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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Dynamiken der Staatsbildung im überlangen 19. Jahrhundert des zentralen Himalayas

verfasst von : Stefan Lüder

Erschienen in: Staatsbildung und Legitimation im Himalaya

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Eine zusammenfassende Beschreibung der regionalen Dynamiken der Staatsbildungsprozesse im überlangen 19. Jahrhundert des zentralen Himalayas etabliert den notwendigen narrativen Rahmen für die nachfolgende Analyse der Strategien zur Herrschaftslegitimation. Zudem werden anschließend die spezifischen Legitimationsdefizite herausgearbeitet, mit denen die verschiedenen herrschenden Eliten während der unterschiedlichen Phasen der Staatsbildung konfrontiert waren.
Eine zusammenfassende Beschreibung der regionalen Dynamiken der Staatsbildungsprozesse im überlangen 19. Jahrhundert des zentralen Himalayas etabliert den notwendigen narrativen Rahmen für die nachfolgende Analyse der Strategien zur Herrschaftslegitimation. Zudem werden anschließend die spezifischen Legitimationsdefizite herausgearbeitet, mit denen die verschiedenen herrschenden Eliten während der unterschiedlichen Phasen der Staatsbildung konfrontiert waren. Die Betonung der Prozesshaftigkeit der Staatsbildung soll die noch immer weit verbreitete und problematische Rückprojektion gegenwärtiger politischer Grenzziehungen in die Vergangenheit und die Darstellung des Gorkhā-Staates beziehungsweise Nepals als eine von Beginn an existierende politische Entität vermeiden.
Zur grundlegenden temporalen Strukturierung der Staatsbildungsprozesse wird im Folgenden zwischen einer formativen Phase von Mitte des 16. bis Mitte des 18. Jahrhunderts, einer expansiven Phase im Zeitraum zwischen Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts und einer konsolidierenden Phase bis Mitte des 20. Jahrhunderts unterschieden. Die dafür verwendete Orientierung an den jeweils herrschenden Eliten und der Kathmandu-Zentrismus ist aufgrund der Forschungsfragen und des Erkenntnisinteresse dieses Buches sinnvoll. Dennoch ist es wichtig an dieser Stelle anzumerken, dass es sich lediglich um eine narrativen Rahmen, um ein nützliches Hilfsmittel handelt. Und um möglichen Missverständnissen und Unklarheiten vorzubeugen, muss ebenfalls klar sein, dass dadurch keinesfalls ein ausschließlich lineares Zeitverständnis impliziert wird. Stattdessen kann eher davon ausgegangen werden, dass dieser Prozess – formative, expansive und konsolidierende Phase der Staatsbildung – sich aus einer historischen longue durée-Perspektive womöglich mehrfach wiederholt hat. Das bedeutet, dass das implizierte lineare durch ein zyklisches Zeitverständnis ergänzt wird.
Zur terminologischen Unterscheidung der verschiedenen Phasen der Staatsbildung werden entsprechend auch unterschiedliche Begrifflichkeiten für die Bezeichnung der politischen Entität verwendet. In der formativen Phase wird vom »Gorkhā Rājya«, in der expansiven Phase vom »Gorkhā Rāj« und in der konsolidierenden Phase schließlich vom »Gorkhā-Staat« gesprochen. Der Begriff »Nepal« wiederum leitet sich ursprünglich aus der Bezeichnung nepāla für das Kathmandu-Tal ab. Die frühesten heute bekannten Erwähnungen sind Inschriften in Südindien aus dem 4. Jahrhundert und Inschriften der Licchavi-Könige aus dem 6. Jahrhundert, die das Land im und um das Kathmandu-Tal als nepālarājya, nepālabhukti oder nepālamaṇḍala nannten. Erst ab dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wird Nepal als Bezeichnung des sich herausbildenden Nationalstaates in der Kommunikation mit der britischen Kolonialverwaltung gebräuchlicher.1
Zum besseren Verständnis und globalhistorischen Einordnung der reziproken Dynamiken von Prozessen der Staatsbildung und Formen der Herrschaftslegitimation im zentralen Himalaya ist zunächst eine kurze einführende Betrachtung der überregionalen Reichs- und Staatsbildungsprozesse in den angrenzenden Nachbarregionen Asien notwendig. Nördlich des Himalayas war es der mandschurischen Qing-Dynastie im Verlauf des 17. Jahrhunderts gelungen, die Ming-Dynastie als herrschende Elite des chinesischen Reiches schrittweise zu entmachten. Unter den Kaisern Kangxi (r. 1662–1722), Yongzheng (r. 1723–1735) und Qianlong (r. 1736–1795)2 erreichte das Reich der Qing-Dynastie in der Mitte des 18. Jahrhunderts seine maximale territoriale Ausdehnung und den Höhepunkt imperialer Machtentfaltung. Außer den Provinzen des chinesischen Kernlandes schloss das Reich der Qing auch die Insel Taiwan, die Mandschurei, die Innere und Äußere Mongolei sowie Tibet, weite Teile Zentralasien bis hin zum Balchasch-See ein und erstreckte sich über den Hindukusch hinaus, fast bis an die Grenzen Persiens.3 Global betrachtet war das Reich der Qing-Kaiser am Ende des 18. Jahrhunderts “[…] the largest, wealthiest, and most populous contiguous political entity anywhere in the world.” (Hevia 1995: 31) und die Herrschaft der Qing-Dynastie “[…] arguably the most successful dynasty to rule China.” (Rawski 1998: 1).
Mit der Expansion des Qing-Reiches ging auch der Aufbau eines quasikolonialen Systems zwischen dem imperialen Zentrum in Beijing und den Peripherien in den xinjiang („Neue Gebiete“) einher. Die Mandschu begegnetem dem daraus resultierenden Legitimationsdefizit, indem sie ihre Herrschaftsideologie den neuen Gegebenheiten anpassten, neue Institutionen schufen und kulturelle Praktiken etablierten. Sie wichen damit von der zuvor dominanten Legitimationsstrategie der Akkulturation ab und versuchten stattdessen den zahlreichen und vielfältigen Glaubens-, Gesellschafts- und Herrschaftsformen innerhalb ihres Reiches entgegenzukommen und auf diese Weise neue Loyalitäten zu ermöglichen. Sie eignete sich verschiedene Herrscheridentitäten an und institutionalisierten die asymmetrischen Machtbeziehung unter anderem durch die Schaffung des lifanyuan („Amt für koloniale Angelegenheiten“), um die eroberten Gebiete und Menschen in die administrativen Strukturen des Reiches einzugliedern. Die neuen Herrscher übten sich also in einem andauernden Balanceakt zwischen der effektiven Ausübung von Kontrolle und dem Versuch, die äußerst heterogene Bevölkerungen des riesigen Reiches und die jeweiligen lokalen Eliten „[…] in die kaiserliche Souveränität zu integrieren, was wiederum bedeutete, andere Machtzentren (etwa Könige) erfolgreich »aufzunehmen« (inclusion) und zu »umfassen« (encompassment).“ (Erich Pilz 2007: 82). Als wohl bekanntestes (und in der Historiografie Chinas umstrittenes) Mittel diente ihnen dazu ein Tributsystem und das dazugehörige Ritual koutou, durch das ein gemeinsam konstruiertes, hierarchisches Loyalitätsverhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten etabliert wurde.4
In Südasien hatte das Reich der Gurkaniya5 (Mogulreich) unter Aurangzeb zu Beginn des 18. Jahrhunderts seine größte territorial Ausdehnung erreicht. Doch die Größe des Reiches machte es im Laufe der Zeit immer schwieriger alle Teile des Reiches effektiv regieren zu können. Infolgedessen begannen ab den 1720er Jahren immer mehr Provinzen eigene staatsbildende Prozesse zu initiieren und eigene lokale Herrschaftsdynastien zu begründen, ohne aber ihre vollständige Unabhängigkeit vom Reich der Gurkaniya zu erklären.6 Die neuen lokalen Herrschaftsdynastien bauten sich neue Residenzstädte, führten eigene Regierungsformen, Währungen und Kalendersysteme und bemühten sich um die Schaffung einer eigenen kulturellen Identität. Staatseinnahmen wurden nicht länger als die des Pādshāh, sondern als Einkünfte der lokalen Herrscher verstanden und als solche auch verwaltet.7 In der neueren Historiografie Südasiens hat sich mittlerweile die Bezeichnung dieser Herrschaftsgebiete als „kleine Königreiche“ und der Machthabenden als „kleine Könige“ etabliert.8 Einhergehend mit ihrer neu gewonnenen Autonomie, mussten sich diese „kleinen Könige“ auch mit der Frage auseinandersetzen, was ihren Herrschaftsanspruch eigentlich legitimierte. Dabei orientierten sie sich hauptsächlich an den wichtigsten Kriterien des sogenannten rājadharma: Der Herrschende mussten in der Lage sein die eigene Bevölkerung zu schützen, sowohl vor äußeren Bedrohungen als auch vor inneren Spannungen und Konflikten. Darüber hinaus sollten sie außergewöhnliche militärische Führungskompetenz aufweisen und sich zu Hofe entsprechend zu verhalten wissen. Idealerweise waren sie außerdem der erstgeborene Sohn des vorangegangenen Herrschers und ihr Herrschaftsanspruch wurde durch eine übergeordnete Herrschaftsinstanz anerkannt.9
Im 18. Jahrhundert konkurrierten in Südasien folglich zwei Herrschaftsmodelle: die ungeteilte, pyramidenartig-hierarchische Herrschaft und die multilateral geteilte Herrschaft.10 Dem Pādshāh der Gurkaniya war natürlich daran gelegen, den Status-quo aufrecht zu erhalten und unangefochtener Alleinherrscher im Reich zu sein. Doch die wachsende Autonomie der „kleinen Könige“ in einigen Provinzen des Reiches zwang den Pādshāh seinen Herrschaftsanspruch zu teilen. Diese Dynamik der rivalisierenden Herrschaftsmodelle scheint ein bedeutender Katalysator für die Staatsformierungsprozesse in Südasien gewesen zu sein, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts das Königtum wieder ins Zentrum staatlicher Legitimationsbemühungen rückte. Diese reziproken Dynamiken von Reichs- und Staatsbildungsprozessen und Legitimationsstrategien lassen sich anhand des Marāṭhā Sāmrājya (1674–1818), Bengalen (1713–1793), Maisur (1760–1799), Kota-Rajasthan (1707–1838), Avadh (1722–1856), dem sogenannten Company Raj der East-India-Company (EIC, 1757–1856) sowie dem hier gewählten Beispiel des Gorkhā-Staates gut nachvollziehen.11

