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07.11.2023 | Carbon Dioxide (CO2) | Interview | Online-Artikel

"Je genauer die Daten sind, desto präziser die erstellte CO2-Bilanz"

verfasst von: Frank Urbansky

5:30 Min. Lesedauer

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Eine Kooperation zwischen dem GdW, dem Verband der Wohnungswirtschaft, und Ampeers Energy soll CO2-Emissionen im Gebäudesektor bis 2045 um 5 Millionen Tonnen jährlich senken. Das Fraunhofer Spin-off fördert Geschäftsmodelle wie Mieterstrom. Karsten Schmidt, Gründer und CEO, erklärt, wie das funktioniert.

springerprofessional.de: Wie sieht die CO2-Bilanzierung von Immobilien konkret aus?

Karsten Schmidt: Das hängt davon ab, welche Informationen der Eigentümer hat. Je genauer die Daten sind, desto präziser ist die erstellte CO2-Bilanz. Wenn der Eigentümer die Verbrauchsdetails kennt, also Energieabrechnungen und Ähnliches zur Verfügung hat, können wir die CO2-Bilanz anhand der tatsächlichen Verbräuche erstellen. Leider ist es oft der Fall, dass diese Informationen nicht sinnvoll verarbeitet werden können. In solchen Fällen nutzen wir Ersatzwerte, zum Beispiel aus Energieausweisen.

Wie kann man darauf eine sinnvolle Klimastrategie aufbauen?

Wir betrachten Immobilienportfolios ganzheitlich. Früher wurden Entscheidungen nur auf Basis der Investitionskosten getroffen. Zum Beispiel, wenn man eine alte Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt. Die Kosten sind höher, aber wenn man Betriebskosten, niedrigere Heizkosten und potenzielle Einnahmen aus neuen Geschäftsmodellen wie Mieterstrom oder Ladestrom berücksichtigt, bekommt man ein ganzheitliches Bild. So kann man sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen für das Portfolio beurteilen.

Welche Rolle spielt dabei Ampeers Energy?

Wir sind Serviceanbieter und stellen eine Softwareplattform zur Verfügung. Der Kunde kann von der Ermittlung seines CO2-Fußabdrucks über die Entwicklung der richtigen Modernisierungsstrategie bis zur detaillierten Umsetzungsplanung und dem Betrieb aller Objekte alles durchführen. Das beinhaltet Energiemanagement, Monitoring und sogar die Abrechnung von Mieterstrom. Allerdings bemerken wir, dass die Modernisierung oder die Umsetzung eines Energieangebots allein nicht ausreichen. Deshalb bieten wir die notwendigen Zusatzservices an, beispielsweise beim Messstellenbetrieb, damit der Immobilieneigentümer in die Rolle des Energieversorgers schlüpfen kann.

Und welche Rolle spielt das jeweilige Immobilienunternehmen?

Eine der großen Herausforderungen ist die Datentransparenz. Im Grunde genommen benötigen wir gar nicht so viele Daten um loszulegen. Die Schwierigkeit liegt vielmehr in der Verknüpfung von bereits vorhandenen Daten.

Immobilieneigentümer haben oft Daten in unterschiedlichen Systemen, die es zu verknüpfen gilt. Wenn wir beispielsweise eine CO2-Bilanz erstellen und eine Modernisierungsstrategie entwickeln möchten, benötigen wir zunächst die Grunddaten der Objekte: Adresse, Anlagenausstattung, Informationen zu Modernisierungen und die aktuellen Energiekonditionen. Das klingt zwar überschaubar, aber die Herausforderung besteht darin, diese Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen, um ein umfassendes Bild von der Immobilie zu erhalten.

Sobald dieser Schritt geschafft ist, wird auf unserer Plattform schrittweise ein digitaler Zwilling des Gebäudes für die Simulation der Modernisierungsmaßnahmen entwickelt. Dieser wird kontinuierlich detaillierter, bis er den Status erreicht, an dem die Anlagentechnik modernisiert wurde und das Energiemanagementsystem den optimierten Betrieb übernimmt. Dies ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung.

Wie funktioniert die Ampeers Energy-Software zur CO2-Einsparung?

