetzte Pfeile mit den Begriffen „WTO“ und „Democracy“ zeigte, sei an dieser Stelle ebenfalls auf den Slogan „Voi G8, Noi 6.000.000.000“, der letztlich maßgeblich das Bild der Proteste gegen den G8-Gipfel 2001 in Genua prägte, hingewiesen.

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Fußnoten
1
Siehe z. B. die Aktionsakademie, die von Attac selbst als „Training für die Mosaik-Linke“ (Attac-D 2021d) betitelt wird oder die Attacademie, die sich ausdrücklich „an alle, die im Attac-Netzwerk oder in anderen sozialen Bewegungen aktiv sind“ (Attac-D 2020a), richtet.
 
2
Diesbezüglich orientierte man sich ebenfalls am Manifest von Attac-Frankreich. Diesem ist zu entnehmen: „Es ist […] höchste Zeit, diese Institutionen [gemeint sind hier WTO, IWF, Weltbank, OECD etc.; Anm. B. A.] ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, und jenen, die dort in unserem Namen politisch mitentscheiden, Rechenschaft abzuverlangen. Denn dort fallen die wichtigen Entscheidungen! Und da die Wähler der eigentliche Souverän der Demokratie sind, ist es auch ihr gutes Recht zu erfahren, was in diesen dunklen Zonen der Demokratie vor sich geht“ (Attac-F 2002: 94).
 
3
Exemplarisch steht hierfür das Statement eines Attac-Mitglieds, das von Hendrik Sander 2016 in seiner Studie wie folgt zusammengefasst wurde: „[Es wird] bedauert […], dass es kaum ein kohärentes Bildungsprogramm mit einer langfristigen Strategie von Attac gebe. Das Netzwerk müsse sich und andere im Sinne einer lernenden Organisation stetig weiterbilden und -entwickeln“ (Sander 2016: 48).
 
4
Hierauf wird auch in der Selbstbeschreibung von Attac-Deutschland explizit Bezug genommen. Darin heißt es bezüglich der lokalen politischen Bildungsarbeit des Netzwerks: „Die Regionalgruppen betreiben mit Veranstaltungen, Infoständen und Aktionen dezentrale globalisierungskritische Aufklärung und kämpfen gegen die schlimmsten Zumutungen neoliberaler Politik in den Kommunen“ (Attac-D 2021e).
 
5
Lohnenswert ist in diesem Kontext, das Blickfeld ebenfalls auf den „Battle of Seattle“ und die so genannten Anfangsjahre der globalisierungskritischen Bewegung zu richten. In einem Resümee wenige Monate nach den Protesten gegen die WTO-Millenniumsrunde 1999 führte etwa John Sellers, einer der zentralen Figuren der US-amerikanischen Ruckus Society, aus: „Vor Seattle wussten die wenigsten Amerikaner, was die WTO eigentlich macht. […] Heute wissen sie es immer noch nicht. Aber sie wissen, dass die WTO etwas Schlechtes ist, und darauf kommt es an“ (zit. n. Uchatius 2000).
 
6
Christian Felber wurde nicht nur im Schulbuch des Veritas Verlags als Vertreter alternativer Wirtschaftstheorien aufgeführt. Schon im Schulbuch „Go!“ des österreichischen E. Dorner-Verlags war er mit einer Abbildung vertreten (vgl. Gamperl 2015). Dies veranlasste Elisabeth Gamperl in einem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung zu folgendem Kommentar: „Felber ist nicht unumstritten. Für die einen ist er eine wichtige Stimme, der in seinen Büchern Alternativen zum Kapitalismus, Globalisierung, Demokratieabbau aufzeigt. Für andere ist er ein Traumtänzer, der sich die Welt zurechtbiegt. Wer recht hat, sei dahingestellt. Die Frage ist eher: Was hat das Bild – uneingeordnet – in einem der meistverwendeten Geschichtebücher der achten Klasse zu suchen?“ (ebd.).
 
