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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Aktueller Forschungsstand, Desiderate und das eigene Forschungsdesign

verfasst von : Stefan Lüder

Erschienen in: Staatsbildung und Legitimation im Himalaya

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die Forschungsfragen und das Erkenntnisinteresse dieses Buchs erfordern eine Einführung in verschiedene relevante Forschungsgebiete und eine detaillierte Herausarbeitung der jeweiligen Desiderate. Zum Einstieg werden deshalb zunächst etymologischen und ideengeschichtliche Ursprünge von unterschiedlichen Legitimationsbegriffen thematisiert und in die Anfänge der wissenschaftlichen Legitimationsforschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften einführend diskutiert. Im nächsten Schritt geht es dann etwas spezifischer um die Legitimationsforschung in den Geschichtswissenschaften mit einem besonderen Fokus auf den aktuellen Stand der Forschung im Kontext Asiens.
Die Forschungsfragen und das Erkenntnisinteresse dieses Buchs erfordern eine Einführung in verschiedene relevante Forschungsgebiete und eine detaillierte Herausarbeitung der jeweiligen Desiderate. Zum Einstieg werden deshalb zunächst etymologischen und ideengeschichtliche Ursprünge von unterschiedlichen Legitimationsbegriffen thematisiert und in die Anfänge der wissenschaftlichen Legitimationsforschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften einführend diskutiert. Im nächsten Schritt geht es dann etwas spezifischer um die Legitimationsforschung in den Geschichtswissenschaften mit einem besonderen Fokus auf den aktuellen Stand der Forschung im Kontext Asiens. Den Abschluss dieses Abschnitts bildet dann die Erläuterung der für dieses Buch besonders gewichtigen Konzepte von Zivilisierung und Selbstzivilisierung. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitel geht es anschließend um die Einführung in die Geschichtsschreibung und historische Forschung im zentralen Himalaya anhand des gewählten Beispiels des Gorkhā-Staates beziehungsweise Nepals. Anfänglich werden kurz die Anfänge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Region umrissen, bevor anschließend die Erfindung der Rāṣṭrīya Itihās und das dominierende Narrativ dieser Historiografie zusammenfassend beschrieben werden. Im darauffolgenden Teil wird der aktuelle Forschungsstand der Geschichtswissenschaften in der Region kritisch reflektiert und die perspektivische Erweiterung in der Geschichtsschreibung und historischen Forschung seit den 1990er Jahren in den Blick genommen. Zum Ende dieses Abschnitts werden aktuelle Trends sowie verbleibende Forschungsdesiderate identifiziert. Im letzten Teil dieses Kapitels wird schließlich das eigene Forschungsdesign zur Untersuchung von legitimatorischen Diskursen und Praktiken aus globalhistorischer Perspektive vorgestellt, der zur Verfügung stehende Quellenkorpus beschrieben, die eigene Epistemologie und der eigens konzipierte analytische Ansatz erklärt.

2.1 Legitimationsbegriffe und die Erforschung von Legitimationsstrategien: Ein einführender Überblick

Die historische Verflechtungen der Himalaya Region mit Nachbarregionen und der weiteren Welt durch die Untersuchung von Legitimationsstrategien zu ergründen kann ohne einführende Diskussion durchaus problematisch sein. Aus Perspektive der Kritik an Europa- und Amerikazentrismus ließe sich anführen, die etymologischen, ideen- und wissenschaftshistorischen Ursprünge des Legitimationsbegriffs lägen eben in Europa und Nordamerika und der Begriff sei demzufolge für die Forschung außerhalb dieser Regionen nicht zu operationalisieren. Das sind grundsätzlich valide Bedenken. Eine völlig unreflektierte Übertragung von Begriffen und Konzepten aus der westlichen Ideengeschichte auf andere Regionen der Welt kann selbstverständlich problematisch sein, insbesondere wenn aus einer regionalen Empirie universelle Geltungsansprüche abgeleitet werden. Und die Legitimationsforschung im Allgemeinen ist bislang zweifellos durch einen stark europa-amerikazentrierten Schwerpunkt geprägt. Wenn aber diese Bedenken zu weit führen und grundsätzlich die Operationalisierbarkeit von Begriffen und Ideen westlichen Ursprungs infrage gestellt wird, ist das ebenso bedenklich. Wie Jürgen Osterhammel (2010 [1998]) diesbezüglich anmerkt:
Ob mit einem solchen Befund auch sogleich schon die Unwahrheit und Unbrauchbarkeit derart «konstruierter» Begriffe und Theoreme erwiesen ist, steht freilich dahin. Manche von ihnen mögen durchaus nützliche Hilfsmittel wissenschaftlicher Beschreibung und Erklärung sein; jede wissenschaftliche Modellbildung ist ihrem Wesen nach eine setzende, keine abbildende Leistung.
(Osterhammel 2010 [1998]: 24)
Dieser Argumentation folgend wird deshalb hier der Standpunkt vertreten, dass mit einer Kombination aus reflexiver Induktion und partieller Deduktion der Legitimationsbegriff auch als epistemologische Kategorie in einem Forschungsdesign eingesetzt werden kann, welches zur Analyse von Regionen außerhalb Europas und Nordamerikas konzipiert ist. Der Legitimationsbegriff ist zwar europa-amerikanischen Ursprungs, die damit verbundene Frage nach der Rechtfertigung von Herrschaft ist aber ein globalhistorisches Phänomen.
Dem eigenen Anspruch Rechnung tragend werden daher zunächst die etymologischen und ideengeschichtlichen Ursprünge des Legitimationsbegriffs kurz erläutert. Im Deutschen gibt es neben dem Substantiv „Legitimation“ und dessen Synonym „Legitimierung“, mit einer eher prozessorientierten Konnotation und in Abgrenzung zur Zustandsbeschreibung „Legitimität“, auch noch das entsprechende Adjektiv „legitim“, sowie das Verb „legitimieren“. Sie alle haben ihren etymologischen Ursprung im lateinischen Adjektiv legitimus [legitima, legitimum], das mit „gesetzmäßig“ und „rechtmäßig“ übersetzt wird. Dieses leitet sich wiederum aus dem Substantiv lex [lēgis] her und wird mit „Gesetz“ oder „Recht“ übersetzt. Das bedeutet, dass der Legitimationsbegriff in der europäischen Antike lediglich die Übereinstimmung mit dem Gesetz ausdrückte. Im Mittelalter Europas wurde die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Herrschaft im Zusammenhang mit den Debatten um das Konzept des Gottesgnadentums diskutiert.
Erst im Zuge der amerikanischen und französischen Revolutionen am Ende des 18. Jahrhunderts begannen sich Philosophen unterschiedlichster Couleur mit dem Legitimationsbegriff zu beschäftigen und als normatives Konzept zu denken. Sie befassten sich vor allem mit der Definition von Kriterien legitimer Herrschaft, anhand derer sie versuchten die Legitimität eines Herrschaftssystems zu bewerten. Mit Hilfe der definierten Kriterien hinterfragten sie schließlich bestehende Herrschaftssysteme, ganz konkret die Kolonialherrschaft der Briten über ihre Kolonien in Nordamerika und die französische Monarchie. Sie überprüften, ob die untersuchten Herrschaftsverhältnisse den von Ihnen entwickelten normativen Anforderungen und Kriterien an einen legitimen Herrschaftsanspruch entsprachen oder nicht. Im weiteren Verlauf der Aufklärung entwickelte sich der Legitimationsbegriff dann von einer eher staatsphilosophischen Kategorie (u. a. Hobbes, Locke und Rousseau) hin zu einem ideologisch stark aufgeladenen Begriff, der von unterschiedlichen politischen Strömungen instrumentalisierten wurde, um bestehende Herrschaftsverhältnisse zu kritisieren. Dadurch verlor der Begriff zunächst wieder an Bedeutung und kam über längere Zeit fast ausschließlich in den Rechtswissenschaften und der Staatslehre zur Anwendung.1
Wie in vielen anderen Teilen der Welt existieren auch im Himalaya äquivalente Konzepte zum Legitimationsbegriff. In der Umgangssprache der einfachen Menschen des Gorkhā-Staates, die heute als Nepālī bezeichnet wird, gibt es unterschiedliche Begrifflichkeiten mit jeweils eigenen etymologischen Wurzeln.2 Das Adjektiv kānuni („gesetzlich“, „legitim“) und das entsprechende Substantiv kānun („Recht“, „Gesetz“) sind persisch-arabischen Ursprungs und weisen eine militärische Konnotation auf.3 Ebenfalls aus dem persisch-arabischen Sprachraum aber eher juristisch verstanden wurde hingegen das Substantiv ain („Gesetz“) übernommen, wie dessen Verwendung im Kompositum ain bamojim („in Übereinstimmung mit dem Gesetz“) verdeutlicht.4 Das Adjektiv vaidh („legitim“, „rechtmäßig“) ist hingegen sanskritischen Ursprungs und tendenziell eher religiös konnotiert, da es sich auf rituelle Gesetzgebung aus der vedischen Literatur bezieht.5 Diese verschiedenen Begrifflichkeiten können als Indiz für die Existenz einer Reihe von Ideen, Konzepten und Diskursen im zentralen Himalaya verstanden werden, die in Europa und Nordamerika mit dem Legitimationsbegriff beschrieben worden sind. Aufgrund dessen wird in diesem Buch angenommen, dass sich Schriftkundige und insbesondere herrschenden Eliten in der zentralen Himalaya Region womöglich schon seit geraumer Zeit mit Fragen und Aspekten der Herrschaftslegitimation befasst haben. Der Legitimationsbegriff kann deshalb auch im Zusammenhang der Erforschung von Legitimationsstrategien im zentralen Himalaya als operationalisierbar angesehen werden.