3.1 Vom Gorkhā Rājya zum Gorkhā Rāj: Die formative und expansive Phase der Staatsbildung im zentralen Himalaya

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts prägten kleinstaatliche Strukturen das zentrale Himalaya. Es gab eine Vielzahl kleiner Herrschaftsgebiete mit höchst fluiden Grenzen. Das Kath-mandu-Tal selbst beheimatete zu dieser Zeit die drei Stadtkönigtümer Kathmandu, Patan und Bhaktapur.12 Ebenso politisch fragmentiert war die Region zwischen dem Satlej-Fluss im Westen und dem Tista-Fluss im Osten, in dem es ungefähr sechzig voneinander weitestgehend unabhängige Kleinkönigtümer gab. Nur in den Gebieten östlich des Kathmandu-Tals gab es auch noch die flächenmäßig etwas größeren Königtümer Sikkim, Bhutan, Vijayapur, Chaudandi und Makwanpur.13 Dies soll keinesfalls implizieren, die politische Fragmentierung sei ein Dauerzustand gewesen. Über die Jahrhunderte gab es immer wieder auch Phasen von Reichsbildung, in denen es lokalen Herrscherdynastien gelungen war, größere zusammenhängende, politische Entitäten zu schaffen und über lange Zeiträume hinweg aufrecht zu erhalten. Dies verdeutlichen beispielsweise die Reiche der Kirāta, Licchavis und Ābhīra-Guptas zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert oder das Khaśa-Malla-Königreich zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert.14
Das Gorkhā Rājya war zu dieser Zeit eines der vielen kleinen Herrschaftsgebiete, das zur Allianz der sogenannten Chaubisi („Vierundzwanzig“) gehörte. Es wurde Mitte des 16. Jahrhundert von Dravya Śāha (r. 1559–1570) erobert und anschließend von der Śāha-Dynastie beherrscht. Wie auch in den meisten anderen Kleinkönigtümer im Hügelland des zentralen Himalayas beschränkten sich die wirtschaftlichen Aktivitäten im Gorkhā Rājya auf die Landwirtschaft, während Handwerk und Handel hingegen eher die Ausnahme darstellten. Das nahegelegene Kathmandu-Tal war als Knotenpunkt wichtiger Handelsrouten daher nicht nur für die Gorkhālī schon länger ein attraktives Ziel expansionistischer Ambitionen.15 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts konnten sie unter der Herrschaft Rāma Śāhas (r. 1609–1636) erste nennenswerte territoriale Zugewinne erzielen und unternahmen auch einige Versuche, das Tal zu erobern.16 Aber erst unter der Herrschaft Narabhūpāla Śāhas (r. 1716–1743) wurden die Gorkhālī zur ernstzunehmenden Gefahr für die drei Stadtkönigtümer im Kathmandu-Tal.
1744 gelang es schließlich Narabhūpālas Sohn Pṛthvīnārāyaṇa Śāha (r. 1743–1775) das Fort Nuvākoṭ, am nordwestlichen Rand des Tals zu erobern und sich damit einen ersten Zugang zu den lukrativen Handelsrouten zu sichern. In darauffolgenden Phasen der Expansion erlangten die Gorkhālī sukzessive die Kontrolle über die Hochgebirgspässe nach Tibet und damit einhergehend auch den Transhimalaya-Handel. Nach zwei gescheiterten Versuchen in den 1750er Jahren das Kathmandu-Tal zu erobern, entschloss sich Pṛthvīnārāyaṇa für einen Strategiewechsel und die Gorkhālī begannen mit einer Blockade der Zugänge des Tals. 1762 konnten sie das südwestlich vom Tal gelegene Makwanpur erobern, sodass sie nun auch die Hauptroute nach Süden kontrollierten. In den darauffolgenden Jahren wehrten die Gorkhālī mehrere Angriffe des Navāb von Bengalen und der in Südasien expandierenden East India Company ab, die ihrerseits den Zugang zu den Handelsrouten nach Tibet durch die Gorkhālī gefährdet sahen. Nach mehreren Anläufen eroberten die Gorkhālī 1767 schließlich die Stadt Kirtipur im Kathmandu-Tal, westlich von Patan. Von dort aus konnten sie im Verlauf der Jahre 1768 und 1769 schließlich die vollständige Kontrolle über die drei Stadtkönigtümer im Tal erlangen.17 Nachdem Pṛthvīnārāyaṇa seinen Herrschaftssitz zu Beginn der 1770er Jahre nach Kathmandu verlegt hatte, setzen die Gorkhālī ihre Expansion auch nach dem Tod Pṛthvīnārāyaṇas 1775 weiter fort. Sie expandierten in den 1780er Jahren zunächst Richtung Osten bis zum Fluss Tista und annektierten durch eine Kombination aus militärischer Gewaltausübung und Kollaboration mit lokalen Eliten anschließend die noch Verbliebenen der Chaubisi sowie die weiter westlich gelegenen Baisi („Zweiundzwanzig“) Königtümer.18
Der Tod Pṛthvīnārāyaṇas änderte nichts an der Expansionspolitik der Gorkhālī, führte aber zum Aufkommen internen Machtkämpfe um dessen Nachfolge, von denen vor allem die politisch-administrative Elite profitierte. Denn abgesehen von der Herrschaft Pratāpasiṃha Śāhas (r. 1775–1777) und Rāṇabahādura Śāhas (r. 1777–1799), saßen in den Jahrzehnten nach dem Tod Pṛthvīnārāyaṇas nur minderjährige Regenten auf dem Thron der Gorkhālī. Die eigentliche Herrschaft wurde aber de facto von Mitgliedern der Königsfamilie und der politisch-administrativen Elite ausgeübt.19 Bereits im 17. Jahrhundert wurden Schlüsselämter in der Administration der Gorkhālī ausschließlich an bestimmte Familien vergeben.20 Und im Verlauf der Expansion nahm der Bedarf nach loyalen Verwaltungsbeamten stetig zu und so entstand im Laufe der Zeit eine immer weiter ausdifferenzierte Elite. Die obersten Ränge in der inneren Hierarchie dieser Elite wurden als bhāradāra („Träger der Bürde“) bezeichnet.21
Zum Ende der 1780er Jahren drangen die Gorkhālī dann vermehrt nach Norden vor. Ihre Expansion nach Tibet provozierte Anfang der 1790er Jahre schließlich das Eingreifen des Qing-Kaisers. Dieser entsandte ein großes Heer, das die Armeen der Gorkhālī zurückdrängte und 1792 sogar einige Gebiete in deren Territorium besetzte.22 Die Gorkhālī hatten daraufhin die EIC um militärische Unterstützung gebeten, doch diese war lediglich gewillt diplomatisch zwischen beiden Seiten zu vermitteln. Noch bevor deren Expedition 1793 in Kathmandu eintraf, waren die Gesandten des Qing-Kaisers und die Gorkhālī zu einer Einigung gelangt.23 Im Abkommen von 1792 sicherten die Gorkhālī dem Qing-Kaiser unter anderem zu (1) von weiteren Expansionsversuchen nach Norden abzusehen, (2) Streitigkeiten mit den Machthabern in Lhasa über die kaiserlichen Beamten des lifanyuan, die Amban zu regeln, und (3) alle fünf Jahre eine Tributdelegation nach Beijing zu entsenden und durch ihre Teilnahme am koutou das Loyalitätsverhältnis zum Kaiser zu erneuern.24 In der Konsequenz waren die Gorkhālī ab diesem Zeitpunkt in das kaiserliche Tributsystem eingebunden und mit den Herrschaftsinteressen des Qing-Kaisers konfrontiert.
Ungeachtet der militärischen Niederlage und aufkommender interner Machtkämpfe hatten die Gorkhālī schon ab 1791 damit begonnen, ihr Territorium noch weiter in westlicher Richtung auszudehnen. Ihre Expansion wurde um 1809–10 schließlich im Kampf um das Fort Kangra am Ufer des Satlej-Flusses von Truppen des ebenfalls expandieren Sikh Rājs unter Raṇajīt Siṃha (1780–1839) aufgehalten.25 Währenddessen hatte Avadh unter Navāb Shujā-du-Daulā (r. 1754–75) bereits seinen Höhepunkt der territorialen Expansion erreicht und war infolge der Unterzeichnung des Abkommens von Allahabad 1765 mit dem stetig wachsenden Einfluss der EIC konfrontiert.26 Die Gorkhālī verfolgten die kontinuierliche Expansion der Briten in Südasien mit Argwohn, insbesondere nach deren vorherigen Versuchen in den Konflikt um das Kathmandu-Tal einzugreifen. Die EIC wiederum fürchtet eine potenzielle Allianz zwischen den expandieren Regionalmächten der Gorkhālī, den Marathen und Sikhs. Aufgrund dessen spitzte sich das Verhältnis zwischen den Gorkhālī und der EIC immer weiter zu.
In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts beanspruchten die Napoleonischen Kriege in Europa, der Krieg in Nordamerika von 1812 und andere Konflikten in Südasien noch große Teile der militärischen Ressourcen der Briten. Doch nach der Annexion des Kleinkönigtums Palpa durch die Gorkhālī und den daraus resultierenden Grenzstreitigkeiten mit der EIC eskalierte die Situation im Herbst 1814 erneut und es kam zur militärischen Konfrontation.27 Obwohl die Gorkhālī die Vorteile des Gebirges für sich zu nutzen wussten, gelang es den Truppen der EIC 1816 das Fort in Makwanpur einzunehmen. Sie standen damit nur knapp 50 Kilometer vor Kathmandu.28 Die vollständige Annexion fürchtend, akzeptierten die Gorkhālī die Bedingungen der Kapitulation im bereits 1815 ausgehandelten Abkommen von Sagauli. Im Rahmen dieser Vereinbarung mussten sie knapp ein Drittel ihres gesamten Territoriums an die EIC abtreten, einen ständigen Residenten zur Interessensvertretung in Kathmandu sowie die Anwesenheit von britischem Personal und einer Militäreskorte dulden. Obendrein war den Gorkhālī untersagt diplomatische Beziehungen zu anderen europäischen Mächten aufzubauen.29 Nach den Niederlagen gegen die Armeen des Qing-Kaisers und der Sikhs, brachte die Umsetzung des Abkommen mit der EIC die Expansion der Gorkhālī endgültig zum Erliegen. Außerdem waren sie von da an Teil des britischen Residenzsystems und in der Folge nun auch mit deren Interessen in Südasien konfrontiert.
Zusammenfassend betrachtet war das Gorkhā Rājya also zu Beginn des 18. Jahrhunderts lediglich eines von sehr vielen Kleinkönigtümern im zentralen Himalaya. Durch die Kombination von reichsbildenden Eroberungskriegen, Diplomatie und Heiratspolitik gelang es den Gorkhālī ab Mitte des 18. Jahrhunderts kontinuierlich zu expandieren.30 Infolgedessen beendeten sie damit die Phase der politischen Fragmentierung in der Region und transformierten die vorherrschenden kleinstaatlichen Strukturen bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in eine übergeordnete politische Entität – das Gorkhā Rāj.31 Wie andere lokale Herrschaftsdynastien in Südasien wussten auch die Gorkhālī die schwindende Macht des Pādshāh der Gurkaniya in Südasien zu nutzen und herrschten über eine Vielzahl anderer Kleinkönigtümer im Himalaya.32 Bestehende ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen in annektierten Gebieten wurden den Bedürfnissen der Eroberer untergeordnet und angepasst. Zwischen dem Zentrum im Kathmandu-Tal und den abhängigen Peripherien des Gorkhā Rājs, ebenso wie zwischen den Eliten und der von ihnen beherrschten Bevölkerung wurden ausgeprägte Abhängigkeitsverhältnisse kolonialistischer Art mit einem deutlichem Machtgefälle etabliert.33
Daraus resultierten für die herrschenden Eliten der Gorkhālī mehrdimensionale Legitimationsdefizite. Sie mussten ihren Herrschaftsanspruch nicht nur gegenüber der ortsansässigen Bevölkerung in den neu eroberten Territorien und konkurrierenden Teilen innerhalb der eigenen Elite legitimieren, sondern auch gegenüber externen Akteuren, wie der EIC, dem Pādshāh der Gurkaniya und dem Qing-Kaiser. Das Legitimationsdefizit gegenüber der Bevölkerung in den eroberten Gebieten erwuchs aus der Machtübernahme der Gorkhālī und den Abhängigkeitsverhältnissen kolonialistischer Art. Durch das mitunter sehr brutale Vorgehen der Gorkhālī wurde das legitimatorische Defizit sogar noch verstärkt.34 Sehr bekannt ist noch heute der Bericht des Kapuzinermönchs Giuseppe da Rovato, der das sehr gewaltsame Vorgehen der Gorkhālī bei der Durchsetzung der Blockade des Kathmandu-Tals schildert:
[…] for every person who was found in the road, with only a little salt or cotton about him, was hung upon a tree; and he [Pṛthvīnārāyaṇa] caused all the inhabitants of a neighbouring village to be put to death in a most cruel manner (even the women and children did not escape) for having supplied a little cotton to the inhabitants of Nepal; and, when I arrived in that country at the beginning of 1769, it was a most horrid spectacle to behold so many people hanging on trees in the road.
(Giuseppe da Rovato 1970 [1786]: 11)
Nicht weniger grausam gingen die Gorkhālī auch mit den Bewohnern der Stadt Kirtipur um, denen zur Vergeltung für ihren jahrelangen Widerstand die Nasen und Lippen abgeschnitten worden sein sollen.35 Doch nicht nur die Einwohner des Kathmandu-Tals hatten unter der Gewalt der Gorkhālī zu leiden. Britische Militärs berichteten noch Jahrzehnte später von den Taten der Gorkhālī nach der Eroberung Makwanpurs 1762: “The chief persons that had resisted his attack he put to death, some by the sword, some by the rope, and some by flaying them alive.” (Hamilton 1819: 145). Und M.C. Regmi resümiert, die Herrschaft der Gorkhālī wurde begleitet von “[…] torture, abduction and rape of wives, daughters and daughters-in-law of the people, collecting of unwarranted payments, fines and penalties, forcible appropriation of property, and enslavement, […]” (Regmi, M.C. 1999: 134). Infolge der Kombination aus den Abhängigkeitsverhältnissen kolonialistischer Art, Ausbeutung und Gewalt gegen die ortsansässige Bevölkerung in den eroberten Gebieten waren die Machthabenden in Kathmandu immer wieder mit massiven Fluchtbewegungen oder gewaltsamem Widerstand konfrontiert.36
Aber auch konkurrierende Teile der Elite stellten den Machtanspruch vom machthabenden Monarchen und seinen bhāradāra regelmäßig infrage. Wie bereits kurz erwähnt, saßen in den Jahrzehnten nach 1777 fast ausnahmslos Minderjährige auf dem Thron des expandieren Gorkhā Rājs und die eigentliche Herrschaft wurde durch andere Mitglieder der Königsfamilie oder der politisch-administrativen Elite ausgeübt. Die Heiratspolitik der Śāha-Dynastie verkomplizierte die Situation weiter, da meist zwei oder mehr Frauen als rānī („Königin“) ausgerufen worden. Die verschiedenen rānī versuchten ihre jeweiligen Söhne als Thronnachfolger gegen die Söhne der anderen durchzusetzen. Intrigen, Verschwörungen und Auftragsmorde innerhalb der herrschenden Elite waren daher keine Seltenheit.37 Axel Michaels (2018) beschreibt die daraus resultierenden Konsequenzen treffend:
Wer im Königreich eigentlich die Macht hatte, war also keineswegs immer sicher. Bisweilen kamen am gleichen Tag einander widersprechende Erlasse aus dem Palast, ausgestellt vom König, vom Premierminister, der Regentin oder dem Kronprinzen. […]. So entstand ein Klima der Verdächtigungen und der Eifersucht, der Furcht und der Unsicherheit für Hab und Gut, Leib und Leben.
(Axel Michaels 2018: 128)
Von den Intrigen, Verschwörungen und Machtkämpfen innerhalb der Eliten zum Ende des 18. Jahrhunderts profitierten letztlich die bhāradāra. Schließlich gelang es 1806 dem einflussreichen General Bhīmasena Thāpā sich seiner Rivalen zu entledigen und mit Hilfe der Königin Lalitatripurasundarī als mukhtiyāra38 weite Teile der Macht im Land auf sich und seine Familie zu konzentrieren. Er etablierte Machtstrukturen, nach denen der Monarch, seinerzeit der minderjährige Girvāṇayuddhavikrama Śāha (r. 1799–1816), nur noch nominell die Regierung führte, während die eigentliche Macht, dank sehr umfangreicher administrativer und militärischer Befugnisse, beim mukhtiyāra lag.
Neben diesen internen, erwuchs aus der Expansion der Gorkhālī auch weitere externe Legitimationsdefizite gegenüber anderen Regionalmächten. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts galten die Gorkhālī aufgrund ihres Mangels an wertvollen natürlichen Ressourcen und die fehlende Kontrolle über Handelsrouten “[…] as insignificant.” (Hamilton 1819: 245). Doch durch die territoriale Expansion änderte sich die Situation und sie wurden von anderen Mächten in den Nachbarregionen zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Die militärischen Niederlagen gegen die Truppen des Qing-Kaisers Ende des 18. Jahrhunderts sowie gegen die Sikhs und die EIC Anfang des 19. Jahrhunderts bereiteten der Expansion der Gorkhālī dann ein jähes Ende. In der Konsequenz war das eben noch expandierende Gorkhā Rāj ab 1816 wieder eines von vielen „kleinen Königreichen“, deren machthabende Eliten sich durch die Einbindungen in das kaiserliche Tribut- und das britische Residenzsystem sowohl mit den Interessen der Briten und des Qing-Kaisers konfrontiert sahen und die vollständige Annektierung fürchteten.

