Skip to main content
Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 1/2024

Open Access 16.11.2023 | Hauptbeiträge

Open Strategy: Durch offene Strategieprozesse Geschäftsmodelle innovieren

verfasst von: Prof. Dr. Kurt Matzler, Prof. Dr. Stephan Friedrich von den Eichen, Kristina Stoiber, Prof. Dr. Julia Hautz, Christian Stadler

Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching | Ausgabe 1/2024

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Dieser Artikel untersucht, wie Unternehmen Open Strategy als transparenten und inklusiven Ansatz der Strategiearbeit nutzen können, um disruptiven Gefahren erfolgreich zu begegnen. Es werden verschiedene offene Strategieformate vorgestellt, die es Unternehmen ermöglichen, neue disruptive Geschäftslogiken zu entwickeln und zu implementieren. Anhand von Praxisbeispielen werden die Chancen und Herausforderungen für Unternehmen bei der Öffnung ihrer Strategieprozesse diskutiert und fünf Erfolgsfaktoren einer offenen Strategie identifiziert. Der Artikel schließt mit der Erkenntnis, dass Open Strategy ein effektives Instrument sein kann, um potenziell disruptive Geschäftslogiken zu realisieren.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Disruptive Gefahren erkennen

Die digitale Transformation, die Covid-19 Pandemie, der Klimawandel sowie geopolitische Veränderungen stellen für Unternehmen vieler Branchen disruptive Herausforderungen dar. Die Geschwindigkeit und die Tiefe der Veränderungen sind historisch wohl einzigartig. Disruptionen lassen sich dabei als Innovationsprozesse beschreiben, die radikal neue Produkte, Prozesse oder Geschäftsmodelle hervorbringen, die die Nachfrage einer Industrie transformieren und so etablierte Key Player herausfordern (Christensen 1997). Solche radikalen Innovationsprozesse sind allgegenwärtig. In einer weltweiten Studie von mehr als 3600 Unternehmen in 20 Branchen hat Accenture die Disruptionsanfälligkeit anhand von Kriterien wie der operativen Effizienz etablierter Unternehmen, deren Innovationsbereitschaft sowie deren Verteidigungsmechanismen gegenüber äußeren Angriffen gemessen. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Geschäftsmodelle von etwa 70 % der Unternehmen disruptiven Gefahren durch neue Technologien ausgesetzt sind (Abbosh et al. 2018). Obwohl kaum etwas unversucht gelassen wird – z. B. Venture Capital Funds, Agilität, Lean Start-up Methoden oder Open Innovation –, gelingt es nur den wenigsten Unternehmen, erfolgreich mit Disruption umzugehen oder gar selbst disruptive Geschäftsmodelle zu entwickeln (O’Reilly und Binns 2019). Eine Studie der BCG zeigt, dass zwei Drittel der Unternehmen bei derartigen Veränderungen ihrer Branche vor großen Herausforderungen stehen, da diese nur an inkrementellen Anpassungen ausgerichtet sind, nicht aber daran, ihr Geschäftsmodell neu zu erfinden (Wick et al. 2017). Sie scheitern, werden akquiriert oder kämpfen über Jahre gegen Stagnation und Niedergang.
Erfolgreich auf disruptive Veränderungen zu reagieren, erfordert drei Fähigkeiten: ein gezieltes Erkennen der Gefahr, ein frühzeitiges Mobilisieren der Ressourcen und die Entwicklung entsprechender Kompetenzen. (1) Schwache Signale der Disruption müssen rechtzeitig erkannt werden. Für die meisten Unternehmen stellt dies eine beträchtliche „kognitive“ Hürde dar (Kammerlander et al. 2018). Die meisten disruptiven Geschäftsmodelle entstehen außerhalb des Kernmarktes oder gar jenseits der Branche (Christensen et al. 2011) und werden daher als solche meist nicht rechtzeitig identifiziert. Eine externe Perspektive kann hier helfen, frühe Hinweise wahrzunehmen. (2) Disruptive Gefahren zu erkennen, ist jedoch nicht ausreichend. Stattdessen müssen Unternehmen frühzeitig Ressourcen mobilisieren und investieren. Da disruptive Technologien oder Produkte für die wichtigsten Kunden etablierter Unternehmen lange Zeit nicht attraktiv sind, fehlt die Motivation dazu. Vor allem wenn das disruptive Geschäftsmodell das bestehende zu kannibalisieren droht, regt sich viel Widerstand von Innen. Diese „motivationale“ Barriere verhindert eine adäquate Reaktion seitens der Unternehmen (Christensen und Raynor 2003). (3) Schließlich fehlt es Unternehmen häufig an entsprechenden Kompetenzen technologischer oder organisatorischer Natur, um solche Innovationen selbst zu entwickeln.

2 Open Strategy löst die traditionelle Strategiearbeit ab

Die traditionelle Strategiearbeit stößt hier an ihre Grenzen. Strategie ist in der Regel einer kleinen Elite im Unternehmen vorbehalten, die sich hinter verschlossenen Türen mit der Zukunft des Unternehmens befasst. Es wird zu wenig Offenheit zugelassen, der Blick von außen fehlt oft gänzlich oder ist begrenzt auf einzelne Aspekte der Strategieentwicklung (Stadler et al. 2021). Open Strategy ist ein neuer Ansatz, der durch Einbindung interner und externer Akteure (Branchenexperten, Trendforscher, Querdenker, Start-ups, Wissenschaftler usw.) mehr Offenheit in die Strategiearbeit einbringt und diese durch Impulse von außen bereichern soll (Hautz et al. 2017; Whittington et al. 2011). Umfassendere Wissenszugänge, neue Perspektiven und vor allem erhöhte Geschwindigkeit sind das Ziel (Matzler et al. 2022). Eine offene Strategie basiert dabei auf den beiden kritischen Dimensionen Inklusion und Transparenz. Inklusion, einerseits, bezieht sich auf die Konsultation eines breiteren Spektrums sowie einer größeren Vielfalt von an der Strategieentwicklung beteiligten Personen (Baptista et al. 2017; Whittington et al. 2011). Transparenz, andererseits, wird mit einer Offenlegung strategischer Informationen (Whittington et al. 2011; Yakis-Douglas et al. 2017), dem Teilen von Ideen und Expertise (Hautz et al. 2017) sowie dem Zugang zu sensiblen Informationen (Dobusch et al. 2019) seitens interner und/oder externer Interessengruppen in Verbindung gebracht. Für die Öffnung der Strategiearbeit steht Unternehmen ein ganzes Repertoire an Werkzeugen bereit, von denen einige in diesem Artikel näher erläutert werden.

