2 Verhaltensökonomie und traditionelle Wirtschaftstheorie
Die Ökonomie erklärt menschliches Verhalten dadurch, dass Individuen aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten rational auswählen und sich an den erwartenden Konsequenzen ihres Handelns orientieren (vgl. Kirchgässner
2000, S. 2). Die Ökonomie ist damit die Lehre von der Wahlhandlung, d. h. der effizienten Verwendung knapper Ressourcen zur Befriedigung der unbegrenzten Bedürfnisse des Menschen.
Die Verhaltensökonomie ist demgegenüber eine neue Denkrichtung, die vor allem die psychologischen bzw. sozialwissenschaftlichen Aspekte des menschlichen Handelns in die traditionelle Ökonomie einzubeziehen und diese weiterzuentwickeln sucht. Als wichtigste und erste Vertreter der Verhaltensökonomie sind Daniel Kahneman, Amos Tversky, Richard Thaler und Cass Sunstein zu nennen. Zentraler Forschungsgegenstand ist nicht die pauschale Ablehnung des neoklassischen Ansatzes, sondern vielmehr der Versuch, die Ökonomie durch die Berücksichtigung psychologischer Erkenntnisse und durch die Modifizierung einzelner Annahmen zu erweitern und zu verbessern (vgl. Schettkat
2018). Auf diese Weise soll die Ökonomie wieder mit psychologischen Inhalten angereichert und so der Prozess der „
Entpsychologisierung der Ökonomie“, der mit Vilfredo Pareto seit den 1930er-Jahren eingesetzt hatte, wieder rückgängig gemacht werden.
„Behavioral Economics is … about understanding whether people make good or bad choices, and could be helped to make better choices“ (Cartwright
2018, S. 3). Durch die Fundierung der Ökonomie mit psychologischen Erkenntnissen sollen auch die theoretischen Grundlagen, Prognosefähigkeit und Elemente der Politikberatung verbessert und realitätsnäher gestaltet werden. Die eigentlich treffendere Bezeichnung „
psychologisch informierte Ökonomik“ hat sich – zum Bedauern von Christian Schubert – nicht durchgesetzt (
2018, S. 861).
Über die individuellen Entscheidungen hinaus können auch kollektive Entscheidungen den Erkenntnisgegenstand bilden. Die
verhaltensökonomische Theorie der Politik untersucht den Einfluss von systematischen Verzerrungen individueller Entscheidungen sowie der besonderen Anreizstrukturen bei kollektiven Entscheidungen auf die politische Entscheidungsfindung und auf die ihnen vorgelagerten Prozesse (z. B. die Entstehung politischer Präferenzen, Wahlverhalten, Interessenkonflikte). Die systematischen Verhaltensverzerrungen und -anomalien lassen sich auch auf das Entscheidungsverhalten von politischen Akteuren, Bürokraten und Interessengruppen übertragen (vgl. Schnellenbach
2017, S. 198–203 und Schnellenbach und Schubert
2015 sowie immer noch: Frey und Eichenberger
1991).
Die Verhaltensökonomie beruht auf dem „Heuristik und Bias“-Ansatz. Heuristiken lassen sich als Instrumente zur Entscheidungsvereinfachung, gleichsam als gedankliche Abkürzungen verstehen (auch: Daumenregeln oder Bauchentscheidungen). Heuristiken sollen helfen, Entscheidungssituationen unter Verwendung von vereinfachenden Regeln zu lösen. Sie ermöglichen Schlussfolgerungen und Entscheidungen, ohne dass dafür vollständige Informationen erforderlich wären. Die Entscheidungsergebnisse sind dann nicht unbedingt optimal, aber häufig angemessen, nützlich und schnell.
Die Vertreter der Verhaltensökonomie gewinnen ihre Erkenntnisse vor allem durch Experimente und in Versuchslaboren, bei denen sie das Entscheidungsverhalten der Individuen (meist Studierende) beobachten. In zahlreichen Experimenten wurden dabei Fehleinschätzungen, Irrtümer im menschlichen Verhalten und Abweichungen von dem in der traditionellen Ökonomik unterstellten Rationalverhalten festgestellt („Biases“ oder „Verzerrungen“). Diese Abweichungen sind nach Daniel Kahneman und Amos Tversky systemischer Art, lassen sich in wiederholten Experimenten nachweisen und kompensieren sich nicht gesamtgesellschaftlich (
1974). Die Verzerrungen und Heuristiken spielen vor allem dort eine wichtige Rolle, wo kein oder nur eingeschränktes Lernen in der für rationales Verhalten erforderlichen Form stattfinden kann (vgl. Weimann
2015, S. 246). Von den derzeit ca. 100 bekannten Heuristiken und Verzerrungen sind die wichtigsten: Überoptimismus, Verfügbarkeitsheuristik, Repräsentativitätsheuristik, Bestätigungsirrtum, Rückschaufehler, Verankerung sowie Darstellungsirrtum („Framing“) (vgl. Beck
2014, S. 25–100).
Die Verhaltensökonomik sollte allerdings nicht als eine wissenschaftliche Disziplin interpretiert werden, die zeigt, dass Menschen irrational handeln. Daniel Kahneman hat dies in seiner Nobelpreisrede im Jahr 2002 deutlich gemacht:
„Ich denke nicht, dass ich gezeigt habe, dass Menschen irrational sind.“ Den vermeintlichen Mangel an Rationalität im individuellen Verhalten und die unterstellte Abwesenheit des freien Willens bzw. stabiler Präferenzen sollte man daher nicht überbetonen, denn in zahlreichen Fällen handelt es sich weniger um einen Mangel an Rationalität als vielmehr um ein rationales Verhalten unter Berücksichtigung von Informations- und Entscheidungskosten. In zahlreichen Fällen erscheint der vermeintliche Mangel an Rationalität jedoch als willkommene Begründung für bevormundende politische Entscheidungsträger (vgl. Falk
2022, S. 262–263, Schnellenbach
2014, S. 243–245). Bruno Frey und Reiner Eichenberger haben schon früh betont, dass die politischen Akteure den individuellen Verhaltensverzerrungen nicht etwa entgegenwirken, sondern diese noch verstärken und erst recht für eigene Ziele ausnutzen (vgl.
1991, S. 78–79). Die zentralen Aspekte der Verhaltensökonomie bilden daher Entscheidungsverhalten, Selbstkontrollprobleme und Rationalitätsdefizite bzw. unterschiedliche Rationalitätsbegriffe und deren Auswirkungen sowohl auf die individuellen als auch auf die kollektiven Entscheidungen.
2.1 Entscheidungsverhalten
Die Verhaltensökonomik unterstellt, dass das menschliche Denken über zwei grundlegend unterschiedliche Denk- und Entscheidungssysteme funktioniert (vgl. Kahneman und Tversky
1974,
1979 und Kahneman
2012, S. 55 ff.):
1.
Das System 1 arbeitet automatisch, schnell, intuitiv und ist zuständig für rasche, eher unbewusste Handlungen, Entscheidungen und Bewertungen in der Gut-Schlecht-Dimension („schnelles Denken“). Emotionale Menschen, mit denen sich Psychologen häufig beschäftigen, arbeiten überwiegend mit System 1 und nutzen dabei Heuristiken. Der „homo heuristicus“ arbeitet mit System 1.