2.1.1 Legitimationstheorien und Legitimationsforschung in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften

Den Anfang eines wissenschaftlichen Diskurses um Legitimation und Legitimität markieren die Arbeiten von Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der kritischen Reflexion wird Weber häufig eine grundsätzliche Inkohärenz und zum Teil sogar offensichtliche Widersprüchlichkeit konstatiert.6 Dennoch fehlt sein Name in keiner Bibliografie zum Thema und daher sollen auch hier kurz seine wichtigsten Gedanken zum Thema zusammengefasst werden. In Wirtschaft und Gesellschaft (1922) argumentiert Weber, jede Form von Macht- oder Autoritätsanspruch bedarf der Selbstrechtfertigung. Das bedeutet, jede Person, die Macht oder Autorität für sich beansprucht, muss diesen Anspruch auch begründen und die Frage beantworten, was diesen als legitim qualifiziert. In Abgrenzung zum Legitimationsverständnisses der Staatstheorie, die Legitimation als bloße Hinnahme des Herrschaftsanspruchs durch die Beherrschten begreift, erfordert Legitimation im Sinne Webers als Grundvoraussetzung ein Art der inneren Anerkennung oder Legitimationseinverständnisses durch die Handelnden einer Herrschaftsordnung. Dieses Einverständnis bezeichnet Weber als Legitimitätsglauben der Beherrschten und argumentiert, dieser Glaube bilde das eigentliche Fundament jeder Form von Herrschaft. Insofern versteht Weber also Legitimation nicht mehr als normativen Maßstab, an dem die Rechtmäßigkeit eines Herrschaftssystems abgelesen werden kann, sondern als empirische Kategorie, mit dessen Hilfe sein postulierter Legitimitätsglaube von Mitgliedern einer Gesellschaft untersucht werden kann.
Das zweite zentrale Element von Webers Legitimationstheorie ist seine viel zitierte Typologisierung von Legitimitätsbegründungen und die darauf basierende Ableitung von Formen legitimer Herrschaft. Er unterscheidet idealtypisch zwischen charismatischen, traditionalen und rationalen Formen der Legitimitätsbegründung. Empirisch ließen sich in den meisten Fällen nur Mischformen dieser Typen finden. Als letztes gewichtiges Element der Legitimationstheorie Webers sind die Handelnden des Herrschaftssystems zu nennen, die in die Aushandlung von Legitimität von Machtverhältnissen involviert sind: (1) die Herrschenden und ihr Anspruch auf Legitimität; (2) die Beherrschten und ihr Legitimitätsglaube; (3) die zwischen diesen beiden Polen agierende Verwaltung (Militär, Polizei und Administration), denn Weber zufolge äußere sich und funktioniere Herrschaft als Verwaltung (Weber 1980 [1922]: 545 ff.).
In den 1950er und 1960er Jahren wurden Webers Ideen zunächst in den entstehenden Politik- und Sozialwissenschaften in Nordamerika, vor allem von Vertretern der Modernisierungs- und Systemtheorie wie Talcott Parsons (1958), David Easton (1958, 1965) und Carl Joachim Friedrich (1958, 1963) aufgegriffen und weiterentwickelt.7 In den deutschsprachigen Debatten setzte sich ebenfalls aus systemtheoretischer Perspektive in den 1970er Jahren Niklas Luhmann (2013 [1975]) mit Fragen der Herrschaftslegitimation auseinander und bezog sich dabei hauptsächlich auf Webers Legitimationsprinzip der rationalen Herrschaft. Luhmann versucht zu ergründen, wie Legitimitätsstiftung durch formale Organisationsstrukturen staatlicher Verfahren funktioniert (durch Gerichtsverfahren, Wahlen und Verwaltung). Allerdings widerspricht er Webers Annahme eines notwendigen Legitimitätsglauben und postuliert stattdessen einen Legitimationsbegriff, der anstatt einer inneren Anerkennung durch die Beherrschten eines Herrschaftssystems, die allgemeine Pauschalakzeptanz von administrativen Entscheidungsprozessen als Grundvoraussetzung für eine legitime Herrschaft begreift.
Jürgen Habermas (2004 [1973]) als Vertreter der Kritische Theorie, stellt die Schaffung von Legitimität eines der zentralen Probleme spätkapitalistischer Gesellschaften dar. Dabei lautet seine Grundannahme: Die ungleiche Verteilung von Ressourcen und die daraus resultierenden asymmetrischen Machtverhältnisse seien die ausschlaggebende Ursache für Legitimationsdefizite spätkapitalistischer Gesellschaften. Die Legitimationsstrategien der Herrschende dienten demnach in erster Linie der Rechtfertigung bestehender sozio-ökonomischen Disparitäten und sollten diese für beherrschte und benachteiligte Gruppen akzeptabel erscheinen lassen. Insofern bildet auch bei Habermas der Legitimitätsglaube der Beherrschten im Sinne Webers eine wichtige Grundlage seiner weiteren theoretischer Überlegungen.
Seit den 1980er Jahren ist auch das Interesse der Politikwissenschaften am Thema Legitimation kontinuierlich gewachsen. Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich insgesamt zwei Hauptströmungen herausgebildet: die normative und die empirische Legitimationsforschung. Die normative Legitimationsforschung interessiert „[…] die Anerkennungswürdigkeit politischer Herrschaft im Lichte universaler, etwa demokratie- und gerechtigkeitstheoretisch fundierter Bewertungsmaßstäbe.“ (Schmidtke und Schneider 2012: 226). Diese Herangehensweise erinnert an die Politisierung des Legitimationsbegriffs Ende des 18. Jahrhunderts und wird auch in den politikwissenschaftlichen Debatten zunehmend als problematisch wahrgenommen. Kritikern zufolge sei das Anliegen solcher Forschungen von vornherein präskriptiv und diagnostisch, da eigene Maßstäbe für legitime Herrschaft formuliert werden, mittels derer Herrschaftsverhältnisse und politischen Systeme als legitim oder illegitim bewertet werden.8
Infolge dieser Kritik hat man sich in den vergangenen zwei Jahrzenten auch der empirischen Legitimationsforschung zugewandt. Diese erforscht die tatsächliche Anerkennung von Herrschaft, Legitimitätsansprüche und -urteile, ihre jeweiligen normativen Grundlagen sowie den Legitimitätsglauben der Herrschenden und Beherrschten. Mit der Zeit haben sich dann drei komplementäre Herangehensweisen zur empirischen Untersuchung von Legitimationsphänomenen herauskristallisiert: (1) die Einstellungsforschung, die den Legitimitätsglaubens der Akteure in einem Herrschaftssystem untersucht; (2) die Verhaltensforschung, die aus Verhaltensmustern versucht Rückschlüsse auf die Zustimmung oder Ablehnung der Herrschaftsunterworfenen ziehen zu können; (3) die Kommunikationsforschung, die zu verstehen versucht wie Legitimität diskursiv konstruiert wird.9

2.1.2 Historische Legitimationsforschung in Asien

In den Geschichtswissenschaften hingegen schien die Legitimationsforschung eher eine Ausnahmeerscheinung. Erst in den vergangenen zehn Jahren gibt es ein wachsendes Interesse von HistorikerInnen an der Thematik. Allerdings bleiben bisherige Diskussionsbeiträge weitestgehend auf eine europa-amerikazentrische Empirie beschränkt.10 Eine der wenigen Ausnahmen und ein interessantes Beispiel für die Untersuchung legitimatorischer Diskurse und Praktiken außerhalb Europas und Nordamerikas ist Hermann Kulkes (1979) Forschung zu religiösen Legitimationsstrategien herrschender Eliten in der südasiatischen Region Orissa. Anknüpfend an die damaligen Debatten um die Geschichte des Königtums in Südasien, versucht Kulke durch die exemplarische Analyse des Jagannātha-Kults und Gajapati-Königtums zwischen dem 12. und 19. Jahrhundert einen Beitrag zur Geschichte religiöser Legitimation hinduistischer Herrscher zu leisten. Dabei bildet die Typologisierung legitimer Herrschaft nach Weber für Kulke den theoretischen Referenzrahmen seiner Forschung. Er versucht über einen sehr langen Untersuchungszeitraum hinweg und in einer spezifischen Region den Prozess von der charismatischen hin zur traditionalen Herrschaftslegitimation nachzuvollziehen. Insofern handelt es sich hierbei um eine der ersten Arbeiten der historischen Legitimationsforschung, die empirisch in Südasien verortet ist. Kulke begreift Legitimation als epistemologische Kategorie, denn sein eigentliches Erkenntnisinteresse gilt nicht den Strategien zur Herrschaftslegitimation. Sie sind ein nützliches Hilfsmittel, um zu neuen Einsichten über das Königtum in der Geschichte Südasiens zu gelangen. Allerdings setzt sich Kulke nicht mit der Frage auseinander, ob die von Weber am Beispiel Europas entwickelte Typologie von Formen legitimer Herrschaft überhaupt im Kontext Südasiens verwendet werden sollte oder ob damit vielleicht auch überzogene universelle Geltungsansprüche dieses theoretischen Rahmens impliziert werden.11
Ein weiterer Ansatz, der anhand einer Empirie in Asien entwickelt worden ist, findet sich bei Erich Pilz (2007), der sich mit den Legitimationsstrategien der Mandschu im Qing-Imperium zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert auseinandersetzt. Pilz versucht zu ergründen, auf welche Art und Weise die Mandschu-Kaiser es schafften, sich einerseits als Herrscher gegenüber den Han-chinesischen Teilen der Bevölkerung und gleichzeitig gegenüber den unzähligen, soziokulturell sehr heterogenen Bevölkerungsgruppen innerhalb ihres riesigen Reiches zu legitimieren. Im Kern argumentiert er, die Mandschu hätten multiple Herrscheridentitäten angenommen, um die unterschiedlichen Glaubens-, Gesellschafts- und Herrschaftsformen in ihrem Reich zu antizipieren und dadurch neue Loyalitäten zu ermöglichen. Dabei versteht auch Pilz Legitimationsstrategien als epistemologische Kategorie. Er analysiert die Anpassung der Herrschaftsideologie, kultureller Praktiken und Institutionen als Manifestationen von Legitimationsstrategien, um durch seine Erkenntnisse einen Beitrag zur Vergleichbarkeit von Imperien in der Frühen Neuzeit leisten zu können.

