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30-04-2024 | Wirtschaftspolitik | Schwerpunkt | Article

So bleiben Strompreise stabil und günstig

Author: Andrea Amerland

4:30 min reading time

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Die Strompreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich hoch und unterliegen Schwankungen. Das macht Konsumenten und Unternehmen das Leben schwer. Ein Erneuerbare-Energien-Pool könnte für mehr Stabilität sorgen.

Die Energiekosten in Deutschland sind durch den Ukraine-Krieg deutlich gestiegen und bereiten Verbrauchern und insbesondere energieintensiven Industrien Bauchschmerzen. Tatsächlich ist Strom für Haushaltskunden in Deutschland im weltweiten Vergleich weiterhin teuer. Dies geht aus einer Analyse des Vergleichs- und Vermittlungsportals Verivox hervor, das Stromtarife in 147 Staaten analysiert und in einem Verbraucher-Atlas veröffentlicht hat. 

Demnach liegt Deutschland bei den durchschnittlichen Kosten für Neukunden im ersten Quartal 2024 auf Platz 21, wenn die unterschiedliche Kaufkraft in den Ländern berücksichtigt wird. In Europa ist der Strom lediglich in Italien noch teurer als hierzulande, während Großbritannien und Frankreich auf den Rängen 34 und 35 folgen. Kaufkraftbereinigt kostspieliger als in Deutschland war der Strom in den europäischen Staaten Tschechien, Polen, Irland, Litauen und Zypern.

Hohe Energiekosten belasten Industrie

In der Debatte um eine wettbewerbsfähige Industrieproduktion werden die vergleichsweisen hohen Energiekosten in Deutschland immer wieder als größte Gefahr ins Feld geführt, so etwa auch in dem Brandbrief der Gewerkschaft IG Metall und der Metall-Arbeitgeber an die Bundesregierung Anfang April. Darin heißt es, dass das Produktionsvolumen in der Metall- und Elektroindustrie heute etwa 15 Prozent unter dem Niveau vor der Corona-Krise liege. Grund dafür sei auch die "aktuelle Energiepolitik".

Arbeitgeber und Gewerkschaft fordern die Politik auf, die Rahmenbedingungen zu verbessern: "Die Bundesregierung muss allem voran für konkurrenzfähige Energiekosten sorgen sowie attraktivere Investitionsbedingungen schaffen", heißt es in der Mitteilung. Dabei hatte die Bundesregierung nach langem zähen Ringen Ende 2023 ein Strompreispaket auf den Weg gebracht, welches energieintensive Unternehmen, wie zum Beispiel in der Chemie-Branche, Steuersenkungen in Höhe von drei Milliarden Euro beschert.

Einführung eines Erneuerbare-Energien-Pools

Doch nicht nur die aktive Subventionierung durch den Staat kann zur Stabilisierung beziehungsweise Senkung der Energiekosten beitragen. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelt hat, gibt es weitere Faktoren für stabile und günstige Strompreise für private Haushalte und Unternehmen - etwa die Einführung eines Erneuerbare-Energien-Pools (kurz EE-Pool). Dieser reduziere nämlich die Strompreisunsicherheit sowie die Volatilität im Markt und stärke Anreize zur flexiblen Stromnachfrage.

Die Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien wie Wind und Solar ist der wichtigste Baustein für eine klimaneutrale Wirtschaft und die Unabhängigkeit Deutschlands von Energieimporten, so die Studienautoren. Doch obwohl inzwischen mehr als die Hälfte des Stroms durch erneuerbare Energien erzeugt wird, konnten die Kostenrückgänge in diesem Bereich Kunden in den letzten Jahren nicht vor Preissprüngen schützen. 

Grund sei die Preisbildung am Strommarkt, bei der die teuerste Produktionsanlage den Preis bestimmt. Damit sind weiterhin die Erzeugungskosten der Gas- und Kohlekraftwerke in den meisten Stunden für den Preis des gesamten Stromangebots maßgeblich. Da geopolitische Gefahren weiterhin für Preisschwankungen sorgen werden und bilaterale Verträge zwischen Unternehmen und Versorger Ausfallrisiken bergen, ist nach Ansicht der DIW-Forscher Karsten Neuhoff, Mats Kröger und Leon Stolle ein Erneuerbare-Energien-Pool eine Option. 

Wie ein EE-Pool aufgebaut sein muss

Dieser müsste drei wesentliche Elemente enthalten:

  • Eine öffentlich beauftragte Agentur: Sie initiiert eine Auktion, um langfristige Verträge zum günstigsten Preis für neue Windkraft- und Solarprojekte abzuschließen.
  • Einen Vertragspool: Hier werden Verträge zusammengefasst. Darin fließen Anlagen mit unterschiedlichen Technologien an verschiedenen Standorten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Inbetriebnahme ein. "Im EE-Pool werden somit langfristige Absicherungsverträge zusammengefasst, die das Investitionsrisiko der Entwickler von Windkraft- und Solarprojekten reduzieren." 
  • Stromkunden-Vertrag für einen Teil der gepoolten Erzeugung: Diese sollen Strompreisrisiken langfristig absichern. "In diesem Konzept werden die Konditionen von den erneuerbaren Projekten über den Pool an die Stromverbraucher weitergeleitet."

Erneuerbare-Energien-Pool

Der Vorteil dieses Konzepts im Vergleich zu Steuersenkungen ist, dass es die öffentlichen Haushalte nicht belaste. Zudem lasse sich mit einem EE-Pool die Finanzierung für zukünftige Windkraft- und Solarprojekte sichern, also die nachhaltige Transformation und somit die Erreichung von Klimazielen vorantreiben. Gleichzeitig "werden Erlösunsicherheiten adressiert, die ansonsten die deutschen Ausbauziele gefährden und verteuern könnten. Andererseits kommt der Kostenvorteil der erneuerbaren Energien direkt bei Stromkunden".

Reform des Strommarktdesigns gefordert

Auf jeden Fall besteht beim Strommarktdesign Handlungsbedarf, konstatierten Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Jonathan Meinhof bereits 2022 in der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst". Für die Strompreise der Zukunft sollte nach Ansicht der Forscher unter anderem die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gefördert werden, beispielsweise durch Marktprämien. Aber auch eine Reform der Netzentgelte sei überfällig. So seien etwa zweiteilige Tarife mit Beiträgen von Erzeugern und Verbrauchern und einem höheren Grad an Regionalität Preisdifferenzierung wünschenswert.

Das Europäische Parlament arbeitet bereits an einer Novellierung der Strommarktregeln und hat dazu im April einen Gesetzesentwurf verabschiedet, dessen Ziel es ist, die Kosten zu senken, grüne Energie zu fördern und die Preise stabiler zu halten. Der Schwerpunkt liege auf der Förderung langfristiger Verträge für nichtfossile Energie. Sogenannte zweiseitige Differenzverträge für neue Investitionen in die CO₂-arme Energieerzeugung, für die öffentliche Mittel erforderlich sind, soll für stabile Strompreise sorgen. "Das bedeutet, dass sich die nationalen Behörden mit den Stromerzeugern auf eine Preisspanne für Energie einigen", heißt es auf der Website des Europäischen Parlaments.  

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