2.
Das System 2 hingegen funktioniert kontrolliert, reflektiert, langsam, bewusst, logisch, regelgeleitet und ist zuständig für aufwendige Denk- und Entscheidungsprozesse („langsames Denken“). Der „homo oeconomicus“ arbeitet mit System 2.
Da der Mensch nur über begrenzte Gehirnkapazität verfügt, er aber ständig seine Sinneseindrücke (also: hören, sehen, riechen, schmecken, tasten) wahrnimmt, permanent verarbeitet und in seine Entscheidungen einbezieht, kommt es zu einem stetigen und intensiven Zusammenwirken von System 1 und System 2. System 1 ist dabei automatisch, unbewusst und ständig beschäftigt, während System 2 nur dann aktiviert wird, wenn System 1 nicht mehr weiter weiß oder den Denk- oder Entscheidungsvorgang an System 2 verweist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei ca. 80 bis 90 % unserer Alltagshandlungen wir uns des Systems 1 bedienen und eher intuitiv, automatisch und unbewusst agieren; denn andernfalls könnten wir unseren Alltag gar nicht bewältigen.
2.2 Selbstkontrollprobleme
In der Verhaltensökonomik wird unterstellt, dass der
Erfahrungsnutzen vom
Erwartungsnutzen abweichen kann. Ersterer ist der Nutzen, den der Entscheider tatsächlich erfährt, wenn seine Entscheidung wirksam wird. Letzterer ist der Nutzen, von dem der Entscheider zum Zeitpunkt der Entscheidung annimmt, dass dies sein wahrer Nutzen sei. Diese Abweichung lässt sich als
Internalität interpretieren, die die Bedingung für intertemporale neoklassische Erwartungsnutzenmaximierung verletzt (vgl. Weimann
2015, S. 244). Ein Beispiel hierfür ist die
mangelnde Selbstkontrolle des Menschen (z. B. beim Rauchen, Diäthalten, Sporttreiben oder Sparen), die zeitinkonsistente Präferenzen zur Folge haben kann und häufig zu einer Überbewertung der Gegenwart und zu einem Aufschieben oder Unterlassen von Investitionsentscheidungen führt. Das individuelle Entscheidungsverhalten hat allerdings nur Auswirkungen auf das Nutzenniveau des handelnden Akteurs. Demgegenüber spricht man in der Umwelt- und Klimaökonomie von
Externalitäten, wenn es um die Auswirkungen des Verhaltens eines Menschen auf die Konsum- und Produktionsmöglichkeiten eines anderen Menschen geht (auch: externe Effekte).
2.3 Unterschiedliche Rationalitätsbegriffe
Die Verhaltensökonomie grenzt sich zum „homo oeconomicus“ der neoklassischen Wirtschaftstheorie ab. Der „homo oeconomicus“ unterstellt uneingeschränkte Rationalität des Handelns, vollständige und fehlerlose Informationsaufnahme und -verarbeitung, unbegrenzte Maximierung des Erwartungsnutzen, konsistente und stabile Präferenzen sowie unbegrenzte Willenskraft (frei von Emotionen und Selbstkontrollproblemen). Der methodische Kern ist die Annahme, dass Menschen rationale Entscheidungen, d. h. konsistente Entscheidungen im Hinblick auf ihre – wie auch immer gearteten – Präferenzen treffen (vgl. Weimann
2015, S. 234). Das
ökonomische Verhaltensmodell, das eindeutige, allgemeingültige und robuste Aussagen trifft und eine mathematisch-formale Modellbildung erlaubt, hat so zahlreiche Anwendungsfelder in anderen gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen gefunden und sich zur „Königin der Sozialwissenschaften“ herausgebildet hat (vgl. Frey und Benz
2001, S. 6). Empirische und experimentelle Evidenz deutet darauf hin, dass das neoklassische Rationalmodell das Entscheidungsverhalten auf Märkten sehr gut beschreibt und die Grundannahmen zutreffend und robust sind, dass Menschen anreizorientiert und zu ihrem Vorteil handeln (vgl. Weimann
2016, S. 623 f.). Es erscheint aber überzogen, das Konstrukt „homo oeconomicus“ als generelles „Menschenbild“ aufzufassen, denn es ist lediglich ein
analytisches Verhaltensmodell, das – so Karl Homann – sich sinnvollerweise nur auf den Menschen in Situationen eines Gefangenendilemmas (also: Trittbrettfahrer-Verhalten) bezieht (vgl. Homann
2020/2015, S. 26–27).
Im Mittelpunkt der weiteren Betrachtung stehen daher auch
die unterschiedlichen Rationalitätsbegrifflichkeiten, die von vollständig rational („homo oeconomicus“), über begrenzt rational (vgl. Simon
1959) und über „prozedurale Rationalität“ (vgl. Simon
1978) bis hin zu irrational gehen. System 1 umschreibt folglich ein System
ökologischer Rationalität, d. h. ein nicht geplantes, in einem biologisch oder kulturell evolutionären Prozess entstandenes System aus gewachsenen Handlungsroutinen und Heuristiken. System 2 beinhaltet demgegenüber
konstruktivistische Rationalität, also ein bewusst gesteuerter Denkprozess, bei denen der Mensch mit Logik und Modellen gezielt Problemlösungen sucht (vgl. Smith
2003, S. 465 ff.).
2.4 Emotionen
Die Verhaltensökonomik nimmt die
Emotionen besonders in den Blick und untersucht die Auswirkungen der „
universellen Gefühle“ (vgl. Häusel
2011, S. 43) auf das menschliche Verhalten. Emotionale Reaktionen sind in den menschlichen Genen verankert, wir können sie nicht ablegen. Art und Stärke der Emotionen sind aber nicht universell, sondern abhängig von den Personen und der Situation. Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil der Entstehung und Aufrechterhaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen und haben das Überleben und die Fortpflanzung des Menschen zu sichern. Emotionen (das sind: Trauer, Überraschung, Freude, Ärger, Angst, Ekel und Verachtung) entscheiden aber nicht unmittelbar über das individuelle Verhalten, wie es die Instinkte tun, sondern lassen verschiedene Handlungsoptionen offen, führen aber – zusammen mit den persönlichen Erfahrungen aus ähnlichen Situationen – zu einer unmittelbaren und raschen Entscheidung bzw. Handlung (vgl. Häusel
2011, S. 14–23). Während rationales Denken in eher seltenen Fällen und bei relativ wenigen Menschen zu einem Handeln nach moralischen Prinzipien motiviert (vgl. Homann
2020/2015, S. 44), haben demgegenüber Emotionen eine erheblich stärkere motivationale Funktion für das menschliche Handeln.