2.1 Nightmare Competitor Challenge statt War Gaming

Ein besonders effizientes Instrument zur Entwicklung disruptiver Geschäftsmodelle ist eine Nightmare Competitor Challenge. Diese geht wesentlich über das Konzept des militärischen War Gaming hinaus, das seit mehr als 200 Jahren erfolgreich in der Kriegsführung eingesetzt wird, um gegnerische Strategien und Taktiken zu antizipieren und komplexe Zusammenhänge zu verstehen (Augier et al. 2018). Bei der Nightmare Competitor Challenge konstruieren Teams aus unternehmensinternen und -externen Teilnehmenden sog. „Albtraum“-Wettbewerber, die eine potenzielle Bedrohung für das eigene Unternehmen darstellen könnten, wenn sie Realität würden. Dabei simulieren die Beteiligten mögliche Aktionen und Reaktionen der fiktiven Konkurrenz, treffen datengestützte Entscheidungen und lernen, wie sich mögliche „Albtraum“-Szenarien auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auswirken (Matzler und Bailom 2019). Die Forschung hat gezeigt, dass Teilnehmende durch diese Simulationen wachsamer werden, eine größere Bandbreite an strategischen Alternativen berücksichtigen und ihre Ziele und Denkmuster immer wieder hinterfragen.
Im Gegensatz zum War Gaming ist die Übung jedoch offen; es geht um ein möglichst heterogenes Teilnehmerfeld. So kann sichergestellt werden, dass keine unerkannten Schwachstellen, Vorurteile und Gruppendenkweisen die Strategiearbeit beeinträchtigen und dass auch unangenehme Ideen Berücksichtigung finden (Kammerlander et al. 2018). Auf diese Weise können potenzielle disruptive Gefahren prognostiziert und veränderte Wettbewerbsbedingungen frühzeitig erkannt werden (Schwarz 2011). Dies sind wichtige Voraussetzungen für den erfolgreichen Umgang mit Disruption. Folgt man der Open Strategy-Philosophie wird aus War Gaming somit die Nightmare Competitor Challenge.
Die Erfahrung aus unserer Beratungspraxis bestätigt, dass man mit dieser Übung disruptive Dynamiken erkennen kann – und zwar früher als andere. Genau das konnten wir im konkreten Fall des Hörgeräteherstellers WS Audiology beobachten, deren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz etwas mehr als zwei Jahre betrug. Angetrieben durch eine mögliche Bedrohung am Markt, war das Unternehmen auf der Suche nach neuen Geschäftsideen. Um das eigene Fachwissen durch externes Know-how in Bezug auf Hardware, Big Data und Audiologie zu ergänzen, wurden externe Experten hinzugezogen. Vertreter von Microsoft, IBM Watson, Intel, Sennheiser und Infineon, dem MIT Media Lab sowie eine Gruppe von Start-ups widmeten sich dem Entwurf des Nightmare Competitor. Dieser erwies sich als fiktiver Produzent einer „Super-Hör-App“, die Tontechnik und digitale Funktionalität kombiniert. Mithilfe eines Headsets kann man sich etwa im Flugzeug unterhalten, ohne von Turbinengeräuschen gestört zu werden. Möchte man hingegen Musik hören, blendet das Gerät alle Umgebungsgeräusche aus. Insgesamt wird damit das Stigma klassischer Hörgeräte überwunden und die Hörakustikbranche auf den Kopf gestellt. Die Nightmare Competitor Challenge fand im März 2016 statt. Und tatsächlich, im Juli 2018 steht genau ein solcher Wettbewerber ante portas.
Der Zeitgewinn von Open Strategy lässt sich nutzen, sei es, indem man sich gegen den Disruptor absichert, indem man selbst zum Disruptor wird, oder indem man den Disruptor überholt. Die Nightmare Competitor Challenge ist nur ein Beispiel dafür, wie der neue Strategieansatz den traditionellen schlägt. Insgesamt steht Open Strategy für einen tiefgreifenden methodischen, prozessualen und kulturellen Wandel (Splitter et al. 2021). Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in der Strategiearbeit verändern sich (Dobusch und Kapeller 2018; Whittington et al. 2011). Und damit gelingt auch die Abgrenzung zu einem auf den ersten Blick ähnlichen Phänomen: Open Innovation (Chesbrough 2003). Beides erfordert Öffnung. Open Innovation strebt nach neuen Ideen durch kreative Arbeit am Front-end. Open Strategy zielt hingegen auf die Transformation von Unternehmen ab. Es geht um die Öffnung des gesamten Strategieprozesses, damit zentrale Richtungsentscheidungen transparent und inklusiv getroffen und im Unternehmen verankert werden können (Mack und Szulanski 2017). Dies hat positive Auswirkungen auf den Strategieinhalt, den Strategieprozess (Geschwindigkeit) und die Strategieimplementierung (Mobilisierung) (Adobor 2019; Birkinshaw 2017).