3.2 Aus den Ruinen des Gorkhā Rājs: Die Konsolidierung des Gorkhā-Staates und das Ende des überlangen 19. Jahrhunderts

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Situation auf dem eurasischen Kontinent rasant – mit Konsequenzen für die Eliten der Gorkhālī. Noch im 18. Jahrhundert befanden sich Europa und Asien in einer Art Gleichgewicht, deren Geschichten bereits seit Jahrtausenden, beispielsweise durch die Entstehung und Verbreitung der Landwirtschaft oder langfristige Migrationsbewegungen, auf vielschichtige Weise miteinander verflochten waren. Die Unterwerfung, Verdrängung und Kolonisierung des amerikanischen, afrikanischen und australischen Kontinents schien für die Europäer zu dieser Zeit als Selbstverständlichkeit. Aber die mächtigen Reiche Asiens, mit ihrem Wohlstand, ihren komplexen religiösen und gesellschaftlichen Vielfalt und kulturellen Schöpfungskraft wurden beobachtet und studiert, eher als Bezugspunkt für Vergleiche und Selbstreflexion wahrgenommen und nicht mit der sonst üblichen arroganten Herablassung betrachtet. Seit der Eroberung Kleinasien und Levante durch das Imperium Romanum waren es bis in die Frühe Neuzeit hauptsächlich die expandierenden Reiche Asiens, die eine Bedrohung für Europa darstellten und nicht umgekehrt.39
Die intellektuellen Eliten Europas waren sich im 18. Jahrhundert dieser vielschichtigen historischen Verflechtungen Eurasiens noch bewusst und deshalb bemüht möglichst viel Wissen über die außereuropäische Welt für ihre empirische Wissenschaft vom Menschen zu nutzen. Es wurde versucht globale Kommunikationsnetzwerke aufzubauen und in den chinesischen Gelehrtenbeamten sahen die Gelehrten Europas eine ebenbürtige Leistungselite, die zum universal und kosmopolitisch gedachten Projekt der Aufklärung einen wichtigen Beitrag leisten könne. Doch die Entwicklung effizienterer Produktionstechnologien, das Aufkommen multipler politischer Konflikte im atlantischen Raum und die koloniale Expansion der Briten in Südasien ab den 1760er Jahren führten zum Beginn einer „globalen Sattelzeit“ (Osterhammel 2010: 1285–1286). Nachdem weite Teile Südasien von den Briten unterworfen und das Reich der Qing bedingt durch den Opiumschmuggel der Europäer ins Wanken geraten war, zerbrach das gesamteurasische Equilibrium in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zusehends und es folgte eine Epoche zuvor nie dagewesener, globaler Hegemonie Europas. Wie Jürgen Osterhammel schreibt:
Nie zuvor hatte die westliche Halbinsel Eurasiens derart große Teile des Globus beherrscht und ausgebeutet. Niemals hatten Veränderungen, die von Europa ausgingen, eine solche Durchschlagskraft in der übrigen Welt. Niemals wurde auch die europäische Kultur – weit jenseits der Sphäre kolonialen Zugriffs – dermaßen begierig aufgenommen. Das 19. Jahrhundert war also auch deshalb ein Jahrhundert Europas, weil die Anderen Maß an Europa nahmen. […] Die Geschichte des 19. Jahrhunderts wurde in einem Maße in und von Europa gemacht, wie sich dies weder für das 18. noch für das 20. Jahrhundert sagen lässt, von früheren Epochen ganz zu schweigen. Niemals hat Europa einen ähnlichen Überschuss an Innovationskraft und Initiative, gleichzeitig auch von Überwältigungswillen und Arroganz freigesetzt.
(Jürgen Osterhammel 2010: 20)
Vor dem Hintergrund dieser einsetzenden „Verwandlung der Welt“ standen die Eliten der Gorkhālī nach ihren militärischen Niederlagen vor den Ruinen ihres Gorkhā Rājs. Die expansive Phase der Staatsbildung hatte zwar ein abruptes Ende gefunden, nicht aber die de facto Herrschaft Bhīmasena Thāpās. Die immensen Gebietsverluste infolge des verlorenen Krieges näherten jedoch die Zweifel an der Legitimität seines Herrschaftsanspruchs und hatten zudem weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. Ein knappes Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Produktion ging mit den fruchtbareren und leichter zu bewirtschaftenden Nutzflächen im Tarai verloren. Zudem war das Land in den verlorenen Gebieten bereits Militärs als Sold versprochen worden, die dafür nun entschädigt werden wollten. Trotz dieser Umstände gelang es Bhīmasena bis zu Beginn der 1830er Jahre an der Macht zu bleiben und in dieser Übergangszeit den Grundstein für die nächste Phase der Staatsbildung zu legen – die Konsolidierung des Gorkhā-Staates. Mit dem Tod der Königin Lalitatripurasundarī 1832 verlor er jedoch seine mächtigste Verbündete. Und so dauerte es nicht lange bis er selbst den Intrigen und Machtkämpfen zwischen den konkurrierenden Fraktionen der Elite zum Opfer fiel und 1839 schließlich vollständig entmachtet in Gefangenschaft starb.40