So können z. B. besonders stark ausgeprägte Emotionen wie
Angst und
Panik (in der Klimapolitik) und
Gier und
Angst (im Anlegerverhalten) Menschen komplett verändern und zu einem irrationalem Verhalten verleiten. Emotionen führen zu einer verzerrten Risikowahrnehmung: Während Stolz und Überheblichkeit die Wahrnehmung des Risikos reduziert, erhöhen Angst und Panik die menschliche Risikowahrnehmung. Emotionen im System 1 sind schneller als kognitive Prozesse im System 2 und sind häufig schon im System 1 präsent, noch bevor Menschen überhaupt darüber bewusst nachdenken (vgl. Kahneman
2012, S. 31). Angst und Panik wirken ansteckend. Und weil der Mensch ein soziales und emphatisches Wesen ist, übertragen sie sich auf andere in der Gruppe oder Gesellschaft.
4 Das individuelle klimapolitische Handeln – „vermeintlich sinnvolle“ Lösungen, Verhaltensverzerrungen und Emotionen
Wir haben gesehen, dass die Individualmoralisierung grundsätzlich kein geeigneter Ansatz für eine zielführende Klimapolitik ist. Diese Erkenntnis widerspricht allerdings nicht der Auffassung, dass das individuelle Verhalten von vielen Menschen durchaus zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann, wenn sie z. B. auf bestimmte umwelt- oder klimaschädliche Dinge bzw. Verhaltensweise aus moralisch-ethischer Überzeugung freiwillig verzichten (z. B. Flugreisen). Vor allem im Umweltschutz gilt, dass individuelles Verhalten und Verhaltensänderungen zählen (vgl. Hamann et al.
2016). Dies gilt aber in dem Bewusstsein, dass die Betreffenden sich selbst aus ihrer persönlichen gesinnungs- oder pflichtethischen Einstellung heraus an den Verzicht gebunden fühlen, ohne dies zu gesellschaftlichen Handlungsregeln zu verallgemeinern und damit allen anderen auch vorschreiben zu wollen. Die Forderung,
auf individueller Ebene nachhaltig zu handeln, hat daher primär die Umwelt- und weniger die Klimapolitik zum Ziel und führt daher in vielen Fällen zu
myopischen Klimaschutzmaßnahmen. Die verhaltensökonomischen Ansätze sind hilfreich bei der weiteren Analyse dieser klimapolitischen Zusammenhänge.
Daniel Kahneman bezeichnet die „
Selbstüberschätzung“ als die zentrale Schwäche des Menschen und widmet ihr gleich sechs Kapitel in seinem Werk (
2012, S. 247–328). Sie ist aber gleichzeitig wesentlicher Antreiber des menschlichen Handelns, dass der Mensch sich selbst etwas zutraut und wirtschaftliche Unternehmungen eingeht (z. B. Unternehmensgründungen), Neues erforscht und Risiken eingeht (Investitionen, Wagniskapital) zu neuen Kontinenten bzw. Welten aufbricht (Christoph Kolumbus im Jahr 1492, Weltraummissionen heute). Die Selbstüberschätzung tritt sowohl im individuellen Verhalten als auch im kollektiven Verhalten auf.
Eine ausgeprägte individuelle Selbstüberschätzung sorgt dafür, dass wir glauben, mit wenigen Informationen auch komplexe Zusammenhänge korrekt erfassen und beurteilen zu können. Der Mensch neigt dazu, sich hinsichtlich bestimmter Eigenschaften (z. B. Autofahren, Anlegerverhalten) oder beruflicher Fähigkeiten (MINT-Fächer) als überdurchschnittlich einzustufen und seinen eigenen Beitrag zum Eintritt eines Ereignisses zu überschätzen. Dem Menschen fehlt die Fähigkeit, sich in der jeweiligen Situation kritisch zu hinterfragen (mangelnde Selbstreflexion). Mit dem „Better-than-average-Effekt“ unterliegen wir gerne der wohltuend-selbstbestätigenden, aber letztlich irrigen Vorstellung, dass jeder Mensch deutlich besser als der Durchschnitt der anderen Menschen Auto fahren, Geld anlegen und zum Klimaschutz beitragen kann. Diese grundlegende statistische Unmöglichkeit stärkt zwar das „eigene Selbstwirksamkeitserleben“ der Menschen, die Realität sieht aber anders aus.
Die
Selbstüberschätzung in der Gruppe ist nach Jan Schnellenbach bei den gesellschaftlichen Eliten eines Landes stärker ausgeprägt als beim Durchschnitt der Bevölkerung (2017, S. 208). Die wirtschaftlichen und politischen Eliten glauben, aufgrund persönlicher Erfahrungen oder Kompetenzen bestimmte Sachverhalte besser abschätzen oder zukünftige Entwicklungen treffender prognostizieren zu können als der Durchschnitt. Sie sind überzeugt, ihren Aufgaben besser gewachsen zu sein als andere, und sie überschätzen die Qualität ihrer eigenen Entscheidungen und äußern eine ineffizient hohe Zahlungsbereitschaft für die von ihnen ausgewählten Güter oder Projekte (vgl. Massey und Thaler
2013, S. 1479 ff. und Moore und Healy
2008, S. 502 ff.). – Hat sich Deutschland nicht viele Jahre als „Vorreiter der Energiewende“ gefühlt und sich dem vermeintlichen Glanz hingegeben, „Weltmeister im Klimaschutz“ zu sein? War diese moralische Überlegenheit nicht von hoher ostentativer Zahlungsbereitschaft der gesellschaftlichen Eliten und von der Überzeugung getragen, mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und den fossilen Energien sowie dem Ausbau der erneuerbaren Energien den „moralisch richtigen“ Weg eingeschlagen zu haben? Die ausbleibenden Erfolge in der Klimapolitik in Deutschland sprechen jedoch ein anderes Bild und haben diese Wunschvorstellung als „Realitätsillusion“ widerlegt (vgl. Pritzl
2020).
„Wir schaffen das!“ war im Jahr 2015 der Leitspruch der politischen und medialen Elite in der Flüchtlingskrise in Deutschland. Ulrike Ackermann konstatiert, dass sich in der politischen Diskussion in Deutschland der Eindruck verbreitet hat, dass die Eliten selbstbezüglicher, selbstgerechter und abgegrenzter geworden sind und den Kontakt zu weiten Teilen der Bevölkerung verloren haben. Sie spricht von einer Kluft zwischen den funktionalen Eliten und der Bevölkerung in Deutschland, die zu einem enormen Verlust des Vertrauens sowohl in die Eliten als auch in das politische System selbst geführt hat (vgl. Ackermann
2020, S. 117–122). – Angesichts der Ausführungen in Kapitel 3 sollte auch eine noch so hohe kollektive Selbstüberschätzung der gesellschaftlichen Eliten nicht dazu führen, dass ein einzelnes Land in der Klimapolitik mit „Vorreiterrolle“ vorangeht, sich selbst überambitionierte nationale Emissionsziele setzt und quasi im Alleingang ein internationales öffentliches Gut bereitzustellen vorgibt.
