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27.01.2022 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mit nanoporösen Materialien Strom speichern und gewinnen

verfasst von: Dieter Beste

5:30 Min. Lesedauer

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Batterieelektroden, Superkondensatoren, nanoporöser Kohlenstoff – bei der Speicherung elektrischer Energie denken Materialwissenschaftler weit über die Lithium-Ionen-Technologie hinaus. Und auch die Energiegewinnung wollen sie revolutionieren.

Die rasch steigende Nachfrage nach flexibler Elektronik, tragbaren Energiegewinnungs- und -speichersystemen, autonomen Sensoren, Soft-Robotik oder tragbaren medizinischen Geräten hat den Bedarf an Elektrodenmaterialien erhöht, die auf Polymeren, Textilien, Geweben oder Biomaterialien aufgebracht werden können. Eine vielversprechende Lösung sind poröse Nanomaterialien auf Kohlenstoffbasis, die aufgrund ihrer mechanischen, leitenden und katalytischen Eigenschaften in solchen Anwendungen brillieren können, sind die Herausgeber von "Nanoporous Carbons for Soft and Flexible Energy Devices" überzeugt. Der Nutzen nanoporöser Kohlenstoffmaterialien liegt bei der Entwicklung kleiner, intelligenter und ferngesteuerter Objekte auf der Hand, denn solche mikroskaligen Komponenten benötigen Energieautonomie. Alessandra Del Giudice, Giulio Benetti, Claudio Piazzoni und Francesca Borghi analysieren im Buchkapitel "Porosity of Nanostructured Carbon Thin Films" eingehend die Porosität und Struktur von dünnen Filmen mit Kohlenstoffclustern, um sie als Elektroden in Energiegeräten zu verwenden.

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Ein Weg zur Energieautonomie ist der Einsatz von Aktivkohleelektroden mit hoher spezifischer Oberfläche, die hohe elektrische Kapazitäten erreichen. Damit ist es möglich, elektronische Komponenten und Energiespeicherung zu vereinen, wie Alexander Masson, Federico Poli, Francesca Soavi und Clara Santato im Buchkapitel "Bridging Electronics and Micro Energy Storage" erläutern: Transistoren sind ein Schlüsselelement in jeder integrierten Schaltung. Und die Verwendung von Kohlenstoff-Elektroden hat sich als effizient erwiesen, um eine Strommodulation bei niedriger Spannung unterhalb von 1 Volt zu erreichen und so die für den Betrieb erforderliche Energie zu verringern. Darüber hinaus, so die Springer-Autoren, konnte durch die Integration eines Transistors und eines Superkondensators bis zu 50 Prozent der zum Einschalten des Transistors verwendeten Energie gespeichert und wiederverwendet werden. 

Auf dem Weg zu stromsparenden, langlebigen Geräten, die mit kleinen Energiesammlern und/oder Energiespeichern autonom arbeiten könnten, spielen Superkondensatoren eine wichtige Rolle. Im Unterschied zu den bekannten Plattenkondensatoren haben Superkondensatoren kein Dielektrikum im herkömmlichen Sinne; es handelt sich um elektrochemische Kondensatoren. An der TU Graz befassen sich Materialwissenschaftler im Forschungsbereich "Advanced Materials Science" unter anderem mit der Weiterentwicklung von Superkondensatoren auf Basis von nanoporösen Kohlenstoffmaterialien; im Fachjournal "Nature Communications" konnten sie eine nach eigenen Angaben besonders sichere und nachhaltige Variante präsentieren, und zwar einen hybriden Superkondensator, eine Kombination aus Batterie und Kondensator. Dessen Vorzüge skizzieren die Wissenschaftler so: Ihr hybrider Superkondensator könne ähnlich schnell geladen und entladen werden wie ein Kondensator und dabei annähernd so viel Energie speichern wie herkömmliche Batterien. Zusätzlich könne er deutlich schneller und viel häufiger geladen und entladen werden: Während eine Lithium-Ionen-Batterie eine Lebensdauer von wenigen tausend Zyklen erreiche, schaffe ein Superkondensator rund eine Million Ladezyklen.