3.2.1 Der Aufstieg der Rāṇā-Dynastie

Infolge von Bhīmasena Tod flüchteten zahlreiche Mitglieder der Thāpā-Familie für einige Zeit ins Exil ins Company Raj. Anfang der 1840er Jahre wurde die Familie aber wieder rehabilitiert und Māthavara Siṃha Thāpā zum neuen mukhtiyāra ernannt. Mit ihm kehrte auch sein Neffe und Enkel Bhīmasenas, der junge Vīra Narasiṃha Kũvara nach Kathmandu zurück. In nur wenigen Jahren stieg dieser im Windschatten seines Onkel zum General auf und wurde schließlich sogar Mitglied des königlichen Regierungsrates. Als die internen Machtkämpfe erneut eskalierten und Māthavara Siṃha ermordet wurde, machte sich Vīra Narasiṃha die andauernde Konflikte am Hofe in Kathmandu zunutze.41 Viele Details der Ereignisse, die sich in der Nacht auf den 15. September 1846 zugetragen haben und in der Historiografie als das sogenannte „Koṭa-Massaker“ bekannt wurden, sind bis heute umstritten. Im Ergebnis aber waren viele Mitglieder der einflussreichsten bhāradāra-Familien tot und Vīra Narasiṃha wurde zum neuen mukhtiyāra und Oberbefehlshaber des Militärs ernannt.42
Er verlor keine Zeit und begann umgehend mit der Konsolidierung seiner Macht, besetzte strategisch bedeutsame Posten in Verwaltung und Militär mit Mitgliedern der eigenen Familie, engen Vertrauten und früheren Weggefährten und schuf sich so eine neue, ihm gegenüber weitaus loyalere Elite. Viele Familien der alten bhāradāra wurden enteignet und ins Exil geschickt. 1847 wurde König Rājendravikrama Śāha (r. 1816–1847), der in der Zwischenzeit nach Benares geflohen war, entthront und stattdessen sein Sohn Surendravikrama Śāha (r. 1847–1881) eingesetzt. Daraufhin ließ sich Vīra Narasiṃha 1849 vom jungen Monarchen den Titel Rāṇā verleihen und nannte sich selbst fortan Jaṅga Bahādura Rāṇā. Dieser neue Familienname wertete den sozialen Status der ehemaligen Kũvara-Familie auf und ermöglichte es ihnen Ehen mit Mitgliedern der Śāha-Dynastie zu arrangieren. Außerdem ernannte König Surendravikrama Jaṅga Bahādura zum militärischen Oberbefehlshaber und mukhtiyāra auf Lebenszeit, sprach ihm das Recht zu, sämtliche Titel und Ämter auch innerhalb seiner Familie vererben zu können und erklärte die Rāṇās als von der Todesstrafe ausgenommen. Am Ende der 1840er Jahre war die neu begründete Rāṇā-Familie damit der Śāha-Familie im Prinzip gleichgestellt. Die Śāhas waren nur noch formell die Herrscherdynastie, während sich alle Macht im Gorkhā-Staat auf die neuen bhāradāra und die Rāṇā-Familie, mit Jaṅga Bahādura im Zentrum, konzentrierte.43
Diese neue Elite sah sich gleich nach ihrer Machtübernahme nicht nur mit Legitimationsdefiziten gegenüber der eigenen Bevölkerung und den Verbündeten der alten bhāradāra sowie gegenüber den Briten und dem Qing-Kaiserreich, sondern zusätzlich noch mit einer weiteren existenziellen Herausforderungen konfrontiert. Das Verhältnis zwischen den Gorkhālī und der EIC war seit dem Ende des Krieges sehr angespannt und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Auf der einen Seite war den Gorkhālī die rasante Expansion der Briten in Südasien nicht entgangen. Und aufgrund der Annexion des Marāṭhā Sāmrājyas und Avadhs sowie die Kriege gegen die Sikhs, waren die Gorkhālī um ihre eigene Unabhängigkeit besorgt. Als Reaktion hatten sie daher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts militärisch aufgerüstet. Aus britischer Perspektive hatte sich hingegen zum Ende des 18. Jahrhunderts immer deutlicher ein mögliches Bedrohungsszenario herauskristallisiert: eine Allianz zwischen Marathen, Sikhs und Gorkhālī stellte eine ernsthafte Gefahr für ihre eigenen Expansionsbestrebungen in Südasien dar. Mit ihren Siegen über die Gorkhālī 1816 und die Marathen 1818 konnte die EIC dieser potenziellen Bedrohung zuvorkommen. Die Aufrüstung der Gorkhālī schuf aber erneut Misstrauen auf britischer Seite, die daraufhin durch den Residenten Einfluss auf die Entscheidungsträger in Kath-mandu auszuüben versuchten und sogar mit dem Gedanken einer vollständigen Annexion spielten.44
Doch ab Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Beziehungen zwischen der britischen Kolonialmacht und den Eliten des Gorkhā-Staates grundlegend und nachhaltig. Bereits am Tag nach seiner Machtübernahme suchte Jaṅga Bahādura den britischen Residenten auf, um ihn über die neuen Verhältnisse im Land zu informieren und seine Kooperationsbereitschaft zu versichern. Er ließ die Armee nach britischem Vorbild restrukturieren, führte Englisch als Befehlssprache ein und ersetzte die von der Gurkaniya-Administration entlehnten Amtsbezeichnung in der Verwaltung durch englische Pendants. Jaṅga Bahādura selbst bezeichnete sich deshalb nicht länger als mukhtiyāra, sondern Prime Minister, Commander-in-Chief und General. Um seinen unbedingten Willen zur Zusammenarbeit noch eindeutiger unter Beweis zu stellen, bot Jaṅga Bahādura der EIC 1848 wiederholt militärische Unterstützung im Krieg gegen das Sikh Rāj an. Sein Angebot wurde allerdings abgelehnt. Nichtdestotrotz initiierte er 1850 in der Funktion eines Botschafters des Monarchen mit einer recht großen Delegation eine Reise nach Europa.45 Offiziell lautete sein Auftrag:
[…] to carry the King’s respects and assurances of friendship to the Queen; to see the greatness and prosperity of the country, and the state of the people; and to ascertain how far the application of the arts and sciences was available to the comforts and conveniences of life.
(Korrespondenz mit dem britischen Residenten zitiert in Henry Oldfield 1880: 385)
Jaṅga Bahādura verfolgte allerdings drei konkrete Anliegen, wie Captain Orfeur Cavenagh, der britische Begleiter der Delegation, in seinen Memoiren schreibt:
[Jaṅga Bahādura] was extremely anxious that an article should be added to the existing treaty, under which the reciprocal surrender of all criminals, without reference to the nature of the offence, so as to include political offenders and debtors, should be guaranteed; that he should be permitted to engage the services of one or two engineers for the purpose of improving the irrigation of his country; and lastly, that, in the event of the Durbar having reason to be dissatisfied with the conduct of the British Resident, they should have the power corresponding direct with the Home Government.
(Orfeur Cavenagh 1884: 131)
Per Segel- und Dampfschiff ging es von Kolkata (Calcutta) über Sri Lanka, Suez, Alexandria und Malta nach Southampton. Von dort aus reiste die Delegation der Gorkhālī Anfang Juni 1850 mit dem Zug nach London. Jaṅga Bahāduras Verhandlungen mit dem Court of Directors und dem Board of Control der EIC brachten allerdings nicht die erhofften Erfolge.46 Um die enttäuschten Gäste von einer frühen Abreise abzubringen und die verbesserten Beziehungen zu den Gorkhālī nicht zu gefährden, versuchten die Gastgeber Jaṅga Bahādura und sein Gefolge mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten der viktorianischen Eliten abzulenken und sie mit allen nur erdenklichen zivilisatorischen Errungenschaften zu beeindrucken. Sie besuchten viele Sehenswürdigkeiten Londons und Umgebung, die Oper, das Theater, Pferde- und Bootsrennen, besichtigen Paläste, Landhäuser und das Parlament, Gerichtsgebäude, und die Vorbereitungen der ersten Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations. Bei unzähligen Empfängen trafen sie mit wichtigen Beamten, Ministern der Regierung und Adligen zusammen. Mehrfach empfing Queen Victoria Jaṅga Bahādura zu privaten Audienzen. Ausflüge in die industriellen Zentren des Landes nach Plymouth, Birmingham und Edinburgh, in militärische Einrichtungen, in Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen wurden organisiert, die den Besuchern die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, Technologien sowie die wirtschaftliche und militärische Leistungsfähigkeit der Briten vor Augen führen sollten. Ende August 1850 brach die Delegation schließlich nach Paris auf. Dort trafen Jaṅga Bahādura und seine Begleiter auf den damals amtierenden französischen Staatspräsidenten Charles Louis Napoléon Bonaparte und besuchte neben den zahlreichen Sehenswürdigkeiten der Stadt, auch Fontainebleau und Versailles. Ende Oktober ging es dann mit dem Zug von Paris nach Marseille und von dort aus per Schiff über Bombay und einem Zwischenstopp in Benares, schließlich zurück nach Kathmandu.47
Augenscheinlich waren die Menschen in Großbritannien und Frankreich fasziniert vom ersten Besuch eines Herrschers aus Südasien in Europa, wie die regelmäßige und ausführliche Berichterstattung in den Tageszeitungen nahelegt.48 Und aus dem retrospektiven Reisebericht der Delegation geht hervor, dass Jaṅga Bahādura wiederum besonders viel Wert darauf legte, von den europäischen Eliten als gleichwertig wahrgenommen zu werden:
The prime minister sahib of Nepal is very ummedār, in the sense that he is handsome, rich, wise, brave and agile. Carefully admitting that he should be aware of all kinds of work (kām-kārkhānā), not afraid to spend money when required, (and) claiming that he is the one to give to others never to take from them. Observing his activities and having heard that what he speaks comes true, observing his speech, gait, laughter the kacahari declared that he has the qualities of our [French] bādśāh and he will be a great man.
(Dixit 1964 [1957]: 60; zitiert in englischer Übersetzung in Gyawali 2018: 21)49