Der „Status-Quo-Bias“ führt dazu, dass wir dem gegenwärtigen Zustand eine hohe Präferenz einräumen und uns gegen Veränderungen (und zusammen mit dem „Besitztums-Effekt“ insbesondere gegen Verschlechterungen) des Umfeldes und der Umwelt wehren. In der klimapolitischen Debatte in Deutschland werden Bilder von der „Mutter Erde“, dem „Mythos Gaia“ (James Lovelock) und vom „Weltklima“ verwendet, die den gegenwärtigen Zustand als unantastbar vermitteln, weil jede Veränderung als Verlust am Status-Quo persönlich miterlebt wird. Die Erde wird als lebendiger, sich selbstregulierender Organismus aufgefasst, woraus im Klimadiskurs kompromisslose Forderungen erwachsen: In die „Mutter Erde“ darf nicht künstlich eingegriffen werden (z. B. in Form von Ressourcenabbau (Öl- und Gasförderung, Fracking) oder Carbon Capture Storage); und das „Weltklima“ muss geschützt werden und darf keinerlei Veränderungen unterliegen. Klimaschutz wird so zu einem hehren und höchst moralischen Gut erhoben, das sich somit per se den Kriterien von Effizienz und Effektivität, also den zentralen ökonomischen Effizienzmaßstäben, entzieht.
Der
„Bestätigungsirrtum“ lässt selektiv nur solche Informationen gelten, die jeden Menschen in seiner persönlichen Sicht der Dinge bestätigen. Der Mensch neigt dazu, Fakten im Sinne seiner vorgefassten Meinungen zu suchen und zu interpretieren („selektive Wahrnehmung“) (vgl. Beck
2014, S. 47–58). Die argumentative Verteidigung seiner eigenen Meinung bzw. seiner eigenen politischen Entscheidung steht dann im Mittelpunkt aller weiteren Bemühungen, womit er auch zugleich versucht, negative Emotionen und kognitiven Dissonanzen zu vermeiden und sich so ein konsistentes Welt- und sein positives Selbstbild zu erhalten (vgl. Akerlof
1989, S. 13). So werden z. B. Forschungsergebnisse der Klimawissenschaften, die bestimmte Erkenntnisse in Frage stellen, ignoriert bzw. geleugnet – gemäß dem Motto: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!“ Oder aber diejenigen, die jegliche Klimaveränderungen rundherum abstreiten, lassen sich auch von den schlüssigsten Argumenten und nachgewiesenen Forschungsergebnissen nicht von ihrer Protesthaltung abbringen. Die politischen Akteure bemühen sich um Hinweise und Bestätigungen, dass ihre einmal getroffene politische Entscheidung richtig war. Und manche Menschen können sich neue Erkenntnisse nicht eingestehen, denn dann würden sie damit ja zugeben, dass sie Zeit ihres Lebens der eigenen Selbsttäuschung erlegen sind. Der
„Primacy-Effekt“ verstärkt diese abwehrende Haltung gegenüber neueren Informationen, da dem Menschen zu Anfang gewonnene Erfahrungen wichtiger sind, als weitere (und später) neu hinzugewonnene Informationen. Menschen zeigen dann keine Reue (
„regret aversion“), weil sie ihre bisherige Sichtweise nicht aufgeben und sich ihre Lebenslüge nicht eingestehen wollen oder können. Der Ausspruch des damaligen Arbeits- und Sozialministers Nobert Blüm „Die Rente ist sicher!“ ist legendär und zeugt von unverbesserlicher Selbsttäuschung.
Der
„Rückschaufehler“ führt dazu, dass wir in unserer Urteilskraft beeinflusst werden, wenn wir den Ausgang eines Ereignisses oder die Antwort auf eine Frage kennen. Denn wer den Ausgang eines Ereignisses kennt, überschätzt die Möglichkeit, diesen Ausgang vorauszuahnen und unterschätzt den Anteil des Zufalls am Zustandekommen des Ereignisses. Der Rückschaufehler führt dazu, dass wir das Ausmaß an Unsicherheit unterschätzen, unter der wir die Entscheidung getroffen haben, erschwert, dass wir selbstreflexiv aus unseren Fehlern lernen, und verführt uns zu einem nachträglichen Schönreden und -rechnen des Sachverhaltes. In diesem Sinne bezeichnet Walter Krämer die Deutschen als Weltmeister im „Ex-post-Rationalisieren von irrationalem Verhalten“ (
2013, S. 76)
Der
„Ergebnisfehler“ besteht darin, dass wir vom Ergebnis einer Handlung auf die Qualität der zugrundeliegenden Entscheidung zurückschließen. Dies ist in einer Welt, in der Entscheidungen unter Untersicherheit getroffen werden und in der die klimapolitischen Wirkungszusammenhänge äußerst komplex sind, ein zweifelhaftes Verfahren. Allein der Zufall kann dazu führen, dass sich das Ergebnis eben nicht auf die Qualität der Entscheidung zurückführen lässt (vgl. Weimann
2022, S. 78). Der Ergebnisfehler führt bei politischen Akteuren zu einer prophylaktischen Strategie der Risikominimierung bzw. der breiten Risikoabsicherung, in dem sie sich eng an die parteipolitische Linie (d. h. Parteistrategie, Parteitagsbeschlüsse und Parteiprogramme) halten. Um ihre politische Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, sind Politiker dann meist nur zu kleinen, kaum wahrnehmbaren Positions- oder Politikänderungen imstande (vgl. Lindner
2005, S. 75), wofür das EEG ein beredtes Beispiel bildet.
Bei der „
mentalen Kontoführung“ werden Sachverhalte thematisch kategorisiert und bestimmte Handlungsoptionen und ihre Auswirkungen gedanklich zu „Denkschubladen“ zusammengefasst. Der Mensch hat so das Gefühl, alle Optionen und Auswirkungen im Griff zu haben. Er bleibt bei seinen Entscheidungen aber innerhalb dieser abgegrenzten Denkschubladen, denn er bezieht bei seinen Entscheidungen eben nicht alle relevanten Tatbestände ein. Es werden häufig noch zusätzliche Anstrengungen getätigt, um eine verlorene Ausgabe in der Öffentlichkeit nicht verloren geben zu müssen („
sunk-cost-fallacy“). Dies führt zu einem Festhalten an einer einmal getroffenen Entscheidung, auch wenn sie sich als falsch herausgestellt hat. Denn auch politische Akteure möchten sich gerne konsistent verhalten und ihre politische Reputation nicht verlieren (vgl. Schnellenbach und Schubert
2019, S. 1409–10). – Eine komplette Abschaffung der EEG-Förderung wäre inkonsistent mit dem, was die politischen Akteure in der deutschen Energie- und Klimapolitik seit über 20 Jahren politisch propagieren. Sie möchten kognitive Dissonanzen vermeiden und halten am eingeschlagenen Weg fest und stellen (höchstens) die Finanzierung der EEG-Förderung auf eine Haushaltsfinanzierung um. Gemäß der
„sunk-cost-fallacy“ sind sie zudem bereit, über die bereits getätigten Ausgaben (die Kosten der EEG-Förderung belaufen sich lt. Bundesrechnungshof von 2000 bis 2020 auf bisher rd. 300 Mrd. €) hinaus weitere Kosten aufzuwenden, um das Projekt nicht komplett scheitern zu lassen. Die (weitgehende) Unkenntnis in der Bevölkerung über die Gesamtkosten hilft dabei.