Sobald unser System mit allen Informationen im ersten Finanzierungsjahr geladen ist, werden in den Folgejahren im Wesentlichen nur noch die Gebäudeverbräuche schrittweise ergänzt. Die durchgeführten Maßnahmen werden ebenfalls dokumentiert. Nehmen wir an, eine Immobilie hat ihre Gebäudehülle gedämmt, dann wird diese Maßnahme im System hinterlegt. Der Immobilieneigentümer kann über die Jahre hinweg sehen, wie sich die CO2-Emissionen im Portfolio und in den einzelnen Immobilien reduziert haben. Er kann auch konkrete Schlussfolgerungen ziehen, welche Maßnahmen gut funktionieren und welche nicht. Das Benchmarking mit den GdW-Mitgliedsunternehmen ermöglicht ihm auch zu analysieren, welche Maßnahmen von anderen Mitgliedern ergriffen wurden und welche Ergebnisse sie erzielt haben.

Wie kommen die bis zu 90 % CO2-Einsparung zustande?

Wir beginnen immer mit einem Blick auf die Wärmeversorgung. Etwa 70 % der CO2-Emissionen eines Gebäudes stammen von dort. Wir schauen uns zunächst an, was mit der Elektrifizierung der Wärmeversorgung erreicht werden kann. Wir sind dabei nicht dogmatisch und schauen auf verschiedene anlagentechnische Möglichkeiten. Bei Gebäuden, die keine Fernwärme haben, stellt sich zumeist die Wärmepumpe als wirtschaftliche und effektive Lösung dar.

In einem zweiten Schritt betrachten wir die Elektrifizierung der Wärmeversorgung genauer. Wir schauen, wie die Wärmepumpe mit Strom versorgt werden kann. Dabei analysieren wir die Stromerzeugungsmöglichkeiten auf dem Gebäude, insbesondere die Potenziale für Photovoltaik. Wir analysieren auch, was mit überschüssigem Strom passiert, der nicht für die Wärmeerzeugung benötigt wird. Hierbei betrachten wir Optionen wie Mieterstrom oder Ladestrom.

Wir vergleichen verschiedene anlagentechnische Konzepte simulationsbasiert miteinander. Wir simulieren den Energiefluss im Gebäude auf Stundenbasis und können so genau sehen, wann der Strom von der PV-Anlage kommt und wann er aus dem öffentlichen Netz bezogen wird. Durch diese Simulationen in der Planungs- und Betriebsphase erkennen wir, dass es möglich ist, etwa 90 % der CO2-Emissionen der Gebäudeenergieversorgung zu reduzieren. Das geschieht durch die Verdrängung des Stroms aus dem öffentlichen Netz und die Bewertung des restlichen Stroms entsprechend seines Graustrom-Anteils.

Was sind dabei die low hanging fruits?

Wenn wir Anlagentechnik in Gebäuden haben, die bereits vernetzt ist, und wir die Anlagen über unsere Plattform steuern können, ist es bereits heute möglich, den Eigenverbrauch einer PV-Anlage zu optimieren. Das bedeutet, dass ich die Produktionszeiten so anpasse, dass sie mit den Zeiten der Wärmepumpe übereinstimmen. So kann ich den Strom, der durch beide erzeugt wird, effektiver nutzen.

Ein weiterer Aspekt ist das Thema Mieterstrom. Lange Zeit war die Umsetzung aufgrund von Komplexität eine Herausforderung und wurde von vielen Immobilieneigentümern vermieden. Oft überließen sie das Thema spezialisierten Anbietern. Doch heute zeigt sich, dass es Sinn macht, selbst in die PV-Anlage auf dem Dach zu investieren, anstatt es zu verpachten. So entsteht ein echtes Erlöspotenzial, sei es durch den Verkauf des Stroms an die Bewohner, durch die Belieferung einer Wärmepumpe oder ein Ladeangebot für Elektroautos. Es gibt eine Win-Win-Situation. Der Immobilieneigentümer hat Investitionskosten, die sich durch den Verkauf von Strom oder Energielieferungen amortisieren. Das ist eine echte Chance.

Implementieren Sie diese Software selbst vor Ort und schulen Sie dazu?

Unsere Software-Service-Lösungen werden komplett webbasiert bereitgestellt, ohne dass Installationen vor Ort beim Kunden nötig sind. Je nachdem, welche Teile der Plattform integriert werden müssen, passen wir uns an. Für Energiemanagement und Monitoring benötigen wir die physische Anbindung an die Anlagentechnik vor Ort. Das kann entweder über Schnittstellen zur Gebäudeleittechnik erfolgen oder, wenn das nicht möglich ist, über ein installiertes Gateway vor Ort, das die Daten aus dem Heizungskeller oder der Energiezentrale einsammelt und in die Cloud überträgt.

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