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01.11.2023 | Bankvertrieb | Gastbeitrag | Online-Artikel

Digitale Inklusion eröffnet Banken neue Zielgruppen

verfasst von: Rabia Schneidawind

3:30 Min. Lesedauer

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Digitale Barrierefreiheit ist der Schlüssel zu mehr Inklusion, zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen und zu einem gleichberechtigten Zugang zu Finanzdienstleistungen. Als Tor zur wirtschaftlichen Selbstbestimmung muss auch das Online Banking für alle Menschen nahtlos nutzbar sein. 

Mit dem deutschen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde im Juli 2021 der European Accessibility Act (EAA) der EU in nationales Recht überführt. EAA und BFSG setzen Unternehmen in der EU eine Frist bis zum 28. Juni 2025, um geeignete Maßnahmen umzusetzen. Für Finanzinstitute ist größere Barrierefreiheit aber nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Umsatzchance.

Websites oft nicht barrierefrei

Für Menschen mit Behinderungen ist es eine große Herausforderung, wenn Websites und digitale Plattformen unzugänglich sind. Beispielsweise fehlen für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen oft: 

  • einstellbare Schriftgrößen, 
  • kontrastreiche Modi, 
  • alternative Texte für Bilder, 
  • Transkripte für Multimedia-Inhalte,
  • eine Kompatibilität mit Bildschirm-Vorlesegeräten, 
  • eine Interoperabilität mit Blindenschrift-Übersetzern.

Mobilitätseinschränkungen wiederum machen es schwierig, mit einer Website zu interagieren, wenn sie sich sehr auf Mausgesten verlässt, statt eine Tastaturnavigation zu unterstützen, Sitzungszeiten schnell überschritten sind, es häufige automatische Abmeldungen gibt oder Schaltflächen, Links oder Kontrollkästchen klein und schwer bedienbar sind. Im schlimmsten Fall hindern solche Barrieren Nutzer daran, Rechnungen zu zahlen oder Geld zu überweisen. In jedem Fall aber verschlechtern sie das Nutzererlebnis. 

Viele Menschen von Einschränkungen betroffen

Nicht vergessen darf man, dass sich Finanzinstitute durch mehr Inklusion auch neue Zielgruppen erschließen. Der Europäische Rat geht davon aus, dass unter den erwachsenen EU-Bürgern jeder vierte - also 87 Millionen - in irgendeiner Form von einer Behinderung betroffen ist. Hinzu kommen weitere relevante Zielgruppen: etwa Nutzer von Mobiltelefonen und Endgeräten mit kleinen Bildschirmen, ältere Menschen mit sich wandelnden Fähigkeiten und Personen mit vorübergehenden Beeinträchtigungen, etwa wegen eines gebrochenen Arms oder einer verlorenen Brille. 

Barrierefreiheit fördert nicht nur eine integrativere Gesellschaft, sie demokratisiert auch den Zugang zu Finanzdienstleistungen und stellt Finanzinstituten höhere Umsätze in Aussicht.

Fünf Schritte zu mehr Barrierefreiheit

  1. Barrierefreiheit und Unternehmenskultur: Der Weg zur digitalen Barrierefreiheit eines Finanzinstituts beginnt mit einem unternehmensweiten Bekenntnis zu Inklusion und Vielfalt. Dieses Engagement muss sich im Leitbild, in den Grundwerten und in der Geschäftsstrategie des Unternehmens widerspiegeln. Zudem sind auch umfassende Richtlinien zu erstellen - etwa eine Erklärung zur Barrierefreiheit (Accessibility Statement), die sich auf die Website, mobile Anwendungen und andere digitale Inhalte bezieht. 
  2. Audits zur Barrierefreiheit: Zunächst müssen Banken, Sparkassen oder Vermögensverwalter prüfen, inwieweit ihre digitalen Plattformen und Inhalte die Anforderungen des BFSG bereits erfüllen. Erst dann lassen sich weitere Maßnahmen und Zeitpläne festlegen. Der Audit durch ein Expertenteam hilft, Barrieren zu identifizieren, Probleme zu priorisieren und Pläne zur Behebung zu entwickeln. Eine regelmäßige Validierung sorgt zudem für kontinuierliche Compliance.
  3. Barrierefreiheitsstandards: Anerkannte Barrierefreiheitsstandards sind der beste Weg, die Einhaltung des BFSG zu gewährleisten. Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortium (W3C) sind wohl die verbreitetsten Standards und werden in vielen Inklusions-Gesetzen herangezogen. Die WCAG 2.0 sind auch in der ISO/IEC 40500:2012 enthalten. Die WCAG kategorisieren Barrierefreiheit im Internet in vier Prinzipien, die in mehrere überprüfbare Erfolgskriterien unterteilt sind, die Entwicklern als konkrete UX-Richtlinien dienen können. 
  4. Regelmäßige Tests: Regelmäßige Tests helfen, die sich entwickelnden Gesetze und Vorschriften kontinuierlich einzuhalten und auch neue Barrieren zu erkennen, die bei der Aktualisierung digitaler Plattformen und Inhalte entstehen. Automatisierte Testwerkzeuge können Websites oder Anwendungen auf gängige Probleme hin überprüfen, wie etwa fehlenden Alternativtext für Bilder, falsche Überschriften oder Farbkontrastprobleme. Es bietet sich an, diese automatisierten Tools in den UX-Entwicklungsprozess zu integrieren. Manuelle Tests mit Bildschirmlesegeräten, Tastaturnavigation und Lupen können zudem reale Benutzererfahrungen simulieren. 
  5. Zusammenarbeit mit Behindertengruppen: Menschen mit Behinderungen aktiv einzubinden und mit ihnen zusammenzuarbeiten, ist für wirklich inklusive digitale Bankdienstleistungen unerlässlich. Denn Menschen mit Beeinträchtigungen in Nutzertests, Feedback-Sitzungen und Entscheidungsprozesse einzubeziehen, verschafft Banken und Sparkassen wertvolle Einblicke in die realen Herausforderungen und Bedürfnisse. 

Mehr digitale Barrierefreiheit nützt allen

Barrierefreiheit hilft, ein breiteres Publikum zu erreichen, ein positives Markenimage aufzubauen, mehr Besucher auf die Website zu lenken und ganz allgemein das Benutzererlebnis auf den digitalen Plattformen zu optimieren – nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen. Von mehr digitaler Barrierefreiheit profitieren beide Seiten: die Anbieter von Finanzdienstleistungen und ihre Kunden. 

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