Ungeahnte Energiespeicherkapazität

Der Trick der Grazer-Forscher: "Das von uns eingehend betrachtete System besteht aus nanoporösen Kohlenstoffelektroden und einem wässrigen Natriumiodid-Elektrolyten, sprich aus Salzwasser. Damit ist dieses System besonders umweltfreundlich, kostengünstig, unbrennbar und einfach zu recyceln", sagt Erstautor Christian Prehal, der inzwischen an der ETH Zürich forscht. Die Wissenschaftler konnten erstmals zeigen, dass in den Kohlenstoffnanoporen der Batterieelektrode während der Ladung feste Iod-Nanopartikel entstehen, die sich bei der Entladung wieder auflösen. Das widerspricht dem bislang vermuteten Reaktionsmechanismus und hat weitreichende Konsequenzen, wie Christian Prehal erklärt: "Nur auf Grund der Kleinheit der Nanoporen von weniger als 1 nm bleibt das feste Iod stabil. Der Füllgrad mit festem Iod bestimmt dabei, wieviel Energie in der Elektrode gespeichert werden kann. Damit kann die Energiespeicherkapazität der Iod-Kohlenstoffelektroden ungeahnt hohe Werte erreichen, indem sämtliche chemische Energie in den festen Iodpartikeln gespeichert wird." Dieses neue Wissen eröffnet Wege zu hybriden Superkondensatoren oder Batterieelektroden mit unvergleichlich höherer Energiedichte bei äußerst schnellen Lade- und Entladevorgängen, sagt Qamar Abbas, ebenfalls Hauptautor der in Nature Communications veröffentlichten Studie.

Von der Speicherung zur Gewinnung elektrischer Energie 

Aus der Biologie ist bekannt, dass die Natur poröse Biomaterialien entwickelt hat, mit denen zum Beispiel Pflanzen aus Feuchtigkeitsschwankungen in ihrer Umgebung, mechanische Energie für Bewegungen gewinnen können. So vergraben sich manche Pflanzenkeime nur durch die Nutzung von Energie aus Wasserkondensation und -verdampfung in die Erde, ohne dazu externe Energiezufuhr zu benötigen. Forscher der TU Hamburg wollen nun im Rahmen des europäischen Projekts "Energy harvesting via wetting/drying cycles with nanoporous electrodes (Ehawedry)" zusammen mit Partnern aus Spanien, Frankreich, Ukraine und Italien künstliche poröse Materialien und nanofluidische Prozesse entwickeln, die Feuchtigkeitsschwankungen in technischen Prozessen nutzen, um damit nutzbare elektrische Energie zu gewinnen. 

Dafür untersucht das internationale Team Zyklen aus Befeuchtung und Trocknung von elektrisch leitfähigen, nanoporösen Materialien, beispielsweise aus Silizium oder Kohlenstoff. "Wir forschen daran, wie Wasser und wässrige Elektrolyte, also beispielsweise Salzwasser, durch Kapillarkräfte getrieben in kleinste Poren, die im Querschnitt nur 50 Wassermoleküle fassen, eindringen und damit befeuchten. Dabei nimmt die Kontaktfläche zwischen der Flüssigkeit und der elektrisch leitenden Porenwand zu. Umgekehrt tritt beim Trocknen der umgekehrte Effekt auf. Die Kontaktfläche nimmt ab. Bei geschickter Führung der sich damit auf- und abbauenden elektrischen Ladungsschichten an den Nanoporwänden, kann man aus diesen Zyklen direkt elektrische Energie gewinnen", sagt Patrick Huber, Leiter der Arbeitsgruppe Physik und hochauflösende Röntgenanalytik von Funktionsmaterialien im Zentrum für Integrierte Multiskalige Materialsysteme (CIMMS) an der TU Hamburg und Forscher am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY).

Energiegewinnung im Wattenmeer

Nanoporöse Materialien könnten künftig vielfältig und in einem großen Maßstab genutzt werden, ist Patrick Huber überzeugt. So sei zum Beispiel die Kondensation des Wassers in einem geschlossenen Kreislauf von Porenraum zu Porenraum denkbar. Dies würde den Einsatz in geschlossenen Räumen oder sehr heißen Gebieten ermöglichen, um beispielsweise die Abwärme von Großrechnern oder die Hitze in Wüstenregionen für eine nachhaltige Energiegewinnung zu nutzen. Oder es könnten Materialoberfläche realisiert werden, die nach außen durchlässig sind. So könnte das Materialinnere durch den natürlichen Tag- und Nachtrhythmus mit Flüssigkeit aus Morgentau versorgt werden. Steige dann die Außentemperatur, verdampfe das Wasser und elektrische Energie werde gewonnen. Zu Hubers Traum gehört auch, solche nanoporösen Materialien zur Energiegewinnung etwa im Wattenmeer der Nordseeküste zu installieren, wo sie im natürlichen Rhythmus der Gezeiten bei Flut befeuchtet und bei Ebbe wieder getrocknet werden.
 

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