2.1.3 Zivilisierung und Selbstzivilisierung

Von besonderer Relevanz für das eigene Vorhaben ist das Forschungsgebiet zu den Legitimationsstrategien der Zivilisierung und Selbstzivilisierung. Die Anfänge dieses Teilgebiets der deutschsprachigen historischen Legitimationsforschung markiert die Einführung des Begriffs der Zivilisierungsmission als Neologismus im Sammelband von Boris Barth und Jürgen Osterhammel (2005). Sowohl in den angelsächsischen als auch in den deutschsprachigen Diskursen wurden diese Begriffe als erkenntnistheoretische Kategorie für globalhistorische Phänomene definiert und in unterschiedlichen geografischen wie zeitlichen Zusammenhängen untersucht.12 Dem Zivilisierungsgedanken zugrunde liegt die jahrtausendealte und weltweit verbreitete Vorstellung, dass sich eine Gruppen von Menschen für höherwertig gegenüber einer anderen Gruppen halten. Wie Jürgen Osterhammel (2010) diese Idee veranschaulichend auf den Punkt bringt:
Städter blickten auf Dorfbewohner hinab, Sesshafte auf Nomaden, Schriftkundige auf Schriftlose, Hirten auf Wildbeuter, Reiche auf Arme, Praktiker komplexer Kulte auf «Heiden» und Animisten. Die Idee unterschiedlicher Stufen der Verfeinerung des Lebens und Denkens findet sich weit verbreitet über Regionen und Epochen. In vielen Sprachen wird sie mit Worten ausgedrückt, denen ungefähr der gemeineuropäische Begriff der «Zivilisation» entspricht. Dieser Begriff kann nur in unauflöslicher Spannung mit seinem Gegenbegriff Sinn gewinnen. Zivilisation herrscht dort, wo «Barbarei» oder «Wildheit» besiegt sind. Zivilisation braucht ihr Gegenteil, um als solche kenntlich zu bleiben. […] Minderzivilisierte sind als Zuschauer des großen Schauspiels der Zivilisierung notwendig. Denn die Zuschreibung von Zivilisiertheit ist kein vollkommen selbstbezogener, autistischer Vorgang. Die Zivilisierten benötigen die Anerkennung durch Andere.
(Jürgen Osterhammel 2010: 1172)
Tatsächlich existiert auch im Nepālī eine Entsprechung des europäischen Zivilisationsbegriffs. Das aus dem Sanskrit entlehnte Substantiv sabhyatā und das Adjektiv sabhya sowie dessen Antonym asabhya können zufolge mit „Zivilisation“ beziehungsweise „zivilisiert“ und „unzivilisiert“ übersetzt werden. Neben sabhyatā gibt es im außerdem das ebenfalls aus dem Sanskrit entlehnte unnati, welches mit „Fortschritt“ übersetzt und häufig synonym verwendet wird. Das Adjektiv sabhya kommt hingegen oft in Komposita wie sabhya saṃsāra oder sabhya duniyā („zivilisierte Welt“) oder sabhya deś bzw. sabhya muluka („zivilisiertes Land“) vor.13 Die Existenz dieser sanskritischen Lehnwörter im Sprachgebrauch der Menschen im Gorkhā-Staat belegt hinreichend, dass es den von Osterhammel beschriebenen Zivilisierungsgedanken auch in der Himalaya Region schon seit geraumer Zeit gibt. Deshalb ist der Zivilisierungsbegriff auch in diesem regionalen Zusammenhang operationalisierbar.14
Häufig verbindet sich mit der Idee der Zivilisierung ein gewisses Sendungsbewusstsein. Die Zivilisierten sehen es als ihre Aufgabe, Pflicht oder Mission die normativen Vorstellung des eigenen Zivilisationsmodells zu verbreiten. Daraus erwuchs im Laufe der Zeit die Vorstellung der Zivilisierungsmission, die neben kolonialen und imperialen, auch kolonisierten und lokalen Eliten als wirkungsvolles Instrument der Herrschaftslegitimation diente. Aus globalhistorischer Perspektive werden die Anfänge von Zivilisierungsmissionen als Legitimationsstrategie meist zu Beginn der sogenannten Europäischen Expansion um das Jahr 1500 verortet.15 Die territoriale Expansion der europäischen Mächte ging oft Hand in Hand mit der Idee, fremde Kulturen zu zivilisieren, die als unzivilisiert oder primitiv wahrgenommen und eingeordnet wurden. Im Zuge der Verwandlung der Welt im Verlauf des langen 19. Jahrhunderts und der zunehmend hegemonialen Rolle Europas in der Welt wurden die Zivilisierungsmission zu einer der nachhaltig wirkmächtigsten Legitimationsstrategien der Europäer.16 In Teilen spiegeln sich auch heute noch einige Aspekte dieser Ideen im Vokabular von Diplomatie, Wissenschaft, und Medien, beispielsweise in Begriffen wie „Dritte Welt“, „unterentwickelte Länder“, „Schurken-Staaten“ oder auch „Achse des Bösen“ wider.17
Zur Analyse von Zivilisierungsmission wird meist grundlegend zwischen einer horizontalen und vertikalen, sowie einer materiellen und immateriellen Dimension unterschieden. Die horizontale Dimension zielte auf eine globale Ebene ab, d. h. das eigene Zivilisationsmodell sollte möglichst weit in der ganzen Welt verbreitet werden. In der vertikalen Dimension strebte man hingegen die interne materielle und moralische Entwicklung oder Reform der eigenen Gesellschaft an. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Industrialisierung und neuer Erkenntnisse in den entstehenden Naturwissenschaften wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts versucht, den Grad der Zivilisiertheit von Gesellschaften messbar zu machen, um Vergleiche anstellen zu können. Technologien wie die Eisenbahn oder Dampfschiffe, die Telegraphie, Waffen, eine öffentliche Gesundheitsversorgung, Bildungsinstitutionen oder ein funktionierendes Rechtssystem wurden zu Indikatoren materiellen Fortschritts einer Gesellschaft. Mangelnde Bildung und sozialen oder kulturelle Missständen deutete man hingegen als Indizien für die moralische Rückständigkeit von Gesellschaften, denen man durch die Verbreitung bestimmter Wert- und Moralvorstellungen beizukommen versuchte. Je mehr positive und umso weniger negative Indikatoren eine Gesellschaft letztlich für sich in Anspruch nehmen konnte, desto höher war der Grad ihrer Zivilisiertheit.18 Dabei gilt es außerdem zu bedenken, dass ein Zivilisierungsgefälle nicht nur zwischen Gesellschaften, sondern auch innerhalb von Gesellschaften konstruiert wurden. So verstanden sich die herrschenden Eliten gegenüber der von ihnen beherrschten Bevölkerung oft als zivilisatorisch überlegen und wussten dieses konstruierte interne Gefälle an Zivilisiertheit entsprechend zu instrumentalisieren.19
Besonders relevant für das eigene Forschungsvorhaben sind die Beiträge in dieser Debatte zum Phänomen der Selbstzivilisierung. Der Begriff meint die Internalisierung und selektive Aneignung spezifischer Elemente meist europäischer Zivilisierungsmissionen durch lokale oder kolonisierte Eliten. Dabei handelte es sich nicht um eine Ausnahmeerscheinung, denn im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die kollektive Selbstzivilisierung Jürgen Osterhammel zufolge (2005: 391): „[…] zu einem Gebot der Epoche.“ Es handelt sich also um ein globalhistorisches Phänomen, welches auch in Regionen außerhalb Europas und Nordamerikas beobachtet werden kann. Beispielsweise konnten sich bereits im 17. Jahrhundert die Mandschu durch ein erfolgreiches Experiment kollektiver Selbstzivilisierung ihren Herrschaftsanspruch als Kaiser der Qing-Dynastie legitimieren (Ibid.: 376–377). Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen dann verstärkt Teile lokaler Eliten in Ägypten, Japan, China und Südasien zunächst das britische Zivilisationsmodell, später auch dessen innereuropäischen Alternativen in Frankreich oder Preußen-Deutschland zu studieren. Daraus erwuchs häufig die Wahrnehmung von Teilen der lokalen Eliten in der außereuropäischen Welt, selbst nicht hinreichend zivilisiert zu sein und aufgrund dessen unter Benachteiligungen und Ausbeutung leiden zu müssen. Mit Hilfe der Strategie der Selbstzivilisierung versuchten sie einer möglichen Fremdbestimmung durch äußere (meist europäische) Mächte zuvorzukommen.
Bei der Entstehung einer Idee von Selbstzivilisierung kommen nach Osterhammel (2005) meist drei entscheidende Komponenten zusammen: (1) die Bewunderung für einige Elemente der zeitgenössischen Zivilisationsmodelle europäischer Mächte und die damit verbundene Kritik an „entwicklungshemmenden“ Aspekten der eigenen Kultur und Gesellschaft; (2) der opportunistische Gedanke, die Hegemonie der europäischen Mächte durch präventive und partielle Selbstzivilisierung zu unterwandern; (3) das Interesse der Eliten, die neue Situation für die Ausweitung der eigenen Macht und zur Effektivierung des eigenen Staatsapparates zu nutzen (Ibid.: 393). Bemerkenswerterweise gab es bislang aber kaum Bemühungen, diese Überlegungen aufzugreifen und so bleibt die Erforschung von spezifischen Formen der Selbstzivilisierung von Eliten außerhalb Europas und Nordamerikas weiterhin eine Randerscheinung in den Geschichtswissenschaften. Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, dieses Forschungsdesiderat aufzuarbeiten. Gleichzeitig wird die empirischen Diversifizierung der historischen Legitimationsforschung vorangetrieben, indem ganz bewusst die Aneignung von Legitimationsdiskursen und -praktiken im außereuropäischen Kontext, exemplarisch am Beispiel des Gorkhā-Staates im zentralen Himalaya untersucht wird.