Die
„Affektheuristik“ beschreibt den Umstand, dass durch die Verknüpfung von Wahrnehmung und Gefühl im System 1 sehr schnell eine Bewertung hervorgerufen wird, die als völlig ausreichende Erklärung und zugleich moralisch gute Lösung für den jeweiligen Sachverhalt empfunden wird. Die Affektheuristik ersetzt die komplizierte kognitive Frage „Was denke ich darüber?“ durch die einfache emotionale Frage „Was fühle ich dabei?“ (vgl. Kahneman
2012, S. 127–136). Problematisch kann die Affektheuristik dann werden, wenn eine eigentlich rationale Entscheidung (System 2) durch eine emotionale Entscheidung (System 1) ersetzt wird, was in der Energie- und Klimapolitik, aber auch in der Forschungspolitik in Deutschland häufig der Fall ist (vgl. Weimann
2022, S. 84 ff.). Wissenschaft und Technik werden in Deutschland oftmals naturromantisierend verklärt, es wird keine ausgewogene und sachliche Abwägung der Vor- und Nachteile vorgenommen und vor den negativen Worst-Case-Auswirkungen eine ausgeprägte Angst und Panik geschürt mit der Folge, dass man einerseits
alles Neue und Unbekannte rundweg ablehnt und andererseits
pseudoreligiös einen Heilsbinger erwartet, der alle gesellschaftlichen Probleme mit einem Handstreich für immer löst. In der deutschen Klimapolitik ist diese Affektheuristik besonders ausgeprägt, wenn man z. B. mit einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach oder mit einem E‑Auto den klimapolitischen Heilsbringer gleich parat hat. Das gute Gefühl bei der simplen Lösung des weltweiten Energie- und Klimaproblems mittels PV-Anlagen und E‑Auto ist innerhalb des Systems 1 so verlockend, dass dahinter sämtliche weiteren Überlegungen, die angesichts der klimapolitischen Komplexität eigentlich von System 2 angestellt werden müssten, sich erübrigen. Selektive Wahrnehmung verstärkt und perpetuiert diesen Zustand. Hier paaren sich
Selbstbestätigung mit der
Selbstwirksamkeit des entsprechend der Affektheuristik handelnden Menschen.
Die
„Verfügbarkeitsheuristik“ betont, dass eine Entscheidung maßgeblich auf Basis der kognitiven Zugänglichkeit der Informationen bzw. mentalen Verfügbarkeit der relevanten eigenen Erinnerungen getroffen wird. Je präsenter Bilder von schmelzenden Eisbergen vor Grönland oder Waldbränden in Australien durch moderne Kommunikationstechnologien und soziale Medien werden, desto verfügbarer und unmittelbar präsenter ist den Menschen der Klimaschutz. Daher beeinflusst die
mediale Berichterstattung über Klimaphänomene und Naturkatastrophen erheblich die Emotionen und Psyche des Menschen und dessen Entscheidungsverhalten. Rund 200 Zeitungen haben sich unter dem Motto „Covering Climate Now“ weltweit zusammengetan und koordinieren sich in der medialen Klimaberichterstattung (Home – Covering Climate Now). Wenn ein Unwetterereignis irgendwo auf der Welt passiert, ist es medial fast unmittelbar für alle Menschen weltweit verfügbar. Eine möglicherweise mediale Überzeichnung der Klimaberichterstattung läuft dann Gefahr, zu einer
illusorischen Korrelation zu führen, wenn ein statistischer Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen unterstellt wird, der objektiv gar nicht vorliegt (vgl. Krämer
2015). So ist z. B. die Anzahl der Toten durch Unwetterkatastrophen weltweit in den vergangenen Jahrzehnten gesunken und nicht – wie vielfach suggeriert wird – gestiegen, was aber in der journalistischen Klimaberichterstattung keinen Niederschlag findet (vgl. Bojanowski
2022a; Lomborg
2021).
Die
„Verfügbarkeitsheuristik“ machen sich auch Interessengruppen zunutze, indem sie bestimmte Bilder oder Aussagen gezielt in die mediale Öffentlichkeit bringen, um so ihre eigenen Ziele im politischen Prozess mit höherer Dringlichkeit zu befördern (z. B. Campagning, Agenda Setting). So können sie bestimmte Risiken bzw. Szenarien in der öffentlichen Diskussion überzeichnen und damit
„Verfügbarkeitskaskaden“ (vgl. Kuran und Sunstein
1999) auslösen, denen die Mehrheit der Bevölkerung Glauben schenkt, während sich die Experten oder Journalisten mit einer fachlichen Richtigstellung dieser Überzeichnung zurückhalten. Interessengruppen setzen strategisch darauf, dass sie eine staatliche Energie- und Klimapolitik unterstützen, die systematisch die Risiken überzeichnet und von der ihre Klientel dann finanziell profitiert (vgl. Schnellenbach und Schubert
2019, S. 1411).
Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ist das beste Beispiel dafür, wie strategisch agierende Interessengruppen – im Schulterschluss mit politischen Akteuren – sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten erfolgreich ihre gruppenspezifischen Renteneinnahmen gesichert haben. Die rhetorischen Mittel sind stets dieselben: Es wird immer wieder die besondere Dringlichkeit der bevorstehenden Klimakrise beschworen, jedes Wetterereignis wird zur Bestätigung dieser Bedrohungslage und -intensität uminterpretiert, und fachlich-kritische Stimmen, die diese Aussagen in Frage stellen, bleiben in der politischen Diskussion ungehört bzw. werden – so Hermann Lübbe als Argumentation ad hominem – persönlich diskreditiert (
2019, S. 120). Auf diese Weise werden
klimarhetorische Verfügbarkeitskaskaden aufgebaut, die plausibel und einleuchtend klingen und denen sich die breite Öffentlichkeit weder kognitiv und erst recht nicht emotional zu entziehen vermag. Interessengruppen bemühen sich um eine finanzielle Privilegierung, während an der Wiederwahl orientierte politische Akteure lukrative finanzielle Vorteile gewähren. Durchsetzungsstarke Lobbyakteure sind die Erneuerbare-Energien-Verbände („Wind- und Solarlobby“) und die Unternehmen der Energiewirtschaft sowie zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen (vgl. Bojanowski und Wetzel
2021). Es kennzeichnet den enormen Machteinfluss der EEG-Lobbygruppen, dass trotz der schon im Jahr 2004 vom Wissenschaftlichen Beirat geäußerten Kritik sich an der Grundstruktur der EEG-Förderung wenig geändert hat. Und Axel Bojanowski betont, dass auch die jüngste Novellierung des EGG weniger energiefachlich begründet, als vielmehr der Windenergielobby und ihrer finanziellen Privilegierung geschuldet war (vgl. Bojanowski
2022b).
Der „
Darstellungsirrtum“ („Framing“) beschreibt, dass die verbale Formulierung einer Entscheidungssituation in erheblicher Weise die individuelle Risikowahrnehmung und damit die Urteilsbildung selbst beeinflusst (vgl. Tversky und Kahneman
1981, S. 453). Unterschiedliche Formulierungen können so zu Präferenzveränderungen oder sogar zu einer kompletten Präferenzumkehr führen, was die Manipulierbarkeit des Menschen wiederspiegelt. So kann man mit der Verwendung von absoluten vs. relativen Zahlen, bei einer positiven vs. negativen Umschreibung oder bei der Verwendung von Wahrscheinlichkeiten, die für viele Menschen im Normalfall schwer zu begreifen sind, gezielt auf ein intendiertes Entscheidungsergebnis hinsteuern und den Menschen in seinem Entscheidungsverhalten manipulieren (vgl. auch Krämer
2015). Und selbst fachliche Expertise schützt nicht davor, durch Framing manipuliert zu werden (vgl. Kuehnhanss et al.