7
Siehe etwa den stets aufgeführten Hinweis, dass das Attac-Bildungsmaterial vor dem Hintergrund der eigenen politischen Arbeit und Überzeugungen „nicht neutral“ seien könne (vgl. u. a. Attac-D 2016d: 2, Attac-D 2017t: 2 oder Attac-D 2020aa: 2).
 
8
Auf die Wirtschaftstheorie von John Maynard Keynes (Keynesianismus) wird auch in zahlreichen Materialien der Attac-Reihe „Wirtschaft demokratisch gestalten lernen“ hingewiesen (siehe z. B. Attac-D 2019u: 1, Attac-D 2015 s: 1 oder Ptak 2017b).
 
9
In etwas zugespitzter Form skizzierte Sven Giegold das politische Selbstverständnis des Netzwerks in dessen Anfangsjahren mit den folgenden Worten: „Attac ist gemeinsamer Widerstand und Entwicklung von Alternativen gegen eine neoliberal geprägte Wirtschaftsordnung, die die Diktatur des Marktes und den Abbau öffentlicher Dienste und Sicherungssysteme für die freie Entfaltung des Individuums hält“ (Giegold 2003: 111).
 
10
Gestützt wird diese These in Ansätzen auch von den Bewegungsforscher*innen Ansgar Klein und Silke Roth. Diese geben zu bedenken: „Wenn ein anspruchsvoller Demokratiebegriff bedeutet, dass alle von Entscheidungen Betroffenen nicht nur mitentscheiden, sondern auch die Verfahren bestimmen und den Gegenstand festlegen sollen, über den entschieden wird, müsste der Prozess der Globalisierung mit erheblichen Anstrengungen der Demokratisierung verbunden werden“ (Klein/Roth 2007: 316).
 
11
Peter Wahl merkte hierzu bspw. an: „Aber Demokratie kann nicht reduziert werden auf ein System von einmal etablierten Institutionen und Regeln, sondern ist auch ein unabgeschlossener Prozess der steten Demokratisierung. Es geht um mehr Demokratie“ (Wahl 2006: 41).
 
12
An anderer Stelle führte Ramonet an: „Die Citoyens [Hervorhebung im Original] können mit ihrem Wählervotum nicht mehr dort eingreifen, wo die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, da diese Entscheidungsebenen nunmehr außerhalb ihrer Reichweite verlegt wurden. […] Unter diesen Umständen ist es kaum verwunderlich, dass immer mehr Citoyens [Hervorhebung im Original] diese Demokratie für eine Täuschung halten, verraten und beschlagnahmt von einer kleinen Gruppe Privilegierter“ (Ramonet 2002: 86–87). Die von Ramonet formulierte These, wonach der Nationalstaat gegenüber multinational agierenden Unternehmen zunehmend an Einfluss verliere, ist bei weitem nicht neu, sondern wurde in den Jahren zuvor bereits von zahlreichen anderen Autor*innen aufgestellt. Richard Barnet und Ronald E. Müller führten z. B. schon 1974 aus: „The structural transformation of the world economy through the globalization of Big Business is undermining the power of the nation-state to maintain economic and political stability within its territory“ (Barnet/Müller 1974: 302).
 
13
Um eine Zukunftsvision war Alex Callinicos hingegen nicht verlegen: Nach seiner Auffassung würde „an die Stelle einer passiven Wählerschaft […] etwas neues [sic!] treten, eine Form der partizipativen Demokratie, die die Macht so weit wie möglich dezentralisiert und die Menschen darin unterstützt, die Entscheidungen zu treffen, die sie selbst betreffen. Institutionell wäre dies dann eine Regierung einer sich selbst verwaltenden Föderation aus Arbeiter-, Konsumenten- und Nachbarschaftsräten“ (Callinicos 2003). Und weiter führt Callinicos aus: „Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist für diese Demokratie die Vergesellschaftung fast aller materiellen produktiven Ressourcen als auch der für die Massenkommunikation benötigten Infrastruktur notwendig. Dazu gehört auch ein System demokratischer Planung zur kollektiven Entscheidung über die Verteilung der Ressourcen. […] Mit anderen Worten: Planung muß kein Prozeß sein, der von oben nach unten abläuft. Selbstverwaltete Arbeiter- und Konsumentengruppen stünden durch horizontale Koordinierungsnetzwerke miteinander in Kontakt, anstatt über ein Planungs-‚Zentrum‘ zu operieren“ (ebd.).
 
