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2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

Der Kampf um die Wirklichkeit. Mediale Legitimationsstrategien gegenüber Verschwörungstheorien zum 11. September

verfasst von : Michael K. Walter

Erschienen in: Konspiration

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die Anschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 haben eine schier unüberschaubare Zahl von Deutungen zu den Ereignissen und Hintergründen dieses Tages hervorgebracht. Hierzu zählen nicht zuletzt auch die sogenannten „Verschwörungstheorien zum 11. September“, die durch ihren erstaunlichen Rezeptionserfolg zu einem vielbeachteten öffentlichen Phänomen avanciert sind.

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Fußnoten
1
Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich die Anführungszeichen für den Begriff „Verschwörungstheorie“, der in meiner Argumentation prinzipiell als Klassifikation innerhalb des sozialen Feldes betrachtet wird, nur zur Hervorhebung des Zuschreibungscharakters oder als Zitat in Anführungszeichen.
 
2
Vgl. hierzu den Beitrag von Andreas Anton in diesem Band.
 
3
Trotz der gewichtigen Stellung, die dem Thema in Bergers und Luckmanns Grundlagenwerk zukommt, wird die Legitimationstheorie und der in ihr zum Ausdruck kommende macht- und konflikttheoretische Moment in der an sie anschließenden wissenssoziologischen Tradition weitgehend vernachlässigt, die sich sowohl theoretisch wie empirisch vor allem auf die Konstitution des ‚horizontal‘ strukturierten Alltagswissens fokussiert. (Vgl. hierzu auch Link 2005, S. 85 ff.)
 
4
Die komplexe Beziehung zwischen etablierten Medien und ‚offizieller‘ politischer Sphäre und die Frage, inwieweit erstere als Legitimatoren dieser Sphäre fungieren, können hier nicht erörtert werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das etablierte mediale Feld als eigenständiges gesellschaftliches Subsystem durch die Angriffe der Verschwörungstheoretiker legitimationsbedürftig wird.
 
5
Für eine ausführliche Darstellung und Analyse des 911 Truth Movement vgl. Andreas Antons Beitrag in diesem Band sowie Klöckner (2011).
 
6
Laut einem Artikel des Zeit-Journalisten Jochen Bittner (2003) vom April 2003 verkauften sich von dem „Standardwerk der deutschen Verschwörungsgläubigen“ über 130.000 Exemplare in nur acht Monaten.
 
7
So beansprucht etwa Bröckers eine „kritische Konspirologie“ (Bröckers 2002, S. 12) zu betreiben, die der ‚Wirklichkeitssimulation‘ der „nahezu gleichgeschalteten Medien“ (Bröckers 2002, S. 23) entgegentritt.
 
8
Eine Grafik der Umfrage findet sich in der Spiegel-Titelstory „Panoptikum des Absurden“ (Cziesche u. a. 2003, S. 59).
 
9
Die Bedeutsamkeit der Umfrage dokumentiert sich auch in den Artikeln selbst, die sich nahezu alle auf die Umfrage berufen oder diese abdrucken. Hieran zeigt sich eindrucksvoll auch die von Luhmann beschriebene Eigenschaft von „Quantitäten“ als mediale „Aufmerksamkeitsfänger[n]“ (Luhmann 2004, S. 59).
 
10
Vgl. hierzu den Spiegel Nr. 37 vom 08. September 2003.
 
11
Z. B. in Panorama (ARD) vom 21. August 2003: „Juden, BKA und CIA – Absurde Verschwörungstheorien zum ‚11. September‘“ und in Frontal 21 (ZDF) vom 09. September 2003: „Konjunktur für Verschwörer. Lügen und Legenden zum 11. September“.
 
12
So veröffentlichte beispielsweise Mathias Bröckers zusammen mit Christan C. Walter das Buch 11.9. - Zehn Jahre danach: Der Einsturz eines Lügengebäudes (2011), das auch intensiv, aber im Vergleich zum Jahre 2003 wesentlich ‚unaufgeregter‘ in den etablierten Medien rezipiert wurde (Vgl. hierzu z. B. den Beitrag von Deutschlandradio Kultur vom 07. September 2011 unter www.​dradio.​de/​dkultur/​sendungen/​kritik/​1548723/​ (Zugegriffen: 20. Mai 2013).
 
13
Bemerkenswerterweise ist es vor allem, wie ein Diskursüberblick zeigt, der Qualitätsjournalismus, der sich in der Pflicht sah, sich mit den heterodoxen Wirklichkeitsbestimmungen der „Wahrheitsbewegung“ auseinanderzusetzen.
 
14
Die Analyse stützt sich zum Teil auf die Ergebnisse aus meiner Magisterarbeit mit dem Titel Über die Wahrnehmung von Verschwörungstheorien in den etablierten Medien (Universität Konstanz 2007).
 