2.2 Geschichtsschreibung und historische Forschung im zentralen Himalaya: Das Beispiel Gorkhā-Staat/Nepal

Heutzutage können Forschende, die sich für die Geschichte der zentralen Himalaya Region und speziell des Gorkhā-Staates und Nepals interessieren, grundsätzlich auf ein reiches historiographisches Erbe sowie umfangreiches und vielfältiges Quellenmaterial zurückgreifen. Numismatische Aufzeichnungen und Inschriften, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen, sowie die sogenannten vaṃśāvalī (Chroniken) und die thyāsaphu (eine Art Tagebücher mit Ereignislisten), in denen die Handlungen bedeutender Herrscher verschriftlicht wurden, bilden die Hauptzeugnisse im verfügbaren historischen Quellenkorpus.20 Durch brahmanische und buddhistische Einflüsse hatten sich die vaṃśāvalī bis ins 19. Jahrhundert zu einer hybriden Form der Geschichtsschreibung entwickelt, die nicht nur deskriptive Herrscherchroniken beinhalteten, sondern darüber hinaus auch Legenden, Folklore, historische Erzählungen und religiöse Themenkomplexe inkorporierten.21 Lange Zeit wurden sie aber in der historischen Forschung vernachlässigend als nicht historisch relevantes Quellenmaterial wahrgenommen und ignoriert.22
Im 17. und 18. Jahrhunderts erschienen die ersten Reiseberichte von Kapuzinermönchen und britischen Militärs, die sich für einige Zeit im Himalaya aufhielten.23 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die ersten historiographischen Beiträge von europäischen Reisenden und britischen Kolonialbeamten veröffentlicht. Bis heute am häufigsten rezipiert worden sind wohl die Berichte von Colonel William Kirkpatrick (1811) und dem Arzt und Naturforscher Francis Buchanan-Hamilton (1819) über ihre Reisen in die Region Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Nach Ende des Anglo-Gorkha-Krieges (1814–1816) begannen vermehrt Beamte der East India Company (EIC), die ab 1816 in Kathmandu stationiert waren, sich für die Geschichte des Landes zu interessieren.24 Besonders die Publikationen des langjährigen Residenten Brian Houghton Hodgsons werden heute weitläufig als die Anfänge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der zentralen Himalaya Region angesehen.25 Obwohl sich diese frühen Beiträge aus europäischer Perspektive meistens nur marginal mit historischen Fragen oder Themen befassten und eher linguistische, ethnografische, botanische oder zoologische Schwerpunkte aufweisen, begann im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Transfer von methodologischen und epistemologischen Konzepten, Begriffen, Wertvorstellungen und Konventionen, die anhand der Beschäftigung mit der europäischen Geschichte entwickelt worden waren. Michaels et. al. (2016) beschreiben die weitreichenden Begleiterscheinungen dieser Transferprozesse folgendermaßen:
Western historical knowledge became a vehicle for exporting disciplinary and academic thinking, which in the end led to preaching the unconverted. It came with a package of culture-specific notions and norms, for example, formalizing the narrations of the past, introducing an academic platform, the universalization of its propositions, problematizing as a heuristic principle, the individualization of historical processes, the stigmatization of poetic language for historical analysis, the objection to any explanations other than “physical agents” that can be proven empirically, periodization of events, defining historical genres, innovation a value together with declaring the obsolescence of traditional knowledge, heritagizing and archiving the past, internationalization of scholarly communication, creation of foreign experts, and so on.
(Axel Michaels et.al. 2016: 211)
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahmen britische Kolonialbeamten, Militärs und Reisenden aus Europa sukzessive die Deutungshoheit über die Geschichte des Landes.26 Während die Reiseberichte meist von exotisierenden und mystifizierenden Beschreibungen der Region und ihren Bewohnern geprägt sind, bemühten sich die britischen Beamten und Militärs vor allem darum ein Bild des asiatischen Despotismus zu konstruieren und fokussieren die Darstellung der „[…] savage nature and tyrannical violence of its emerging rival in the Himalaya.“ (Rupakheti 2012: 10–11). Größere finanzielle Ressourcen und eine besser funktionierende publizistische Infrastruktur im British Raj sowie die scheinbare Bevorzugung der herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates von „wissenschaftlicher Expertise“ aus Europa gegenüber lokalen historiographischen Praktiken begünstigten diese Entwicklung.27 In der Folge dominiert Anfang des 20. Jahrhunderts ein eurozentrisches Wissenschafts- und Geschichtsverständnis die Historiografie und historische Forschung des Gorkhā-Staates im zentralen Himalaya.28

2.2.1 Die Erfindung der Rāṣṭrīya Itihās

Erst als sich mit dem Ende der Herrschaft der Rāṇā-Dynastie um 1950 die Machtverhältnisse in Nepal änderten und sich neue Freiräume eröffneten, erfuhren auch die Geschichtswissenschaften einen regelrechten Boom. Der erneute Staatsstreich der Śāha-Dynastie 1960, in dessen Folge das gerade erst gewählte Parlament suspendiert und zu autokratischen Herrschaftsverhältnissen zurückgekehrt wurde, schränkte jedoch auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wieder ein. Bis zum Ende des sogenannten Panchayat-Systems 1990 blieb die historische Forschung und Historiographie weitestgehend den Interessen der herrschenden Eliten untergeordnet, die mit der Erfindung der Rāṣṭrīya Itihās das eigene Geschichtsverständnis gezielt zur Selbstlegitimation einsetzten und wirkmächtig durch die eigenen Schulen, Universitäten und Medien propagierten.29 Wie überall auf der Welt, begann man sich auch in Nepal auf die Suche nach den „Wurzeln der Nation“ zu machen und deren Ursprünge auszuloten, um der eigenen Gegenwart einen Sinn geben zu können.30 Ab den 1960er Jahren entstand schließlich aus einem Gemenge nationalistischer und orientalistischer Ideen ein hegemoniales Narrativ, welches die Geschichtsschreibung und -forschung des Landes nachhaltig prägte.31
Den Ausgangspunkt dieser Erzählweise wurde schließlich zu Beginn der territorialen Expansion des Gorkhā Rājya Mitte des 18. Jahrhunderts verortet.32 Den Expansionsprozess des kleinen Fürstentums über weite Teile der zentralen Himalaya Region wurden als teleologischer Prozess der „nationalen Einigung“ interpretiert, der fast völlig isoliert von äußeren Einflüssen stattgefunden habe. Den damaligen Herrscher Gorkhās, Pṛthvīnārāyaṇa Śāha (1722–75, reg. 1743–75), stilisierte man zum heldenhaften „Begründer der Nation“ und „Verteidiger und Bewahrer des Hindu Dharma“ gegenüber britisch-christlichen Invasoren. Angeblich verfolgte dieser von Beginn an das Ziel, im Himalaya ein „wahrhaftes Hindustan“ für eine „vereinte Nation“ zu gründen. Dieser Lesart zufolge sei der historisch einzigartige Verdienst Pṛthvīnārāyaṇas gewesen, den „Hindu way of life“ im zentralen Himalaya angesichts zahlreicher Bedrohungen von außen bewahrt und gleichzeitig die innere „nationale Einheit“ geschaffen zu haben. Aus dieser Erzählung wurde schließlich ein exzeptionalistisches Selbstverständnis als einzige „Hindu-Nation“ der Welt abgeleitet.33
In der historischen Forschung sahen sich die Forschenden selbst als Revisionisten einer bisher fehlerhaften historischen Repräsentation und verstanden es als ihre Aufgabe, diese als unzureichend empfundene Darstellung zu korrigieren, wie beispielsweise der sehr einflussreiche Historiker Baburam Acharya in einem Interview 1966 zum Ausdruck bringt:
Based on the recently discovered notes, records and paperwork, what has been proven is that almost everything accepted as truth was untrue, apart from the dates of Prithvi Narayan Shah’s birth and death. […] The fifty years between Prithvi Narayan Shah and Bahadur Shah was Nepal’s Golden Age.
(Baburam Acharya im Interview mit Uttam Kunwar, 10. September 1966)
Das wiederentdeckte „Goldene Zeitalter“ und die legitime Herrschaft der Śāha-Dynastie wurde, so die Darstellung im Narrativ der Rāṣṭrīya Itihās, durch die illegitimen Usurpatoren der Thāpā- und Rāṇā-Familie zwischen 1806 und 1950 unterbrochen. In Anlehnung an das Bild europäischen Ursprungs vom „Orientalen Despoten“, wird diese Zeit als „dunkle Episode“ der Geschichte verstanden, in der sich das Land zunehmend abschottete und die Bevölkerung unter Gewalt, Exzess, Ausbeutung und Tyrannei zu leiden hatte.34 Innerhalb dieses narrativen Rahmens hat man sich dann mit unterschiedlichsten Themen wie Administration, Politik und Krieg, Produktion und Handel, Sprache und Kultur, Landverteilung und Besteuerung beschäftigt. Besonders viel Aufmerksamkeit schenkte man dabei Chronologien politischer Ereignisse und der Schöpfung eines nationalen Heldenpantheons35, der Diplomatie- und Militärgeschichte sowie der Frage nach der geopolitischen Positionierung Nepals im Zusammenhang der wachsenden Rivalität zwischen der Indischen Union und der Volksrepublik China in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.36