2015, S. 360 ff.).
Ausfluss der „
Prospect Theory“ ist es, dass Menschen dazu tendieren, objektive Wahrscheinlichkeit im eigenen Sinne zu „modifizieren“, in dem niedrige Wahrscheinlichkeitswerte über- und hohe Wahrscheinlichkeitswerte untergewichtet werden (vgl. Gigerenzer
2013). Menschen bevorzugen es, mit quantifizierbaren Risiken umzugehen, und vermeiden Situationen unter Ungewissheit. Bei politischen Akteuren kommt nach Kip Viscusi und Ted Gayer noch eine
politische Aversion gegen Ungewissheit hinzu, d. h. sie tendieren dazu, Risiken, die wahrscheinlich sehr klein, aber nicht quantifizierbar sind, subjektiv höher zu gewichten und politisch (unbedingt) regulieren zu wollen (
2015, S. 973 ff.). Politische Akteure tendieren dazu, die Eintrittswahrscheinlichkeiten von unerwünschten Ereignissen in opportunistischer Weise zu überzeichnen und sich selbst zum „Retter der Bevölkerung“ zu stilisieren, wo eigentlich weder ein realistisches Risiko noch ein staatlicher Regulierungsbedarf gegeben sind.
Framing kann folglich als Deutungsmuster interpretiert werden, das zur Bewertung und Sinngebung von unterschiedlichen Themengebieten herangezogen wird. Dies geschieht einerseits durch die Selektion der wahrgenommenen Aspekte der Realität und andererseits durch die Strukturierung der Kommunikation über die Realität (vgl. Dahinden
2018, S. 14). Durch das Hineinbringen einer moralischen Komponente – zusätzlich zu diesem Deutungsmuster – wird die
zielorientierte Beeinflussung („Goal-Framing“) noch einmal verstärkt, gegenüber anderen Auffassungen positiv abgegrenzt und zu verabsolutieren versucht. „Attributives Framing“ verstärkt diese strategische Argumentation in der Klimapolitik durch die gezielte Verwendung von positiv konnotierten Begleitworten (z. B. „grüner“ Strom, „grüner“ Wasserstoff, „nachhaltig“, „bio“, „regenerativ“). Framing kann so gezielt für eigene Zwecke genutzt und strategisch instrumentalisiert werden (vgl. Oswald
2019), was dann sowohl die individuelle als auch – in der Folge – die gesellschaftliche Entscheidungs- und Handlungsfreiheit erheblich einschränken kann. Durch gezieltes Framing werden in Deutschland bestimmte Themengebiete kategorisch aus dem gesellschaftlichen Diskurs und somit aus der gesellschaftlichen Nutzung ausgeschlossen. Tabu-Themen sind z. B.: Grüne Gentechnologie, Carbon Capture and Utilization (CCU) und Carbon Capture Storage (CCS), Fracking sowie Kernenergie. Besonders die Kernenergie wird im gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland oftmals als „furchteinflößende Hochrisikotechnologie“ geframt, obwohl Studien nachweisen, dass sie die sicherste (mit den geringsten Todesfällen pro produzierter Energieeinheit, sogar geringer als Wasserkraft und Windenergie) und umweltfreundlichste (mit den geringsten CO
2-Emissionen aller nicht-regenerativen) Energie ist (vgl. Ritchie
2020). Dies ist auf die Tendenz zur staatlichen Überregulierung von nicht quantifizierbaren, aber äußerst geringen Risiken zurückzuführen und zugleich Ausfluss der in hohem Maße
moralischen Abwertung dieser Energieerzeugungsform.
Der klimapolitische Diskurs in Deutschland ist voll mit intentionalen Deutungen und wertenden Begrifflichkeiten. So stellt der Ausdruck „Mutter Erde“ den inhärenten personalen Eigenwert der Umwelt in den Vordergrund (vgl. Böhm und Tanner
2019, S. 16 ff.). Der „klimaschädliche Verbrennungsmotor“ – ist der Motor der klimaschädliche Bösewicht oder nicht vielleicht doch der fossile Treibstoff? – wird systematisch so lang verteufelt, bis er in der EU (fast) vollständig verboten wird (ab 2035). Begriffe wie „Klimakrise“ oder „Klimanotstand“ lassen an höchste Dringlichkeit, drohenden Kontrollverlust und akuten Handlungsdruck denken und legen kurzfristige Sofortmaßnahmen nahe (vgl. Müller-Salo
2020, S. 65–76). Es wird eine Bildersprache biblischen Ursprungs verwendet, die von der „Apokalypse“ über das „Inferno“ bis zu „Sintfluten“ reichen und mit ihrem religiösen Hintergrund eine ganz besondere
moralisierende Symbolkraft entwickeln. Und je größer der Zeitdruck ist, unter dem die Entscheidungen getroffen werden müssen, desto größer ist der Framing-Effekt (vgl. Guo et al.
2017, S. 541).
Neben der
Emotionalisierung ist auch die
Personalisierung des Klimaproblems im klimapolitischen Diskurs weit verbreitet, da es in seiner Abstraktheit und Komplexität erzählerisch denkbar schwierig zu fassen ist: Denn das Klimaproblem ist zwar – nach IPPC hauptursächlich – menschengemacht, aber kollektiv verursacht; es ist nicht die Schuld eines einzigen Bösewichts, sondern es sind die nicht-intendierten negativen Handlungsfolgen der Gesellschaften, und es ist
kein Protagonist am Ende einer beschwerlichen Heldenreise in Sicht, der mit einer heroischen Rettungstat den Antagonisten besiegt und die Welt rettet. Im klimapolitischen Narrativ stellt daher eine
affektgeladene Berichterstattung mit Bildern und Emotionen den einzelnen handelnden Menschen in den Vordergrund und appelliert an die
persönlichen Heldeneigenschaften bei jedem einzelnen. Erst diese protagonistisch-protestierende Haltung schafft ein mobilisierendes Gefühl von politischer Betroffenheit, Selbstwirksamkeit und der Selbstinszenierung als Widerständler und Kämpfer für das gesinnungsethisch wahre Gute (vgl. El Ouassil und Karig
2021, S. 388–400).
Geschichten erzählen ist menschlich. Sie helfen uns dabei, eine Vorstellung von der Wirklichkeit zu gewinnen, Sinn in unserem Leben zu finden und uns in unserer Lebenswelt zurechtzufinden. Erzählungen werden als
individuelle und kollektive Problemlösungskompetenz inszeniert.