2.2 Trendradar für mehr Perspektivenvielfalt

In der Strategiearbeit ist es ausgesprochen schwierig, zu antizipieren, welche disruptiven Entwicklungen die Zukunft bringen wird. Christensen zeigte in seinem Klassiker „The Innovator’s Dilemma“, dass Marktprognosen für evolutionäre Technologien wie bei Computerlaufwerken meist ziemlich genau waren, mit Abweichungen von den tatsächlichen Verkaufszahlen in der Regel um weniger als 10 %. Denn das Produkt, der Markt, die Kunden sind bekannt. Bei disruptiven Innovationen hingegen lagen Vorhersagen renommierter Institute um Hunderte von Prozentpunkten daneben. Prognosemethoden, die bei inkrementellen Innovationen gut funktionieren, etwa ökonomische Modelle, Expertengespräche und Fokusgruppen mit Kunden, erweisen sich bei neuen Märkten, Kunden oder Technologien als unzureichend (Christensen et al. 2011).
McGrath (2019), Professorin an der Columbia Business School, bringt dies mit der Tendenz in Verbindung, Anzeichen von Veränderung zu ignorieren und stattdessen vorzugeben, es laufe alles gut. Ähnlich argumentieren Day und Schoemaker (2006): „Je intelligenter wir sind, umso besser gelingt es uns, wichtige Signale und drohendes Unheil weg zu argumentieren“. Dazu kommen Optimismusverzerrung und strategische Fehlinterpretationen: Entscheidungsträger unterliegen oft einem illusorischen Optimismus (Flyvbjerg et al. 2009). Sie wägen Chancen und Risiken nicht rational ab, sondern überschätzen den Nutzen und unterschätzen den finanziellen und zeitlichen Aufwand. Dies geschieht häufig, um die eigenen Projekte durchzusetzen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, den Strategieprozess zu öffnen und Experten außerhalb des Unternehmens einzubeziehen. Die Praxis zeigt, dass die Einbindung einer Außenseiterperspektive die Fähigkeit verbessert, künftige Entwicklungen vorherzusagen, wichtige Veränderungen und schwache Anzeichen für Disruption frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren (Matzler et al. 2022).
Auf eine Außenseiterperspektive hat auch der Schokoladenhersteller Ritter Sport gesetzt, als er Interne und Externe zu einem gemeinsamen Projekt einlud, um über die Zukunft der Schokolade zu spekulieren. Zur Anwendung kam ein Trendradar, der alle wichtigen Veränderungen abbildet, die von einer ausgewählten Gruppe von Unternehmensvertretern gemeinsam mit Externen identifiziert und bewertet wurden (s. Abb. 1). Dabei gehen die Themen und Erkenntnisse weit über das hinaus, was traditionelle Marktforschung liefert.
Hier birgt die Öffnung der Strategiearbeit wesentliche Chancen. Zunächst geht es um die Fragestellung, wann die Zukunft eintritt. Dabei können externe Experten dazu beitragen, damit vermeintliche Gefahren nicht in die Zukunft verlagert, sondern als jetzige Realität anerkannt werden. Abb. 1 visualisiert die Unterschiede der Antizipation potenzieller Gefahren von Internen und Externen hinsichtlich der zeitlichen Einordnung. Ein Beispiel dafür ist Heidelberger Druck: Einer der Trends, die man im Rahmen einer vorgelagerten, internen Trendübung in weite Ferne verortet hatte, rückte durch den Hinweis eines externen Experten in direkte Nähe. Ein Start-up schaffte es bereits, Etiketten zu umgehen und direkt auf das Trägermaterial (PET bzw. Glas) zu drucken. Auch wenn die Qualität noch nicht optimal ist, zeichnet sich eine bevorstehende Disruption dieser Technologie ab. Der Nutzen einer offenen Umweltanalyse liegt in der Vermeidung ebensolcher interner Schwachstellen. Das heißt, es werden Trends sichtbar, die man intern nicht im Fokus hatte. Wertvoll ist schließlich auch die Bandbreite an unterschiedlichen Expertenmeinungen zu bestimmten Trends. Der Erkenntnisgewinn liegt in der gemeinsamen Auflösung scheinbarer Widersprüche durch die Perspektivenvielfalt. Exemplarisch dafür steht Ritter Sport. Die Visionen zu Technologien, Nachhaltigkeit und Ernährung liegen zunächst weit auseinander, bevor sich die Zukunftsmuster sukzessive schärfen.
Methodisch stützt sich Open Strategy bei dieser Initiative auf einen hypothesenbasierten Ansatz. Zunächst werden anhand von Interviews Trendfelder für das jeweilige Unternehmen definiert, um dann für jedes Feld spezifische Trends zu identifizieren. Nach einer Bewertung der Trends durch interne und externe Experten werden diese in einer interaktiven Übung, dem Trendradar, eingeordnet. Schließlich werden für das jeweilige Unternehmen die Kerndynamiken abgeleitet, die sich aus einer Vielzahl von Trends in unterschiedlichen Feldern zusammensetzen. Für Unternehmen, die diese Dynamiken verfolgen, dürfte die Zukunft keine unerwartete Entwicklung bringen. Trends sind grundsätzlich neutral, d. h. sie stellen weder ein Risiko noch eine Chance dar. Gelingt es nicht, dem Trend zu begegnen, wird er zum Risikotreiber. Hat man indes eine passende Strategie, handelt es sich um einen Chancentreiber. Basierend darauf lässt sich die Bereitschaft der Unternehmen messen, die Auskunft über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen gibt.