14
Schon einige Jahre zuvor bemängelte Wahl den Mangel an theoretischer Tiefe in der Debatte um mögliche Alternativen zur vorherrschenden Globalisierung mit den folgenden Worten: „Auch ist die Bewegung weitgehend auf Negation, auf Kritik und Abwehr orientiert. Alternativen werden bisher vorwiegend sektoral und mit allenfalls mittlerer Reichweite formuliert. Dennoch ist den Protagonisten der Bewegung klar, dass die Parole ‚eine andere Welt ist möglich‘ konkreter und greifbarer werden muss, wenn sie zur politischen Produktivität werden soll“ (Wahl 2002a: 41).
 
15
Ruth Jung äußerte sich hierzu in ihrer Abhandlung über Attac: „[I]mmer aber wurde übersehen, dass die Stärke des Zapatismus – wie auch die Stärke von Attac – vielleicht gerade darin besteht, keine Leitbilder mehr vorzugeben“ (Jung 2002: 37). Im Gegensatz zu diesen Ausführungen gab Dieter Rucht schon 2002 in einem Beitrag für das „Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen“ zu bedenken: „Die Gemeinsamkeit all dieser [globalisierungskritischen] Gruppen und Netzwerke besteht darin, jene Entwicklungen, Institutionen und Positionen abzulehnen, die mit der neoliberalen Globalisierung assoziiert werden. Dies geschieht unter Berufung auf einen Wertekatalog von Solidarität, Demokratie, Menschenrechten, ökologischer und sozialer Verträglichkeit, der durchaus als ein Globalisierungsprogramm verstanden wird, der jedoch zu unspezifisch ist, um eine eigene Identität und Trennungslinien gegenüber den Gegnern zu markieren. Sobald die globalisierungskritischen Bewegungen vor der Aufgabe stehen, Prioritäten festzulegen und zu konstruktiven Vorschlägen Position zu beziehen, herrscht Unklarheit oder Uneinigkeit. Dieser Zustand wird derzeit als Stärke („Vielfalt statt Einfalt“) ausgegeben, kann jedoch nicht von Dauer sein“ (Rucht 2002b: 18–19).
 
16
Deutliche Worte fand in diesen Kontext auch die BUKO im Vorfeld des Anti-G8-Gipfels in Heiligendamm: „Unsere Kritik ist berechtigt, auch wenn wir keinen umfassenden Gegenentwurf präsentieren. Wir haben keinen, und wir wollen keinen. Eine andere Welt kann nicht autoritär geplant und durchgesetzt werden, sondern muss im Lernprozess, durch Erfahrungsaustausch und Beteiligung aller entstehen“ (BUKO 2006).
 
17
Passend hierzu ist eine Aussage des in der globalisierungskritischen Bewegung vielfach rezipierten John Holloway: „Die einzige Wahrheit, die wir verkünden können, ist die Negation der Unwahrheit“ (Holloway 2006: 119).
 
18
Größere Protestcamps der globalisierungskritischen Bewegung wurden bspw. im Zuge der G8-Proteste in Genua (2001), Evian (2003) und Gleneagles (2005) oder ebenso anlässlich der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg (2017) organisiert. Auf den insgesamt drei Protestcamps gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm (2007) fanden sich seinerzeit mehrere Tausend Globalisierungskritiker*innen ein. Allein das „Camp-Rostock“ zählte ungefähr 6.000 Menschen (vgl. FAZ 2007a: 5).
 