Politische Narrative finden sich ganz besonders in der Klimapolitik, in der hehre Ziele („Rettung des Klimas“ und „Rettung der Menschheit“) für das individuelle und politische Handeln vorangestellt werden und die zu hinterfragen sich die handelnden Akteure häufig verbitten. Politische Narrative können die eigentlichen Zusammenhänge kaschieren und andere kritische Auffassungen gar nicht erst zulassen. Wenn politische Narrative dann nicht mehr hinterfragt werden (dürfen), können sie leicht mit einer politischen Moralisierung und einer Ideologiesierung einhergehen (vgl. Pritzl und Söllner
2021b). So soll z. B. ein vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenes Forschungsprojekt gezielt die „Narrative einer erfolgreichen Transformation zu einem ressourcenschonenden und treibhausgasneutralen Deutschland“ erarbeiten (vgl. UBA
2021). Die Konsistenz der erzählten Geschichte und die Plausibilität der Sachverhalte, die dem System 1 vermittelt werden, sind dann wichtiger als die inhaltliche Richtigkeit, über die System 2 deshalb hinwegsieht, weil es ja gar keinen Anlass zum Tätigwerden bekommen hat.
Joachim Weimann spricht in diesem Zusammenhang von einem
„folkloristischen Narrativ in der Klimapolitik“ (Weimann
2022, S. 164). Danach hat der Mensch einen starken und immanenten Sinnstiftungstrieb und sucht dringend nach einer Erklärung der Zusammenhänge in der Welt, die immer komplexer, unüberschaubarer und unverständlicher wird. Gewünscht werden einfache und plausibel klingende Erklärungen, die aber leider meistens unvollständig, unterkomplex und falsch sind (vgl. Weimann
2022, S. 17–25). Nach Armin Falk sind es
exkulpierende Narrative, die konstruiert werden, die frei erfunden und objektiv falsch sind. Sie entstehen aber gerade dort, wo das Bedürfnis nach argumentativer Abwehr, Beschwichtigung und politischer Rechtfertigung besonders groß ist und wo es gilt, die narrative Deutungshoheit zu erlangen bzw. zu behalten (vgl. Falk
2022, S. 62–63). – Ist es angesichts der mehrere Hundert Milliarden Euro teuren Energiewende in Deutschland nicht ein
exkulpierendes narratives Trugbild, wenn die Politik an der Vorstellung von Jürgen Trittin festhalten möchte, dass die Energiewende keine Kosten verursacht und jeden Bundesbürger nur „eine Kugel Eis“ im Jahr kosten werde, was André Thess treffend als „Energiewendemärchen“ bezeichnet (
2021, S. 141 ff.).
Das folkloristische klimapolitische Narrativ klingt plausibel und eingängig und es schmeichelt vielen Menschen. Dies liegt daran, dass der Mensch bei komplexen Problemen häufig nicht über die informationellen, zeitlichen und kognitiven Ressourcen verfügt, um tatsächlich zu den richtigen Erklärungen zu gelangen (vgl. Weimann
2022, S. 93–105). Narrative sind in der politischen Diskussion weit verbreitet, weil die politischen Akteure diese gezielt für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren wissen. So werden absichtsvoll bestimmte Trigger-Begriffe oder Ein-Wort-Narrative verwendet, die meist keiner weiterer Argumentation bzw. Begründung bedürfen oder die Gegenmeinung diskreditieren (z. B. „grüner“ vs. „schmutziger“ Strom, „gute“ vs. „böse“ Energie oder „Klima-Leugner“ vs. „Öko-Diktatur“). Mit simplen semantischen Verschiebungen, kreativen zielgerichteten Wortschöpfungen, alternativen Fakten und Euphemismen wird die Realität sprachlich verschleiert und werden Sachverhalte vernebelt (vgl. Falk
2022, S. 67–70). Die Medien beteiligen sich häufig am klimapolitischen Narrativ, weil sie in vielen Fällen lieber schlagzeilenträchtige Begriffe transportieren, als sich um fundierte journalistische Recherche und Aufklärung der zugrundeliegenden Sachverhalte bemühen. Zwei Augusttage in Deutschland mit Temperaturen über 30 °C werden z. B. im Wetterbericht von ARD bereits als „Hitzewelle“ skandalisiert. Aber dass die Todesfälle aufgrund von Naturkatastrophen in den vergangenen Jahrzehnten massiv abgenommen haben, ist keinem Journalisten auch nur eine Erwähnung wert, vielmehr ist die Fokussierung auf Worst-Case-Szenarien und die gezielte Überzeichnung von Sachzusammenhängen in den Medien weit verbreitet (vgl. Bojanowski
2022a).
Viele in der Klimapolitik verwendete Narrative lassen sich schlichtweg nur mit einem
„magischen Realismus in der Klimapolitik“ erklären, bei dem reale Wirklichkeit (greifbar, sichtbar, rational) und magische Realität (Halluzinationen, Träume, Illusionen, Mythen) ineinander zu verschmelzen scheinen. Irreale Wunschvorstellungen wie z. B.: „
Die erneuerbaren Energien dienen der Versorgungssicherheit“ sind ebenso magische Realität wie die Behauptung:
„In Deutschland haben wir Stromspeicher noch und nöcher“ und werden nicht dadurch wahr, dass sie im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition programmatisch niedergeschrieben sind (vgl. SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP
2021, S. 56) oder aus wissenschaftlich-professoralem Mund entstammen (vgl. Neubacher
2022). Und die vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck monatelang wiederholte Aussage „
Wir haben in Deutschland kein Strom-, sondern ein Wärmeproblem“ war bestenfalls eine
illusorische Exkulpation. Illusorische Aussagen verschmelzen vielleicht gerade deshalb mit der Wirklichkeit, weil sich viele Menschen dies so sehnlichst wünschen. Bryan Caplan hat in seiner Theorie der „rationalen Irrationalität“ gezeigt, dass Menschen für ihre herbeigesehnten Illusionen eine ineffiziente Staatstätigkeit und Wohlfahrtsverluste akzeptieren. Menschen sind bereit, ihre Illusionen und Wunschvorstellungen sogar gegen empirische Evidenz argumentativ zu verteidigen (vgl. Caplan
2003, S. 228–237). Vielleicht wird hieraus verständlich, warum das Versagen der Energie- und Klimapolitik in Deutschland, das mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24.02.2022 sich vollends offenbart hat (vgl. Pritzl
2022), keine wirkliche Skandalisierung in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen hat, sondern dass die verfehlte Energie- und Klimapolitik im Wesentlichen mit noch mehr Engagement und in noch höherem Ambitionsniveau fortgeführt wird. Dass diese Wunschvorstellungen stärker sind als die Realität, gilt – wie Joachim Weimann ausführt – auch für akademisch gebildete Kreise (vgl. Weimann
2022, S. 13).
Der Mensch ist ein
soziales Wesen, daher orientiert er sich an seiner sozialen Umgebung, er sieht sich gesellschaftlichem Konformitätsdruck ausgesetzt und zeigt
Mitläufer- bzw. Herdenverhalten. Es fühlt sich für den einzelnen Menschen unangenehm an, mit seiner Meinung in der Gruppe oder Gesellschaft allein zu stehen. Alle Menschen streben danach, gesellschaftlich anerkannt, in der Gruppe geschätzt und respektiert und von anderen gemocht zu werden (vgl. Falk
2022, S. 268–273).