2.3 Kompetenzanalyse zur Reflexion der internen Stärken und Schwächen

Auch bei der Kompetenzanalyse kann ein offener Ansatz dem Unternehmen entscheidende Impulse geben. Zu diesem Zweck wird entlang eines strukturieren Vorgehens zunächst das Gesamtbild der Kompetenzen des Unternehmens im Kreis der Führungskräfte definiert, um darauffolgend die Weisheit und Kreativität der Menge zu nutzen (Wawarta und Paroutis 2019). Der nächste Schritt richtet sich darauf, die Einschätzung der Führungsebene mit der Organisation zu teilen. Abschließend wird das nun deutlich differenziertere Selbstbild mit ausgewählten Kunden, Lieferanten und Industrieexperten abgeglichen. Das Ergebnis ist zum Teil aufschlussreich, zum Teil jedoch auch ernüchternd. Vermeintliche Stärken schwinden. Umgekehrt gibt es aber auch Fähigkeiten, die bisher wenig Beachtung gefunden haben, nun aber an Bedeutung gewinnen. Die Reflexion der eigenen Kompetenzen von außen wird umso wertvoller, je weiter sich das Unternehmen von seinem bisherigen Kerngeschäft distanziert. Was in der eigenen Branche für Alleinstellung sorgt, kann sich in einem neuen Umfeld als weniger erfolgreich erweisen – und umgekehrt (ebd.).

3 Exploration neuer Geschäftsmodelle

Die Öffnung der Strategie stärkt sowohl die Exploration als auch die Umsetzung von Strategien (Pittz et al. 2019). Konkret begünstigen die Weisheit der Masse (Wisdom of the Crowd), sprich die kollektive Intelligenz, und der branchenübergreifende Transfer (Cross-Fertilisation) durch die Einbindung externer Interessengruppen das Aufspüren und Bewerten von neuen Wachstumsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen. Dadurch können Innovationsbarrieren umgangen werden (ebd.). Eine der größten Barrieren erfolgreicher Geschäftsmodellinnovationen sind rigide mentale Modelle von Führungskräften. Diese mentalen Modelle begünstigen eine Konzentration nach innen sowie ein konservatives Festhalten an bewährten Prozessen, die die Führungskräfte daran hindern, an neue Geschäftsideen anzuknüpfen (DaSilva et al. 2013). Stattdessen sehen sich Unternehmen in ihrem eigenen erfolgreichen Geschäftsmodell gefangen (Cozzolino et al. 2018; Kammerlander et al. 2018). Denn je erfolgreicher ein Unternehmen in der Vergangenheit war, desto starrer werden diese mentalen Modelle und desto schwieriger wird es, Neues zu erkunden. Erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation bedeutet jedoch selten, das Rad neu zu erfinden. Laut einer Studie von Gassmann, Professor für Technologie und Innovationsmanagement an der Universität St. Gallen, sind 90 % der Geschäftsmodellinnovationen nichts anderes als die Übertragung erfolgreicher Muster aus anderen Branchen (Gassmann et al. 2013). Einige der innovativsten und kreativsten Geschäftsideen basieren auf Analogien (Gavetti 2005). So diente z. B. das Razor-Blade-Modell von Gillette als Analogie für Nespresso (Matzler et al. 2013). Durch die Öffnung des Strategieprozesses und die Einbindung Externer erhalten die Unternehmen Zugang zu branchenfremden Erfolgskonzepten und gewinnen so neue Perspektiven für die eigenen Geschäftsmodelle.
Dieser Prozess der offenen Exploration untergliedert sich nach unserem Ansatz in vier Schritte:
1.
In Schritt 1 werden potenzielle Wachstumsräume identifiziert. Die Suche kann chancenorientiert oder bedrohungsinduziert erfolgen. „Die Abhängigkeit von den Automobilkunden zu verringern“ kann dabei ebenso eine Maxime sein wie „ein innovatives Anwendungsfeld für unser Beschichtungs-Know-how zu finden“.
 
2.
Schritt 2 dreht sich um die gemeinsame Priorisierung der Wachstumsräume und mündet in den sogenannten Hot Spots.
 
3.
Hat sich ein Feld auf diese Weise qualifiziert, richtet sich Schritt 3 auf einen kreativen Prozess zur Erkundung neuer Geschäftsmöglichkeiten innerhalb des Wachstumsbereichs, und zwar solche, in denen das Unternehmen bereits einen entscheidenden Vorsprung gegenüber Wettbewerbern aufweist.
 
4.
In Schritt 4 arbeiten heterogene Teams an Geschäftslogiken zur Nutzung dieser Chancen.
 
Wie offene Exploration funktioniert, zeigt Dr. Oetker: Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 3 kg, einem Umsatz von ca. 1,6 Mrd. € und einer jährlichen Wachstumsrate von gut 1 % ist der Markt für Frühstückscerealien und Müsli gesättigt. Etablierte Wettbewerber gewinnen keine Marktanteile. Gleichwohl zeigt MyMüsli, dass via Digitalisierung und Geschäftsmodellinnovationen Wachstum möglich ist. Das treibt Dr. Oetker an, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die dazu beitragen, dass Müsli, wie wir es heute kennen, bis 2030 nicht mehr auf dem Markt existiert. Dr. Oetker setzt dafür auf einen offenen Strategieansatz: Lebensmittelspezialisten, Technologieexperten, Start-ups und digitale Disruptoren arbeiten gemeinsam mit Mitarbeitern an neuen Geschäftsideen. Dr. Oetker baut damit auf die Prinzipien der Weisheit der Masse und des branchenübergreifenden Transfers. Daraus entstehen neue strategische Stoßrichtungen und alternative Geschäftsmodelle, darunter eines, das auf Plattformökonomie, Deep Learning und künstliche Intelligenz als wichtige Bausteine basiert: Aus öffentlich zugänglichen Datenquellen kann Dr. Oetker sich abzeichnende Konsummuster früh erkennen, die man dann zeitnah bei der Produktentwicklung einsetzt, ehe es Trends werden und andere Unternehmen handeln. Dieses Geschäftsmodell zielt darauf ab, Produkte als Reaktion auf die sich abzeichnenden Konsumtrends in streng limitierten Mengen, sogenannten „Drops“, wöchentlich und ohne vorherige Ankündigung an ausgewählten Verkaufsstellen anzubieten (Stadler et al. 2022). Diese Strategie basiert auf bewusster Verknappung und aktiviert den Sammeltrieb der Kund:innen. Ein solches Geschäftsmodell kann die Nachfrage grundsätzlich verändern und stellt traditionelle Hersteller so auf die Probe.