19
Beispielhaft für die basisdemokratischen Organisationsstrukturen in den Protestcamps ist das „Horizone-Camp“ während des G8-Gipfels 2005 in Schottland, das ein mehrstufiges System anhand dreier „meeting-types“ vorsah. Von der damaligen „Facilitation working group“ wurde dies wie folgt skizziert: „[1] Barrio (neighborhood) Meetings[:] To organise life within the barrio and make decisions on policies/actions. Meetings once or more a day, time set by the individual barrios, attended by people from the barrio. Barrio meetings send one or two spokespeople each to the site co-ordination and action spokescouncil[;] [2] Site co-ordination meetings[:] To co-ordinate the practical aspects to the overall camps, such as food, compost, greywater, site security. Usually 9am attended by spokespeople from site working groups (such as grey water, kitchens) and from each neighborhood[;] [3] Action Spokescouncils[:] To co-ordinate actions. Attended by spokespeople from each barrio/affinity group/action working group as well as individuals“ (zit. n. Maeckelbergh 2009: 154).
 
20
Bezüglich der Organisationsstrukturen im Attac-Sonderzug zum G8-Gipfel in Evian und in den Protestcamps vor Ort führten Engelmann et al. ergänzend aus: „Durch die gemeinsame Zeit im Zug konnten wir bereits auf der Hinfahrt die ersten Schritte in Bildung von Bezugsgruppen und Delegierten angehen. Auf dem Villages [sic!; gemeint sind hier die Protestcamps der Gipfelgegner*innen; Anm. B. A.] fanden dann täglich 2–3 Plena statt, wo sich die Delegierten oder bis zur [sic!] 500 Leute die aktuellen Informationen teilen und sich auf konkrete Schritte verständigen konnten. Für die allermeisten von uns war es das erste Mal, wo wir uns in dieser Form der direkten Basisdemokratie organisiert haben, was einiges an Kommunikations- und Abstimmungsprobleme mit sich brachte“ (Engelmann et al. 2003).
 
21
Am Beispiel der oft lang andauernden Diskussionen in den so genannten Nachbarschaftsversammlungen (Asambleas) und Fabrikräten, die im Zuge der Wirtschaftskrise in Argentinien 2001 entstanden und von Teilen der globalisierungskritischen Bewegung anfänglich gar als Bezugspunkt für das eigene Verständnis von Demokratie herangezogen wurden, gab bspw. Susan George zu bedenken, dass alleine die Vielzahl an Versammlungen auf viele interessierte Akteure abschreckend gewirkt hätte: „Die Leute werden schnell müde, sie haben keine Lust, ihre freie Zeit mit endlosen Versammlungen und Missionsarbeit zu verbringen“ (zit. n. Halimi 2006: 11).
 
22
Einen gelungenen Überblick über Formen von Betriebsbesetzungen mit dem Ziel der Selbstverwaltung bietet etwa der Sammelband „Die endlich entdeckte politische Form“ von Dario Azzellini und Immanuel Ness (vgl. Azzellini/Ness 2012).
 
23
Jeffrey Juris diagnostizierte gar einen grundsätzlichen bewegungsinternen Konflikt zwischen repräsentativen und eher basisdemokratisch orientierten Strömungen. Dies zeigte er anhand des globalisierungskritischen MGR-Netzwerks aus Barcelona auf, in dem, seiner Meinung nach, ein „struggle between two competing visions of democracy“ (Juris 2008: 118) ausgetragen wurde: „[O]ne based on democratic representation within vertical structure and another rooted in direct participation via decentralized networks“ (ebd.: 118–119).
 
24
Zu den kritischen Stimmen gehört etwa Siegfried Schiele. Dieser merkte vor einigen Jahren an: „Bei einem guten politischen Unterricht entsprechend den Grundsätzen von Beutelsbach müsste es möglich sein, dass sich Schülerinnen und Schüler z. B. beim Thema ‚Stuttgart 21‘ für oder gegen das Projekt entscheiden und sich vielleicht auch bei Demonstrationen dafür oder dagegen einreihen. Ohne diese prinzipielle Offenheit gibt es keinen guten, qualifizierten politischen Unterricht. Es mag eine absolute Ausnahme sein, dass sich bei einer Thematik einmal ein gesamter Klassenverband geschlossen und ohne Zwischentöne aus freien Stücken für eine bestimmte Meinung und entsprechende politische Aktionen entscheidet. Ich selbst habe das noch nie erlebt und halte politische Aktionen im geschlossenen Klassenverband, sofern es nicht um ein Eintreten für demokratische Grundwerte geht, für fragwürdig und nicht erstrebenswert“ (Schiele 2016: 73).
 