15
„So packt einen beim Surfen durch die Paralleluniversen der Verschwörer zunächst Baudrillards ‚vertige de l’interpretation‘, ein Schwindelgefühl ob der hemmungslosen Kombinationsfreude der Weltendenker.“
 
16
Bourdieu weiter: „Eine performative Aussage ist immer dann zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht von einer Person kommt, die auch die ‚Macht‘ hat, sie auszusprechen oder wenn, ganz allgemein, die jeweiligen Personen oder Umstände nicht ‚die richtigen‘ sind, ‚um den betreffenden Vorgang einzuleiten‘, kurz, wenn der Sprecher für die Worte, die er spricht, keine Autorität hat“ (Bourdieu 2005, S. 77).
 
17
Explizit wird die fehlende soziale Autorität z. B. durch Attribute wie „selbsternannte Aufklärer“ (so Rudolf Stöber (2003) in der Welt) oder „selbsternannte Experten“ (Panorama in der ARD vom 21. August 2003, 20.15 Uhr).
 
18
In „A Chump at Oxford“ wird Stan Laurel aufgrund seiner optischen Ähnlichkeit irrtümlicherweise für einen berühmten Professor in Oxford gehalten, besitzt also – wie die Verschwörungstheoretiker in der Perspektive des Textes – faktisch nicht die Legitimation, sich in diesem offiziellen institutionellen Kontext zu bewegen.
 
19
Dies kommt explizit bei Rudolf Stöber (2003) zum Ausdruck: „Wie aber ist das Richtige und Wichtige vom Irrelevanten und Falschen zu unterscheiden? Die Verschwörungstheoretiker wollen es nicht, ihre Gläubigen können es nicht. Sie kapitulieren vor der Fülle von Informationen und Desinformationen, die jedem User zur Verfügung steht.“
 
20
Diese Form der kognitiven Dissonanzreduktion wird an anderer Stelle durch die Formulierung „Fieber des Bestätigungswahns alter Weltbilder“ drastischer und mit (psycho-)pathologischen Konnotationen zum Ausdruck gebracht.
 
21
In direkter Form wird diese Verdächtigung von Rudolf Stöber (2003) in der Schlussfrage seines Artikels artikuliert: „Merken die selbsternannten Aufklärer nicht, dass sie Rechtsradikalen wie Horst Mahler die Steilvorlagen liefern? Oder wollen sie das sogar?“
 
22
Durch die Verwendung des Begriffes „Texaner“ impliziert der Text dabei delegitimierend, dass sich der Antiamerikanismus gegen das ‚cowboyhafte‘ und ‚unzivilisierte‘ Amerika in der Perspektive des sich kulturell überlegen fühlenden Deutschen richtet. Diese Lesart findet sich ausführlicher in Jochen Bittners (2003) früher erschienenem Artikel „Blackbox Weißes Haus“, der aufgrund der fast wörtlich übernommen Passagen offenkundig als Inspirationsquelle für den oben zitierten Satz gedient hat: „Da ist zuerst eine weit verbreitete Antipathie gegen den Weltenlenker George Bush, eines, wie die Volksmeinung glaubt, tumben Texaners, der gerade wegen seiner Ungebildetheit als gefährlich gilt. Das Bild vom bigotten Trickser, dem alles zuzutrauen ist, hat sich tief in die öffentliche Meinung eingebrannt.“
 
23
Diese Rolle ist insofern bemerkenswert, da nach dieser Logik US-Amerikanern, die Michael Moore affirmativ rezipieren, ebenfalls eine „antiamerikanische“ Haltung zugesprochen werden müsste. Daraus wird ersichtlich, dass der Begriff „Antiamerikanismus“ in der Verwendung im Artikel primär auf eine ablehnende bzw. kritische Haltung gegenüber bestimmten Teilen der US-Administration bezogen ist.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Berger, P. L., und T. Luckmann. 1980. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Fischer. Berger, P. L., und T. Luckmann. 1980. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Fischer.
Zurück zum Zitat Bourdieu, P. 1987. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. 1987. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Zurück zum Zitat Bourdieu, P. 1989. Delegation und politischer Fetischismus. In Anatomie des politischen Skandals, hrsg. R. Ebbighausen und S. Neckel, 36–54. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. 1989. Delegation und politischer Fetischismus. In Anatomie des politischen Skandals, hrsg. R. Ebbighausen und S. Neckel, 36–54. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Zurück zum Zitat Bourdieu, P. 2005. Was heißt sprechen? Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches. Wien: Braumüller. Bourdieu, P. 2005. Was heißt sprechen? Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches. Wien: Braumüller.
Zurück zum Zitat Bröckers, M. 2002. Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. Bröckers, M. 2002. Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9. Frankfurt am Main: Zweitausendeins.
Zurück zum Zitat Bröckers, M., und C. C. Walther. 2011. 11.9. – Zehn Jahre danach: Der Einsturz eines Lügengebäudes. Frankfurt am Main: Westend. Bröckers, M., und C. C. Walther. 2011. 11.9. – Zehn Jahre danach: Der Einsturz eines Lügengebäudes. Frankfurt am Main: Westend.
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Metadaten
Titel
Der Kampf um die Wirklichkeit. Mediale Legitimationsstrategien gegenüber Verschwörungstheorien zum 11. September
verfasst von
Michael K. Walter
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43429-8_15