2.2.2 Kritische Reflexion und Erweiterte Perspektiven

Den Beginn einer kritischeren Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und Historiographie markieren die Arbeiten von Mahesh Chandra Regmi (1929–2003) zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Landes in den 1960er und 1970er Jahren.37 Seine Forschungen erweiterten die Perspektive der Historiografie, weil er erstmals ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der Bauernschaft und der herrschenden Eliten in den Blick nahm. Doch auch Regmi vermochte es nicht sich von latent orientalistischen Vorstellungen zu lösen. Eines seiner zentralen Argumente, dass die Herrschaft der Thāpā- und der Rāṇā-Familien nicht das abrupte Ende eines „Goldenen Zeitalters“, sondern lediglich die Fortsetzung des repressiven Regimes darstelle, erweitert die Projektion des stereotypen Bildes von der „Orientalen Despotie“ auf die Herrschaft der Śāha-Dynastie vor 1806 und nach 1960.38
Ende der 1970er und 1980er wurde die kritische Reflexion der Geschichtsschreibung und -forschung schrittweise substanzieller. Anfänglich begannen sich nur ein paar Vertreter der Rāṣṭrīya Itihās an der staatlichen Tribhuvan University kritisch mit einzelnen Teilaspekten des eigenen Geschichtsverständnisses auseinanderzusetzen.39 Die intellektuelle Führung der politischen Opposition während des Panchayat-Systems stellte die Erzählweise der Rāṣṭrīya Itihās hingegen grundsätzlicher infrage und postuliert stattdessen die These einer „internen Kolonisation“ durch die Śāhas, Thāpās und Rāṇās.40 Fast zeitgleich mehren sich ebenfalls die kritischen Stimmen von AnthropologInnen aus Europa und Nordamerika an den limitierten Perspektiven der historischen Forschung und nationalistischen Historiografie.41
Mit dem Ende des Panchayat-Systems 1990 eröffneten sich auch für die historischen Wissenschaften erneut viele neue Freiräume. Zunächst wurde die Kritik hinsichtlich der Interpretation der Staatsbildungsprozesse im 18. Jahrhundert als „nationalen Einigung“ immer lauter, da diese ein übergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl und das Bestreben nach Erlangung und Anerkennung einer eigenen „nationalen Identität“ voraussetze, welches zu dieser Zeit aber noch nicht existiert habe.42 Darauf aufbauend wurde herausgearbeitet, dass die grundlegende Motivation für die Expansion der Gorkhālī nicht die „Gründung einer Nation“, sondern die Erlangung der Kontrolle über die wichtigsten Handelsrouten zwischen Tibet, China und dem südasiatischen Subkontinent gewesen sei. Auf dem Höhepunkt der expansiven Phase am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wäre das Gorkhā Rāj ein Imperium im zentralen Himalaya gewesen, dessen Eliten ihren Herrschaftsanspruch mittels eines regionalspezifischen „kulturellen Imperialismus“ zu legitimieren versuchten.43
Auch innerhalb der Universitäten des Landes setzte in den 1990er Jahren eine Phase der kritischen Reflexion der bisherigen Epistemologie, Methoden, Quellen und institutionellen Rahmenbedingungen ein. Die unzureichende finanzielle Ausstattung und der erschwerte Quellenzugang aufgrund eines vernachlässigten Bibliotheks- und Archivwesens, aber auch die intellektuelle Selbstisolation, die Tendenz zum Kathmandu-Zentrismus und unverhältnismäßige Fokus auf Herrscherdynastien, ebenso wie die Vernachlässigung wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlicher Fragestellungen wurden thematisiert.44 Vereinzelt wurde sogar die noch immer weit verbreitete These der „nationalen Einigung“ infrage gestellt und an zukünftige Generationen appelliert, sich nicht länger in die Narration von Ereignischronologien zu flüchten.45
Aus einer anderen Perspektive, aber nicht weniger kritisch setzten sich auch immer mehr AnthropologInnen aus Europa und Nordamerika mit der Historiografie und historische Forschung auseinander. Sie arbeiteten im Rahmen ihrer Forschungen meist mit Bevölkerungsgruppen in den ländlichen Regionen zusammen und konnten durch diesen Perspektivenwechsel eine Reihe von Problemen in der Historiografie aufzeigen. Beeinflusst von konstruktivistischen und postkolonialen Ansätzen, lag ihr Hauptaugenmerk auf der Dekonstruktion des staatlich propagierten Nationalismus und ethnischen Identitäten. Sie betonen die große Diskrepanz zwischen der Repräsentation der Bevölkerung in der Erzählweise der Rāṣṭrīya Itihās und der tatsächlich erlebten Realität der Gruppen. Den Konstrukteuren der nationalen Geschichtsschreibung sei es nicht gelungen, so der zentrale Kritikpunkt, die äußerst heterogenen Bevölkerungsgruppen des Landes in das Gesamtnarrativ der Rāṣṭrīya Itihās aufzunehmen und gleichwertig zu repräsentieren. Einige wenige Gruppen seien unverhältnismäßig überrepräsentiert, während andere überhaupt nicht vorkommen, völlig fehl- oder unterrepräsentiert wurden.46
Im Verlauf der 1990er Jahre fand zusätzlich eine kontinuierliche Perspektivenerweiterung der Historiografie und historischen Forschung statt, die maßgeblich durch die Arbeiten des Historikers Pratyoush Onta und die von ihm mitbegründeten Diskussionsplattform Martin Chautari und das Journal Studies in Nepalese History and Society (SINHAS) geprägt wurden.47 In Folge dieser Entwicklung wurde die fehlende epistemologische Vielfalt in den Geschichtswissenschaften im Allgemeinen kritisiert und versuchte mit Hilfe der neu gegründeten Institutionen den Fokus von einer primär politisch-ökonomischen hinzu einer Geschichtsschreibung und -forschung zu verschieben, die auch die auch gesellschafts- und kulturhistorische Themen und Fragestellungen mit einbezog. Zuvor als irrelevant wahrgenommene und deshalb oft vernachlässigte Themenkomplexe wie die gesellschaftliche Position von Frauen, Sklaverei und Menschenhandel, kulturelle Symbole und Praktiken, die asymmetrischen Machtbeziehungen zwischen Eliten und Minderheiten oder lokale Geschichtsschreibungen finden ab den 1990er Jahren und auch nach Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmenden Anklang.48 Die kontinuierliche Evaluierung und kritische Reflexion von Historiografie, historischer Forschung und Lehre blieb auch nach der Jahrtausendwende wichtiger Bestandteil der Debatten. Es gab nicht nur regelmäßig Beiträge, die den jeweils aktuellen Forschungsstand aufarbeiteten und weitere Belege für bereits bekannte Desiderate hervorbrachten, sondern auch die Rahmenbedingungen für historische Forschung und Lehre diskutierten und auf bisher nicht beachtete Probleme aufmerksam machten.49
Die für dieses Buch relevanteste Entwicklung in der historischen Erforschung der zentralen Himalaya Region sind die Bemühungen vermehrt regionale und globale historische Verflechtungen in den Blick zu nehmen. Die Ursprünge dieser sich entwickelnden Verflechtungsgeschichte sind in der Literatur britischer Militärs über die sogenannten Gurkhas und der frühen Anglo-Gorkha Diplomatie-Geschichte der 1960er und 1970er Jahre zu finden.50 In den 1980er und 1990er Jahren folgten erste Forschungen zu wirtschaftlichen und kulturellen Austauschbeziehungen mit den Eliten des British Raj und Europas.51 Nach der Jahrtausendwende erweiterte sich das regionale, thematische und disziplinäre Spektrum der Forschung weiter und es wurden die Anfänge nationalistischer Denkweisen in der eher kosmopolitischen Nepālī-sprachigen Öffentlichkeit im kolonialen Indien und der Geschichte des Austausches mit China diskutiert.52 Darüber hinaus wurde die Frage aufgeworfen, ob Nepal aufgrund der „nicht-kolonialen Erfahrung“ überhaupt zur Region Südasien gehöre und vielleicht sogar als Teil Zomias verstanden und untersucht werden sollte.53
Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stehen nach den regionalen, nun häufiger auch globale Verbindungen im Fokus. Es gab Versuche, Prozesse der Staatsbildung im 18. und 19. Jahrhundert aus Perspektive von World History zu verstehen und dem lange Zeit üblichen ereignisgeschichtlichen Fokus eine thematisch strukturierte Historiografie entgegenzusetzen.54 Es wurde aufgezeigt, wie sich den Verbindungen der zentralen Himalaya Region mit übrigen Welt aus globalhistorischer sowie translokaler und multidisziplinärer Sicht angenähert werden kann.55 Andere plädierten für die Anwendung transkultureller Theorien im historischen Kontext, mit der Begründung:
Transcultural history […] is neither entangled history, nor connected or global history. It does not take cultures and periods as given units that could be compared; rather, it concentrates on processes of the circulation of knowledge of the past and varying and competing concepts of state, nation, region, religion, or ethnicity.
(Michaels et.al. 2016: 214)
Die dabei postulierte Abgrenzung zu verflechtungs- und globalhistorischen Ansätzen impliziert, dass diese Kulturen und Perioden als gegebene analytische Einheiten verstünden und ausschließlich komparativ arbeiten würden. Nur eine transkulturelle Perspektive könne demnach die Zirkulation von Wissen, den Austausch von Ideen oder konkurrierende Konzepte von Staat, Nation, Region, Religion oder Ethnizität in den Blick nehmen.
Das ist eine grobe Vereinfachung eines äußerst umfassenden und diversen Forschungsgebietes und der aktuellen theoretischen Diskussionen.56 Als revisionistische Ansätze verstanden, versuchen Forschende durch verflechtungs- und globalhistorische Perspektiven den Nationalstaat als „[…] fundamental unit of investigation, a territorial entity that served as a ‘container’ for a society […]“ hinter sich zu lassen, „[…] to arrive at a more comprehensive understanding of the interactions and connections that have made the modern world.“ (Conrad 2016: 3–5). Beckert und Sachsenmaier (2018) zufolge umfassen diese Ansätze ganz explizit:
[…] both connected history and comparative history. On the most basic level, it is the search to understand how human societies have developed as an interactive community across the world. Searching for alternative modes of conceptualizing the past, global history examines processes, networks, identities and events that cross boundaries of modern states, regions and landmasses. Interested in circulation, global history focuses on the connections between people, ideas, fashions and commodities across borders.
(Sven Beckert und Dominic Sachsenmaier 2018: 3)
Bei dieser recht umfänglichen, aber keinesfalls erschöpfenden Betrachtung des aktuellen Forschungsstandes zur Historiografie und historischen Forschung im Himalaya bleibt Folgendes zusammenfassend festzuhalten: Ihre Ursprünge sind einerseits in lokalen historiografischen Traditionen und andererseits in der Erforschung der Region durch europäische Pilger, Reisende, Militärs und Kolonialbeamte zu finden. Mit der Konstruktion der Rāṣṭrīya Itihās konnten HistorikerInnen aus der Region zwar die Deutungshoheit über ihre eigene Geschichte zurückerlangen. Aber die Historiografie und Forschung im zentralen Himalaya wurde infolge der Entwicklungen in den 1950er und noch deutlicher 1960er Jahren durch methodologischen Nationalismus, Selbstisolation und eine exzeptionalistische Perspektive geprägt. Vorsichtige, aber oft nur implizierte Kritik an der Erzählweise der Rāṣṭrīya Itihās und der fehlenden epistemologischen Vielfalt wurde erstmals in den späten 1960er Jahren geäußert und wurde bis Ende der 1980er Jahre schrittweise gehaltvoller. Die kritischen Stimmen von AnthropologInnen an europäischen und amerikanischen Universitäten nahmen kontinuierlich zu und sie begannen dem Fokus auf Eliten eine „Geschichte von unten“ entgegenzusetzen.57 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende regionale und globale diskursive Verflechtung die Historiographie und historische Forschung feststellen. Außerdem ist ein klarer Trend hin zur Erforschung der vielfältigen Austauschbeziehungen über nationalstaatliche, regionale, disziplinäre und thematische Grenzen hinweg erkennbar. Im Zuge dessen werden regelmäßig Grundsatzfragen zur Epistemologie, Methodik und Terminologie aufgeworfen und diskutiert.
Trotz zahlreicher positiver Entwicklungen in der Historiografie und historischen Forschung im Himalaya gibt es auch weiterhin Forschungslücken. An erster Stelle wäre hier die erkennbare Tendenz zum methodologischem Nationalismus anzumerken. Wie die kritische Reflexion des aktuellen Forschungsstandes gezeigt hat, sind auch im Falle der zentralen Himalaya Region die Entstehung der heutigen Nationalstaaten und die Herausbildung der historischen Wissenschaften auf vielschichtige Weise miteinander verknüpft. Daher stellt die Überwindung des methodologischem Nationalismus auch in diesem Teil der Welt eine große Herausforderung für die Forschung dar. In den letzten Jahren scheint aber ein wachsendes Bewusstsein dafür zu entstehen, welche Probleme sich daraus ergeben können, wenn der nationalstaatliche Rahmen als implizit vorausgesetzter „Container“ allen Denkens, Forschens und Schreibens verstanden wird.58 HistorikerInnen sind dafür besonders anfällig und neigen häufig zur Rückprojektion gegenwärtiger politischer Grenzziehungen und Entitäten in die Vergangenheit. In diesem Buch folge ich dem Beispiel David Gellners (2016), dass nur durch Transparenz, kritische Selbstreflexion und eine adäquate historische Kontextualisierung, die sich auch in der Terminologie wiederfindet, möglichen Problemen eines impliziten methodologischem Nationalismus begegnet werden kann. Aufgrund dessen wird der Gorkhā-Staat hier nicht als natürlich gegebene Entität, sondern als Resultat eines langandauernden Entstehungsprozesses verstanden. Der Prozess der Staatsbildung wird im zweiten Kapitel ausführlich diskutiert.
Ein weiteres, für dieses Buch ebenfalls relevantes Desiderat betrifft die Legitimationsforschung. In den zahllosen Beiträgen zur politischen-ökonomischen Geschichte wird Legitimation als normatives Konzept implizit mitgedacht, wenn AutorInnen in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Kriterien den Herrschaftsanspruch der einen oder anderen Elite als legitim und illegitim bewerten und darstellen.59 Ein tendenziell eher empirisches und erkenntnistheoretisches Legitimationsverständnis verbreitete sich schließlich mit der gesellschafts- und kulturhistorischen Forschung und Historiografie. Die Beschäftigung mit Fragen der Herrschaftslegitimation bleibt aber bis heute hauptsächlich auf die Diskussion um das Königtum der Śāha-Dynastie reduziert.60 Bislang gibt es keine Forschungen, welche die Aneignung legitimatorischer Diskurse und Praktiken durch die herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates als globalhistorisches Phänomen begreifen und im Zeitraum des „überlangen 19. Jahrhunderts“ untersuchen.

