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28.06.2023 | Fabrikplanung | Interview | Online-Artikel

"Die Produktionsanlagen müssen sich selbst konfigurieren können"

verfasst von: Christoph Berger

3:30 Min. Lesedauer

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Die Fabrik der Zukunft ist agil und flexibel, doch der Mensch wird weiterhin in ihrem Zentrum stehen. In Teil 1 des zweiteiligen Interviews skizziert Eckart Uhlmann vom Fraunhofer IPK Fertigungssysteme der nächsten Generation.

springerprofessional.de: Herr Uhlmann, in den Trends 2023 des Fraunhofer IPK fordern Sie die Leser auf, sich folgende Fabrik vorzustellen: Boden und Decke sind fix, dazwischen ist alles flexibel und modular aufgebaut. Wie kann man sich diesen Zwischenraum im Kontext von Agilität und Flexibilität vorstellen?

Eckart Uhlmann: Es geht heute nach wie vor darum, Qualität zu möglichst geringen Kosten und in kurzer Zeit zu liefern. Zusätzlich müssen wir Nachhaltigkeitseffekte, Energie und Ressourcenschonung berücksichtigen. Was in der Vergangenheit zwischen Boden und Decke stattgefunden hat, sind Fertigungsprozesse und -systeme, die immer sehr gleichartige Bauteile gefertigt haben. Und dies in unterschiedlichen Stückzahlen. Aber dafür haben wir unterschiedliche Systemwelten gehabt. Doch was heißt es überhaupt, wenn in Bezug auf Produktionssysteme von Flexibilität gesprochen wird? Hier muss zwischen einer Produkt- und Variantenflexibilität einerseits und einer Stückzahlflexibilität andererseits unterschieden werden – beides kann sich ändern. Und in Bezug auf Agilität, so kann diese sehr grundsätzlich sein: Entweder muss ich Produktionssysteme umstellen, weil ich ein anderes Produkt zu fertigen habe, oder aber das System muss agil auf Veränderungen der Randbedingungen reagieren.  

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Die Variabilität von Produktionsanlagen ist eine zentrale Herausforderung für die Industrie. Flexible und modulare Fertigungssysteme stellen besondere Anforderungen an die umgebende Infrastruktur. 

Handarbeitsplätze, NC-Maschinen, Fertigungszellen und Transferstraßen, die mehr oder weniger stabil vernetzt und im Vorfeld geplant werden, gehören damit der Vergangenheit an?

Insgesamt ist die Agilität und Adaptivität in etablierten Prozessketten vergleichsweise gering. Heute geht der Trend in eine andere Richtung: Die Produkte werden immer mehr zu Individualprodukten. Das geht so weit, dass der Kunde sie mit designen kann. Wir brauchen also Individualprodukte, die wir von der Stückzahl eins bis zu mehreren Millionen herstellen können – bei gleichbleibenden Kosten.

Das hört sich nach der Quadratur des Kreises an.

Ja, das tut es. Unternehmen brauchen heute eine wahlfreie Herstellung unterschiedlichster Produktvarianten auf einem einzigen Fertigungssystem. Konkret: Ein Automobilunternehmen will all seine Getriebe auf einer einzigen Anlage fertigen. Zwischen Boden und Decke finden Sie für diese Aufgabenstellung heute schon zum Teil hochintelligente, sich selbstoptimierende Maschinen und Anlagen. In Zukunft werden diese Anlagen sich auch selbst konfigurieren und rekonfigurieren können. Das werden dann modulare Maschinensysteme sein, die sich selbst auf neue Produkte in Echtzeit konfigurieren.

Aber lässt sich diese von Kunden geforderte Produktvielfalt tatsächlich mit derartigen Anlagensystemen erreichen?

Im Grundsatz ja, allerdings mit Einschränkungen. Das beschriebene Konzept macht nicht immer Sinn, wenn man extrem hohe Komplexitätsgrade bei der Fertigung hat. Also beispielsweise bei hochkomplexen Montagen, für die hohe kognitive und haptische Fähigkeiten und Entscheidungsfähigkeiten generell gefordert sind – über die wir Menschen wunderbarerweise verfügen. Hier wäre eine technische Lösung ineffizient, auch wenn sie umsetzbar wäre. Der Mensch wird somit immer im Zentrum einer Produktion stehen müssen.

Er wird also auch in der Fabrik der Zukunft eine Rolle spielen?

Auf jeden Fall. Es wird mobile Roboter für die Montage geben, klar. Dabei wird das Werkstück nicht mehr eine Fertigungseinrichtung starr durchlaufen, sondern die Fertigungseinrichtung wird auch zum Werkstück, also zum Bauteil kommen. Roboter werden außerdem nicht mehr nur für die Montage genutzt werden, sondern sie werden eine Werkzeugmaschine ersetzen. Damit bekommen Sie eine hohe Flexibilität bei sehr geringen Anlagenkosten. In diesem Umfeld wird es manuelle Arbeitsplätz geben, die mit Assistenzsystemen die Mitarbeiter einerseits unterstützen sowie über Smart Devices und andere Möglichkeiten Menschen und Roboter in Kooperation bringen. Roboter und Mensch werden Partner, die aufeinander abgestimmt Hand in Hand arbeiten mit neuen Sicherheitskonzepten.

Weil es keinen Sicherheitszaun mehr gibt?

Es braucht Systeme, die auf Handlungen reagieren, bildgebende Systeme, die erkennen, in welche Richtung sich etwas bewegt, wo eine gefährliche Situation entstehen könnte. Es geht also um eine tatsächliche Integration der Technik mit dem Menschen, um das miteinander arbeiten und nicht nur um einen Informationsaustausch.

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Am 5. Juli erscheint Teil 2 des Interviews mit Eckart Uhlmann: "Wir wollen den Systemen Empathie beibringen". Darin erklärt er, dass sich nicht nur Maschinen und Systeme in Fabriken verändern werden, sondern auch die Werkstücke, und dass den kognitiven Systemen empathische Folgen werden.

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