4 Strategische Ausrichtung des Unternehmens

Open Strategy ist ein Konzept, das eine strategische Fokussierung entscheidend beeinflussen kann. Laut Porter (1996) besteht die Essenz einer Strategie darin, zu entscheiden, was man nicht macht. Open Strategy kann dieser Aufgabe gerecht werden, indem es Inkonsistenzen aufzeigt, die durch eine unzureichende Auslotung der Anforderungen im Zielmarkt entstehen (Wawarta und Paroutis 2019). Durch frühzeitiges Einbinden von Marktexperten und potenziellen Kunden kann Open Strategy dabei einen wertvollen Beitrag zur Entscheidungsfindung leisten. Zudem kann Open Strategy die Qualität der Strategie und die Legitimation von strategischen Entscheidungen erhöhen (Gegenhuber und Dobusch 2017). Ein anschauliches Beispiel liefert ein Unternehmen im Feld Magnetocalorik, einem Verfahren, bei dem die Temperatur durch ein abnehmendes Magnetfeld gesenkt werden kann. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob diese neue Technologie den klassischen Kühlkompressor disruptieren wird. Durch die intensive Einbindung von Wissenschaftlern, Technologie- und Marktexperten konnte die fundierte Empfehlung erarbeitet werden, die Magnetocalorik-Technologie für den Einsatz in Haushaltskühlschränken nicht weiterzuverfolgen. So ist selbst die bewusste Abwahl einer Strategieoption ein positives Ergebnis, das den Fokus und die strategische Ausrichtung schärft.
Die strategische Ausrichtung eines Unternehmens manifestiert sich nicht zuletzt im Geschäftsmodell (Haefliger 2019). Auch hier bietet ein offener Ansatz das Potenzial, das bisherige Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen. Beim Solardachziegelhersteller Autarq hat sich dafür die Methode „Kill the concept“ bewährt. Dabei geht es darum, dass die Strategieprämissen systematisch und unter Einbezug externer Expertise auf den Prüfstand gestellt werden.
Ein Beispiel: Im Jahr 2012, und damit weit vor der Energiewende, entwickelte Gründer Cornelius Paul die Vision, mit dem Solarziegel eine attraktive Form der Photovoltaik für die Dächer von Einfamilienhäusern anzubieten. Sein Ziel war es, führende Technik mit Ästhetik zu kombinieren, um ein positives ökologisches Bewusstsein zu schaffen. Obwohl technologische Fortschritte erzielt wurden, blieb der Markterfolg aus, da das Geschäftsmodell in der Praxis nicht funktioniert. Zehn Jahre später werden Open Strategy und die Methode „kill the concept“ vorgestellt. In mehreren, hintereinander geschalteten (digitalen) Reflexionsrunden wird dabei das bestehende Geschäftsmodell hinsichtlich seiner zentralen Hypothesen auf den Prüfstand gestellt. Es geht darum, wie man die letzte Meile zum Kunden beherrscht, ob der Markt tatsächlich „Alles-aus-einer-Hand“-Lösungen verlangt, ob der Solarziegel ausreichend Nachfragesog im Markt erzeugt und ob sich das Marktpotenzial durch einen einzelnen Spieler heben lässt. Hierzu werden mithilfe eines Expertennetzwerks alle Akteure entlang der Wertschöpfungsstufen, darunter Vertreter von Autarq, Solateure, Ziegelhersteller, Energieversorger, Dachdecker und private wie öffentliche Kunden an einen Tisch geholt. Dieser offene Ansatz hilft, festgefahrene Ansichten und Denkweisen aufzubrechen. Zugleich bringt der frische Blick von außen, den Kai Buntrock als CEO einbringt, neue Erkenntnisse, die die bisherige Geschäftslogik revolutionieren. Der Schwerpunkt verlagert sich von B2C auf B2B. Es werden nun Nischen betrachtet, die es zu besetzen gilt. Eine solche Nische sind schwer zugängliche Dächer von zahlungskräftigen Kunden, die einen Beitrag zur Energiewende leisten. Dies hilft, bestehende, komparative Kostenachteile auszugleichen und sich schließlich in Richtung Mainstream-Markt zu bewegen. Eine weitere Nische sind denkmalgeschützte Gebäude, wodurch Kommunen und Städte als Kunden stärker in den Fokus rücken.