Während die Gorkhālī ab Mitte des 19. Jahrhunderts sehr darum bemüht waren, mit der neuen Hegemonialmacht Südasiens zu kooperieren, entwickelte sich das Verhältnis zum Qing-Kaiserreich in die entgegengesetzte Richtung. Durch das Abkommen von 1792 waren die Gorkhālī in das Tributsystem der Qing-Kaiser eingebunden. Sie mussten alle fünf Jahre eine Mission nach Beijing entsenden und am koutou teilnehmen, um das Loyalitätsverhältnis zum Kaiser zu erneuern. Ende des 18. Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt der Machtentfaltung des Qing-Kaiserreichs, war den Gorkhālī noch sehr daran gelegen, den Forderungen des Kaisers nachzukommen und brachten unter großen Anstrengungen zahllose Kostbarkeiten, Pferde, Elefanten und sogar ein kleines Orchester als Tribut bis nach Beijing. 1795 machten sich die Gesandten sogar zwei Jahre früher auf den Weg als nötig, um der Krönung des neuen Kaisers Jiaqing (r. 1796–1820) beiwohnen zu können.
Auf dem Höhepunkt der territorialen Ausdehnung des Gorkhā Rāj zum Ende des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts war man jedoch schon weniger um die Gunst der Qing bemüht. Die Tributmissionen wurden kleiner, reisten unter Vorwand nur noch bis nach Lhasa und übergaben die Tribute dort an die Abgesandten des Kaisers. Erst nachdem die westliche Expansion der Gorkhālī durch die die Sikhs zum Erliegen kam und sich der Konflikt mit der EIC weiter zuspitzte, brachten die Missionen der Gorkhālī ab 1812 ihre Tribute wieder selbst nach Beijing und die Gesandten erneuerten das Loyalitätsverhältnis zum Qing-Kaiser durch ihre Teilnahme am koutou. Obwohl die dadurch erhoffte Unterstützung durch den Kaiser im Krieg gegen die EIC ausblieb, intensivierten sich die Beziehungen bis in die 1840er Jahre zunächst wieder.
Doch ebenso wie ihr Verhältnis zur britischen Kolonialmacht, wandelte sich auch die Beziehung zum Qing-Kaiserreich nach der Machtübernahme der Rāṇās ab Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend. Anfänglich bemühten sich die neuen Herrscher in Kathmandu noch um die Aufrechterhaltung des Verhältnisses und entsandten die geplante Tributmission 1847 wie vereinbart. Doch nach ihrer Rückkehr berichteten die Gesandten von einer sich rasch ändernden Situation im Kaiserreich, von Naturkatastrophen, Unruhen, vom wachsenden Einfluss europäischer Mächte und einer steigenden Nachfrage nach Opium.50 Die Gorkhālī nutzten die sich abzeichnende Destabilisierung des Qing-Kaiserreichs zu ihrem Vorteil und begannen ab 1852 auf ihrer Tributmission selbst Opium ins Land zu schmuggeln, um es unterwegs zu verkaufen. Nach ihrer Rückkehr 1854 berichten die Gesandten von den Auswirkungen des ersten Opiumkrieges und bewaffneten Aufständen in zahlreichen Provinzen des Reiches.51 Jaṅga Bahādura sah die Chance gekommen als neuer Herrscher seine militärischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und dadurch auch die Bedingungen des Abkommens von 1792 neu aushandeln zu können. Erstmals seit 1816 ließ er die Armee der Gorkhālī wieder mobilisieren und im Frühjahr 1856 in Tibet einmarschieren. Der Plan ging auf, denn aufgrund der zahlreichen Herausforderungen im Innern, vermochte es das Qing-Kaiserreich dieses Mal nicht ein Heer zu entsenden. So endete der Krieg nach nur wenigen Monaten im März 1856 mit einem neuen Abkommen, durch das Tibet dem Gorkhā-Staat gegenüber tributpflichtig wurde und den Gorkhālī umfangreiche Handelsprivilegien zuerkannt wurden.52
Jaṅga Bahādura nutzte seinen Erfolg, um den Herrschaftsanspruch der Rāṇās im eigenen Land weiter zu untermauern. Er trat von seinem Amt als Premierminister zurück und ließ stattdessen seinen Bruder Bam Bahādura, der zuvor schon wiederholt als sein Stellvertreter fungiert hatte, zum Premierminister ernennen. Er selbst ließ sich im August 1856 von Surendravikrama Śāha den Titel Mahārāja von Kaski und Lamjung (zwei Provinzen des Gorkhā-Staates) verleihen. Als die britische Kolonialverwaltung ihm allerdings die Anerkennung dieses neuen Titels verweigerten und nicht länger gewillt war, mit ihm als Repräsentant des Monarchen zu verhandeln, übernahm Jaṅga Bahādura nach dem unerwarteten Tod seines Bruders Anfang 1857 auch wieder das Amt des Premierministers. Kurz darauf versuchte er sich im Juni 1857 noch die letzten verbliebenen machtpolitischen Privilegien der Śāha-Monarchie anzueignen. Er ließ sich zur höchsten legislativen, exekutiven und juristischen Autorität des Gorkhā-Staates ernennen, wurde ermächtigt das panjani, die jährliche Erneuerung der Vergabe und Bestätigung aller militärischen und administrativen Ämter im Gorkhā-Staat anstelle des Monarchen durchzuführen und bekam alle außenpolitische Entscheidungskompetenzen übertragen. Darüber hinaus wurde die Erblichkeit der beiden höchsten Ämter von Premierminister und Mahārāja bestätigt und Sukzessionslisten festgelegt. Damit war der Prozess der Machtübernahme zwar abgeschlossen und die Śāha-Dynastie faktisch der Herrschaft der Rāṇās untergeordnet.53 Dennoch traute sich auch Jaṅga Bahādura nicht die Śāha-Monarchie vollständig zu entmachten und blieb als śrī tīn mahārāja-adhirāja („dreifach verehrungswürdiger König der Könige“) dem Monarchen als śrī pāñca mahārāja-adhirāja („fünffach verehrungswürdiger König der Könige“) zumindest formell untergeordnet. Alle Erlasse der neuen Rāṇā-Regierung des Gorkhā-Staates (lālamohara) wurden auch weiterhin im Namen des Königs ausgestellt und mit dessen roten Siegel bekundet. Ansonsten hatte der Monarch nur noch zeremonielle Funktionen zu erfüllen und spielte bei den jährlichen Festlichkeiten und Ritualen eine unverändert zentrale Rolle.54
In den darauffolgenden Jahren wurde der Staatsaufbau vorangetrieben, Verwaltung, Justiz, Militär und Wirtschaft zunehmend zentralisiert und weiter effektiviert, sodass mit den stetig steigenden Staatseinnahmen auch der immer opulentere Lebensstil der größer werdenden Rāṇā-Familie finanziert werden konnte. Trotz der Verbesserung der Beziehung mit den Briten blieb Jaṅga Bahādura den wirtschaftlichen Interessen der Briten und ihren Ideen von Freihandel gegenüber misstrauisch. Er wusste, dass den Handelsvertretern nicht selten Soldaten folgten, um die britischen Interessen gegebenenfalls auch gewaltsam durchsetzen zu können. Deshalb änderten die Gorkhālī auch weiterhin nicht ihre protektionistische Wirtschaftspolitik. Die Bauern des Landes konnten ausreichend Reis, Gemüse und Getreide anbauen, um die Ernährung der Bevölkerung eigenständig sicherzustellen. Landwirtschaftliches Gerät, Werkzeuge, Waffen und Textilien wurden ebenfalls unabhängig im eigenen Land produziert. Gleichzeitig wurden hohe Importzölle erhoben, der Export von militärischen Gütern verboten und die Reisefreiheit von Europäern im eigenen Land stark eingeschränkt.55 Ungeachtet dessen intensivierten sich die Beziehungen zu den Briten kontinuierlich weiter. Diese Entwicklung erreichte 1857–1858 einen vorläufigen Höhepunkt als Jaṅga Bahādura und einige seiner Brüder persönlich Truppen nach Lucknow und Gorakhpur führten, um die Briten bei der Niederschlagung der „großen Rebellion“ zu unterstützen.56 Nachdem die EIC in Folge dieser Ereignisse aufgelöst und fast der gesamte südasiatische Subkontinent zur britischen Kronkolonie wurde, erhielten die Gorkhālī zum Dank für ihre Unterstützung einige Gebiete im Tarai zurück, die sie 1816 hatten abtreten müssen. Zur Würdigung seines Beitrags empfing Jaṅga Bahādura 1859 die Insignien des Knight Grand Cross of the Order of the Bath.57
Die kontinuierliche Annäherung zu den Briten bereitete wiederum dem Qing-Kaiserreich Sorgen, das sich ab 1856 erneut im Krieg mit dem britischen und französischen Imperium befand und eine weitere Destabilisierung der tibetischen Grenzregion fürchtete. Deshalb entsandte Kaiser Xianfeng (r. 1850–1861) 1857 erstmals eine Delegation mit wertvollen Geschenken nach Kathmandu. Im Frühjahr 1860 erreichten dann zwei chinesische Wissenschaftler Kathmandu, die Flora und Fauna des Landes studieren wollten, gefolgt vom kaiserlichen Amban aus Tibet im Sommer desselben Jahres. Unter Kaiser Tongzhi (r. 1861–1875) wurde diese Politik der diplomatischen Avancen fortgesetzt und 1862 erreichten drei chinesische Architekten Kathmandu, um die Gorkhālī bei der Reparatur und Pflege buddhistischer Tempelanlagen zu unterstützen. Von August bis Oktober 1864 hielt sich eine weitere kaiserliche Delegation in Kathmandu auf, die sich über die Himalaya-Politik der Briten informieren ließ und Jaṅga Bahādura überzeugte, die Tributmissionen nach Beijing wieder aufzunehmen, die aufgrund der Unruhen und Aufstände im Kaiserreich nach 1852 ausgesetzt worden waren.
Die Gorkhālī folgten der Bitte des Qing-Kaisers und so macht sich 1866 wieder eine Tributmission auf den Weg nach Beijing. Allerdings erreichten sie ihr Ziel nicht wie geplant, sondern wurden auf halbem Wege gezwungen ihre Tribute an Beamte des Kaisers zu übergeben und umzukehren. Nur wenige Gesandte kehrten lebend zurück und von chinesischer Seite wurden die muslimischen Aufstände in den westlichen Provinzen für das Scheitern der Tributmission verantwortlich gemacht. Tatsächlich schien aber der Versuch der Gorkhālī große Mengen an Opium zu schmuggeln der eigentliche Grund für das Scheitern des Unterfangens gewesen zu sein. Um aber das Loyalitätsverhältnis mit den Gorkhālī nicht weiter zu gefährden und einer weitere Annäherung zu den Briten zu verhindern, entsandte der Qing-Kaiser 1870 und 1871 erneut diplomatische Delegationen nach Kathmandu, die wertvolle Geschenke mitbrachten und Jaṅga Bahādura den kaiserlichen Ehrentitel T’ung-ling-ping-ma-Kuo-Kang-wang verliehen. Infolgedessen entspannten sich Beziehungen wieder.58