25
Die konkrete „Beteiligung am öffentlichen Diskurs“ (Nonnenmacher 2011b: 467) in Form einer Teilnahme an politischen Aktionen, seien es nun Bildungsstreiks, Demonstrationen oder Unterschriftensammlungen, knüpft Nonnenmacher an folgende Bedingungen: „Das […] politische Engagement muss erstens [Hervorhebung im Original] auf einer möglichst breiten Wissensbasis in Bezug auf das Thema erfolgen. Eine Sachanalyse muss vorausgehen. Zweitens [Hervorhebung im Original] muss die eigentliche Aktion für jeden Teilnehmenden […] absolut freiwillig sein […]. Abstinenzen dürfen nicht diffamiert oder sanktioniert werden. Drittens [Hervorhebung im Original] muss eine demokratische Öffentlichkeit hergestellt werden. Sie sorgt für die damit verbundene sichtbare Verantwortungsübernahme der ‚Aktivisten‘ und für ein Klima der Diskursivität, das die Persönlichkeit entwickelt und weitere Lernanlässe begründet“ (ebd.).
 
26
Nach Alexander Wohnig ist die „kritische Reflexion der Aktionserfahrungen“ (Wohnig 2020b: 198) ein Kernbestandteil der durch das konkrete politische Handeln angestoßenen Bildungs- und Lernprozesse. Wohnig führt diesbezüglich aus: „Der aktive politische Prozess, mitsamt der Reflexion, beeinflusst, zumindest in unmittelbarem Anschluss an die Erfahrungen, die politische Selbstpositionierung, das politische Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeitserwartungen der Schüler*innen. Sie entwickeln Konzepte von Öffentlichkeit, dem Politischen und politischer Partizipation […] und kooperieren mit Akteuren, zu denen sie sich wiederum ins Verhältnis setzen […]. Politische Bildung hat für und in all diese(n) Aktivitäten die Verantwortung, Bildungs- und Lernprozesse zu ermöglichen“ (ebd.: 201). Zu beachten ist allerdings, wie etwa Anja Besand betont, dass „[p]olitisches Engagement und politische Aktionen […] nicht zwangsläufig zur Reflexion des eigenen Handelns, einer kritischen Betrachtung der eignen Positionierung und einer konstruktiven Auseinandersetzung mit gegnerischen Akteuren“ (Besand 2021) führen. Von Kerstin Pohl wird empfohlen, grundsätzlich unter pädagogischer Begleitung eine gemeinsame Vorbereitung vorzunehmen, primär eine teilnehmende Beobachtung anzuvisieren sowie im Anschluss an die Aktion eine entsprechende Auswertung vorzunehmen (vgl. Pohl 2019).
 
27
Interessant ist diesem Kontext, dass „auch im Feld der sozio-ökonomischen Bildung […] [inzwischen] regelmäßig darauf hingewiesen [wird], dass eine politische Bildung, welche die Spannungsverhältnisse zwischen Demokratie und Kapitalismus nicht kritisch adressiert, nicht denkbar [sei]“ (Szukala/Oeftering 2020b: 13). Und Anja Hirsch schlussfolgert bezogen auf die Politische Bildung: „Angesichts wachsender autoritärer politischer Bewegungen darf in der politischen Bildung inhaltlich nicht nur darauf gesetzt werden, ‚demokratische Kompetenzen‘ zu vermitteln, sondern es müssen auch soziale Ungleichheitsstrukturen als Teil der Ursache von ‚Demokratieunzufriedenheit‘ in den Blick genommen werden“ (Hirsch 2019: 294).
 
28
Die Hervorhebungen im Original wurden aus stilistischen Gründen hier nicht berücksichtigt.
 
Metadaten
Titel
Eine Welt zu verändern: Schlussfolgerungen und weiterführende Gedanken
verfasst von
Björn Allmendinger
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44296-5_6