5 Von der strategischen Ausrichtung zur tragfähigen Geschäftslogik

Der allgemeine Entschluss über die Strategie ist gefasst. Nun gilt es, die gewählte strategische Ausrichtung umzusetzen. Methodisch hat sich dafür der Geschäftslogik-Ansatz bewährt (Matzler et al. 2013). In Anlehnung an die Start-up Community wird ein Business-Logic-Contest durchgeführt. In 100-Tage-Sprints bearbeiten heterogene Teams die unterschiedlichen Dimensionen der Geschäftslogik:
  • Angebotslogik: Was bieten wir an? Welches Kundenbedürfnis versuchen wir zu erfüllen?
  • Wertschöpfungslogik: Wie gestaltet sich der gesamte Wertschöpfungsprozess? Welche Kompetenzen sind dazu notwendig und welche davon decken wir selbst ab?
  • Markteingangslogik: In welchen Markt wollen wir eintreten und wie verschaffen wir uns Zugang zum Markt?
  • Erlöslogik: Wie erwirtschaften wir Gewinne?
Aber auch Fragen der Organisationsstruktur und -abläufe werden im Rahmen der Sprints behandelt. Ziel ist es, Strukturen zu schaffen, die eine Ambidextrie zwischen Kerngeschäft und neuem Geschäftsmodell ermöglichen (Tushman und O’Reilly 1996). Externe kommen jetzt nicht mehr nur punktuell zum Einsatz, sondern agieren als echte Teammitglieder.
Sind die Fragen betreffend der Geschäftslogik beantwortet, folgt die Implementierung. In diesem Zusammenhang kommt das Open-Format Solutionator zum Einsatz. Das Format basiert auf der Systemtheorie und erfüllt das Versprechen, die oft beklagten Umsetzungsworkshops und Teile des Change-Managements überflüssig zu machen. Die Öffnung erfolgt dabei vor allem nach innen. Ziel ist es, an den zentralen Stellschrauben für einen erfolgreichen Implementierungsprozess zu drehen, Wechselwirkungen zu anderen Themen zu berücksichtigen, um schließlich über umsetzbare Lösungen zu verfügen. Der Solutionator unterscheidet sich dabei von Umsetzungsworkshops durch das Ziel, Betroffene zu Beteiligten zu machen, indem man die Teilnehmer vollständig involviert. Im Zuge dessen nehmen die Teilnehmer während des 3‑tägigen Verlaufs aktiv verschiedene Rollen ein. Sie übernehmen als „Treiber“ die Verantwortung für die Lösungsfindung, begleiten als „Unterstützer“ ein Thema, was für die Gruppendynamik wichtig ist, oder fördern als „Sender“ die Vernetzung, um die Qualität der Lösungen zu erhöhen und Umsetzungsbarrieren abzubauen. Auf diese Weise verspricht der Solutionator eine bessere Umsetzung durch die aktive Zusammenarbeit und das Engagement der beteiligten Akteure.

6 Fünf Erfolgsfaktoren einer offenen Strategie

Folgt man der Literatur zu Open Strategy (Hautz et al. 2017; Stadler et al. 2021), so zeichnen sich fünf Faktoren ab, die für eine erfolgreiche Öffnung ausschlaggebend sind:
Faktor #1 ist der Geist an der Spitze. Studien belegen, dass es oftmals daran scheitert, die Führungsebene von einem offenen Ansatz zu überzeugen. Führungskräfte fürchten, dass bestehende Machtverhältnisse und ihre Kontrolle über eine Strategie dadurch in Frage gestellt (Whittington et al. 2011) und ihre einzigartige Rolle und Reputation gefährdet werden (Hautz et al. 2017; Matzler et al. 2014; Stadler et al. 2021). Dies wurde durch die Aussage eines CEOs während eines offenen Formats deutlich: „Die Übung ist gut, aber mit Verlaub, die Botschaften müssen von mir kommen.“ Die Hauptsache ist doch, dass die Beiträge überhaupt kommen, unabhängig davon, wer sie einbringt. Was Führungskräfte zu offenen Strategen macht, zeigt Rob McEwen, CEO des kanadischen Mienenunternehmens GOLD Corp (Williams und Tapscott 2011). Seinerzeit steht das Unternehmen kurz vor dem Aus. Da schlägt McEwen einen überraschenden Coup vor: „Was, wenn wir all unser geologisches Wissen im Internet publizieren und die Welt fragen, wo wir auf Basis dieser Daten Gold finden?“ Trotz internen Widerstands setzte sich McEwen für eine offene Strategie ein. Vorschläge kommen aus der ganzen Welt von Geolog:innen, Studierenden, Beratungen, Mathematiker:innen. Über 100 neue Goldquellen werden identifiziert und ca. 8 Mio. Unzen Gold gefördert. Sieger der Aktion war Nick Archibald von Fractal-Graphics, der weder jemals in einer Goldmine noch in Kanada war. Sein Unternehmen ist spezialisiert auf 3D-Computermodelle und stellt Daten dreidimensional dar. Cross-Fertilisation auf höchstem Niveau.
Faktor #2 bezieht sich auf die allgemeine Bereitschaft einer Organisation zur Öffnung. Sich sowohl nach innen als auch nach außen zu öffnen, insbesondere gegenüber externen Experten, die nicht aus der eigenen Branche stammen, stellt oftmals eine Herausforderung dar. Das lässt sich auf das „not-invented-here“-Syndrom zurückführen (DaSilva et al. 2013; Kammerlander et al. 2018). Erst wenn die Bedrohung unmittelbar bevorsteht, sind Unternehmen bereit, sich für Hilfe von außerhalb der Führungsebene zu öffnen. Nur ist es dann vielfach (zu) spät, um das Potenzial einer Öffnung zu nutzen. Ein solches defensives Verhalten erlebten die Experten im Rahmen einer Open Strategy-Übung bei einem großen Chemieunternehmen: Die Einschätzungen der Experten wurden ignoriert, die Manager fühlten sich regelrecht angegriffen und rechtfertigten ihre Haltung damit, dass alles bedacht worden sei und sie sicherlich an den richtigen Themen arbeiten würden. Die Realität holte das Unternehmen schließlich ein.
Was wir daraus lernen, ist ein durchdachterer Umgang mit Open Strategy. In diesem Zusammenhang steht Faktor #3 – ein sicherer Umgang mit offenen Formaten. Eine gezielte Öffnung nach innen und nach außen wird durch eine Reihe von Formaten unterstützt, die auf die verschiedenen Herausforderungen eines Strategiezyklus zugeschnitten sind. Das Wissen, welches Werkzeug zu welcher Herausforderung passt, ist einerseits durch Erfahrungen gestützt, andererseits können auch Lernkurveneffekte im Umgang mit Open Strategy-Instrumenten eine Rolle spielen. Auch hier gilt, man lernt durch Ausprobieren. Was einigen Unternehmen die Öffnung erleichtert hat, ist der Einstieg mit bereits bekannten Themen, etwa ein neues Anwendungsfeld für eine bestehende Fähigkeit, idealerweise abseits vom Kerngeschäft. Da man hier kein großes Risiko eingeht, steigt die Bereitschaft, sich zu öffnen. Mit Anwendung des offenen Ansatzes schwindet die anfängliche Skepsis und das Vertrauen wächst, sodass Open Strategy in der Folge auch im strategischen Zentrum des Unternehmens implementiert werden kann.
Öffnung ist nicht gleich Öffnung. Faktor #4 beschäftigt sich deshalb mit der Frage, wo man in welcher Weise wie weit öffnet. Anlass, Richtung und Grad der Öffnung sind die zu bestimmenden Variablen. Bei der Umweltanalyse und Exploration etwa plädieren wir für weite, insbesondere laterale Öffnung. Es geht um Cross-Fertilisation, um den Transfer von Wissen von einem Kontext in einen anderen. Dazu stellen Jeppesen und Lakhani (2010) fest, dass bei Ideenwettbewerben die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen mit der fachlichen Distanz des Problemlösers zum zu lösenden Problem steigt. Dies sollte bei der Besetzung der Strategieteams berücksichtig werden. Start-ups können dabei inhaltliche Beiträge leisten. Sie fördern aber vor allem die unverzichtbare mentale Agilität. Demzufolge ist ein gegebenenfalls notwendiges „Umschwenken“ bei der Strategieentwicklung keine Niederlage, sondern ein erfolgskritisches Muster. Je weiter der Strategieprozess fortgeschritten ist, desto wichtiger ist einerseits die inhaltliche Verzahnung mit der Organisation (Öffnung nach innen) und andererseits das Expertenwissen (Öffnung nach außen) über die Lage auf dem angestrebten Markt. Was das Ausmaß der Offenheit betrifft, so ist ein gewisses Maß an externen Impulsen erforderlich, um einen ausreichenden Anreiz für die Unternehmen zu schaffen, ihre strategische Ausrichtung zu ändern. Ein zu geringer Einsatz von Experten schwächt also die Wirkung der Öffnung. Abb. 2 stellt Richtung und Grad der Öffnung entlang des Strategieprozesses dar. Es visualisiert zudem, wie die Bereitschaft zur Öffnung zwischen 2015 und 2020 in Unternehmen zugenommen hat.
Faktor #5 betrifft die Zugänge zu externer Expertise. Wer lediglich auf eine Öffnung nach innen setzt, schöpft das Potenzial von Open Strategy nicht aus. Damit werden Zugänge zu externer Expertise zum kritischen Erfolgsfaktor. Besonders mittelständische Unternehmen stoßen hier oftmals an ihre Grenzen. Wo eigene Netzwerke fehlen, können externe Netzwerke helfen. Früher wurden zu diesem Zweck Beratungen engagiert, um Unternehmen für die Zukunft auszurichten. Heute gilt es, das Wissen Vieler zugänglich zu machen und gezielt einzusetzen. Darin liegt ein großer Unterschied, der die Dynamik in der Strategiearbeit wie auch in der Strategieberatung aufzeigt. Hierbei kommt es darauf an, Zugänge zu den richtigen Experten zu schaffen, die als Katalysatoren agieren, um Open Strategy zu einem (positiven) Ergebnis zu führen. Schlüsselgröße ist eine idealerweise globale Community, die auf diversen Expertenclustern basiert, aus denen entlang des Strategieprozesses unterschiedliche Profile zum Einsatz kommen: Lateral Thinkers, Technologie- und Marktexperten werden tendenziell in den frühen Phasen des Strategiezyklus eingesetzt. Wertschöpfungspartner, potenzielle Kunden und Start-ups werde meist in den späteren Phasen herangezogen.