2.3 Das eigene Forschungsdesign

Auch wenn für die Geschichtswissenschaften eher unüblich, ist es dennoch sinnvoll und notwendig die Epistemologie, die Quellenlage und methodische Herangehensweise des eigenen Vorhabens für Lesende transparent zu machen. In diesem Buch werden Legitimation, Zivilisierung und Selbstzivilisierung als epistemologische Kategorien für globalhistorische Phänomene verstanden und als solche operationalisiert. Aufgrund des historischen Schwerpunktes stellt die kritisch-hermeneutische Quellenanalyse die wichtigste Methode dar.61 Darüber hinaus wird mit einem sehr weitgefassten Quellenbegriff gearbeitet, um ein möglichst breites Spektrum schriftlicher und nichtschriftlicher Materialien, wie beispielsweise Institutionen, Bauwerke, Technologien oder Fotografien miteinbeziehen zu können.
Die zur Verfügung stehenden Quellenmaterialien sind sehr umfangreich und vielfältig. Axel Michaels (2018) wertet die Sammlungen im Rāṣṭriya Abhilekhālaya (Nationalarchiv)62 in Kathmandu, in Tempel- und Privatarchiven als „[…] den wohl wichtigsten zusammenhängenden Fundus an historischen Texten aus einer südasiatischen Region.“ (Michaels 2018: 10). Zwischen 1970 und 2001 wurden große Teile dieser Materialien in Zusammenarbeit mit dem Department of Archaeology des Ministry of Education der Regierung Nepals im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Langzeitprojektes Nepal-German Manuscript Preservation Project (NGMPP) mikrofilmisch erfasst.63 Von 2002 bis 2014 finanzierte die DFG ebenfalls das nachfolgende Nepal-German Manuscript Cataloguing Project (NGMCP), um im nächsten Arbeitsschritt die Katalogisierung der Mikrofilminhalte voranzubringen.64 In Kooperation mit dem Nationalarchiv Nepals wurde 2015 die Katalogisierung fortgesetzt und parallel mit der Digitalisierung und Analyse dieses sehr umfangreichen Quellekorpus im Projekt Religions- und rechtsgeschichtliche Dokumente Nepals begonnen, das von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gefördert wird. Die Ergebnisse werden unter anderem online in der Documenta Nepalica65, aber auch weiterhin in Printformaten veröffentlicht.66
Neben diesem sehr umfangreichen Quellenkorpus wurden im Rahmen dieses Buchs auch Quellenmaterialien aus den National Archives of India67, der Madan Puraskār Pustakālaya68, der Bibliothek von Martin Chautari69, der Keśar Library70 und der Tribhuvan University Central Library71 in Kathmandu sowie verschiedene digitale Ressourcen wie Digital Himalaya72, das Endangered Archives Programme der British Library73 oder die Hodgson Collection74 berücksichtigt. Diese Masse an zur Verfügung stehenden Materialien ist mitunter überwältigend. Wie im Rest der Welt, werden auch in der Nepal- und Himalaya-Forschung in den vergangenen Jahren große Anstrengungen zur Digitalisierung von Quellenbeständen unternommen. Allerdings fehlen häufig die finanziellen Ressourcen, um sich anschließend auch der Übersetzung und Analyse der digitalisierten Materialien widmen zu können. Das Problem, Zugang zu Quellenmaterial zu bekommen stellt sich also nicht. Viel schwieriger ist es aber aus dieser großen Masse an verfügbaren Quellen die für eigene Fragestellung relevanten Informationen herauszufiltern. Dazu brauchte es ein klar definiertes analytisches Modell, dass im Folgenden umrissen werden soll.
Die der Analyse zugrundeliegende Annahme lautet: Legitimationsphänomene lassen sich weltweit in der Geschichte der Menschheit beobachten, weil jeder Anspruch auf Herrschaft ein inhärentes Legitimationsdefizit aufweist und daher der Selbstrechtfertigung bedarf. Das bedeutet, jedes Individuum, jede Gruppe oder Entität, die über Menschen, Territorium und den damit verbundenen Zugang zu natürlichen Ressourcen herrschen will, muss sich zwangsläufig mit der Frage auseinandersetzen, was den eigenen Herrschaftsanspruch als legitim qualifiziert. Andernfalls kann eine fehlende Legitimation diesen Anspruch untergraben und zum Ende einer Herrschaft führen. Deshalb haben Herrschende ein grundlegendes Interesse daran, Strategien zu entwickeln und zu implementieren, die der Legitimation ihres Herrschaftsanspruchs dienen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage nach den angeeigneten Strategien zur Herrschaftslegitimation durch Eliten des Gorkhā-Staates wurden drei Untersuchungsebenen identifiziert, um die zur Verfügung stehenden Materialien zu filtern: (1) das Verhalten der herrschenden Eliten, (2) ihre Kommunikation und (3) die Wahrnehmung ihres Verhaltens und ihrer Kommunikation durch die verschiedenen Akteure in den Staatsbildungsprozessen, d. h. die eigene Bevölkerung, konkurrierende Teile der Elite und durch externe Akteure (z. B. Eliten oder Regierungen anderer Staaten). Auf der ersten Untersuchungsebene wird also gefragt: Welche Praktiken verfolgen Eliten, um ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren? Auf der zweiten Ebene wird nach den Kommunikationsinhalten der Eliten gefragt: Was wird nach außen hin kommuniziert, um den eigenen Herrschaftsanspruch als legitim darzustellen? Zuletzt wird auf der dritten Ebene nach der Wahrnehmung durch andere Akteure gefragt: Wie werden die identifizierten Legitimationspraktiken und -diskurse der Eliten durch externe Akteure, konkurrierende Teile der Elite und die eigene Bevölkerung rezipiert? Wie reagieren sie darauf?
Bei der Analyse der so identifizierten Legitimationsstrategien wurden diese anschließend auf ihre (1) Modalität, (2) Temporalität und (3) auf ihren Adressaten hin untersucht. Bei der genaueren Untersuchung und Bestimmung der Modalitäten von Legitimationsstrategien wurde gefragt, wie Legitimationsstrategien beschaffen sind. Dabei lässt sich zwischen einer immateriellen und einer materiellen Dimension unterscheiden. Es bleibt zu bedenken, dass es sich dabei aber selbstverständlich um eine modellhafte und idealtypische Differenzierung handelt, also ein nützliches Hilfsmittel. Bei der Analyse und genaueren Bestimmung der Temporalität von Legitimationsstrategien wurde untersucht, über welchen Zeitraum hinweg bestimmte Legitimationsstrategien verfolgt wurden, um Muster, Kontinuitäten oder Brüche zu identifizieren. Zuletzt wurden die Adressaten von Legitimationsstrategien detaillierter bestimmt und der Frage nachgegangen, auf wen legitimierende Verhaltensweisen oder Kommunikationsinhalte abzielten.