3.2.2 Die Herrschaft der Śamśera Rāṇās

Nach zwei Jahrzehnten innenpolitischer Stabilität kam es nach Jaṅga Bahāduras Tod 1877 zu erneuten Machtkämpfen im Gorkhā-Staat. Eigentlich war dessen Nachfolge so geregelt, dass das Amt des Premierministers seine Brüder und Neffen erben, während das Amt des Mahārāja seine Söhne übernehmen sollten. Aber Raṇoddīpa Siṃha, sein ältester noch lebenden Bruder, beanspruchte sogleich beide Ämter für sich und in den darauffolgenden Jahren begannen die Söhne Jaṅga Bahāduras mit den Söhnen seines jüngsten Bruders Dhīra Śamśera um die Nachfolge zu konkurrieren. Als Dhīra Śamśera 1884 schließlich starb, eskalierte der sich zuspitzende Machtkampf zwischen den Kũvara Rāṇās und Śamśera Rāṇās zunehmend. Im November 1885 ermordeten die Śamśera Rāṇās ihren Onkel Raṇoddīpa Siṃha und ein paar andere einflussreiche Verwandte Jaṅga Bahāduras. Seine vier verbliebenen Söhne und ihre Familien konnten sich in der britischen Residenz in Sicherheit bringen. Nach diesem gewaltsamen Coup d’État mussten die Śamśera Rāṇās ihre neuen Herrschaftsansprüche gegenüber der eigenen Bevölkerung sowie den Briten und dem Qing-Kaiserreich legitimieren. An die Strategien ihres Onkels anknüpfend, ließ sich daher Vīra Śamśera, der älteste Sohn Dhīra Śamśeras, zunächst zum Premierminister und Mahārāja ernennen. Anschließend restrukturierten die Śamśera Rāṇās den Staatsapparat, besetzten die wichtigsten Ämter mit Familienmitgliedern und reorganisierten die Nachfolgelisten, während die überlebenden Kũvara Rāṇās und ihre Sympathisanten enteignet und exiliert wurden.59
Wie schon Jaṅga Bahādura verfolgte auch Vīra Śamśera nach der gewaltsamen Machtübernahme eine Außenpolitik der Kooperation und Annäherung. Bereits 1886 wurde eine Tributmission nach Beijing entsandt und obwohl diese wieder erhebliche Mengen Opium zum Verkauf mitschmuggelte, erreichten die Gesandten der Gorkhālī dieses Mal ihr Ziel wie geplant. Im Gegenzug erkannte Kaiser Guangxu (r. 1875–1908) die Herrschaft Vīra Śamśeras als legitim an und verlieh ihm 1889 ebenfalls den Ehrentitel T’ung-ling-ping-ma-Kuo-Kang-wang.60 Weitaus essenzieller für den Machterhalt der Śamśera Rāṇās war aber die Anerkennung ihres Herrschaftsanspruchs durch die britische Kolonialregierung. Das ausgesprochen gute Verhältnis der Briten zu Jaṅga Bahādura und die Tatsache, dass seine ins Exil geflüchtete Familie versuchte die britische Politik gegenüber dem Gorkhā-Staat zu beeinflussen versuchte, stellte für Vīra Śamśera eine nicht zu vernachlässigende Bedrohung dar. Den Briten war die unvorteilhafte Verhandlungsposition der neuen Machthabenden im Gorkhā-Staat bewusst und nutzten sie zur Durchsetzung der eigenen Interessen.61 Sie rekrutierten schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts ohne Zustimmung der Regierung des Gorkhā-Staates junge Männer im Hügelland des zentralen Himalaya für die sogenannten Gurkha-Regimenter der British Indian Army.62 Im Austausch für ihre Anerkennung des Herrschaftsanspruchs der Śamśera Rāṇās erhielt die britische Kolonialregierung die lang ersehnte Erlaubnis zur legalen Rekrutierung und die jungen Rekruten wurden fortan zur „diplomatischen Währung“ dieser Beziehungen.63
Nach dem Tod Vīra Śamśeras 1901 folgte ihm sein Bruder Deva Śamśera. Infolge der weiter voranschreitenden Destabilisierung des Qing-Kaiserreichs und dessen Niederlage im Krieg gegen das expandierende Japan 1894–1895 hatten die herrschenden Eliten der Gorkhālī begonnen sich zunehmend auch am Beispiel der sogenannten Meiji-Restauration in Japan zu orientieren. Inspiriert von den umfangreichen Reformen ab 1868 und der rasant wachsenden geopolitischen Bedeutung Japans versuchte auch Deva Śamśera einige für damalige Verhältnisse progressive Reformvorhaben im Gorkhā-Staat anzustoßen. Er ließ beispielsweise als Erster die allgemeine Bevölkerung bei öffentlichen Audienzen Vorschläge für Veränderungen der administrativen und justiziellen Strukturen unterbreiten, versuchte die Sklaverei zu regulieren, ein allgemeines Bildungswesens zu initiieren und gründete die erste öffentliche Zeitung des Landes – Gorkhāpatra. Sogar eine Delegation junger Gorkhālī sollte zum Studium nach Japan entsandt werden. Allerdings missfielen die zahlreichen Reformvorhaben seinen weitaus konservativeren Brüdern, die darin eine potenzielle Bedrohung für ihren Herrschaftsanspruch sahen. Nach weniger als vier Monaten im Amt wurde Deva Śamśera entmachtet und ins Exil ins British Raj geschickt.64
Stattdessen übernahm sein Bruder Candra Śamśera die Herrschaft im Land. Und obwohl er die progressiven Reformvorhaben seines Bruder als Vorwand für dessen Absetzung und die eigene Machtübernahme ausgenutzt hatte, griff Candra Śamśera einige dieser Vorhaben auf und stieß zahlreiche weitere selbst an. Er begann die Verwaltung und Justiz zu dezentralisieren und systematisieren, delegierte Kompetenzen an neu geschaffenen administrative und justizielle Institutionen, sodass nicht mehr ausnahmslos alle noch so kleinen Entscheidungen vom höchsten Amtsträger der Rāṇā-Administration getroffen werden mussten.65 Zur Umsetzung dieser Reformen wurde aber ausgebildetes Personal benötigt. Deshalb nutzte Candra Śamśera einige Ideen und Vorarbeiten seines Vorgängers und gründete Bildungseinrichtungen, um die notwendigen Beamten und Richter für die wachsende staatliche Verwaltung und Justiz ausbilden zu können.66 1902 entsandte er auch die Gruppe von jungen Studenten nach Japan und auch die Zeitung Gorkhāpatra blieb als Amtsblatt erhalten, um die vielen Restrukturierungsmaßnahmen der Bevölkerung kommunizieren zu können.67 Selbst die mittlerweile sehr große Rāṇā-Familie wurde reorganisiert und in die sogenannten A-, B- und C-Class-Rāṇās aufgeteilt, von denen ausschließlich die A-Class-Rāṇās Anspruch auf die höchsten Ämter des Staates hatten.68
Neben der internen Reform des Gorkhā-Staates, suchte Candra Śamśera sehr gezielt die Kooperation mit der britischen Kolonialregierung. Er selbst hatte Ende des 19. Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt imperialer Machtentfaltung des British Empire, an der Calcutta University studiert und stand aufgrund seiner Vertrautheit den Briten äußerst aufgeschlossen gegenüber. Auf der anderen Seite genoss Candra Śamśera selbst auch das Wohlwollen der britischen Kolonialverwaltung, nicht nur wegen seines Bildungshintergrunds, sondern weil er außerdem einen weniger ausschweifenden Lebensstil pflegte, einen bewunderten Arbeitsethos an den Tag legte und im Gegensatz zu seinen Brüdern abstinent und monogam lebte.69 In den Worten des britischen Historikers Perceval Landon war Candra Śamśera: “[…] the man whom the British Empire has delighted to honour above all living foreigners.” (Landon 1928, Vol. II: 96). Dahingegen galt beispielsweise sein älter Bruder Deva Śamśera als:
[…] a luxury-loving and lazy man. Immediately after his succession he wasted both time and money in a series of darbars, triumphal processions, and other celebrations. The magnitude of the task entrusted to him was never realized. He spent his time in sport and amusements, and left the government of Nepal without a directing head.
(Perceval Landon, Vol. II: 81)
Candra Śamśera hatte den damaligen Governor-General und Viceroy of India Nathaniel Curzon (r. 1899–1905) als höchster Repräsentant der Rāṇā-Administration bereits im April 1901 bei einer Großwildjagd im Tarai kennengelernt und sich angeblich schon zu diesem Zeitpunkt dessen Unterstützung für die geplante Machtübernahme sichern können. 1903 folgte Candra Śamśera der Einladung Curzons zum Delhi Durbar und der Krönung Edward VII als Emperor of India.70 Nachdem die Gorkhālī 1904 den britischen Tibet-Feldzug logistisch unterstützt und zwischen britischen und chinesischen Interessen vermittelt hatten, wurde 1906 auch noch eine Tributmission nach Beijing entsandt.71 Aber für die Rāṇā-Administration war das Verhältnis zum Qing-Kaiserreich Anfang des 20. Jahrhunderts kaum noch von Bedeutung und stattdessen forcierten sie die Annäherung zum British Empire.72
Deshalb wollte Candra Śamśera, wie schon sein Onkel Jaṅga Bahādura vor ihm, selbst eine Reise nach Europa unternehmen. Im Mai 1908 wurde er schließlich mit seiner Entourage als Staatsgast auf Kosten der britischen Regierung in Großbritannien empfangen.73 Candra Śamśera hatte ein umfangreiches Reiseprogramm ausarbeiten und über den britischen Residenten an die zuständigen Stellen nach London weiterleiten lassen. Dieses ließ klar erkennen, dass ihm sehr daran gelegen war, das Programm seines Onkels zu wiederholen und sogar zu übertreffen. Nach einem formellen Empfang von Edward VII. zum Auftakt der Reise, besichtigten die Gäste in den darauffolgenden Wochen die Werft in Portsmouth, Fabriken in Edinburgh, den Marinestützpunkt in Dover und verbrachten einen ganzen Tag an Bord des neuesten Schlachtschiffes. Neben zahlreichen Ausflügen zu den Sehenswürdigkeiten Londons und Umgebung, besuchte die Delegation auch Theater und Oper sowie mehrmals die White City der Franco-British Exhibition. Besonders geschmeichelt fühlte sich Candra Śamśera von der sehr luxuriösen Unterkunft, den königlichen Kutschen und der Einladung Edward VII. ihm in der königlichen Loge bei den Olympischen Spielen sowie bei einem Empfang des Präsidenten der Französischen Republik Gesellschaft zu leisten. Auf Dringen von Nathaniel Curzon, der mittlerweile aus Südasien zurückgekehrt und 1907 zum Kanzler der Oxford University gewählt worden war, wurde Candra Śamśera auch noch ein Ehrendoktortitel der Universität verliehen. Zum Abschluss wurde sogar die Abreise der Gorkhālī kurzfristig verschoben, damit der englische König Candra Śamśera persönlich den Titel als Knight Grand Cross of the Order of the Bath verleihen konnte.74
Die Machtdemonstration und endlosen Schmeicheleien der Briten verfehlten ihre Wirkung nicht und in Folge der Europareise wurde die Kooperation mit der Rāṇā-Administration weiter intensiviert. Im Austausch gegen Luxusgüter aller Art sowie Waffen und Munition durften die Briten immer mehr Rekruten für ihre Gurkha-Regimenter anwerben. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichten die Rekrutierungsmaßnahmen einen bis dahin nie dagewesenen Höhepunkt und die Rāṇā-Administration unterstützte die Bemühungen der britischen Militärs mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Die bisherige Begrenzung von Rekrutierungskontingenten wurden komplett abgeschafft, erstmalig wurden auch Rekrutierungszentren innerhalb des Gorkhā-Staates selbst eingerichtet und trotz umfassender monetärer Anreize für Freiwillige kam es mitunter auch zu Zwangsrekrutierungen. Schätzungsweise konnten so zusätzlich knapp 55.000 Soldaten mobilisiert werden, die für Großbritannien auf den Schlachtfeldern Europas und Asiens kämpften. Insgesamt sollen knapp 200.000 junge Männer aus dem Gorkhā-Staat während des Ersten Weltkriegs in der British Indian Army gedient haben. Davon ließen etwa 20.000 ihr Leben, und viele mehr wurden verwundet oder gerieten in Kriegsgefangenschaft.75
Durch diese Unterstützung erreichte die Annäherung zwischen der Rāṇā-Administration und den Briten in Folge des Ersten Weltkriegs ihren Zenit. Seit 1816 blieb die Beziehung politisch nur vage definiert und die Eliten er Gorkhālī war daher konstant in Sorge um die eigene Souveränität. 1923 wurde mit einem neuen Abkommen endgültig klare Verhältnisse geschaffen und die vollständige Unabhängigkeit sowie die territoriale Integrität des Gorkhā-Staates, der in diesem Dokument erstmals offiziell als Nepal bezeichnet wurde, formell von der britischen Regierung anerkannt. Außerdem wurden Handelsbeschränkungen der Briten für den Import von Kriegswaffen nach Nepal aufgehoben, insofern die Rāṇā-Regierung Nepals wiederum zusicherte, importierte Waffen nicht weiter zu verkaufen. Zuletzt wurde die Regierung Nepals von allen Einfuhrzöllen von importierten Waren von außerhalb des British Rajs befreit.76