7 Fazit

Der erfolgreiche Umgang mit disruptiven Gefahren erfordert neue Fähigkeiten auf Unternehmensseite, darunter ein gezieltes Erkennen der Gefahr, ein frühzeitiges Mobilisieren der Ressourcen sowie die Entwicklung entsprechender Kompetenzen. Da die traditionelle Strategiearbeit hier an ihre Grenzen stößt, bietet sich Open Strategy als transparenter, inklusiver Ansatz der Strategiearbeit an. Mithilfe von speziellen offenen Formaten, wie der Nightmare Competitor Challenge, dem Trendradar oder der Kompetenzanalyse, können neue disruptive Geschäftslogiken entwickelt und implementiert werden. Diese Instrumente erlauben ein unternehmens- und insbesondere branchenübergreifendes Zusammenwirken über die Phasen der Strategieentwicklung, -formulierung, und -implementierung hinweg.
Gleichzeitig stellt die Öffnung des Strategieprozesses für viele Unternehmen allerdings eine Herausforderung dar. Denn Open Strategy steht für einen tiefgreifenden methodischen, prozessualen und kulturellen Wandel in der Strategiearbeit. Um eine erfolgreiche Open Strategy im Unternehmen zu erreichen, müssen Führungskräfte ihre Haltung überdenken und intern die Bereitschaft zur Öffnung gewährleisten. Ebenso muss eine potenzielle Skepsis gegenüber neuen, offenen Formaten überwunden, das Ausmaß der Öffnung definiert und der Zugang zu externen Experten geschaffen werden. Es ist von zentraler Bedeutung, zunächst abseits des Kerngeschäfts zu starten, um relevante Erfahrungen zu sammeln. Dieser erste Schritt bildet die Grundlage, um potenzielle Partner wie Mitarbeiter, Kund:innen, externe Experten oder Wertschöpfungspartner in den Strategieprozess einzubeziehen. Erreichen Unternehmen dies, kann Open Strategy ein Türöffner für potenziell disruptive Geschäftslogiken sein. Nur so lassen sich Strategieentwürfe für die großen Themen unserer Zeit wirksam realisieren.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Unsere Produktempfehlungen

Organisationsberatung, Supervision, Coaching

Die Zeitschrift OSC ist ein internationales Diskussionsforum für eine qualifizierte Beratungspraxis. OSC widmet sich Innovationen in der Organisationsberatung, in der Supervision und im Coaching.