Reputationseffekte als Zeichen der gesellschaftlichen Bestätigung sind ihm wichtig. Wenn Menschen dem verbreiteten klimapolitischen Narrativ entsprechen, erfahren sie Zustimmung und gesellschaftliche Anerkennung, im Fall des Widerspruchs aber eher gesellschaftliche Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung. Folglich stimmen viele Menschen dem verbreiteten Klimanarrativ – zumindest in der Öffentlichkeit – zu und nehmen dazu ihre eigene Meinung vielleicht eher zurück. – Und hat nicht die Allensbach-Umfrage im Sommer 2021 gezeigt, dass ca. 50 % der Befragten sich in der Öffentlichkeit nicht mehr traut, seine eigene Meinung auszusprechen, und sich so dem gesellschaftlichen Konformitätsdruck beugt (vgl. Petersen
2021). Elisabeth Noelle-Neumann hat dies schon im Jahr 1982 als „Schweige-Spirale“ bezeichnet und auf die fatalen Konsequenzen für die Gesellschaft hingewiesen (vgl. Noelle-Neumann
1982).
Auch die
Emotionen bestimmen in erheblichem Umfang unser menschliches Handeln. Die Prognosekraft ökonomischer Modelle wird bei einer stärkeren Berücksichtigung von Emotionen im Entscheidungsverhalten der Individuen beeinträchtigt, weil Emotionen menschliches Verhalten unberechenbarer und unvorhersehbarer machen. Emotionen können einerseits rationales und eigenorientiertes Verhalten verhindern, sie können andererseits aber auch zu ökonomischerem Verhalten und zu Problemlösungen führen, wenn die rationale Problemlösungsfähigkeit des Menschen in System 2 erschöpft ist. So können stark ausgeprägte Emotionen wie
Angst und
Panik (in der Klimapolitik) Menschen komplett verwandeln und zu einem irrationalem Verhalten führen. Angst warnt unbewusst vor Gefahren, führt zu einem schnelleren Herzschlag, zu mehr Adrenalin und Kortisol und zu vermehrten Stress. Angst schränkt die kognitive Wahrnehmung ein, verändert den Entscheidungsprozess und beeinträchtigt den seelischen Gemütszustand des Menschen („Angst isst Seelen auf“ vgl. von Peterhoff
2018). – Sprechen die Klimaaktivisten, wie z. B. „Fridays for Future“ mit Ihrem Leitspruch: „We want you to panic!“ oder die radikaleren Gruppierungen, nicht unmittelbar diese Emotionen in uns an und fordern schnelles, panikartiges und damit irrationales Verhalten?
Emotionen führen zu einer Verzerrung sowohl der individuellen als auch der kollektiven Risikowahrnehmung: Angst und Panik erhöhen zunächst die individuelle Risikowahrnehmung. Emotionen im System 1 sind schneller als kognitive Prozesse im System 2. Weil der Mensch ein soziales und empathisches Wesen ist, wirken Angst und Panik ansteckend und übertragen sich auf andere in der Gruppe oder in der Gesellschaft. Hieraus erklärt sich auch, warum Klimaaktivisten in der klimapolitischen Diskussion der schnellen und leichteren Emotionalisierung und Personalisierung den Vorzug geben vor einer eher langwierigeren intellektuellen Argumentation.
In der Klimapolitik ist offensichtlich, dass politische Akteure erhebliche negative emotionale Reaktionen (sprich: Ablehnung und Widerstand) von Gegnern von Windkraftanlagen befürchten und daher als Vermeidungsstrategie meist auf diejenigen erneuerbaren Energien setzen, die den geringsten gesellschaftlichen Widerstand hervorrufen. Die politischen Akteure reagieren
politisch-rational auf den gesellschaftlich bekundeten Unmut, dass – ganz im Sinne der
„Verlustaversion“ – die Ablehnung von einer Verschlechterung zu stärkeren negativen Emotionen führt als die Zustimmung zu einer Besserstellung. Gundula Hübner beklagt daher, dass die motivationale Kraft positiver Emotionen in der Klimapolitik fehle, damit sich die Menschen stärker für den Ausbau erneuerbarer Energie in ihrem Umfeld einsetzen (
2020, S. 61–63). Im Spannungsverhältnis zwischen
emotionaler und kognitiver Akzeptanz setzen pragmatisch agierende Energie- und Klimapolitiker auf Emotionen und Narrative und das System 1 und gehen damit den Weg des geringsten gesellschaftlichen Widerstandes, indem sie vor allem auf die Dachanlagen-Photovoltaik-Anlagen setzen und sie als universell und ubiquitär einsetzbar propagieren. Der unzureichenden Effizienz dieser erneuerbaren Energien-Technologie steht eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber, was letztlich deren weitere Verbreitung in Deutschland erklärt.
In einer stark auf Emotionen setzenden und moralisch geführten Debatte („Klimaangst“, „Klimahysterie“) zählen rationale Überlegungen dann nicht mehr, es wird vielmehr schnelles, öffentlich sichtbares Handeln von den politischen Akteuren gefordert. Und mit jedem Unwetter und Starkregen oder jeder Hitzeperiode wiederholen Klimaaktivisten und aktionistische Journalisten ihre Forderung an die Politik nach raschem Handeln und befördern das Bild vom „Handeln im Panikmodus“ (vgl. Bojanowski
2019, S. 35–38). Es ist sicher nicht unzutreffend, dass in Deutschland „the German angst“ und das „Schwarzmalen“ ein Kennzeichen der politischen Kultur sind, die sich im angstvollen Heraufbeschwören einer ungewissen Zukunft und im Schwarzmalen von möglichen Ungewissheiten ausdrückt (vgl. Ebert
2022). Walter Krämer spricht von einer kulturübergreifenden Anfälligkeit in Deutschland für irrationale Panikattacken, die durch mediale Sonderwege noch verstärkt werden und sich zu „wahren Hysterieorgien“ hochschaukeln können (
2013, S. 14). – Nach der Fukushima-Katastrophe hat kein anderes Land derart panikartig und hysterisch reagiert, wie es Deutschland mit dem sofortigen Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie 2011 getan hat. Und wie schon in der Corona-Politik setzt die Bundesregierung auch in der aktuellen Energie- und Klimapolitik weniger auf Zuversicht und Optimismus als vielmehr auf eine gezielte Instrumentalisierung von Angst und Einschüchterung der Bevölkerung. So prophezeite Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für den bevorstehenden Winter „eine schwere Energiekrise, die sich zu einer schweren Wirtschafts- und Sozialkrise“ ausweitet (o.V.
2022). Und er wurde sekundiert von den wöchentlich eingehenden Schreckensverlautbarungen verbunden mit Verhaltensermahnungen des Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Nach Michael Shellenberger ist das „apokalyptische Denken“ vor allem in Deutschland anzutreffen und zeigt sich nun exemplarisch in der „verheerenden Energie- und Klimapolitik“ (vgl. Shellenberger
2022). Andere Länder haben die vielfältigen Ängste der Deutschen mit „le Waldsterben“ und „le Weltschmerz“ und „German angst“ erst einmal in ihr sprachliches Repertoire aufnehmen müssen.