Während die Regierung des Gorkhā-Staates unter Candra Śamśera ihren bislang größten außenpolitischen Erfolg verbuchen konnte, gerieten die Śamśera Rāṇās im ersten Quartal des 20. Jahrhunderts innenpolitisch zunehmend unter Druck. Der Sieg Japans über Russland 1905 in der Seeschlacht von Tsushima das Ende des Qing-Kaiserreichs 1911 hatten den Fin de Siècle des langen 19. Jahrhunderts und das Ende des Zeitalters der Imperien eingeleitet.77 Durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs wurde die postulierte zivilisatorische Überlegenheit Europas und damit auch dessen globale Hegemonialansprüche grundsätzlich infrage gestellt. Im Zuge dieser weltweiten Wandlungsprozesse erhielten nationalistische Unabhängigkeitsbewegungen in den europäischen Kolonialgebieten in Asien und Afrika kontinuierlich mehr Zulauf. Auch im British Raj wurde der Widerstand gegen die britische Kolonialregierung immer radikaler und katalysierte auch die Entstehung einer Widerstandsbewegung gegen die Rāṇā-Administration im Gorkhā-Staat.
Diese Bewegung nahm ihren Anfang mit einer Gruppe von Intellektuellen, deren Eltern Ende des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach Bildungsmöglichkeiten aus dem Gorkhā-Staat in Städte im Norden des British Raj migriert waren. Anfang des 20. Jahrhunderts begann diese Gruppe sich für die Anerkennung ihrer Sprache als Nepālī einzusetzen.78 Sie veröffentlichten hauptsächlich von Darjeeling und Benares aus Bücher, Zeitungen und Zeitschriften.79 Im Laufe der Zeit schufen sie auf diese Weise eine Nepālī-sprachige Öffentlichkeit im British Raj und „[…] contributed to the development of a clearly articulated, self-aware, and delimited sense of Nepali social consciousness and community belonging.“ (Chalmers 2003: 2). In den 1920er Jahren begann die stetig wachsende Anzahl von Autoren und Herausgebern auch öffentliche Kritik an der Herrschaft der Śamśera Rāṇās zu üben. Auf Grundlage eines neu definierten Geschichtsverständnisses betrachteten sie die Rāṇās als illegitime Usurpatoren und Autokraten, welche die rechtmäßige Śāha-Monarchie entmachtet hatte.80
Nach dem Tod Candra Śamśeras 1929 und der Machtübernahme seines jüngeren Bruders Bhīma Śamśera begann sich auch innerhalb des Landes oppositionelle Kräfte gegen die Herrschaft der Śamśera Rāṇās zu formieren. Diese Entwicklung wurde begünstigt, da sich zur selben Zeit die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen der Rāṇā-Familie wieder intensivierten, nachdem Bhīma Śamśera seine C-Class-Söhne und -Enkel auf die Sukzessionslisten für die höchsten Ämter des Staates setzen ließ.81 Nach dessen plötzlichen Tod übernahm 1932 der jüngste der Brüder, Juddha Śamśera, die Macht im Land und seine Herrschaftszeit war zunächst durch die Folgen eines verheerenden Erdbebens im Jahr 1934 geprägt. Obwohl es die Rāṇā-Administration vermochte, schnell und ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Hilfen von außen umfangreiche Wiederaufbaumaßnahmen durchzuführen, erhielten oppositionelle Gruppen immer mehr Zulauf. So formierten sich Ende der 1930er und zu Beginn der 1940er Jahre einige konspirative Gruppierungen in Kathmandu, die versuchten die Bevölkerung gegen die Herrschaft der Śamśera Rāṇās zu mobilisieren und dabei mitunter auch von einigen ehemaligen Verwaltungsbeamten oder Militärs, den exilierten Kũvara Rāṇās, den C-Class-Rāṇās oder dem Monarchen Tribhuvana Śāha unterstützt wurden.82 Beispielsweise gelang es den Mitgliedern des Nepal Praja Parishad („Nepals Volksversammlung“) eine Druckmaschine zur Handzettelvervielfältigung nach Kathmandu zu schmuggeln und damit ihre oppositionellen Botschaften zu verbreiten. Allerdings wurden sie gefasst und die meisten von ihnen 1941 hingerichtet.83
Wie seine älteren Brüder setzte auch Juddha Śamśera seine Hoffnungen für den Machterhalt der Rāṇā-Familie in fortdauernde enge Zusammenarbeit mit den Briten und unterstützte die British Indian Army im Zweiten Weltkrieg mit mehr als 200.000 Soldaten.84 Nach Ende des Krieges trat er von all seinen Ämtern zurück und verbrachte den Rest seines Lebens zurückgezogen in den Bergen des Himalaya. 1945 übernahm deshalb Bhīma Śamśeras Sohn, Padma Śamśera das Amt des Premierministers. Er bemühte sich den Forderungen der wachsenden Opposition in mancherlei Hinsicht entgegenzukommen. Diese operierte zu dieser Zeit hauptsächlich in den Städten im Norden des British Raj und bündelte ihre Kräfte mit der Gründung einer gemeinsamen Oppositionspartei im Januar 1947, dem Nepali National Congress. Nachdem die neue Partei im April 1947 nach dem Vorbild des Indian National Congress zu einer Kampagne zivilen Ungehorsams aufgerufen hatte und die Rāṇā-Administration von dessen Wirkung überrascht wurde, verkündete Padma Śamśera in einer Rede im Mai 1947 seine Reformbereitschaft. Mit Hilfe von einer Delegation aus dem eben erst unabhängig gewordenen Indien wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und am 26. Januar 1948 unter dem Titel Nepāl sarkārko vaidhānik kānūn („Legitimes Gesetz der Regierung Nepals“) verkündet.85
Doch kurz vor dem geplanten Inkrafttreten der neuen Verfassung am 14. April 1948 floh Padma Śamśera unter dem Vorwand einer medizinischen Notwendigkeit selbst nach Indien und Mohana Śamśera, Candra Śamśeras ältester Sohn, übernahm die Macht im Land. Gemeinsam mit seinen Brüdern Babara Śamśera und Keśara Śamśera versuchten sie die oppositionellen Kräfte und das sich ankündigende Ende der Herrschaft der Rāṇā-Familie gewaltsam aufzuhalten. Als aber im November 1949 König Tribhuvana Śāha mit seiner Familie nach Indien floh, der Druck seitens des indischen Regierung kontinuierlich zunahm, sich der Nepali National Congress mit der zweiten großen Oppositionspartei, dem Nepali Democratic Congress im April 1950 zum Nepali Congress zusammenschlossen und zum gewaltsamen Widerstand gegen die Rāṇās aufrief, war Mohana Śamśera im Januar 1951 schließlich bereit zu verhandeln. Im Delhi Agreement wurde er zwar für kurze Zeit noch als Premierministers im Amt belassen, aber sämtliche Sonderrechte der Rāṇās wurden annulliert und ein zehnköpfiges Kabinett als neue Regierung eingesetzt, dem viele der Anführer des Nepali Congress angehörten. Es wurde vereinbart eine Wahl für eine verfassungsgebende Versammlung durchzuführen, die innerhalb von zwei Jahren eine demokratische Verfassung ausarbeiten sollte. König Tribhuvana Śāha wurde als staatliches Oberhaupt eingesetzt. Damit endete die Herrschaft der Rāṇās und die Śāha-Monarchie war wieder die zentrale Macht im Staat Nepal.86
Ganzheitlich betrachtet war diese Phase der Staatsbildung im zentralen Himalaya eine Zeit der Konsolidierung. Nach dem Ende der Expansion standen die herrschenden Eliten Gorkhālī vor den Ruinen ihres Gorkhā Rāj und fürchteten die vollständige Annexion durch die in Südasien expandierende EIC. Die seit 1806 herrschende Thāpā-Familie vermochten es zwar noch eine Weile an der Macht zu bleiben, um die Grundlage für den Übergang von der expandierenden zur konsolidierende Phase der Staatsbildung zu legen. Aber nach dem Tod Bhīmasenas eskalierten die Machtkämpfe zwischen den bhāradāra-Familien. Schließlich konnte sich Vīra Narasiṃha Kũvara gegen die anderen Familien durchsetzen und als Jaṅga Bahādura die Herrschaft der Rāṇā-Dynastie etablieren. Die Śāha-Monarchie spielte infolge dieser Ereignisse nur noch eine zeremonielle Rolle im Gorkhā-Staat. Die neuen Herrschenden waren nicht mehr mit den Legitimationsdefiziten konfrontiert, die aus der territorialen Expansion erwachsen waren. Das unwegsame Gelände der Gebirgsregion begünstigte eine autarke Lebensweise der Menschen außerhalb des Kathmandu-Tals und erschwerte die Herrschaftsausübung in diesen Regionen. Daher beschränkte sich die Administration des Gorkhā-Staates weitestgehend auf rudimentäre militärische, fiskalische und justizielle Aufgaben. Ansonsten wurde grundsätzlich eine Politik der sozialen und kulturellen Nichteinmischung verfolgt.
Daraus resultierten im Verlauf des 19. Jahrhunderts einigermaßen stabile Verhältnisse und es gab kaum Widerstand seitens der Bauernschaft gegen die Herrschaft der Rāṇās. In einem Brief vom 24. Mai 1845 berichtete beispielsweise der britische Resident Henry Lawrence dem Governor General Lord Auckland etwas überschwänglich, die Gorkhālī seien:
[…] the best masters I have seen in India. Neither in the Tarai, nor in the hills, have I witnessed or heard of a single act of oppression since I arrived here a year and a half ago; and a happier peasantry I have nowhere seen.
(Henry Lawrence 1845, zitiert in Whelpton 1991: 139)
Da die britischen Kolonialbeamten sich lediglich im Kathmandu-Tal aufhalten konnten, lässt diese Bewertung keine Rückschlüsse auf die Situation im Rest des Landes zu. Allerdings sind bislang noch keine anderen historischen Quellen erschlossen worden, die grundsätzlich Gegenteiliges belegen. Und wenn es doch zu Konflikten mit der staatlichen Verwaltung kam, entschieden sich die Menschen in den Dörfern meist zur Emigration.87 Bisher ist der Aufstand von 1876 im Distrikt Gorkhā der einzig dokumentierte Fall von gewaltsamen Widerstand „von unten“ im Verlauf des 19. Jahrhunderts.88
Die größte Bedrohung für die Rāṇā-Herrschaft stellten zu dieser Zeit hauptsächlich die konkurrierenden Fraktionen der Eliten dar. Die entmachteten bhāradāra-Familien und die Śāha-Dynastie nahmen Jaṅga Bahādura als illegitimen Usurpator wahr. Regelmäßig gab es deshalb Intrigen, Verschwörungen und Attentatsversuche. Nach und nach verloren die rivalisierenden bhāradāra machtpolitisch jedoch immer mehr Bedeutung und nach Jaṅga Bahāduras Tod entbrannten stattdessen die Sukzessionskonflikte innerhalb der Rāṇā-Familie.89 In Folge ihres Coup d’État waren die Śamśera Rāṇās schließlich gezwungen ihren Herrschaftsanspruch innerhalb der Rāṇā-Familie, gegenüber der eigenen Bevölkerung und insbesondere auch der britischen Kolonialverwaltung zu legitimieren. Diese erkannte die Unabhängigkeit der Gorkhālī noch bis in die 1920er Jahre nicht an und vertrat die Auffassung, der Gorkhā-Staat sei Teil des British Raj. Lord Curzon beschrieb die Situation in geheimer internen Kommunikation mit anderen Kolonialbeamten am 10. Dezember 1902 folgendermaßen:
The position of Nepal is anomalous and peculiar. But I hold most unquestionably that the State is under the suzerainty (admitting an elastic rather than a too stringent definition of the term) of the British Crown. […] though I doubt not that if it were academically raised with the Nepalese Darbar, they would energetically contest it.
(Lord Curzon 1902: 7)90
Unter Candra Śamśera gelingt es den herrschenden Eliten noch den externen Legitimationsdefiziten zu begegnen und die offizielle Anerkennung der Souveränität des Staates Nepal auszuhandeln. In einem internen Schreiben des Chief Secretary to the Government of Bihar und Orissa vom 24. Juni 1925 weist dieser den Empfänger J.D. Sifton auf diesen Umstand hin und bittet deshalb um die zukünftige Vermeidung der Bezeichnung „Nepal Darbar“ in der offiziellen Korrespondenz der britischen Kolonialverwaltung:
Please refer to your letter […] in which the Government of Nepal is referred to as the “Nepal Darbar”. As Nepal is now an independent State outside India, I am to request that the use of the word “Darbar” in official correspondence may be avoided.
(Chief Secretary to the Government of Bihar und Orissa am 24. Juni 1925)91
In den folgenden Jahrzehnten wird die Legitimität der Śamśera Rāṇās aber immer häufiger von oppositionellen Aktivisten und der eigenen Bevölkerung hinterfragt, bis 1950 schließlich ihre Herrschaft und mit ihr auch das überlange 19. Jahrhundert endete.
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Fußnoten
1
Vgl. Gellner (2016) und Michaels (2018: 21–22).
 