Literatur
Zurück zum Zitat Augier, M., Dew, N., Knudsen, T., & Stieglitz, N. (2018). Organizational persistence in the use of war gaming and scenario planning. Long Range Planning, 51(4), 511–525.CrossRef Augier, M., Dew, N., Knudsen, T., & Stieglitz, N. (2018). Organizational persistence in the use of war gaming and scenario planning. Long Range Planning, 51(4), 511–525.CrossRef
Zurück zum Zitat Chesbrough, H. (2003). The era of open innovation. MIT Sloan Management Review, 44(3), 35–41. Chesbrough, H. (2003). The era of open innovation. MIT Sloan Management Review, 44(3), 35–41.
Zurück zum Zitat Christensen, C. M. (1997). The innovator’s dilemma: when new technologies cause great firms to fail. Brighton: Harvard Business School Press. Christensen, C. M. (1997). The innovator’s dilemma: when new technologies cause great firms to fail. Brighton: Harvard Business School Press.
Zurück zum Zitat Christensen, C. M., & Raynor, M. E. (2003). The innovator’s solution: creating and sustaining successful growth. Brighton: Harvard Business School Press. Christensen, C. M., & Raynor, M. E. (2003). The innovator’s solution: creating and sustaining successful growth. Brighton: Harvard Business School Press.
Zurück zum Zitat Christensen, C. M., Matzler, K., & von den Eichen, F. S. (2011). The Innovator’s Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren. München: Vahlen. Christensen, C. M., Matzler, K., & von den Eichen, F. S. (2011). The Innovator’s Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren. München: Vahlen.
Zurück zum Zitat Day, G. S., & Schoemaker, P. J. H. (2006). Peripheral vision: Detecting the weak signals that will make or break your company. Brighton: Harvard Business School. Day, G. S., & Schoemaker, P. J. H. (2006). Peripheral vision: Detecting the weak signals that will make or break your company. Brighton: Harvard Business School.
Zurück zum Zitat von den Eichen, F. S. (2022). Innovate your innovation management! 51. innovation-night, Lustenau, 19. Okt. 2022. von den Eichen, F. S. (2022). Innovate your innovation management! 51. innovation-night, Lustenau, 19. Okt. 2022.
Zurück zum Zitat Gassmann, O., Frankenberger, K., & Choudury, M. (2013). Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. München: Hanser.CrossRef Gassmann, O., Frankenberger, K., & Choudury, M. (2013). Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. München: Hanser.CrossRef
Zurück zum Zitat Haefliger, S. (2019). Orientations of open strategy: From resistance to transformation. In R. Whittington, G. Von Krogh & D. Seidl (Hrsg.), Handbook of open strategy (S. 151–166). Cambridge: Cambridge University Press.CrossRef Haefliger, S. (2019). Orientations of open strategy: From resistance to transformation. In R. Whittington, G. Von Krogh & D. Seidl (Hrsg.), Handbook of open strategy (S. 151–166). Cambridge: Cambridge University Press.CrossRef
Zurück zum Zitat Matzler, K., Stadler, C., Hautz, J., von den Eichen, F. S., & Anschober, M. (2022). Open Strategy. Durch offene Strategiearbeit Disruption erfolgreich managen. München: Vahlen. Matzler, K., Stadler, C., Hautz, J., von den Eichen, F. S., & Anschober, M. (2022). Open Strategy. Durch offene Strategiearbeit Disruption erfolgreich managen. München: Vahlen.
Zurück zum Zitat McGrath, R. G. (2019). Seeing around corners: How to spot inflection points in business before they happen. Boston: Houghton Mifflin Harcourt. McGrath, R. G. (2019). Seeing around corners: How to spot inflection points in business before they happen. Boston: Houghton Mifflin Harcourt.
Zurück zum Zitat Porter, M. E. (1996). What is strategy? Harvard Business Review, 76(6), 61–78. Porter, M. E. (1996). What is strategy? Harvard Business Review, 76(6), 61–78.
Zurück zum Zitat Schwarz, J. O. (2011). Ex ante strategy evaluation: The case for business wargaming. Business Strategy Series, 12(3), 122–135.CrossRef Schwarz, J. O. (2011). Ex ante strategy evaluation: The case for business wargaming. Business Strategy Series, 12(3), 122–135.CrossRef
Zurück zum Zitat Stadler, C., Hautz, J., Matzler, K., & von den Eichen, F. S. (2021). Open strategy: Mastering disruption from outside the C‑suite. Boston: MIT Press.CrossRef Stadler, C., Hautz, J., Matzler, K., & von den Eichen, F. S. (2021). Open strategy: Mastering disruption from outside the C‑suite. Boston: MIT Press.CrossRef
Zurück zum Zitat Stadler, C., Hautz, J., Matzler, K., & von den Eichen, S. F. (2022). Open up your strategy. MIT Sloan Management Review, 63(2), 1–6. Stadler, C., Hautz, J., Matzler, K., & von den Eichen, S. F. (2022). Open up your strategy. MIT Sloan Management Review, 63(2), 1–6.
Zurück zum Zitat Williams, A. D., & Tapscott, D. (2011). Wikinomics. London: Atlantic Books. Williams, A. D., & Tapscott, D. (2011). Wikinomics. London: Atlantic Books.
Metadaten
Titel
Open Strategy: Durch offene Strategieprozesse Geschäftsmodelle innovieren
verfasst von
Prof. Dr. Kurt Matzler
Prof. Dr. Stephan Friedrich von den Eichen
Kristina Stoiber
Prof. Dr. Julia Hautz
Christian Stadler
Publikationsdatum
16.11.2023
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Organisationsberatung, Supervision, Coaching / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 1618-808X
Elektronische ISSN: 1862-2577
DOI
https://doi.org/10.1007/s11613-023-00859-7

Weitere Artikel der Ausgabe 1/2024

Organisationsberatung, Supervision, Coaching 1/2024 Zur Ausgabe

Premium Partner