Die Untersuchung musste aufgrund gegebener Rahmenbedingungen zwangsläufig zeitlich und räumlich beschränkt werden. Hier wurden exemplarisch die Legitimationsstrategien der herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates im Verlauf der Staatsbildungsprozesse im „überlangen 19. Jahrhundert“ zwischen Mitte des 18. und Mitte des 20. Jahrhunderts analysiert. Der regionale Fokus auf die zentrale Himalaya Region trägt zur empirischen Diversifizierung und gleichzeitigen „Provinzialisierung“ Europas und Nordamerikas in der historischen Legitimationsforschung bei.75 Durch diese regionale Schwerpunktsetzung wird darüber hinaus aktuellen Tendenzen zur Herausbildung neuer Zentrismen in der Erforschung Asiens entgegengewirkt, indem explizit nicht Indien, China oder Japan im Fokus der Untersuchung stehen. Der gewählte Untersuchungszeitraum wiederum erlaubt es sich von Tendenzen zur Ereignis- und Personengeschichte zu lösen und zugleich auch längerfristige Zyklen, Kontinuitäten und Brüche in den Blick zu nehmen. Die von Michaels (2018) übernommene Charakterisierung dieses Zeitraums als „überlanges 19. Jahrhundert“ in Anlehnung an Osterhammel (2010: 86–88) unterstreicht die globalhistorische Einordnung der eigenen Forschung, die ebenso den regionalspezifischen Besonderheiten des zentralen Himalayas Rechnung trägt. Wie in der Einleitung bereits dargelegt, ist die zeitliche Eingrenzung daher als Orientierungsrahmen gedacht, dessen chronologische Ränder bewusst offengehalten sind. Aus diesem Grund ist dieses Buch auch thematisch und nicht chronologisch strukturiert.
Im Anschluss an diese Einführung in den Forschungsstand, den theoretischen Ansatz, die Quellen und das methodische Vorgehen folgt ein eigenes Kapitel zur Beschreibung, temporalen Strukturierung und globalhistorischen Einordnung der staatsbildenden Prozesse, die zur Entstehung des Gorkhā-Staates beziehungsweise Nepals führen, um einen narrativen Rahmen für die nachfolgende Analyse zu etablieren. Im vierten Kapitel geht es um das dynamische Kontinuum von Legitimationsstrategien herrschender Eliten in den frühen Phasen der Staatsbildung und die Herausarbeitung der Komplexität und Vielschichtigkeit der verschiedenen lokalen und regionalen Einflüsse. Die neuen Dynamiken der Staatsbildung im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Zuge zunehmender regionaler und globaler Verflechtungen führen zur Entstehung neuer Legitimationsstrategien und dem Beginn der Selbstzivilisierung der herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates, die im fünften Kapitel anhand der Kodifizierung des Rechtssystems und der Reform soziokultureller Normen und Praktiken thematisiert werden. Im sechsten Kapitel wird an den Beispielen des Gesundheitswesens und Bildungssystems, und im siebten Kapitel anhand von Technologie und Architektur aufgezeigt, wie die Selbstzivilisierung in der zweiten Hälfte des überlangen 19. Jahrhunderts zunächst zur dominanten Strategie der Herrschaftslegitimation entwickelt, bevor sie schlussendlich ihre delegitimierende Wirkung entfaltet.
Es versteht sich wohl von selbst, dass es sich hierbei nur um eine Auswahl von Themenkomplexen handelt und damit weder alle Legitimationsstrategien der herrschenden Eliten des Gorkhā-Staates in ihrer Gesamtheit noch ihre Bemühungen zur Selbstzivilisierung erschöpfend erforscht worden sind. Im Sinne einer offenen Geschichtsschreibung wird deshalb hier auch kein Anspruch Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit erhoben. Sowohl der eigens entwickelte analytische Ansatz zur historischen Untersuchung von Legitimationsstrategien als auch die empirische Erforschung der spezifischen Strategien zur Selbstzivilisierung der Eliten des Gorkhā-Staates sind lediglich als Anstoß, als Impuls gedacht. Es ist daher ausdrücklich wünschenswert, dass diese Ideen und Ansätze in zukünftigen Forschungsvorhaben aufgegriffen, kritisch reflektiert und weiterentwickelt werden.
Abschließend muss eine noch letzte Eingrenzung hinsichtlich des schriftlichen Quellenmaterials aufgrund der Sprachenproblematik angesprochen werden. Wie Cubelic, Michaels und Zotter (2018: 2 ff.) mit Blick auf die Sammlung der Documenta Nepalica anmerken, ist die Erschließung, Übersetzung und Deutung gänzlich unerforschter schriftlicher Quellen in asiatischen Sprachen aufgrund der philologischen Diversität und Komplexität ausschließlich im Rahmen größerer Forschungsprojekte und einer Zusammenführung sich gegenseitig ergänzender methodischer Ansätze möglich.76 Dies war im Rahmen dieses Buches nicht zu leisten und war auch nie das Anliegen. Vielmehr ging es stets darum, die große Menge bereits erschlossener Quellenmaterialien mittels neuer Fragestellungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zu interpretieren, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
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Fußnoten
1
Vgl. Würtenberger (2004 [1982]).
 
2
Die Menschen im Gorkhā-Staat nutzen eine gemeinsame Sprache. Vor dem 18. Jahrhundert wurde diese noch als khas kurā („Sprache der Khas“) bezeichnet. Später wurden dann eher gorkhālī („Sprache der Gorkhālī“) mit einer tendenziell politischen und parvatīya bhāṣā („Sprache im Hügelland“) mit einer geografischen Konnotation oder die leicht sanskritisierte Version prākṛt gebräuchlicher. Erst unter dem Einfluss nationalistischer Aktivisten und britischen Kolonialbeamten wurde die noch heute gängige Bezeichnung Nepālī ab Ende der 1920er Jahre übernommen.
 
3
Siehe Turner (1931: 106).
 
4
Ibid.: 59.
 
5
Ibid.: 570.
 
6
Vgl. beispielsweise Heidorn (1982: 12 ff.) und Heins (1990: 12 ff.).
 
7
Vgl. Stillman (1974).
 
8
Vgl. Barker (2001: 22–23).
 
9
Vgl. Schmidtke und Schneider (2012: 229–238).
 
10
Vgl. Münkler (2012), Gießmann (2014), Becker (2015), Kagerer (2017), Graham-Goering (2020).
 
11
Vgl. Berkemer (2012).
 
12
Siehe beispielsweise Pyenson (1993), Said (1994 [1993]), Conklin (1997), Young (2001 [1999]), Hopkins (2003), Fischer-Tiné und Mann (2004), Selwyn (2004), Pomeranz (2005), Adas (2006), Chahrour (2007), Hirono (2008), Twells (2009), Abi-Mershed (2010), Schreier (2010), Mann und Watt (2011), Möller (2013), Falser (2015), Harrison (2019), Barth (2020), Fuller (2022).
 
13
Vgl. Turner (1931: 587) und Gyawali (2017, 2018).
 
14
Um Missverständnissen in der späteren Analyse vorzubeugen, wird in diesem Buch bewusst auf die Verwendung der Begrifflichkeiten „Modernisierung“ und „Entwicklung“ gänzlich verzichtet. Diese sind infolge der Entstehung von Modernisierungs- und Entwicklungstheorien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oft durch eine noch deutlichere europa-amerikazentrische Empirie geprägt und vergleichsweise noch stärker ideologisch aufgeladen (vgl. Shah 2011; Escobar 2011 [1994]). Auch im regionalen Kontext des zentralen Himalaya ist insbesondere die Verwendung des Entwicklungsbegriff für den gewählten Untersuchungszeitraum problematisch (vgl. Shrestha 1997; Gyawali 2017, 2018). Im Unterschied zum hier verwendeten Zivilisierungsbegriff sind sie daher weniger zur Operationalisierung geeignet.
 
15
Mann (2011: 327) und Osterhammel (2005: 376–77) weisen darauf hin, dass sich Grundzüge des Zivilisierungsgedanken auch schon in der asiatischen und europäischen Antike sowie bei allen expansiven Religionen und im imperialen China finden lassen. Diese seien allerdings in Qualität und Ambition nicht mit den europäischen Zivilisierungsmissionen vergleichbar. Zum Zivilisierungsdiskurs im imperialen China siehe Gungwu (1984).
 
