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08.03.2023 | Diversitätsmanagement | Interview | Online-Artikel

"Wir brauchen moderne Geschlechterrollen"

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland nicht selbstverständlich. Das hat politische und gesellschaftliche Ursachen. Auch Unternehmen sieht Expertin Hanna Parnow im Gespräch mit Springer Professional in der Pflicht, das Potenzial von Frauen besser zu nutzen.
 

Springer Professional: Deutschland hängt im internationalen Vergleich bei Frauen in Führungspositionen hinterher. Was sind die wesentlichen Hürden dafür?

Hanna Parnow: In der Tat ist es so, dass sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen eine positive Tendenz abzeichnet. Auch wenn Covid eher zu einem Rückfall in alte Rollenmuster und Verantwortlichkeiten geführt hat, was zeigt, dass die kulturellen Barrieren in Deutschland einfach stark ausgeprägt sind. Die Boston Consulting Group hat 2020 erneut ausgerechnet, wann wir Genderparität in deutschen Vorständen erreicht haben und kam auf das Jahr 2053. Wir brauchen daher veränderte Strukturen in Unternehmen und Gesellschaft, moderne Geschlechterrollen und eine gute Work-Life-Balance für alle. 

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Frauen in Führungspositionen

Eine länderübergreifende Analyse der Barrieren und Erfolgsfaktoren

Noch immer sind in Deutschland weniger Frauen in Führungspositionen als Männer, trotz vielfältiger Bemühungen seitens der Unternehmen, der Politik und den Frauen selbst. Werfen wir den Blick in unsere Nachbarländer, scheint es in Skandinavien oder Frankreich einfacher zu gelingen.

Das fängt bei einer diversity-freundlichen Unternehmenskultur an, geht über ein demokratisch, transformationales Führungsverhalten und etwa barrierefreie Führungsnachwuchsprogramme im Bereich Human Ressource, bis hin zu einer größeren Flexibilität bei der Erwerbs- und Care-Arbeit. So kann die Last gerechter und situationsadäquater verteilt wird, was wiederum zu einem gerechteren Geschlechterbild beiträgt.

Was machen skandinavische Länder oder etwa Frankreich einfach besser? 

In Skandinavien ist es üblich, dass selbst in den börsennotierten Unternehmen Meetings nicht nach 15:00 Uhr anfangen, damit alle, spätestens um 16 Uhr Feierabend machen können, um Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Dies ist nur ein Beispiel für eine positive Work-Life-Balance, die für alle gesünder ist als die deutsche Präsenzkultur, die oft bedeutet, dass es eine Form von Statuszugehörigkeit ist, als Führungskraft als Erster zu kommen und als Letzter zu gehen. 

In Frankreich wiederum ist es viel üblicher, dass Frauen arbeiten. Das heißt, das Modell der Hausfrauenehe ist gesellschaftlich weniger verbreitet und die Mutter muss sich nicht schuldig fühlen, wenn sie die Kinder bereits mit wenigen Wochen oder Monaten in Fremdbetreuung gibt. So gibt es zum Beispiel auch Nannys, die Nachtschichten übernehmen, in dem Wissen, dass Menschen bessere Entscheidungen treffen, wenn sie ausreichend Schlaf hatten. Diese scheinbar kleinen Beispiele sagen viel über das jeweilige Selbstverständnis von berufstätigen Müttern aus, was immer noch eines der größten Hindernisse ist, wenn es um die Frage von Frauen in Führungspositionen geht.

Seit 2016 gibt es für Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eine Frauenquote. Jetzt hat auch die EU eine entsprechende Regelung verabschiedet. Wie bewerten Sie das als Maßnahme?

Natürlich ist es bedauerlich, dass wir zu einem Punkt kommen mussten, bei dem es eine staatliche Regelung benötigt, um die Gleichstellung zu ermöglichen. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat leider gezeigt, dass die bloßen Absichtserklärungen der Unternehmen nicht umgesetzt wurden, so dass es notwendig war, die gesellschaftliche Erwartungshaltung mit konkreten Zielen zu hinterlegen. Vielleicht werden wir noch eine Zukunft erleben, in der wir solche Vorgaben gar nicht mehr brauchen, weil alle Unternehmen begriffen haben, dass es in ihrem Eigeninteresse ist, das volle gesellschaftliche Potenzial auszuschöpfen.

Welche gesellschaftliche Veränderungen braucht es darüber hinaus?

Die Maßnahmen, um den Dreiklang von veränderten Strukturen in Unternehmen und Gesellschaft, Geschlechterrollen und Work-Life-Balance für alle zu ermöglichen, sind eigentlich seit Jahrzehnten klar: Eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit mit flexiblen Lösungen und Hilfestellungen seitens der Politik und der Unternehmen; Förderung eines allgemeinen Bewusstseinswandels, dass Frauen und Männer für Erwerbs- und unbezahlte Sorgearbeit gleichermaßen Verantwortung tragen; verbindliche Zielvereinbarungen, um die Unterrepräsentanz zügig abzubauen, berufliche Perspektiven für beiderlei Geschlecht zu eröffnen und die Personalstruktur bis in die Spitze zu verändern.

Warum ist es vom Gleichstellungsgedanken abgesehen so wichtig, das Potenzial von Frauen in Unternehmen besser zu nutzen?

Durch die Unterrepräsentanz von Frauen gehen den Unternehmen und der Gesellschaft erhebliche Potenziale und Inhalte verloren, was zum Beispiel die Qualität der Innovationsfähigkeit einschränkt. Denn die Tatsache, dass sich die Gleichberechtigung bis in die Spitzen der Unternehmen auch finanziell auszahlt, wurde von McKinsey immer wieder nachgewiesen: Je diverser die Belegschaft eines Unternehmens ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlich guten finanziellen Performance.

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