2
Es handelt sich hierbei um die offiziellen Herrschertitel und nicht die eigentlichen Namen der Kaiser.
 
3
Vgl. Zheng (2019).
 
4
Vgl. Pilz (2007: 82 ff).
 
5
Gurkaniya lautete die Selbstbezeichnung der damals über weite Teile Südasiens herrschenden Pādshāh. Die heute geläufige Bezeichnung „Mogul“ oder „Mughal“ (im Engl.) ist hingegen europäischen Ursprungs und daher als begriffliche Fremdzuschreibung zu verstehen. Vgl. Mann (2022: 11).
 
6
Vgl. Cheema, G.S. (2005).
 
7
Vgl. Mann (2015a: 26–27).
 
8
Vgl. Berkemer und Frenz (2004). Zur vorausgegangenen Debatte um die sehr vereinfachende Interpretation dieser Phase der Staatsbildung als „Niedergang des Mogulreiches“ siehe Wink (1986), Dirks (1987), Stein (1980, 1990, 1995) und Kulke (1995).
 
9
Vgl. Losch (1959) und Gordon (1998).
 
10
Vgl. Mann (2015a: 27–28).
 
11
Ibid.: 28–53.
 
12
Für mehr Details zur Geschichte des Kathmandu-Tals bis ins 18. Jahrhundert siehe Michaels (2018: 55–71).
 
13
Zu den Ursachen dieser politischen Fragmentierung und einer Liste der zahlreichen Kleinkönigtümer im zentralen Himalaya Mitte des 18. Jahrhunderts siehe Stiller (1973: 34–47, 70–73).
 
14
Für eine allgemeine Einführung in die Geschichte dieser Reiche siehe Michaels (2018: 59–66, 137–142). Für einen tieferen Einstieg ins Thema siehe Tucci (1956, 1962 [1960]), Regmi, D.R. (1960, 1965), Petech (1961, 1984 [1958]), Panta, M.R. (2009), Shrestha, T.B. (2009).
 
15
Mit Gorkhālī sind die Bewohner des Gorkhā Rājya gemeint.
 
16
Die Regierungszeit Rāma Śāhas ist aufgrund unzureichender oder widersprüchlicher Quellen nicht gesichert.
 
17
Für eine Übersicht über die bisher erschlossenen Quellen, in denen über die Eroberung des Kathmandu-Tals berichtet wird und deren unterschiedliche Interpretation in den Geschichtswissenschaften vgl. Pradhan (2009 [1991]: 103–115).
 
18
Vgl. Pandey, R. N. (1971), Stiller (1973: 99–138), Pradhan (2009 [1991]: 115–166) und Rupakheti (2012: 13–19). Einige kleine Königtümer wie Jajarkot, Palpa, Salyan und Mustang vermochten es dem Expansionsstreben der Gorkhālī über lange Zeit zu widerstehen und konnten nur als Vasallen in das expandierenden Reich lose eingegliedert werden. Vgl. Michaels (2018: 83).
 
19
Im Namen minderjähriger Thronerben agierten die Mutter des Königs (1778–85), der Onkel des Königs (1785–94), eine königliche Konkubine (1800–03), eine weitere Königin (1803–04) und sogar ein Ex-König (1804–1806), der zuvor schon einmal abgedankt hatte. Vgl. Regmi, M.C. (1995: 134 ff.)
 
20
Vgl. Riccardi (1977).
 
21
Für eine detaillierte Auflistung aller Familien der bhāradāra zwischen 1768 und 1814 siehe Regmi, M.C. (1995: 71–75).
 
22
Vgl. Manandhar, V. K. (2004: 71–222).
 
23
Vgl. Kirkpatrick (1811: v-ix).
 
24
Laut Manandhar, V. K. (2004: 129–134) wurde damals kein offizielles Dokument als Abkommen unterzeichnet. Es handelt sich vielmehr um eine Reihe von Übereinkommen, die entweder in direkten Gesprächen oder in Briefwechseln formuliert und akzeptiert worden sind. Zur Rolle und Funktion der Amban siehe Dabringhaus (2014). Für eine Zusammenfassung der Übereinkunft zwischen Gorkhālī und dem Qing-Kaiserreich vgl. Rose (1971: 64–65).
 
25
Vgl. Regmi, M.C. (1999: 5–9).
 
26
Vgl. Mann (2015a: 34–38, 45–53).
 
27
Vgl. Michael (2012: 49–66).
 
28
Die Perspektive britischer Zeitgenossen auf den Anglo-Gorkha-Krieg findet sich bei Hastings (1824).
 
29
Vgl. Yadav (1999) und Michael (2012: 12 ff).
 
30
Zum Begriff der reichsbildenden Eroberungskriege siehe Osterhammel (2009 [1995]: 13–15).
 
31
Vgl. Rupakheti (2012: 55) und Michaels (2018: 80).
 
32
Vgl. Berkemer und Schnepel (2004: 17–20).
 
33
Zur Definition und Beispielen von Abhängigkeitsverhältnissen kolonialistischer Art siehe Osterhammel (2009 [1995]: 22).
 
34
Vgl. Stiller (1974) und Thapa, K.B. (1975).
 
35
Vgl. Father Guiseppe da Rovato (1970 [1786]: 13) und Michaels (2018: 81).
 
36
Vgl. Regmi, M.C. (1995: 17, 1999: 10–12, 116–130) und Gellner (2007 [2003]).
 
37
Vgl. Acharya, B. et. al. (2013).
 
38
Die Amtsbezeichnung mukhtiyāra ist persisch-arabischen Ursprungs und denen der Moguln entlehnt.
 
39
Vgl. Osterhammel (2010 [1998]: 15–16).
 
40
Vgl. Stiller (1976), Shaha (1990: 107–156, Vol. I) und Whelpton (1991: 33–59).
 
41
Vgl. Adhikari (1975b).
 
42
Vgl. Adhikari (1977) und Sever (1993: 41–55).
 
43
Vgl. Jain (1972), Whelpton (1991: 60 ff.), Sever (1993: 56–64) und Michaels (2018: 94–95).
 
44
Siehe beispielsweise Hodgson (1857).
 
45
Vgl. Whelpton (2016: 51–82).
 
46
Vgl. Whelpton (2016: 79–80) und Michaels (2018: 93).
 
47
Vgl. Rana, P.J.B. (1980 [1909]): 113–152), Dixit (1964 [1957]), Shaha (1990: 226–244, Vol. I), Sever (1993: 70–74) und Whelpton (2016).
 
48
Vgl. Whelpton (2016: 195–273).
 
49
Der Reisebericht Jaṃga Bahādurkō Belāyat Yātrā soll 1854 verfasst worden sein, aber heute ist weder der Autor zweifelsfrei identifiziert, noch ist das Originalmanuskript erhalten. Trotzdem wird in der historischen Forschung davon ausgegangen, dass die veröffentlichte Version von Kamal Dixit (1964 [1957]) auf dem Originaltext beruht und als authentische Quelle gewertet werden kann.
 
50
Vgl. Park (2019).
 
51
Vgl. Manandhar, V. K. (2001: 105–136).
 
52
Vgl. Rose (1971: 118–123) und Manandhar, V. K. (2004: 250–266).
 
53
Vgl. Shaha (1990: 244–250, Vol. I), Sever (1993: 65–122), Whelpton (2005a: 46–48) und Michaels (2018: 94–95). Zu den Nachfolgelisten für die Ämter Premierministers und Mahārājas siehe Sever (1993: 449–450).
 
54
Vgl. Whelpton (2005a: 62) und Michaels (2018: 99).
 
55
Vgl. Shaha (1990: 257–270, Vol. I), Sever (1993: 143–150; 434–448) und Whelpton (2005a: 49–55).
 
56
Die verschiedenen Begrifflichkeiten, mit denen die Ereignisse um 1857–59 beschrieben werden, variieren je nach Perspektive mitunter sehr stark. Während man die Ereignisse aus britischer Perspektive meist als „Indian Mutiny“ oder „Sepoy Mutiny“ bezeichnete, interpretiert man diese im Kontext nationaler Reformbewegungen in Britisch-Indien zu Beginn des 20. Jahrhunderts als ersten „Unabhängigkeitskrieg gegen die Fremdherrschaft der Briten“ und als „Ausgangspunkt für den Freiheitskampf des indischen Volkes“. Vgl. Mann (2015: 55–85).
 
57
Vgl. Shaha (1990: 251–257, Vol. I) und Sever (1993:123–126).
 
58
Vgl. Rose (1971: 135–136) und Manandhar, V. K. (2001: 137–160; 2004: 267–268).
 
59
Vgl. Manandhar, T. R. (1986), Shaha (1990: 271–292, Vol. I), Sever (1993: 148–178), Whelpton (2005a: 48–49) und Michaels (2018: 95–97).
 
60
Vgl. Manandhar, V. K. (2001: 180–188; 2004: 285).
 
61
Vgl. Shaha (1990: 1–27, Vol. II), Sever (1990: 179–216) und Whelpton (2005a: 61–62).
 
62
Vgl. Rathaur (1978–80, 2001).
 
63
Vgl. Des Chene (1991; 1993), Banskota (2014 [1994]: 75–80) und Michaels (2018: 102–104).
 
64
Vgl. Shaha (1990: 28–37, Vol. II), Sever (1993: 217–236), Chhetry (1995), Barua (2002), Whelpton (2005a: 62–63) und Michaels (2018: 97).
 
65
Vgl. Whelpton (2005a: 64) und Shrestha (2005 [1989]: 176–235).
 
66
Vgl. Parajuli (2012).
 
67
Vgl. Barua (2002) und Whelpton (2005a: 63).
 
68
Vgl. Michaels (2018: 97).
 
69
Vgl. Landon (1928, Vol. II: 89–96).
 
70
Vgl. Rose (1971: 151–163).
 
71
Vgl. Manandhar, V. K. (2001: 200–234; 2004: 293–299).
 
72
Vgl. Rose (1971: 164–170).
 
73
Home Department (1908): “Incidence of the Cost of Entertainment of Indian Visitors to England. Case of the Prime Minister of Nepal”. Signatur: Progs., Nos. 263. National Archives of India.
 
74
Vgl. Chhetry (1996), Sever (1993: 237–243) und Cowan (2015).
 
75
Vgl. Chhetry (1991), Sever (1993: 256–259), Onta (1994a), Roy et. al. (2011), Das (2011, 2014) und Chudal (2020).
 
76
Vgl. Treaty Between the United Kingdom and Nepal: Together with Note Respecting the Importation of Arms and Ammunitions into Nepal. Signed at Kathmandu, December 21, 1923. London: His Majesty’s Stationary Office. Vgl. Sever (1993: 269–273).
 
77
Vgl. Osterhammel (2010) und Mishra (2012).
 
78
Vgl. Onta (1996b).
 
79
Vgl. Chalmers (2003: 310–349).
 
80
Vgl. Onta (1997).
 
81
Vgl. Sever (1993: 287–303).
 
82
Ein Augenzeugenbericht zur Rolle von Tribhuvan und seinen Verbindungen zur politischen Opposition gegen Ende der Rāṇās-Herrschaft findet sich Leuchtag (1958).
 
83
Vgl. Joshi und Rose (1966: 50–57), Sever (1993: 311–356), Amātya (2004: 45–101), Singh, C. P. (2004) und Whelpton (2005a: 65–67, 2013: 39).
 
84
Vgl. Vaidya (1996, 2005).
 
85
Vgl. Joshi und Rose (1966: 59–66), Sever (1993: 357–376) und Whelpton (2005a: 67–69).
 
86
Vgl. Joshi und Rose (1966: 67–80), Sever (1993: 377–396) und Whelpton (2005a: 69–72).
 
87
Beispielsweise migrierten zwischen 1840 und 1860 ca. 12–15 Prozent der Landbevölkerung aus den östlichen Teilen des Gorkhā-Staates ins Hügelland des Himalaya unter britischer Kontrolle, bevorzugt nach Darjeeling. Siehe dazu Pradhan (2009 [1991]: 192).
 
88
Vgl. Sever (1993: 146–147), Lecomte-Tilouine und Dollfus (2003) und Whelpton (2013: 39).
 
89
Vgl. Joshi und Rose (1966: 42–56).
 
90
Legislative Department (1902): “Question as to whether Nepal is under the Suzerainty of the British Crown”. Signatur: Progs. Nos. 973, National Archives of India.
 
91
Foreign and Political Department (1925): “Proposed Construction by the Nepal Government of a Light Railway from Raxaul into Nepal”. Signatur: Progs. Nos. 1–31. National Archives of India.
 
Metadaten
Titel
Dynamiken der Staatsbildung im überlangen 19. Jahrhundert des zentralen Himalayas
verfasst von
Stefan Lüder
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44422-8_3