16
Vgl. Osterhammel (2010: 1173 ff.).
 
17
Vgl. Mann und Watt (2011: 1–34, 322–326).
 
18
Vgl. Mann (2004: 13–23, 2011: 322) und Osterhammel (2005: 370, 2010: 1173 ff.).
 
19
Vgl. beispielsweise Fischer-Tiné (2009).
 
20
Vgl. Manandhar, T. R. et. al. (1995).
 
21
Vgl. Vaidya (1995a).
 
22
Vgl. Michaels et. al. (2016: 211–212) und Michaels (2018: 16–17).
 
23
Vgl. Zu den Briefen der Kapuzinermönche Johannes Grueber und Albert d’Orville, die Mitte des 17. Jahrhunderts durch das Kathmandu-Tal reisten siehe Braumann (1985). Zum Tagebuch von Captain Kinloch, der Mitte des 18. Jahrhunderts Kathmandu besuchte siehe Raj (2012). Darüber hinaus ist auch der Bericht von Father Guiseppe da Rovato (1970 [1786]) erhalten, der während der Eroberung des Kathmandu-Tals dort lebte.
 
24
Vgl. Campbell, A. (1970).
 
25
Vgl. Waterhouse (2004). Siehe beispielsweise Hodgson (1833, 1834, 1836, 1857, 1874). Die Anzahl der von Hodgson veröffentlichten Artikel ist einfach zu groß, um sie hier auflisten zu können. Ein Großteil seiner Arbeiten und Aufzeichnungen sind in digitaler Form online zugänglich unter: http://​hodgson.​socanth.​cam.​ac.​uk/​index.​html [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
26
Die zahlreichen Publikationen von Europäern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind ein deutliches Indiz für deren Dominanz bei der Erforschung des Himalayas. Die Literatur ist sehr umfangreich, weshalb hier nur einige der bekannteren Titel genannt werden können: Hoffmeister (1847), Cavenagh (1851), Oliphant (1852), Smith (1852), Egerton (1852), Hooker (1854), Kutzner (1857), Wright (1877), Oldfield (1880), Bendall (1886, 1903), Ballantine (1889, 1895), Digby (1890), Boeck (1894), Ehlers (1894), Ballantine (1895), Hunter (1896), Landor (1905), Northey and Morris (1927), Guinness (1928), Sella und Escarra (1935) und Davis (1942).
 
27
Als bekannteste Beispiele für den Import europäischer „Expertise“ sind in diesem Zusammenhang die sehr umfangreichen historiografischen Beiträge von Sylvain Lévi (1905) und Perceval Landon (1928) zu nennen.
 
28
Zu den wenigen historischen Beiträgen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören: Rana, P.J.B. (1980 [1909]), Prasad (1922), Panta und Pande (1948). Siehe dazu auch Mann (2009: 283–284).
 
29
Vgl. Onta (1996a) und Raj (2014).
 
30
Vgl. Mann (2009).
 
31
Vgl. Rupakheti (2012: 11 ff.).
 
32
Der Begriff Gorkhā Rājya war die zeitgenössische Selbstbezeichnung für das Kleinkönigtum.
 
33
Vier einflussreiche Konstrukteure der Rāṣṭrīya Itihās waren Baburam Acharya (1888 – 1971), Dilli Raman Regmi (1913 – 2001), Rishikesh Shaha (1925 – 2002) und Ludwig F. Stiller (1928 – 2009).
Für einen Gesamtüberblick zur Historiografie und historischen Forschung in Nepal ist der Reading Guide von John Whelpton (2005b) zu empfehlen.
 
34
Besonders eindeutig nachvollziehbar bei Regmi, D. R. (1958 [1950]), Swaminathan, C. R. (1968), Lohana, S.C. (1969) und Pandey, M. R. (1973).
 
35
Vgl. beispielsweise Shaha (1965). Zur kritischen Reflexion dieser Hagiografien siehe Onta (1996b).
 
36
Vgl. beispielsweise Acharya, B. (1956 [2013 V.S.]), Chaudhuri, K. C. (1960), Amātya (1969a, 1969b, 1978), Rose (1971), Ramakant (1976), Uprety (1984), Bhattarai, M.K. (1990), Hamal (1995).
 
37
Als besonders einflussreich gelten seine vierbändige Monografie Land Tenure and Taxation in Nepal (1963–1968) und die von ihm zwischen 1969 und 1989 herausgegebene Regmi Research Series in der er über 5000 Archivalien als Übersetzungen in Englisch veröffentlichte.
 
38
Vgl. Rupakheti (2012: 37–39).
 
39
Vgl. Adhikari (1976a, 1976b, 1979, 1980a, 1980b, 1984, 1986), Manandhar, T. R. (1983, 1986) und Shreshta, P. P. (1986).
 
40
Vgl. Bhattarai (1986). Obwohl die Dissertation von Baburam Bhattarai erst 2003 ganz offiziell veröffentlicht wird, zirkuliert sie bereits in den späten 1980er Jahren. Bhattarai wird in den 1990er Jahren zum einem der bedeutendsten Ideologen der Maoisten in Nepal und zwischen August 2011 und März 2013 sogar kurzzeitig Premierminister Nepals.
 
41
Sehr einflussreich war hier Burghart (1984).
 
42
Vgl. Pradhan (2009 [1991]).
 
43
Diese Thesen wurde vor allem durch Regmi, M. C. (1995, 1999) formuliert und vertreten, der sich in seiner Argumentation hauptsächlich auf Said (1994 [1993]) bezieht.
 
44
Vgl. Vaidya et. al. (1993, 1995), Vaidya (1995a, 1995b) und Adhikari (1995).
 
45
Vgl. Uprety (1995), Vaidya (1995a, 1995b, 1997).
 
46
Vgl. beispielsweise Toffin (1993), Lecomte-Tilouine und Krauskopff (1996), Gellner et. al. (1997) und Hangen (2010). Zur kritischen Reflexion dieser Wissensproduktion siehe Lüder (2013).
 
47
Eine umfassende Übersicht findet sich online unter: https://​www.​martinchautari.​org.​np/​organization/​team-detail/​pratyoush-onta [letzter Zugriff 11.01.2024].
 
48
Diese Entwicklung kulminierte als A History of Nepal von John Whelpton (2005a) die mehrbändige Publikation Modern Nepal von Rishikesh Shaha (1990) als Standardwerk zur Geschichte des Landes ersetzte. Zu den verschiedenen Themengebieten gesellschafts- und kulturhistorischer Forschung und Historiografie vgl. Bista (1991), Michaels (1993, 1994, 1997, 2018), Chhetry (1992, 2000), Maskey (1996), Whyte (1997, 1998), Manandhar, V. K. (1999), Manandhar, T. R. (2000), Gaenszle (2003/2004), Amātya (2004), Tamang und Maharjan (2005), Chand (2013), Uprety, L. P. et. al. (2018).
 
49
Vgl. Sinha, A. (2002), Vaidya (2002), Chhetry (2003), Chhetry, G. (2003), Chhetry und Karki (2004), Manandhar, T. R. (2004), Raj (2014), Raj und Onta (2014), Manandhar, V. K. et. al. (2014, 2015).
 
50
Vgl. Chaudhuri, K. C. (1960), Sanwal, B.D. (1965), Ramakant (1968), Amātya (1969a, 1969b, 1978), Husain (1970), Mojumdar (1973), Banskota (2014 [1994]) und Caplan (1995).
 
51
Vgl. Whelpton (1983), Fisher (1986) Mikesell (1988) und Liechty (1997).
 
52
Vgl. Manandhar, V. K. (2000, 2001, 2004) und Chalmers (2003).
 
53
Vgl. Des Chene (2007) und Shneiderman (2010).
 
54
Vgl. Michael (2011, 2012), Rupakheti (2012, 2017) und Michaels (2018).
 
55
Vgl. Fisher (2011), Saxer (2016) und Pradhan, Q. (2019).
 
56
Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes zur Komparativen Geschichtswissenschaft siehe Haupt und Kocka (2009), zur Verflechtungsgeschichte siehe Sönke et. al. (2015) und zur kritischen Reflexion der aktuellen Debatten zur Globalgeschichte siehe Barbu (2019).
 
57
Vgl. Mann (2009: 286).
 
58
Mehr Details über die Problematiken methodologischem Nationalismus siehe Wimmer et. al. (2002) und Vasilev (2019).
 
59
Besonders deutlich wird dieses normative Legitimationsverständnis beispielsweise bei Regmi, D.R. (1958 [1950]) und anderen Vertretern der Rāṣṭrīya Itihās. Weniger deutlich wertend, aber dennoch als implizit normatives Konzept verstanden wird Legitimation bei Manandhar, T.R. (1983, 1986), Shaha (1990), Sharma, G.N. (1990), Sever (1993), Rana et. al. (2003), Amārtya (2004).
 
60
So beispielsweise bei Burghart (1984), Burghart et. al. (1996), Gellner et. al. (1997), Dixit und Ramachandran (2002), Whelpton (2005a); Lecomte-Tilouine (2005, 2009) und Michaels (2018).
 
61
Vgl. Arnold, K. (2001 [1998]).
 
62
Zur Gründung, Struktur, Bestand und Verwaltung des Rāṣṭriya Abhilekhālaya siehe Dangol, B. D. (1990) und Rana, S. M. (1985, 1991).
 
65
Siehe: https://​nepalica.​hadw-bw.​de/​nepal/​ [letzter Zugriff 11.01.2024].
 
66
Siehe Cubelic, Michaels und Zotter (2018) sowie Khatiwoda, Cubelic und Michaels (2021) und Bajracharya (2022).
 
67
Siehe: https://​www.​abhilekh-patal.​in [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
68
Siehe https://​madanpuraskar.​org/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
69
Siehe https://​www.​martinchautari.​org.​np/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
70
Siehe https://​klib.​gov.​np/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
71
Siehe: https://​tucl.​tu.​edu.​np/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
72
Siehe http://​digitalhimalaya.​com/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
73
Siehe https://​eap.​bl.​uk/​ [letzter Zugriff: 11.01.2024].
 
75
Zur Provinzialisierung Europas siehe Chakrabarty (2000).
 
76
Zur grundsätzlichen Übersetzungsproblematik in den historischen Wissenschaften siehe Arnold, K. (2001 [1998]: 51).
 
Metadaten
Titel
Aktueller Forschungsstand, Desiderate und das eigene Forschungsdesign
verfasst von
Stefan Lüder
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44422-8_2